Am 05.04.2017 hat das Kabinett den von Bundesjustizminister Heiko Maas eingebrachten Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken beschlossen. Betreiber sozialer Netzwerke werden unter anderem verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu löschen. Zwischen gezielt gestreuten Falschnachrichten, wie sie zum Beispiel im US-Wahlkampf vorgekommen sind und einer zunehmenden Hasskriminalität in sozialen Netzwerken, gilt der Gesetzentwurf demzufolge als Antwort auf einen bisher weitgehend rechtsfreien Raum im Internet. Doch können private Betreiber sozialer Netzwerke tatsächlich als verlängerter Arm des Staates für eine bessere Rechtsdurchsetzung im Internet sorgen? Ist dies überhaupt zulässig? Neue gesellschaftliche Problemlagen, die durch den Globalisierungsmotor Internet aufkommen, bringen die staatliche Problemlösungsfähigkeit an ihre Grenzen. Sie weisen zugleich auf die künftig noch wichtiger werdende Steuerungsfähigkeit des Staates in komplexen Governance-Strukturen hin. Hiernach steht die mangelnde staatliche Lösungsstruktur den Ressourcen globaler Großunternehmen wie Betreiber internationaler sozialer Netzwerke gegenüber. Angesichts dessen scheinen horizontale Verhandlungen in Netzwerken staatlicher und privater Akteure wichtiger als je zuvor. Dennoch reichen bisherige Selbstverpflichtungsinstrumente der betroffenen Unternehmen nicht aus, um Hasskriminalität zu bekämpfen. Ist also die Einführung bußgeldgekoppelter Compliance Regeln für Betreiber sozialer Netzwerke als vertikaler Steuerungsansatz doch der richtige Weg zur Bekämpfung von Hasskriminalität? Vor dem Hintergrund der Veränderungen staatlichen Handelns in transnationalen Problemlagen werden in einer systematischen Analyse die Stärken und Schwächen des vorliegenden Gesetzesentwurfes herausgearbeitet und bewertet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Ziele und Maßnahmen des Gesetzes
- 3. Analyse der Steuerungskonzeption
- 4. Problemanalyse
- 5. Plausibilitätsprüfung
- 5.1 Zu den Kausalhypothesen
- 5.2 Zu den Interventionshypothesen
- 5.3 Analyse aus dem Blickwinkel ergänzender Bewertungskriterien
- 6. Analyse der Einigungskosten
- 7. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Analyse untersucht den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz). Ziel ist die systematische Bewertung der Stärken und Schwächen des Gesetzesentwurfs im Hinblick auf die Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet. Die Analyse berücksichtigt dabei die Steuerungskonzeption des Gesetzes und prüft dessen Plausibilität.
- Analyse der Steuerungskonzeption des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes
- Bewertung der Maßnahmen zur Bekämpfung von Hasskriminalität
- Untersuchung der Einigungskosten und deren Auswirkungen
- Beurteilung der Plausibilität der im Gesetzentwurf formulierten Hypothesen
- Diskussion der Rolle sozialer Netzwerke bei der Verbreitung von Hasskriminalität
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ein, das als Reaktion auf zunehmende Hasskriminalität und Falschinformationen in sozialen Netzwerken konzipiert wurde. Der Text stellt die zentrale Frage, ob private Betreiber sozialer Netzwerke als verlängerter Arm des Staates zur Rechtsdurchsetzung im Internet effektiv und rechtmäßig eingesetzt werden können. Er betont die Herausforderungen staatlicher Problemlösung in transnationalen Kontexten angesichts der Ressourcen globaler Unternehmen und die Bedeutung horizontaler und vertikaler Steuerungsansätze.
2. Ziele und Maßnahmen des Gesetzes: Dieses Kapitel beschreibt das Hauptziel des NetzDG: die Bekämpfung von Hasskriminalität in sozialen Netzwerken durch schnellere Löschung strafbarer Inhalte und verbessertes Beschwerdemanagement. Es detailliert die Maßnahmen, darunter die Einführung bußgeldbewehrter Compliance-Regeln für Betreiber sozialer Netzwerke (mit Ausnahme derer mit weniger als 2 Millionen Nutzern), die einen vierteljährlichen Bericht über das Beschwerdemanagement, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten und ein wirksames Beschwerdemanagement mit Löschfristen innerhalb von 24 Stunden bis sieben Tagen vorsehen. Die Nichteinhaltung dieser Regeln wird mit Bußgeldern bis zu 5 Millionen Euro geahndet.
3. Analyse der Steuerungskonzeption: Dieser Abschnitt analysiert die Steuerungskonzeption des NetzDG anhand von Kausal- und Interventionshypothesen. Die Interventionshypothesen untersuchen den Einfluss des vierteljährlichen Berichts, des inländischen Zustellungsbevollmächtigten und des wirksamen Beschwerdemanagements auf die Verbesserung des Beschwerdemanagements. Die Kausalhypothesen verknüpfen ein verbessertes Beschwerdemanagement mit der schnelleren Löschung strafbarer Posts und diese wiederum mit einer Reduzierung von Hasskommentaren. Eine graphische Darstellung veranschaulicht die Zusammenhänge dieser Hypothesen.
4. Problemanalyse: Das Kapitel identifiziert den Widerspruch zwischen den Nutzenfunktionen der Akteure in sozialen Netzwerken: die freie Kommunikation steht im Konflikt mit der Möglichkeit der Diffamierung durch strafbare Äußerungen. Hasskommentare werden als negative externe Effekte der sozialen Netzwerke dargestellt, wobei die Betreiber als Mitverursacher aufgrund ihrer Gestaltung der Kommunikationsrahmen identifiziert werden, obwohl sie nicht die direkten Urheber der Hasskommentare sind.
Schlüsselwörter
Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), Hasskriminalität, soziale Netzwerke, Rechtsdurchsetzung, Compliance, Bußgeld, Steuerungskonzeption, Beschwerdemanagement, Plausibilitätsprüfung, Kausalhypothesen, Interventionshypothesen.
Häufig gestellte Fragen zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)
Was ist der Gegenstand dieser Analyse?
Diese Analyse untersucht systematisch den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG). Im Fokus steht die Bewertung der Stärken und Schwächen des Gesetzesentwurfs bezüglich der Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet. Die Analyse berücksichtigt die Steuerungskonzeption des Gesetzes und prüft dessen Plausibilität.
Welche Themen werden in der Analyse behandelt?
Die Analyse umfasst die Analyse der Steuerungskonzeption des NetzDG, die Bewertung der Maßnahmen zur Bekämpfung von Hasskriminalität, die Untersuchung der Einigungskosten und deren Auswirkungen, die Beurteilung der Plausibilität der im Gesetzentwurf formulierten Hypothesen und die Diskussion der Rolle sozialer Netzwerke bei der Verbreitung von Hasskriminalität.
Welche Kapitel umfasst die Analyse?
Die Analyse gliedert sich in folgende Kapitel: Einleitung, Ziele und Maßnahmen des Gesetzes, Analyse der Steuerungskonzeption, Problemanalyse, Plausibilitätsprüfung (inkl. Kausal- und Interventionshypothesen sowie ergänzender Bewertungskriterien), Analyse der Einigungskosten und Fazit.
Was ist das Hauptziel des NetzDG?
Das Hauptziel des NetzDG ist die Bekämpfung von Hasskriminalität in sozialen Netzwerken durch schnellere Löschung strafbarer Inhalte und verbessertes Beschwerdemanagement. Dies soll durch die Einführung bußgeldbewehrter Compliance-Regeln für Betreiber sozialer Netzwerke erreicht werden.
Welche Maßnahmen sieht das NetzDG vor?
Das NetzDG sieht Maßnahmen wie die Einführung bußgeldbewehrter Compliance-Regeln (ausgenommen für Plattformen mit weniger als 2 Millionen Nutzern), vierteljährliche Berichte über das Beschwerdemanagement, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten und ein wirksames Beschwerdemanagement mit Löschfristen vor. Die Nichteinhaltung wird mit Bußgeldern bis zu 5 Millionen Euro geahndet.
Wie analysiert die Studie die Steuerungskonzeption des NetzDG?
Die Analyse der Steuerungskonzeption erfolgt anhand von Kausal- und Interventionshypothesen. Die Interventionshypothesen untersuchen den Einfluss der Berichtspflicht, des inländischen Zustellungsbevollmächtigten und des Beschwerdemanagements. Die Kausalhypothesen verknüpfen verbessertes Beschwerdemanagement mit schnellerer Löschung strafbarer Inhalte und einer Reduzierung von Hasskommentaren.
Welche Problematik wird in der Problemanalyse angesprochen?
Die Problemanalyse identifiziert den Konflikt zwischen der freien Kommunikation in sozialen Netzwerken und der Möglichkeit der Diffamierung durch strafbare Äußerungen. Hasskommentare werden als negative externe Effekte dargestellt, wobei die Plattformbetreiber als Mitverursacher, trotz fehlender Urheberschaft, identifiziert werden.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Analyse?
Schlüsselwörter sind: Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), Hasskriminalität, soziale Netzwerke, Rechtsdurchsetzung, Compliance, Bußgeld, Steuerungskonzeption, Beschwerdemanagement, Plausibilitätsprüfung, Kausalhypothesen, Interventionshypothesen.
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- Tobias Hamm (Author), 2017, Eine systematische Gesetzesanalyse zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1379025