1. Einführung
Setzt man sich näher mit Literatur und Prosa auseinander, so kommt man nicht an Elementen der erzähltheoretischen Analyse vorbei. Diese ist ein Ansatz, welcher sich mit den zugrunde liegenden narrativen Elementen und Strukturen literarischer Texte befasst und darauf abzielt, deren Komplexität und Bedeutung zu entschlüsseln. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Feld, welches auf Literaturtheorie, Narratologie und anderen verwandten Disziplinen basiert, um die komplexen Funktionsweisen von Erzählungen näher zu erforschen. Durch die Untersuchung der von Autoren verwendeten Erzähltechniken und zugrunde liegenden Mechanismen des Geschichtenerzählens versuchen Erzähltheoretiker zu verstehen, wie Geschichten genau konstruiert werden und wie sie unser Lese- als auch Weltverständnis prägen können. Im Kern geht es darum, dass erkannt wird, dass literarische Erzählungen nicht nur linear zu verstehen sind, sondern sich aus vielen unterschiedlichen komplexen Bedeutungssystemen zusammensetzen, die mithilfe spezifischer Techniken konstruiert werden. Dadurch soll es ermöglicht werden, die tieferen Schichten eines Textes aufzudecken. Neben den literarischen Bestandteilen, gehört das Erzählen auch als Form der Kommunikation, zu einem wichtigen und festen Bestandteil des Lebens.1 Damit eine Erzählung unter erzähltheoretischen Aspekten näher beleuchtet werden kann, sind drei wichtige Aspekte von Belang: der Modus oder auch die Darstellung, die Stimme und die Zeit.2 Wiederfinden lassen sich diese als wichtige Bestandteile innerhalb des Modells der Narratologie nach Genette. Hierbei unterteilt er in drei relevante Kategorien, nämlich die „histoire“, die „recit“ und die „narration“, die sich mithilfe der zuvor genannten Aspekte näher untersuchen lassen.3 Die Kategorie der „Zeit“, welche für diese Ausarbeit besonders relevant sein wird, findet sich zusammen mit dem Modus zwischen dem Bereich der „histoire“ und „recit“ wieder.
Ein Text, der sich besonders für eine solche erzähltheoretische Analyse der Kategorie „Zeit“ anbietet, wäre die 1977 erschienene Kurzgeschichte von Heinrich Böll mit dem Titel „Du fährst zu oft nach Heidelberg“. Durch eine solche Analyse soll untersucht und näher herausgearbeitet werden, wie Böll sprachliche und erzähltheoretische Elemente einsetzt, um die Kategorie der Zeit in seine Geschichte zu implementieren, sowie weitergehend auch, wie dies sich auf die Handlung und den Protagonisten dieser, sowie zusätzlich auch den Rezipienten, auswirkt. Neben der erzähltheoretischen Analyse sollte auch zu einem gewissen Grad eine thematische Analyse vorgenommen und für ein besseres Verständnis in den zeithistorischen Kontext eingeordnet werden. Dadurch soll es ermöglicht werden, ein tieferes Verständnis der philosophischen, psychologischen oder auch sozialen Implikationen von Bölls Geschichte zu gewinnen. Hierzu zählt auch eine Fokussierung auf vereinzelte Erzählelemente wie die Handlungsstruktur, Charaktere oder Thematiken, wodurch die komplexe Funktionsweise des Textes aufgedeckt werden soll. Dadurch soll auch die zuvor genannte Kategorie der „Zeit“ im Rahmen derNarratologie nähergehend erläutert werden können. Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass die erzähltheoretische Analyse durch den Aspekt „Zeit“ nicht nur eine nähere Analyse der Erzählstruktur bietet, sondern zusätzlich einen Rahmen für ein besseres Verständnis der narrativen Elemente und Strukturen in Bölls Text liefert. Dadurch sollen auch die tieferen Bedeutungen und Komplexitäten des Textes aufgedeckt werden, die sich auf die Thematik und den Protagonisten der Erzählung auswirken.