Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Studienarbeit, 2022
43 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung und Problemstellung
2. Stand der Forschung
3. Vorgehen und Methodik
4. Das problemzentrierte Interview
4.1. Der Kurzfragebogen zu den Basisdaten
4.2. Der Leitfaden
4.3. Sampling
4.4. Ablauf des Interviews
5. Die Auswertung
5.1. Transkription
5.2. Inhaltsanalyse nach Mayring
6. Ergebnisse
6.1. Beschreibung der Teilnehmenden
6.2. Ergebnisse der qualitativen Interviews
7. Diskussion
7.1. Stärken und Schwächen
7.2. Projektbericht im Rahmen der schulpraktischen Studie
8. Schlussfolgerung
9. Literaturverzeichnis
10. Abbildungsverzeichnis
11. Tabellenverzeichnis
12. Anhang
12.1. Meilensteine
12.2. Detailplanung
12.3. Kurzfragebogen
12.3.1. Kurzfragebogen Proband
12.3.2. Kurzfragebogen Proband
12.3.3. Kurzfragebogen Proband
12.3.4. Kurzfragebogen Proband
12.4. Kodierleitfaden
12.5. Der Interviewleitfaden
12.6. Auswertungshirachien der Kategorien
12.6.1. Kategorie: Vorwissen zur Ausbildung
12.6.2. Kategorie: Herausforderung
12.6.3. Kategorie: Integration
12.6.4. Kategorie: vorhandene Unterstützung
12.6.5. Kategorie: Lernbegleitung
12.6.6. Kategorie: Unterstützungsbedarf in der Schule
12.6.7. Kategorie: Sprache
12.6.8. Kategorie: Sonstiges
12.6.9. Kategorie: Konzepte
In Deutschland gibt es einen Mangel an Pflegekräften, der unter anderem damit kompensiert werden soll, dass gezielt Menschen aus dem Ausland für eine Pflegeausbildung in Deutschland angeworben werden. Diese Menschen mit Migrationshintergrund in erster Generation stehen in der Pflegeausbildung vor großen Herausforderungen. Die Konzepte der Bundesregierung berücksichtigen einige dieser Herausforderungen, denen sich die Auszubildenden stellen müssen. Die schulpraktische Studie zeigt jedoch, dass die Herausforderungen und der damit verbundene Unterstützungsbedarf der Ausbildung weit über die bestehenden Konzepte hinausgeht. Die Studie hat daher das Ziel die Herausforderungen der Auszubildenden zu identifizieren und daraus entstehende Unterstützungsbedarfe zu identifizieren. Die Fragestellung der Forschung lautet daher: Welche Unterstützung wünschen sich die Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der ersten Generation durch die Pflegeschule?
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde ein qualitatives Studiendesign mit einem problemzentrierten Interview gewählt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Auszubildenden auf drei Ebenen Herausforderungen begegnen und somit auch auf drei Ebenen Unterstützungsbedarfe haben. Die erste Ebene ist der private Bereich, der Auszubildenden. Aufgrund der kulturellen und bürokratischen Unterschiede benötigen sie Unterstützung. Der praktische Bereich der Pflegeausbildung stellt die Auszubildenden vor weitere Herausforderungen wir z.B. das fehlende Verständnis für die Aufgaben in der Pflegepraxis. Der größte Unterstützungsbedarf besteht jedoch im theoretischen Bereich der Pflegeausbildung, der zahlreiche Herausforderungen für die Auszubildenden mit sich bringt.
Aus den Ergebnissen wird ersichtlich, dass es ein strukturiertes Konzept zur Begleitung von Auszubildenden mit Migrationshintergrund in erster Generation benötigt. Eine erste Skizze eines solchen Konzepts wird in dieser Studie anhand der Analyse der Interviews erstellt.
Bereits jetzt hat ein hoher Anteil der Auszubildenden in Bereich Pflege einen Migrationshintergrund sowohl in erster als auch in zweiter oder dritter Generation (Afentakis, Maier, 2013, S. 1074). Um den Fachkräftemangel zu kompensieren ist ein politisches Ziel, Menschen mit Migrationshintergrund in erster Generation für die Ausbildung als Pflegefachfrau/ mann anzuwerben (Deutscher Bundestag, 2021). Daraus resultiert ein stetig steigender Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in der Pflegeausbildung (Afentakis, Maier, 2013, S. 1074, Die Bundesregierung, 2021). Ein konkretes Projekt zur Gewinnung von Auszubildenden in der Pflege ist das „Triple Win“- Programm der Bundesregierung. Es werden gezielt Auszubildende für die Pflege in den Ländern Vietnam, Bosnien und Herzegowina, Philippinen, Mexiko, Brasilien und Tunesien angeworben (Deutscher Bundestag, 2021). Seit Beginn des Projekts im Jahr 2013 wurden bis Mitte 2021 bereits über 4500 Pflegekräfte vermittelt. Besonders die Auszubildenden die in erster Generation gezielt im Ausland angeworben werden bestehen häufig große Herausforderungen bei der Integration in Deutschland. Insbesondere die Ausbildung ist für die Auszubildenden sehr herausfordernd. Forschungen des Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BIBB) (Bethscheider; Kaufmann et al, 2017; Goth, Kretschmer et al., 2018; Lüffe, 2016; Granatos, Neises, 2017) identifizieren bereits einige Herausforderungen bei Auszubildenden mit Migrationshintergrund. In den Erfahrungen mit den Auszubildenden zeigt sich, dass häufig noch viele weitere Bedarfe im schulischen und auch außerschulischen Bereich auftreten. Zu den Bedarfen gehören unter anderem Lernbegleitung, vertiefte Praxisbegleitung oder Kulturverständnis. In dem Forschungsprojekt sollen die Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe aus Sicht der Auszubildenden erfasst werden, die bei Menschen mit Migrationshintergrund in der ersten Generation zu Ausbildungsbeginn auftreten.
Das Ziel des Forschungsprojekts ist es zunächst die Probleme und Herausforderungen der Auszubildenden beim Einstieg in die Berufsausbildung zu erfassen. Außerdem sollen Förder- und Unterstützungsbedarfe der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in erster Generation identifiziert und abgeleitet werden. Um die Ziele zu erreichen, wird im Forschungsprojekt die folgende Forschungsfrage gestellt: Welche Unterstützung wünschen sich die Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der ersten Generation durch die Pflegeschule?
Um auf bestehende Forschung aufzubauen, wird im theoretischen Rahmen der aktuelle Forschungsstand gesichtet. Dazu zählt unter andrem die aktuelle Forschung auf dem Gebiet aber auch die Betrachtung der aktuellen Programme der Bundesrepublik Deutschland zum Thema „Gewinnung von Auszubildenden in die Pflegeausbildung“. Um die Forschungsfrage zu beantworten, wird eine qualitative Forschung mittels eines problemzentrierten Interviews durchgeführt. Nach dem theoretischen Hintergrund wird ein Interviewleitfaden entwickelt und ein Kurzfragebogen mit biographischen Daten erstellt. Es werden kriteriengeleitet, vier Probanden für die Interviews ausgewählt, die Interviews werden durchgeführt und transkribiert. Die Transkripte werden regelgeleitet (Mayring, 2014) mittels eines Kodierleitfadens ausgewertet. Die Ergebnisse werden mittels einer hierarchischen Darstellung der einzelnen Kategorien gesichert. Im Diskussionsteil der Arbeit werden die Ergebnisse mit der vorhandenen Forschung und den vorhandenen Programmen der Bundesregierung verglichen und es wird ein erweitertes Unterstützungsmodell für Auszubildende in der Pflegeausbildung erstellt.
Die aktuellen Forschungen identifizieren bereits mehrere Herausforderungen für Menschen mit Migrationshintergrund in erster Generation beim Beginn einer Berufsausbildung (u.a. Gei, 2017; Baumert, Maaz, 2012; Granatos, Neises, 2017). Forschungen zu den Herausforderungen von Pflegeschülern existieren noch nicht.
Über 90% der Menschen mit Migrationshintergrund in der ersten Generation geben an, dass sie Unterstützung benötigen. Am dringendsten sehen sie den Bedarf beim Erlernen der deutschen Sprache. Dies gilt auch für diejenigen, die bereits als „Ausbildungsreif“ gelten und ein grundlegendes Sprachniveau beherrschen (Gei, 2017, S.5; Baumert, Maaz, 2012, S. 285). Außerdem geben die Menschen mit Migrationshintergrund an, dass sie sich Zugang zu Informationen und Hilfestellung bei der Kontaktaufnahme mit den Betrieben wünschen. Zusätzlich wünschen sie sich eine Hilfe im Umgang mit Behörden und aufenthaltsrechtlichen Fragen. Ein Drittel der Befragten wünscht sich mehr schulische Vorbereitung auf die Ausbildung. Auch im Alltag gaben die Befragten an, dass sie sich mehr Unterstützung wünschen. Beispielsweise im Bereich Korrespondenz mit Behörden, finden von Sprachkursen und Wohnungssuche (Gei, 2017, S. 6). Befragte Betriebe, die mit Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten bestätigten diese Bedarfe und sehen die staatlichen Unterstützungen als sinnvoll an (Gerhards, 2018, S. 4-5).
Das Triple-Win Programm der Bundesregierung sieht vier Schritte bei der Integration von Pflegekräften vor. Der erste Schritt ist Arbeitgeberberatung, bei dem eine Gesamtübersicht über den Prozess gegeben wird. Phase zwei sieht die Fachkräftevermittlung vor. Bei dieser werden dem Arbeitgeber Vermittlungsvorschläge gegeben und es finden Auswahlgespräche statt. In der dritten Phase beginnt die Vorbereitung auf die Einreise mit einem Sprachkurs, Orientierungstagen, Arbeitsmarktzulassung und Anerkennungsberatung. Nach der Einreise (Phase vier) wird der Integrationsprozess begleitet mittels Hotline und Behördenbegleitung (Lübbers, 2016, S. 50). Die Integration in Deutschland wird mit einem weiteren Deutschkurs auf B2 Niveau geplant. Auch bei weiteren Integrationsprozessen steht eine individuelle Beratung zur Verfügung.
Um die Herausforderungen, Probleme, Wünsche und Bedarfe der Auszubildenden in der Pflege mit Migrationshintergrund in der ersten Generation zu erfahren, werden in diesem Forschungsprojekt qualitative Interviews geführt. Um das Ziel zu erreichen werden 4 problemzentrierte Interviews geführt. Die Auswahl der Auszubildenden erfolgt Kriterien geleitet durch den Forschenden. Die Auszubildenden sind Migranten der ersten Generation und nach Deutschland eingewandert, um die Pflegeausbildung zu absolvieren. Im Vorfeld haben sie ein strukturiertes Programm zur Integration in die Ausbildung durchlaufen.
In der vorliegenden Arbeit werden problemzentrierte Interviews geführt. Die problemzentrierten Interviews haben das Ziel eine möglichst unvoreingenommene Erfassung der subjektiven Wahrnehmungen und Verarbeitungsweisen der einzelnen Teilnehmer zu erfassen (Witzel, 2000, S. 2). Bei der Interviewform nimmt der Interviewer eine prinzipielle Offenheit gegenüber der Empirie ein. Der Erkenntnisgewinn ist durch ein induktiv- deduktives Wechselverhältnis organisiert. Das zuvor gesammelte Vorwissen dient in dem Fall als Rahmen für den Leitfaden. Der Interviewer ist trotz des Vorwissens jedoch sehr offen für das subjektive Wissen der Teilnehmer und regt Narrationen an (Witzel, 200, S. 3). Bei der Auswertungsphase werden durch die Datenanalysten präzise Begriffe identifiziert und Hypothesen am Datenmaterial gebildet. Diese Analysemethode verhindert, dass die Problemsicht des Interviewers die des Interviewten überdeckt (Witzel, 2000, S. 3).
Das problemzentrierte Interview nutzt vier Instrumente, die das Interview unterstützen. Das erste Instrument ist der Kurzfragebogen, der zur Ermittlung von Sozialdaten wie z.B. Alter, Beruf und Geburtsort erhebt. Die zuvor erhobenen Daten müssen im Interview nicht mehr erfragt werden. Außerdem können die erhobenen Daten dem Gesprächseinstieg dienen (Witzel, 2000, S. 5). Das zweite Instrument ist die Tonträgeraufzeichnung, die eine authentische und präzise Erfassung des Kommunikationsprozesses ermöglicht. Die Aufzeichnung wird anschließend vollständig transkribiert. Das letzte Instrument ist der Leitfaden. Der Leitfaden dient als Gedächtnisstütze und ermöglicht eine Vergleichbarkeit der Interviews (Witzel, 2000, S. 5). Die verwendeten Instrumente werden in den folgenden Kapiteln dargestellt.
Vor den Interviews werden in einem Kurzfragebogen einige Basisdaten erhoben, die für das Interview von Interesse sind.
-Herkunftsland
-Geschlecht
-Alter
-Monat der Einwanderung
-Aktuelles Ausbildungsdrittel
-Sprachniveau bei Ausbildungsbeginn
Es gibt einen Leitfaden im Interview, der auf der Grundlage des theoretischen Rahmens erstellt wird (Kruse, 2015, S. 153). Im theoretischen Rahmen werden verschiedene bereits festgestellte Probleme von Migranten der ersten Generation analysiert und ein Leitfaden entwickelt, der diese aufnimmt. Außerdem wird Bezug genommen auf bereits bestehende Integrationsprogramme in der beruflichen Bildung. Der Interviewer gibt den Interviewten eine Übersicht über das Interview und folgt anschließend dem Leitfaden (Kruse, 2015, S.156). Dieses Vorgehen macht die Interviews untereinander vergleichbar. Der halbstrukturierte Leitfaden lässt jedoch noch Spielraum für Offenheit und weitere Kommunikation (Kruse 2015, S. 219). Um den Leitfaden zu erstellen, wird nach der SPSS-Methode vorgegangen (Kruse, 2015, S. 227). Das erste S steht in der Methode für das Brainstormen entscheidender Fragen mithilfe der Brainstorming-Methode (Helfferich, 2009, S. 182). Im weiteren Schritt werden die Fragen überprüft. Anschließend werden die Fragen sortiert und nach Themengebieten eingeteilt. Im letzten Schritt der SPSS-Methode werden die Fragen subsumiert und in eine sinnlogische Reihenfolge gebracht (Helfferich, 2009, S. 182).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Übersicht Ablauf der SPSS-Methode (Quelle: Angelehnt an Helfferich 2009, S. 182 - 185)
Als Samplingmethode wurde das gezielte (selektive) Sampling verwendet (Misoch, 2019, S. 194). Kriterien, nach denen sich beim Quotensampling gerichtet wurde, waren:
-Auszubildende in einer Pflegeschule
-Personen mit Migrationshintergrund in erster Generation
-Männliche und weibliche Auszubildende
Nach den Kriterien konnten 8 Auszubildende in der LVR Pflegeschule Bedburg-Hau identifiziert werden. Aus Praktikabilitätsgründen wurden die Auszubildenden ausgewählt, die zum Zeitpunkt der Erhebung in einem theoretischen Block in der Pflegeschule waren.
Zu den Probanden wurde zunächst in der Pflegeschule persönlich Kontakt aufgenommen. Ihnen wurden die Inhalte, die Problemstellung und die Ziele des Forschungsprojekts erläutert. Ihnen wurde der Ablauf des Interviews erläutert und erklärt das die Teilnahme am Interview freiwillig ist. Daraufhin sagten die Probanden dem Interview zu. Die Probanden unterschreiben vor dem Interview die Einwilligungserklärung zur Studienteilnahme und die Einwilligungserklärung zur Datenverarbeitung (Siehe Anlage).
Die Interviews wurden wie empfohlen face to face durchgeführt (Wotha; Dembowski 2017, S. 3). Aufgrund der Corona Situation wurde daher besonders auf die hygienischen Rahmenbedingungen geachtet. Das bedeutet, dass zuvor erfragt wurde, ob die Probanden bereits geimpft sind und ob sie aktuell Symptome einer Infektion zeigen. Außerdem wurde ein Schnelltest vor dem Interview durchgeführt und ein großer Raum zur Gesprächsdurchführung ausgewählt. Die Gespräche fanden mit Maske statt. Vorab wurde die Verständlichkeit auf den Tonaufnahmen mit Maske getestet.
Vor dem Interview füllten die Probenden den Kurzfragebogen aus (Siehe Anlage). Das Interview startete mit einer Einstiegsfrage. Da sich die Probanden aktuell im Praxiseinsatz befinden wurde danach gefragt, wie es ihnen bislang im Einsatz gefällt. Anschließend starteten das Interview, was laut Leitfaden in 5 Themenblöcke geteilt ist. Der erste Themenblock handelt um die Integration im Allgemeinen in Deutschland. Der zweite Themenblock konzentriert sich auf allgemeine schulische Herausforderungen für die Probanden. Der dritte Block bearbeitet das Thema Sprache. Der vierte Block behandelt das Thema Einzelförderung und der letzte Block behandelt das Thema weiterer Konzepte. Anschließend haben die Probenden noch die Möglichkeit eigene Themen einzubringen.
Die Interviewten sind bei der Interviewform als Experten zu verstehen, die ihre individuellen Vorstellungen und Meinungen darstellen. Der Interviewer kombiniert Zuhören und Nachfragen und nutzt erzähl- und verständnisgenerierende Kommunikationsstrategien (Witzel, 2000, S. 6-7).
Bei der Transkription wird die gesprochene Sprache in die schriftliche Form übertragen. Zur Transkription wurde sich an den Regeln nach eines Grundtranskripts bzw. einfachem wissenschaftlichem Transkript gehalten. Die Regeln sehen eine wörtliche Transkription vor. D.h. dass vorhandene Dialekte, umgangssprachliche Ausdrucksweise und sprachliche Eigenheiten festgehalten werden. Es werden keine grammatikalischen Korrekturen vorgenommen. Die Zeichensetzung erfolgt in Anlehnung an die grammatikalische Zeichensetzung. Der Sprachklang und die Anpassung der Sprachlautstärke wird über Kennzeichnung der Worte festgehalten. Auch sprechunterstützende Äußerungen sowie Zuhörsignale werden aufgenommen (Fuß & Karbach, 2019, S. 64-68). Die vollständigen Transkripte sind im Anhang hinterlegt. Die Transkripte werden mit Hilfe der Inhaltsanalyse von Mayring (2010) analysiert. Diese wird im Folgenden erläutert.
Bei der Inhaltsanalyse der Daten wird nach dem allgemeinen Ablaufmodell nach Mayring (2010, S. 54) vorgegangen. Dieser Vorgang ist streng regelgeleitet und überprüfbar. Es werden deduktiv aus dem Vorwissen heraus Ober- und Unterkategorien herauskristallisiert (vgl. Mayring P., Fenzl T, 2019, S. 543). Ein Kodierleitfaden dient dem Kodierer dabei als Richtlinie. Obwohl dieser Schritt von inhaltsanalytischen Regeln begleitet wird, bleibt er qualitativ-interpretativ (Mayring P., Fenzl T, 2019, S. 543). Im Folgenden wird detailliert beschrieben, wie die einzelnen inhaltsanalytischen Schritte nach Mayring in dem Forschungsprojekt umgesetzt worden sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Allgemeines inhaltsanalytisches Ablaufmodell (in Anlehnung an Mayring 2010, S. 54)
Bestimmung des Ausgangsmaterials
Die ersten drei Schritte des Ablaufmodells dienen dazu das Material festzulegen und zu begutachten. Der erste Schritt ist die Festlegung des Materials. In diesem Schritt wird genau definiert, welches Material zur Analyse genutzt wird (vgl. Mayring 2010, S. 49). In dem Fall der schulpraktischen Studie werden die vier transkribierten Interviews als Datenmaterial festgelegt. Im zweiten Schritt wird die Entstehungssituation analysiert. In diesem Schritt wird differenziert beschrieben, von wem und unter welchen Bedingungen das Material produziert wurde (vgl. Mayring 2010, S. 49). Da die Interviews mittels einer wissenschaftlichen Transkribiermethode niedergeschrieben worden sind, ist die Entstehung und Produktion des Materials detailliert beschrieben. Im nächsten Schritt werden die formalen Charakteristika des Materials und der Entstehungssituation beschrieben. In diesem Schritt wird beschrieben, in welcher Form das Material vorliegt. Das bedeutet, ob es beispielsweise Dokumente oder Transkripte sind (vgl. Mayring 2010, S. 50). In der schulpraktischen Studie liegt das Material als einfaches wissenschaftliches Transkript vor.
Nachdem im ersten Abschnitt das Ausgangsmaterial bestimmt und analysiert wurde, wird im nächsten Schritt erneut auf die Fragestellung geschaut, mit der das Material analysiert werden soll. Es stellt sich zunächst die Frage, in welche Richtung die Analyse des Materials gehen soll. Mithilfe eines inhaltsanalytischen Kommunikationsmodells können verschiedene Richtungen der Interpretationsmöglichkeiten dargestellt und differenziert werden. Es kann beispielsweise der im Material beschriebenen Gegenstand beschreiben oder die Wirkung des Textes auf die Zielgruppe herausgefunden werden (vgl. Mayring 2010, S. 51-52). In der schulpraktischen Studie soll das Material auf den Gegenstand hin analysiert werden. Das heißt es geht bei der Analyse konkret darum, was haben die Probanden zu den leitfadengestützten Fragestellungen geäußert. Der Fokus der Analyse wird klar auf den Gegenstand gelegt. Die Gesamtfragestellung der Analyse ist bereits zu Beginn der schulpraktischen Studie festgelegt worden. Mit der Analyse der Materialien soll folgende Forschungsfrage beantwortet werden: Welche Unterstützung wünschen sich die Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der ersten Generation durch die Pflegeschule? Die Ziele dabei sind die Probleme und Herausforderungen der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der ersten Generation zu erfassen und Unterstützungsbedarfe für die Auszubildenden abzuleiten.
In den folgenden Schritten wird die Analyse konkretisiert. Zunächst wird die Analysetechnik bestimmt und ein konkretes Ablaufmodell definiert. Es gibt drei grundsätzliche Wege, die einschlagen werden können, um unbekanntes sprachliches Material zu analysieren: Zusammenfassung, Explikation, Strukturierung (vgl. Mayring 2010, S. 54). Bei der schulpraktischen Studie wird die strukturierende Analysetechnik verwendet. Das bedeutet, dass eine Querauswertung des Materials vorgenommen wird. Es werden bestimmte Aspekte aus dem Material herausgegriffen. Dazu werden im Vorfeld zunächst deduktiv Kategorien gebildet. Die gebildeten Kategorien wurden aufgrund der zuvor stattgefundenen Literaturanalyse erstellt. Dem Kodierer steht es frei weitere Kategorien induktiv aus dem Material zu erstellen.
Als weiteren Schritt werden Analyseeinheiten bestimmt. Die Analyseeinheiten dienen dazu die Präzession der Inhaltsanalyse zu erhöhen (Mayring, 2010, S.). Die Kodiereinheit ist das kleinste auszuwertende Material. In der schulpraktischen Studie werden als Kodierneinheit mehrere Wörter mit einem Sinnzusammenhang gewählt. Die Kontexteinheit sind die größten Bestandteile, die in eine Kategorie fallen. Dazu wurden in der schulpraktischen Studie die gesamte Antwort auf eine Frage definiert. Die Auswertungseinheit legt die Reihenfolge fest, in der das Material ausgewertet wird. In der schulpraktischen Studie wurden die Interviews chronologisch ausgewertet. Das heißt zunächst wurde das Transkript des Interview 1 ausgewertet, dann Interview 2 usw.
Im Weiteren wird in der Inhaltsanalyse nach Mayring (2019) ein Kategoriensystem entwickelt. Im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse ist die Kategorienbildung und die Begründung der Kategorien von großer Bedeutung. Die Kategorienentwicklung kann induktiv, am Material entwickelt stattfinden oder deduktiv an theoretisch begründeten Aspekten. In der schulpraktischen Studie wird zunächst die deduktive Kategorienentwicklung gewählt, da es bereits theoretisch begründete Vorannahmen gibt. Aus der Fragestellung werden theoriegeleitet Haupt- und Unterkategorien erstellt.
Die Kategorienentwicklung verläuft dabei in 6 Schritten. Aus der Hauptfragestellung werden theoriegeleitet Einschätzungsdimensionen generiert. Der Differenzierungsgrad wird so ausgewählt, dass er zur Fragestellung und zum Material passt. Die Erstellung des Kodierleitfadens (siehe Anhang) ist das Kernstück der strukturierten Inhaltsanalyse. Zu jeder Kategorie werden Definitionen formuliert und Ankerbeispiele formuliert, die als typische Textstelle gelten. Außerdem werden Kodierregeln festgelegt, die bei Grenzfällen zwischen einzelnen Kategorien bei der Kodierung helfen. Im nächsten Schritt wird das Material gesichtet und die entsprechenden Textstellen mit Hilfe des Kodierleitfadens gekennzeichnet. In der vorliegenden Studie wurde diese Kennzeichnung in Word mit unterschiedlichen farblichen Markierungen vorgenommen. Nach dem ersten Transkript kommt es zu einer Überarbeitung des Kategoriensystems (formale Reliabilitätsprüfung). Falls sich nach der Auswertung ergibt, dass die Kategorien falsch gewählt worden sind, müssen diese ebenfalls überarbeitet werden (vgl. Mayring 2010, S. 85-86). Die Überarbeitung war in dieser Forschung nicht nötig, da die Aussagen in die Kategorien einsortiert werden konnte. Für nicht einzusortierende Aussagen wurde die Kategorie „Sonstiges“ geschaffen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Ablaufmodell deduktiver Kategorienanwendung (vgl. Mayring 2010, S. 60)
Nachdem die Reliabilitätsprüfung erfolgreich war, kommt es zum endgültigem Materialdurchgang. Anschließend wird eine abschließende Bewertung der Ergebnisse vorgenommen (summative Reliabilitätsprüfung). Die qualitativen Ergebnisse können im weiteren Verlauf zum Teil auch quantitativ bewertet werden, indem beispielsweise die Häufigkeit aufgezählt wird (vgl. Mayring 2010, S. 91-92). Zuletzt werden die Ergebnisse abschließend in Bezug auf die Hauptfragestellung interpretiert. Dies erfolgt im anschließenden Ergebnisteil der Arbeit.
Die Ergebnisse der Interviews werden neutral dargestellt. Eine Interpretation der Ergebnisse erfolgt im nachfolgenden Diskussionsteil.
Es wurden vier Interviews geführt. Drei der Teilnehmer sind männlich eine Teilnehmerin ist weiblich. Die Teilnehmer stammen alle aus Tunesien und sind zeitgleich im September 2021 nach Deutschland eingereist. Die Teilnehmer sind im Alter von 25-29 Jahren. Zu Ausbildungsbeginn hatten alle Teilnehmer das zertifizierte Sprachniveau B2.
Mit Hilfe der Inhaltsanalyse nach Mayring konnten elf Kategorien festgestellt werden, auf die die Probanden innerhalb der Interviews eingegangen sind. Die elf Kategorien sind Vorwissen zur Ausbildung, Herausforderungen in Deutschland und der Ausbildung, Gefühl der Integration, vorhandene Unterstützung, Lernbegleitung, Unterstützungsbedarfe in der Schule, Sprachniveau, Wünsche zur Sprache, Sprache im Unterricht, weiter Konzepte und Sonstiges.
In der ersten Kategorie wurden alle Aussagen zum Vorwissen aufgenommen, die die Probanden hatten, bevor die Ausbildung gestartet ist. Außerdem wurden Aussagen aufgenommen, die beschreiben, wo sie das Vorwissen erworben haben. Die Probanden äußerten außerdem Wünsche über Materialien oder Vorwissen, dass sie gerne gehabt hätten, bevor sie die Ausbildung gestartet haben. Auch diese Wünsche wurden in diese Kategorie aufgenommen.
Die Probanden gaben an, dass sie wissen, dass die Ausbildung drei Jahre dauert, dass es einen theoretischen und einen praktischen Teil in der Ausbildung gibt und dass man im Anschluss an die Ausbildung in allen Bereichen der Pflege arbeiten kann. Außerdem haben sie die Ausbildungsverträge gelesen und hatten Wissen über das Gehalt während der Ausbildung. Die Auszubildenden haben sich über die Internetseite des zukünftigen Arbeitgebers (LVR) und den Social Media Kanälen (Facebook) der zukünftigen Pflegeschule informiert. Sie hätten sich noch generelles Infomaterial in Form von Broschüren, Flyern oder Ähnlichem gewünscht. Auch in Bezug auf die Theorie in der Pflegeschule und der Arbeit beim Träger (Pflegepraxis) hätten sie sich noch einige Informationen gewünscht. Zur Theorie hätten sie gerne gewusst was genau in der Pflegeschule vermittelt wird, wie das Schulsystem mit Lerninseln funktioniert und wer die Lehrer sind. Zur Praxis hätten die Probanden sich gewünscht zu wissen, wo sie eingesetzt werden und wie der Tagesablauf auf einer Pflegestation aussieht.
In der zweiten Kategorie wurden alle Herausforderungen aufgenommen, die die Probanden benannt haben. Dazu zählen sowohl Herausforderungen in der Ausbildung als auch Herausforderungen im privaten Bereich der Auszubildenden.
Im privaten Bereich beklagten die Probanden einen hohen bürokratischen Aufwand in Deutschland. Es mussten zahlreiche Anträge mussten gestellt werden und es stand ein großer Schriftverkehr wegen der Aufenthaltsgenehmigung an. Das stellte eine Herausforderung dar. „was ich dauernd hatte, dass man vieles nicht weiß wegen der Ummeldung. Meistens zwei Wochen, dann bekommt man Abmahnung oder sowas“ (P4, Z. 38-39). Außerdem gaben die Probanden an, dass es ihnen schwer gefallen ist Kontakte zu knüpfen. Besonders herausfordernd empfanden sie das Kontakte knüpfen in der Kleinstadt (Bedburg-Hau). Zusätzlich geben sie Heimweh an. Auch Geldsorgen stellten in den ersten Monaten eine große Herausforderung dar. Drei der vier Auszubildenden hatten keine Ersparnisse. Das erste Gehalt wird jedoch erst rückwirkend ausgezahlt, so dass sie auf den Träger der Ausbildung angewiesen waren.
Die Herausforderungen in der Ausbildung teilen sich in schulische und praktische Herausforderungen. In der Pflegeschule empfanden die Probanden das Schulsystem zunächst als große Herausforderung. Das duale System der Ausbildung ist den Probanden nicht bekannt gewesen und sie hatten kein Verständnis für Lerninseln oder handlungsorientiertes Lernen. Sie hatten ein Fächersystem erwartet. Durch die Klausuren, die mündlichen und praktischen Prüfungen fühlten sich die Probanden unter Druck gesetzt und empfanden besonders die schriftlichen Klausuren als herausfordernd. Sie gaben an, dass sie Klausuren in dem Ausmaß von 120 Minuten und mehreren Seiten nicht kannten. „Ich hatte keine Ahnung, wie die Klausuren hier in Deutschland sind, dann bin ich einfach vor einer Klausur mit mehr als 20 Seite oder sowas überrascht worden. Ich dachte, das ist eine Zeitung oder so. Ehrlich…“ (P3, Z. 210-213). Eine weitere Herausforderung stellten Gruppenarbeiten für die Probanden in der Pflegeschule dar. Lt. den Angaben der Probanden gibt es das Konzept der Gruppenarbeiten in Tunesien nicht. „Das Prinzip der Gruppenarbeit für mich am Anfang außergewöhnlich […] das für mich außergewöhnlich das Prinzip an sich. Ich habe es nicht verstanden am Anfang, es war Aufgabenverteilung. Jeder macht seine Aufgabe und dann sammeln wir das am Ende und wir präsentieren das ja. Aber das war falsch“ (P2, Z. 235-239). Auch im Klassenkontext gaben die Auszubildenden die Kontaktaufnahme als herausfordernd an. Sie empfanden diese sogar als noch herausfordernder als im privaten Bereich. „also ich finde das ist eher die Integration in der Klasse an sich ist schwieriger als die ganze Situation in[ … ]. In Deutschland ist es schon einfacher als im Klassenraum sozusagen“ (P4, Z. 173-177). Die übergeordnete Herausforderung sowohl im Privatleben, der Pflegepraxis als auch der Pflegeschule empfanden 3 von 4 Auszubildenden die Sprache als größte Herausforderung. Daher wurde aus der Sprache eine eigene Kategorie erstellt, die an späterer Stelle detaillierter beleuchtet wird.
Die dritte Kategorie greift das Gefühl der Integration bei den Auszubildenden auf. Die Hälfte der Probanden gibt an, dass sie sich integriert fühlen und die andere Hälfte der Probanden gibt an, dass sie sich eher nicht integriert fühlen. Der Grund für das Gefühl ist von den Kontakten zu anderen Personen abhängig. Als Grund für das Gefühl der Integration werden vorhandene Kontakte angegeben und als Grund für das nicht Vorhandensein von einem Integrationsgefühl werden fehlende Kontakte angegeben. „…ich fühle mich vielleicht ein bisschen alleine, ich habe keine Freunde, was tun? (ähm) Das ist ein bisschen schwierig. (…) Es wäre besser, wenn man z.B. Kontakte mit anderen hätte oder mit anderen spreche“ (P1,Z79-80). Als weiteres Hindernis zu dem Gefühl der Integration geben die Probanden die Sprache an, die sie daran hindert Kontakte im privaten Bereich aufzunehmen.
[...]