Während Gottesbeweise gegenwärtig ausserhalb der römisch-katholischen Kirche und der philosophischen Theologie vermutlich keine sonderliche Relevanz mehr aufweisen, ist der Streit um die Existenz Gottes gerade durch neue atheistische Publikationen wie jene von Richard Dawkins auch öffentlich wieder aufgeflammt. Zwar ist dieser Streit in den angelsächsischen Print- und Internetmedien stärker repräsentiert als in den deutschsprachigen; die eigentliche Streitfrage dürfte indessen nicht davon abhängig sein. Daher lohnt es sich aus philosophischer Sicht, sich auch heutzutage mit Gottesbeweisen zu beschäftigen.
Denn rationale Gottesbeweise wie die sog. „Fünf Wege“ von Thomas von Aquin sind – da sie philosophische Beweise sein sollen – mit dem Anspruch ahistorischer Gültigkeit verbunden. Sie sollten also heutzutage genauso überzeugend sein wie im 13. Jahrhundert, als sie formuliert worden sind.
Ob dies tatsächlich zutrifft, überprüft die vorliegende Arbeit. Da solche Beweise durchaus auch heute noch in der Debatte eingesetzt werden, ist eine kritische Betrachtung dieser Beweise deutlich angezeigt. Dabei wird systematisch orientiert vorgegangen und nicht historisch, ohne aber deshalb die Wichtigkeit eines gewissen historischen Grundverständnisses der scholastischen Lebenswelt von Thomas von Aquin bestreiten zu wollen. Deshalb werden einige der für die gegebene Aufgabenstellung relevanten Aspekte der Philosophie von Thomas von Aquin im historischen Kontext dargestellt. Der wesentliche Teil der Arbeit bildet aber die kritische Prüfung der Gottesbeweise und ihre argumentative Bewertung.
Im Verlauf dieser Prüfung wird herausgearbeitet, dass obwohl die Beweise nicht in einem strikten Sinne widerlegt werden können, sie doch von erheblichen philosophischen Voraussetzungen abhängen und daher nicht „selbstgenügsam“ sind, also niemanden rational zu überzeugen vermögen, der nicht diesen philosophischen, meist metaphysischen Voraussetzungen (bereits) zustimmt. Dies wirft auch die Frage auf, ob ernsthaft von Gottes“beweisen“ gesprochen werden kann; die Arbeit thematisiert deshalb abschliessend, ob es akkuratere Beschreibungen für diese „Argumentationen für Gott“ geben könnte. Wenngleich dadurch aufgezeigt werden kann, dass die Rationalität solcher Argumentationen gerade in prudentiell-subjektiver Hinsicht nicht bestritten werden kann, ändert dies für das Endresultat jedoch wenig: Die aquinischen Beweise als objektive, ahistorisch gültige Beweise scheitern.
Inhaltsverzeichnis
- Vorgehen und Aufbau der kritischen Betrachtung
- „Alle Wege führen nach Rom - und fünf zu Gott!“
- „Gottesbeweise“: Philosophisch und theologisch
- Bekannte Gottesbeweise und ihre Kritik
- Thomas von Aquin und die „Natürliche Theologie“
- Thomas von Aquin - Platonismus, Aristotelismus und „die Bibel“
- Natürliche Theologie – die rationale Erkenntnis von Gottes Existenz
- Ziel, Vorgehen und Struktur der „Fünf Wege“
- Ziel
- Vorgehen
- Struktur
- Die „Fünf Wege“ (Gottesbeweise)
- Beweis der Bewegung (ex parte motus)
- Beweis der Wirkursache (ex ratione causae efficientis)
- Beweis der Kontingenz (ex possibili et necessario)
- Beweis der Seinsstufen / der Vollkommenheitsstufen (ex gradibus perfectionum)
- Beweis der Lenkung der Dinge / aus der Weltordnung (ex gubernatione mundi)
- Das Wesen Gottes
- Weshalb die Gottesbeweise scheitern
- Könnte mit diesen Beweisen ein christlicher Gott bewiesen werden?
- Gottes„Beweise“?
- „Nur ein (angeblicher) Weg zu Gott: Der Glaube“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht kritisch die Gültigkeit der fünf aquinischen Gottesbeweise. Sie beleuchtet die philosophischen und theologischen Hintergründe dieser Beweise, analysiert deren Struktur und Argumentation und diskutiert deren Überzeugungskraft im Kontext moderner philosophischer und wissenschaftlicher Debatten. Der Fokus liegt auf der systematischen Analyse der Argumente und nicht auf einer rein historisch-theologischen Betrachtung.
- Kritische Analyse der aquinischen Gottesbeweise („Fünf Wege“)
- Untersuchung der philosophischen und theologischen Grundlagen der Beweise
- Bewertung der Beweise im Lichte moderner philosophischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse
- Diskussion der Relevanz von Gottesbeweisen in einer säkularisierten Gesellschaft
- Erörterung alternativer Perspektiven auf die Frage nach Gottes Existenz
Zusammenfassung der Kapitel
Vorgehen und Aufbau der kritischen Betrachtung: Die Arbeit entstand aus einer E-Mail-Diskussion über die Glaubwürdigkeit aquinischer Gottesbeweise. Sie präsentiert zunächst das Problem und die Relevanz einer philosophischen Auseinandersetzung damit. Der Aufbau folgt einer systematischen Struktur: Vorstellung des Problems, Erörterung der formalen Art der Gottesbeweise, Darstellung klassischer Gottesbeweise und deren Kritiken, historischer Kontext (Thomas von Aquin und natürliche Theologie), Analyse der „Fünf Wege“, Diskussion des Scheiterns der Beweise und Überlegungen zu einer angemesseneren Bezeichnung als „Beweise“.
„Alle Wege führen nach Rom - und fünf zu Gott!“: Dieses Kapitel etabliert den Kontext der Arbeit. Es diskutiert die Relevanz von Gottesbeweisen in einer säkularisierten, protestantisch geprägten Umgebung, wobei die unterschiedlichen Haltungen der protestantischen und katholischen Theologie gegenüber Gottesbeweisen hervorgehoben werden. Es wird die Frage nach der Berechtigung einer philosophischen Auseinandersetzung mit Gottesbeweisen, insbesondere im Hinblick auf ihre ahistorische Gültigkeit und ihre Relevanz in aktuellen Debatten um Atheismus und religiösen Glauben, behandelt.
Thomas von Aquin und die „Natürliche Theologie“: Dieses Kapitel beleuchtet die philosophischen und theologischen Wurzeln der aquinischen Gottesbeweise. Es beschreibt Thomas von Aquins philosophische Position, beeinflusst von Platonismus und Aristotelismus, und seine Integration des Glaubens in das rationale Denken. Die „Natürliche Theologie“ als Ansatz zur rationalen Erkenntnis Gottes wird erläutert.
Ziel, Vorgehen und Struktur der „Fünf Wege“: Dieses Kapitel beschreibt die Ziele, die methodische Vorgehensweise und die Struktur der fünf aquinischen Gottesbeweise. Es legt die Grundlage für die detaillierte Analyse der einzelnen Beweise in den folgenden Kapiteln.
Die „Fünf Wege“ (Gottesbeweise): Dieses Kapitel bietet eine detaillierte Darstellung und Analyse der fünf aquinischen Gottesbeweise, die jeweils einzeln erläutert und kritisch hinterfragt werden. Die Argumentationsstrukturen, Prämissen und Schlussfolgerungen jedes Beweises werden systematisch untersucht.
Weshalb die Gottesbeweise scheitern: Dieser Abschnitt fasst die zentralen Kritikpunkte an den aquinischen Gottesbeweisen zusammen und erklärt, warum diese Beweise letztendlich nicht rational überzeugend sind. Die Argumentation stützt sich auf die vorherige Analyse der einzelnen Beweise.
Schlüsselwörter
Aquinische Gottesbeweise, Fünf Wege, Natürliche Theologie, Thomas von Aquin, Gottesexistenz, rationale Erkenntnis, Philosophie, Theologie, Glaube, Vernunft, Kritik, Moderner Atheismus, Säkularisierung.
Häufig gestellte Fragen zu: Kritische Betrachtung der Aquinischen Gottesbeweise
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht kritisch die Gültigkeit der fünf aquinischen Gottesbeweise. Sie analysiert deren Struktur, Argumentation und Überzeugungskraft im Kontext moderner philosophischer und wissenschaftlicher Debatten. Der Fokus liegt auf der systematischen Analyse der Argumente, nicht auf einer rein historisch-theologischen Betrachtung.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die kritische Analyse der aquinischen Gottesbeweise ("Fünf Wege"), die Untersuchung ihrer philosophischen und theologischen Grundlagen, deren Bewertung im Lichte moderner Erkenntnisse, die Diskussion ihrer Relevanz in einer säkularisierten Gesellschaft und die Erörterung alternativer Perspektiven auf die Frage nach Gottes Existenz.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Hintergrund und die Relevanz des Themas darstellt. Es folgen Kapitel zu den philosophischen und theologischen Hintergründen der Gottesbeweise (insbesondere Thomas von Aquin und die natürliche Theologie), eine detaillierte Darstellung und Analyse der "Fünf Wege" selbst, eine Zusammenfassung der Kritikpunkte an diesen Beweisen und eine abschließende Diskussion.
Wer ist Thomas von Aquin und welche Rolle spielt er?
Thomas von Aquin ist eine zentrale Figur. Die Arbeit beleuchtet seine philosophische Position, beeinflusst von Platonismus und Aristotelismus, und seine Integration des Glaubens in das rationale Denken. Seine "Natürliche Theologie" als Ansatz zur rationalen Erkenntnis Gottes bildet die Grundlage der untersuchten Gottesbeweise.
Was sind die "Fünf Wege"?
Die "Fünf Wege" sind fünf verschiedene Argumentationslinien, die Thomas von Aquin zur Begründung der Existenz Gottes verwendet hat. Die Arbeit analysiert jeden dieser Wege einzeln: den Beweis der Bewegung, den Beweis der Wirkursache, den Beweis der Kontingenz, den Beweis der Seinsstufen und den Beweis der Lenkung der Dinge.
Warum scheitern die Gottesbeweise laut dieser Arbeit?
Die Arbeit fasst zentrale Kritikpunkte zusammen, die zeigen, warum die aquinischen Gottesbeweise letztendlich nicht rational überzeugend sind. Diese Kritikpunkte basieren auf der detaillierten Analyse der Argumentationsstrukturen und Prämissen der einzelnen Beweise.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass die aquinischen Gottesbeweise nicht als zwingende Beweise für die Existenz Gottes angesehen werden können. Sie diskutiert auch die Frage nach einer angemesseneren Bezeichnung als "Beweise" und erörtert alternative Perspektiven auf die Frage nach Gottes Existenz.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Aquinische Gottesbeweise, Fünf Wege, Natürliche Theologie, Thomas von Aquin, Gottesexistenz, rationale Erkenntnis, Philosophie, Theologie, Glaube, Vernunft, Kritik, Moderner Atheismus, Säkularisierung.
- Quote paper
- MA Marcel Mertz (Author), 2007, Fünf Wege zu Gottes Existenz?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/135495