Die Bachelorarbeit „Doping im Freizeit- und Breitensport - Eine empirische Studie unter besonderer Berücksichtigung des Langstreckenlaufs“ behandelt die Frage, ob und in wie weit die Dopingproblematik auch im breitensportlichen Bereich des Langstreckenlaufes vertreten ist. In dieser Studie wird neben der Verbreitung von illegalen Dopingsubstanzen und der missbräuchlichen Verwendung frei verkäuflicher Arzneimittel zudem die Einstellung der Sportler gegenüber eines gesundheitlich gefahrenlosen Dopings untersucht. Diverse Studien zum Medikamentenmissbrauch im Fitnesssport dienen hinsichtlich der ermittelten Ergebnisse als Vergleichsstudien. Für die Bearbeitung der angesprochenen Thematik wurde eine umfangreiche WWW-gestützte Internetbefragung durchgeführt, bei der durch eine zielgerichtete Werbung insbesondere die Gruppe der Langstreckenläufer angesprochen werden konnte.
Die anschließende Auswertung der abgegebenen Antworten der 288 befragten Personen machte deutlich, dass im Gegensatz zum Fitnessport im Langstreckenlauf von einer äußerst geringen Dopingproblematik gesprochen werden kann, da der Gebrauch von illegalen Dopingsubstanzen lediglich von 2,1% der Untersuchungsteilnehmer bestätigt wurde. Ferner dokumentiert die vorliegende Studie eine nicht außergewöhnlich hohe Tendenz zur Einnahme frei verkäuflicher Arzneimittel (9,7%). Da die Wirkungen eines Medikamentes allerdings durch einen veränderten Metabolismus während einer sportlichen Betätigung beeinflusst werden und bei längerfristigem Gebrauch zu Schädigungen führen können, muss dieses Ergebnis als nicht unbedenklich eingestuft werden. Abschließend werden die ermittelten Ergebnisse für die Konzeptionierung präventiver Anti-Doping-Maßnahmen aufgegriffen. Dabei wurden vor allem mögliche Aufklärungskampagnen berücksichtigt, die bei richtiger Positionierung gezielt die Gruppe der Langstreckenläufer ansprechen.
Inhaltsverzeichnis
1. Abbildungsverzeichnis
2. Einleitung
3. Definition des Dopings
3.1 Unterschiede zwischen Doping und Arzneimittelmissbrauch
3.2 Mögliche gesundheitliche Folgen
3.3 Volkswirtschaftliche Folgen
4. Verschiedene Wege der illegalen Leistungssteigerung
4.1 Anabole Steroide
4.2 Beta-2-Agonisten
4.3 Peptidhormone
4.4 Stimulanzien
4.5 Frei erhältliche Arzneimittel und Medikamente
5. Die derzeitige Situation im Spitzensport
6. Empirische Studie zum Doping im Freizeit- und Breitensport
6.1 Befragung mittels anonymer Fragebögen
6.2 Untersuchungskollektiv
6.3 Inhaltliche und äußere Fragebogenkonzeption
6.4 Statistische Auswertung
7. Ergebnisse der Studie zum Doping im Freizeit- und Breitensport
7.1 Stichprobenbeschreibung
7.2 Deskriptive Statistik
7.3 Zusammenhang von Basischarakteristika, Arzneimittelmissbrauch und Doping
7.4 Bereitschaft zur illegalen Leistungssteigerung
7.5 Doping- und Arzneimittelanamnese
8. Anti-Doping-Maßnahmen im Breitensport
8.1 Verschärfung des Arzneimittelgesetzes
8.2 Aufklärungskampagnen im Freizeitsport
8.3 Die Bedeutung der Medien
9. Zusammenfassung
10. Literaturverzeichnis
1. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die zuletzt besuchte Seite bei Beendigung der Onlinebefragung
Abbildung 2:Die wöchentliche Trainingsfrequenz aller Probanden
Abbildung 3: Die sportliche Selbstbezeichnung aller Probanden
Abbildung 4: Der Gebrauch von Medikamenten und illegalen Dopingsubstanzen
Abbildung 5: Der potentielle Gebrauch von Arzneimitteln und Dopingsubstanzen
Abbildung 6: Die wöchentliche Trainingsfrequenz der Arzneimittelkonsumenten
Abbildung 7: Die abgeschlossene Schulausbildung der gesamten Untersuchungsgruppe und der potentiellen Dopingmittelkonsumenten
Abbildung 8: Die Laufjahre der gesamten Untersuchungsgruppe und der potentiellen Dopingmittelkonsumenten
Abbildung 9: Die eingenommenen Dopingsubstanzen
Abbildung 10: Die eingenommenen Arzneimittel
Abbildung 11: Die Gründe für den Gebrauch von Arzneimitteln
2. Einleitung
Die Dopingproblematik im Sport wird in der heutigen Gesellschaft überwiegend im Zusammenhang mit dem Spitzen- und dem Hochleistungssport thematisiert. Insbesondere nach den positiven Dopingbefunden bei der Tour de France 2006 sowie nach den Fabelweltrekorden von Usain Bolt und Michael Phelps bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking wuchs das globale Medieninteresse am Doping im Spitzensport. Diesbezüglich sind die vermehrten Dopingvorfälle im Hochleistungssport allerdings nicht einzig auf ein individuelles Fehlverhalten zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Organisation des professionellen Sports. Nach Bette & Schimank (2008) resultiert demnach die starke Dopingneigung in einigen Disziplinen aus dem unbeabsichtigten Ergebnis des Zusammenwirkens unterschiedlichster Interessen aus Leistungssport, Wirtschaft, Politik, Massenmedien und Publikum. Getreu dem olympischen Motto „schneller, höher, weiter“ verlangt der Zuschauer stets neue Rekorde sowie spannende Wettkämpfe und erhöht folglich den Leistungsdruck auf den jeweiligen Sportler. Ferner weckt das gesteigerte Publikumsinteresse zunächst die Aufmerksamkeit der Massenmedien, welches die Gier nach neuen Rekorden nicht unwesentlich beeinflusst. Der Gebrauch illegaler Dopingsubstanzen zur gezielten Leistungssteigerung ist insofern zwar keinesfalls tolerierbar, aber mit Abstrichen durchaus verständlich.
Demgegenüber bleibt die Dopingsituation des Freizeit- und Breitensport unterthematisiert und in vielerlei Hinsicht gänzlich unbeachtet. „Da es auf den unteren Ebenen des wettkampforientieren Breitensports und im Freizeitsport jenseits des Wettkampfsystems keine Dopingkontrollen gibt, ist hier die Intransparenz der Dopinggeschehnisse besonders hoch“ (Kläber, 2009, S. 3). Dennoch ist davon auszugehen, dass auch bei Freizeitsportlern die Einnahme illegaler leistungssteigernder Substanzen, vor allem auf dem Sektor des Fitness- und Kraftsports, zum Teil ähnlich verbreitet ist wie im Hochleistungssport. Eine Befragung in 24 kommerziellen norddeutschen Sportstudios von Boos, Wulff, Kujath und Bruch (1998) erbrachten diesbezüglich bedenkliche Ergebnisse.
„So gaben 24 Prozent der befragten Männer und 8 Prozent der Frauen an, anabol wirkende Medikamente zu sich zu nehmen. In 94 Prozent der Fälle handelte es sich um potentiell hoch lebertoxische Substanzen, die hauptsächlich auf dem Schwarzmarkt besorgt und zu 14 Prozent von Ärzten verschrieben wurden“ (Boos et al., 1998, S. 41). In Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen ermittelte der Rechtswissenschaftler und Allgemeinmediziner Heiko Striegel im Jahre 2002 erneut die Dopingsituation in kommerziellen Fitnessstudios, speziell im süddeutschen Raum. In dieser Studie wurden mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens 621 Sportler hinsichtlich ihres Drogen- und Dopingmittelkonsums untersucht. „Selbst wenn die Ergebnisse aufgrund der fraglichen Repräsentativität und unerwünschter erhebungstechnischer Effekte, wie zum Beispiel Antwortverzerrungen durch Ja/Nein-Sagetendenzen oder soziale Erwünschtheit, unter Vorbehalt zu generalisieren sind, bestätigen sie die Studie von Boos et al. (1998)“ (Kläber, 2009, S. 4).
Über die missbräuchliche Verwendung von Dopingsubstanzen bzw. Arzneimitteln ist im Langstreckenlauf bislang allerdings nur äußerst wenig bekannt. Über die Zahl der Hobbyläufer, die zum Beispiel vor einem Städtemarathon mit Hilfe eines Medikaments bewusst ihre Leistung steigern wollen, können bislang nur Vermutungen angestellt werden. Der Direktor des österreichischen Instituts für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung Hans Holdhaus geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass bei Breitensportveranstaltungen wie dem Wien-Marathon etwa zehn bis 30 Prozent der Starter zu unerlaubten Mitteln greifen. Eine diesbezügliche Stichprobenanalyse beim Jungfrau-Marathon 1998 in der Schweiz konnte allerdings keine Hinweise auf einen verbreiteten Dopingmissbrauch unter den Hobbyläufern geben, wohl aber auf die missbräuchliche Einnahme von Schmerzmitteln. So ergab die in diesem Zusammenhang durchgeführte Dopingkontrolle an 130 Elite- und Freizeitsportlern lediglich einen positiven Dopingbefund, jedoch zeigten 34,6 Prozent der Urinproben eine vorherige Einnahme von Schmerzmitteln, welche nicht auf der Dopingliste figurieren.
Dennoch können scheinbar harmlose Arzneimittel unter bestimmten Voraussetzungen ebenso zu gesundheitlichen Problemen führen wie illegale leistungssteigernde Dopingmittel, auch wenn die Auswirkungen in den meisten Fällen weniger schwerwiegend sind.
In der vorliegenden Arbeit werde ich zunächst die theoretischen Grundlagen des Dopings erläutern und neben einer Definition auch gesundheitliche sowie volkswirtschaftliche Folgen aufzeigen. Anschließend werde ich einige typische Methoden der illegalen Leistungssteigerung am Beispiel verschiedener Substanzen und Arzneimittel darstellen und auf deren Gebrauch im Spitzensport eingehen. Nach dieser ausschließlich auf Fachliteratur basierenden Vorgehensweise werde ich in Kapitel 6 zunächst meine selbstständig durchgeführte Studie zur Dopingproblematik bzw. zum Arzneimittelmissbrauch im Freizeit- und Breitensport vorstellen und anschließend die gewonnenen Ergebnisse präsentieren. Auf Grundlage dieser Ergebnisse werde ich abschließend diverse Vorschläge zur Verbesserung bestehender und präventiver Anti-Doping Maßnahmen präsentieren.
3. Definition des Dopings
Eine einheitliche und genaue Definition des Begriffs Doping wirft insbesondere aufgrund der problematischen Abgrenzung zwischen erlaubter Substitution und verbotenen Dopings einige Schwierigkeiten auf. Einen der ersten Ansätze in der Entwicklung stellte die nachfolgende, vom Europarat 1963 beschlossene Definition des Dopings dar:
Doping ist die Verabreichung oder der Gebrauch körperfremder Substanzen in jeder Form und physiologischer Substanzen in abnormaler Form oder auf abnormalem Weg an gesunde Personen mit dem einzigen Ziel der künstlichen und unfairen Steigerung der Leistung für den Wettkampf. Außerdem müssen verschiedene psychologische Maßnahmen zur Leistungssteigerung des Sportlers als Doping angesehen werden. (vgl. Dreyer & Krüger, 2004, S. 156)
Aufgrund der fehlenden Konkretisierung in Bezug auf die Bezeichnung der verbotenen Substanzen und der unzureichenden Durchführungsbestimmungen über den Ablauf der Dopingkontrollen, bleibt diese Definition sehr unbefriedigend. „Bei der Welt-Doping-Konferenz 1999 in Lausanne wurde schließlich eine neue Definition von Doping festgelegt, die Doping enumerativ bestimmte, d. h. als eine Liste von ausdrücklich aufgezählten verbotenen Wirkstoffen und Verhaltensweisen“ (Mitterer, 2009, S. 3). Diese Regelung wurde bis Ende 2003 von fast allen internationalen Sportfachverbänden vollständig übernommen, wobei es jedoch bei einigen Fachverbänden vereinzelt zu Abweichungen kam.
Eine weltweite Standardisierung folgte im Jahre 2004 mit der Einführung des World Anti-Doping Codes. Gemäß Artikel 1 des World Anti-Doping Codes wird Doping als „das Vorliegen eines oder mehrerer der in Artikel 2.1 bis Artikel 2.8 festgelegten Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen“ definiert (vgl. WADA, 2009, S. 11).
Dabei beziehen sich die Verstöße gegen die Anti-Doping-Regeln in Artikel 2.1 bis Artikel 2.8 nicht nur auf den Gebrauch oder den versuchten Gebrauch einer verbotenen Substanz oder Methode, sondern ferner auch auf die Meldepflicht bei Trainingskontrollen und auf den Besitz bzw. das Handeln mit verbotenen Dopingmitteln. „Neu ist damit, dass nun auch Sportmediziner, Trainer oder sonstige Betreuer den Tatbestand des Dopings erfüllen können“ (Striegel, 2008, S. 31).
3.1 Unterschiede zwischen Doping und Arzneimittelmissbrauch
Eine Abgrenzung zwischen missbräuchlich eingenommenen Arzneimitteln und einem tatsächlichen Doping ist trotz der in Kapitel 3 vorgestellten Dopingdefinition der WADA nicht ganz einfach. Formal juristisch kann ein illegales Dopingpräparat mit Hilfe der Liste verbotener Substanzen, welche von der WADA mindestens einmal jährlich herausgegeben wird, zwar eindeutig von einem rezeptpflichtigen oder rezeptfreien Arzneimittel unterschieden werden, objektiv betrachtet erfüllt der Missbrauch von Arzneimitteln aber dennoch genau den Kriterien des Dopings. Aufgrund dessen, dass im Freizeit- und Breitensport keine Dopingkontrollen durchgeführt werden und die Zahl der angewandten Dopingsubstanzen im Vergleich zum Leistungssport eher beschränkt ist, hat das Reglement der WADA auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zum Arzneimittelmissbrauch des Freizeitsportlers.
Die Einnahme eines illegalen Dopingmittels geschieht primär mit dem Ziel der sportlichen Leistungssteigerung im Wettkampf, wohingegen der Arzneimittelgebrauch diesbezüglich auch noch andere Aspekte aufweisen kann. So ist die Einnahme eines vom Arzt verschriebenen Medikamentes, zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung, keinesfalls mit dem Gebrauch eines Dopingmittels vergleichbar. Wenn hingegen ein Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung mit dem Ziel der Leistungssteigerung im Wettkampf eingenommen wird, auch wenn dieser Effekt möglichweise gar nicht auftritt, ist dieses bereits als Betrugsversuch und demnach mit Abstrichen auch als Doping im Sport anzusehen. Mit der Extrapolation des World Anti-Doping Codes auf den Breitensport, wenn also zum Beispiel die Verwendung jeglicher Substanzen zur individuellen Leistungssteigerung im Wettkampf bereits als Dopingvergehen gewertet wird, so erfüllt die missbräuchliche Einnahme von Arzneimitteln durchaus den Tatbestand des Dopings.
Doch auch wenn eine Leistungssteigerung im Sport durch die missbräuchliche Einnahme handelsüblicher Arzneimittel wahrscheinlich weniger auf eine gesteigerte Leistungsfähigkeit zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf die damit verbundenen psychischen Effekte beruht, sollte das gesundheitsgefährdende Potential dieser Mittel nicht vernachlässigt werden.
3.2 Mögliche gesundheitliche Folgen
Die gesundheitlichen Risiken eines dauerhaften bzw. längerfristigen Medikamentengebrauches sind äußerst vielseitig, da die möglichen Nebenwirkungen von Dopingsubstanzen und Arzneimitteln im Wesentlichen von drei Faktoren abhängig sind. „Zum einen von der Art der konsumierten Substanz, zum anderen von der Wirkstoffmenge und zum dritten von den Wechselwirkungen verschiedener Wirkstoffe bei multiplem Dopingsubstanzkonsum“ (Striegel, 2008, S. 22).
Dabei können die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht nur von temporärer Dauer sein. So sind diesbezüglich auch irreversible Schäden an verschiedenen Organsystemen bis hin zu Todesfällen bekannt. Als prominente Vertreter seien in diesem Zusammenhang die Leichtathletin Birgit Dressel sowie der Top-Bodybuilder Andreas Münzer genannt, welche aufgrund von multiplem Organversagen, wahrscheinlich bedingt durch den massiven Dopingkonsum über mehrere Jahre, im Alter von 26 bzw. 31 Jahren verstorben sind. Doch auch ein konsequent und dauerhaft durchgeführter Arzneimittelmissbrauch, welches im Freizeitsport wahrscheinlich häufiger betrieben wird als der Gebrauch illegaler Dopingsubstanzen, kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schädigungen führen. Insbesondere im Verbund mit intensiven sportlichen Aktivitäten, wie beispielsweise einem Marathonlauf, dürfen die Gefahren klassischer Zyklooxygenasehemmer nicht vernachlässigt werden.
Diesbezüglich ist neben einer körperlichen Überlastung aufgrund medikamentös bedingter Schmerzfreiheit auch die Schädigung der Niere zu beachten. „So kam es in Südafrika am Ende von Marathonläufen zum akuten Nierenversagen vor allem bei Läufern, die vorher ein Schmerzmittel eingenommen hatten“ (Brune, Krämer & Niederweis, 2008, A 1894). Der regelmäßige Gebrauch dieser Zyklooxygenasehemmer, wie zum Beispiel Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Ibuprofen, birgt zudem ein erhebliches Suchtpotential und bereitet den Boden für die Einnahme illegaler leistungsfördernder Substanzen.
In diesen Zusammenhang ist zum Beispiel die Verwendung anaboler Steroide zu nennen, welche nicht nur im Fitnesssport oder im Bodybuilding, sondern darüber hinaus auch in Ausdauersportarten eine wirksame Methode zur Leistungssteigerung darstellt. „Aufgrund dessen, dass anabole Steroide bereits seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu Dopingzwecken im Sport eingesetzt werden, sind neben akuten Veränderungen auch Langzeitnebenwirkungen dieser Substanzklasse mehrfach in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden“ (Striegel, 2008, S. 23). Allerdings sollte in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den beobachteten Nebenwirkungen und dem Anabolikamissbrauch in den meisten Fällen nicht eindeutig zu belegen ist, da deren Ursache möglicherweise auch auf andere exogene Faktoren zurückgeführt werden kann.
Zu den vielseitigen Nebenwirkungen einer hochdosierten und längerfristigen Anabolikaeinnahme, welche sowohl in epidemiologischen Studien als auch in Befragungen mit Betroffenen bestätigt werden konnten, zählen zum einen kosmetische Störungen, wie beispielsweise ausgeprägte Akne, Haarausfall, Vermännlichung der Körperbehaarung bei Frauen oder eine meist schmerzhafte Vergrößerung des Brustdrüsengewebes bei Männern, sowie zum anderen eine Störung des Lipoprotein- und Lipidstoffwechsels. Desweiteren ist durch eine längerfristige Anabolikaeinnahme auch eine gesundheitsgefährdende Veränderung des Herzmuskels bekannt. „Echokardiographische Untersuchungen des Herzens zeigten makroskopische Veränderungen mit einer Erhöhung des Hypertrophieindexes um etwa 20 % und Beeinträchtigung der diastolischen Funktion“ (Boos et al., 2006, S. 22).
Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, sollen die zahlreichen gesundheitsgefährdenden Wirkungen in Bezug auf den Missbrauch anaboler Steroide an dieser Stelle allerdings nicht weiter thematisiert werden. Dennoch dürfen die gesundheitlichen Gefahren des Dopings und des missbräuchlichen Einsatzes legaler Arzneimittel, welches nach der erwähnten Studie im Rahmen des Jungfrau-Marathons 1998 im Langstreckenlauf wahrscheinlich keine Seltenheit darstellt, keinesfalls verharmlost werden. Aufgrund dessen, dass der Missbrauch bestimmter Arzneimittel in einigen Fällen möglicherweise auch auf eine Unwissenheit seitens der Sportler zurückzuführen ist, sollten im Zusammenhang mit präventiven Anti-Doping Maßnahmen auch Aufklärungskampagnen in Betracht gezogen werden.
3.3 Volkswirtschaftliche Folgen
Aufgrund des großen gesundheitlichen Gefährdungspotentials ist das Thema Doping im Breitensport allerdings nicht nur für die subjektive Gesundheitserhaltung von Bedeutung, sondern auch volkswirtschaftlich und gesundheitsökonomisch relevant. So kommen bereits Boos et al. (2006) zu der Erkenntnis, dass die angegebenen direkten und indirekten Gesundheitsschäden möglicherweise auch Auswirkung auf die Kosten im Gesundheitswesen haben. Eine finanzielle Belastung des Gesundheitswesens, hervorgerufen durch die erhöhte Inzidenz von Verletzungen des Bewegungsapparates sowie Veränderungen an inneren Organen infolge eines Medikamentenmissbrauchs bei Freizeit- und Breitensportlern, konnte bis dato zwar statistisch noch nicht belegt worden, ist allerdings durchaus denkbar. Dabei beziehen sich die resultierenden volkwirtschaftlichen Schäden nicht nur auf die direkten Kosten, welche durch die Behandlung möglicher Nebenwirkungen verursacht werden, sondern auch auf die verminderte Arbeitsleistung infolge einer höheren Zahl an Arbeitsunfähigkeitstagen.
Unter der Voraussetzung, dass die Anzahl der aktiven Fitnessstudiomitglieder in Deutschland auf knapp fünf Millionen geschätzt werden kann, ergeben sich somit beträchtliche Kosten für das Gesundheitssystem. „Wenn von den fünf Millionen Mitgliedern nur 10% dopen und dadurch bei jedem Doper nur ein Krankheitstag pro Jahr verursacht würde, dann entsteht dadurch ein jährlicher volkswirtschaftlicher Schaden von 200 bis 250 Millionen Euro“ (Treutlein, 2008).
4. Verschiedene Wege der illegalen Leistungssteigerung
Nicht nur die Gefahren und die möglichen Nebenwirkungen einer längerfristigen Dopingmitteleinnahme sind äußerst facettenreich, sondern auch die angewandten Methoden können diesbezüglich sehr unterschiedlich ausfallen. Dabei zählt einerseits die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verwendung von Substanzen aus verbotenen Wirkstoffgruppen zu den Möglichkeiten der illegalen Leistungssteigerung, wie zum Beispiel die Substitution von anabolen Steroiden, β2-Sympathomimetika oder Peptidhormonen, andererseits sind unter diesem Punkt auch jegliche Anwendungen verbotener Methoden entsprechend der aktuellen Dopingliste implementiert. Darunter fällt zum Beispiel das Blutdoping, die Manipulation von Proben oder das Gendoping. Aufgrund dessen, dass die zuletzt genannten Methoden üblicherweise für den Freizeit-und Breitensportler nicht relevant sind, sollen diese im Nachfolgenden unberücksichtigt bleiben. Ebenso möchte ich weniger mögliche Gefahren und Nebenwirkungen der vorgestellten Substanzklassen beschreiben, als vielmehr auf deren Wirkungsweise sowie auf deren möglichen Einsatz im Ausdauersport eingehen.
4.1 Anabole Steroide
Zu den anabol androgenen Steroidhormonen gehören alle synthetischen Abkömmlinge des männlichen Geschlechtshormons Testosteron, welche sich in ihrer Struktur lediglich durch Änderungen chemischer Funktionen am Steroidgrundgerüst unterscheiden. „Aufgrund der erhöhten Eiweißsynthesekapazität kommt es zu einer verstärkten Muskelhypertrophie und in Abhängigkeit davon zu einer größeren Maximalkraft, verbunden mit einer muskelmassenbedingten Steigerung des Körpergewichts“ (Weineck, 2004, S. 678). Auch wenn die beschriebenen Auswirkungen einer missbräuchlichen Anabolikaeinnahme primär in Maximal- und Schnellkraftsportarten von Bedeutung sind und dort zu enormen Leistungssteigerungen führen können, sollte diese Methode im Ausdauersport nicht gänzlich ignoriert werden.
Sicherlich wirkt sich eine testosteronbedingte Steigerung des Körpergewichts äußerst negativ auf die individuelle Leistungsfähigkeit im Ausdauersport aus, welches insbesondere im Langstreckenlauf zu einer verminderten Leistung im Wettkampf sowie im Training führen kann. Jedoch ist die Testosteronkonzentration im Blut ein bedeutender Einflussfaktor für die Regenerationsfähigkeit der Sportler und somit indirekt auch für deren Leistungsfähigkeit. Intensive und vor allem umfangreiche Trainingswochen führen zu einer signifikanten Senkung des Testosteronspiegels, so dass für eine vollständige Regeneration im Umkehrschluss wiederum eine verlängerte Phase mit geringerer Belastung benötigt wird. „Selbst nach zwei Tagen Regeneration erreichen die Testosteronwerte nicht ihr Ausgangsniveau“ (Weineck, 2004, S. 165). Um zu gewährleisten, dass sich der Körper nach mehreren intensiven Trainingseinheiten ausreichend schnell regeneriert, greifen dementsprechend auch einige leistungsorientierte Ausdauerathleten zu anabolen Steroiden (vgl. Thomas, 1999, S. 40).
4.2 Beta-2-Agonisten
Die Tatsache, dass bei den Olympischen Winterspielen 1994 in Lillehammer Berichten zufolge knapp 70 Prozent aller Athleten Asthma-Bescheinigungen präsentiert haben sollen, spiegelt die Popularität dieses Arzneimittels im Spitzensport deutlich wieder. Vor allem im Radsport beklagen viele der wettkampforientieren Sportler unter einer asthmatischen Erkrankung zu leiden. Zwar weisen Ausdauersportler wie Läufer, Schwimmer, Radfahrer oder Skilangläufer durchaus häufiger Asthma auf als der Bevölkerungsdurchschnitt, dennoch liegt die dokumentierte Rate von asthmaerkrankten Sportlern weit unter jener Zahl von Erkrankungen, die vor Wettkämpfen gemeldet wird.
„Eine der wesentlichen Wirkungen der Beta-2-Agonisten ist die Vasodilatation der glatten Muskulatur der Blutgefäße des Bronchialtraktes. Dadurch wird eine verbesserte Durchblutung und in der Folge eine verbesserte Atmung erreicht“ (Rost, 2001, S. 145). Allerdings sollte in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass die maximale Sauerstoffaufnahme, welche einen entscheidenden Aspekt bezüglich der Ausdauerleistungsfähigkeit darstellt, nicht allein von der Diffusionskapazität und dem Atemminutenvolumen abhängt, sondern zudem von der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz und dem Herzminutenvolumen begrenzt wird. Nach Friedrich (2005) ist dabei das Atemsystem beim gesunden Sportler im Allgemeinen kein leistungslimitierender Faktor, wohingegen das Herzminutenvolumen und die Herzgröße diesbezüglich eine entscheidende Rolle spielt.
Die Wirkungen der Beta-2-Agonisten beschränken sich jedoch nicht ausschließlich auf eine vermeintlich verbesserte Sauerstoffaufnahmefähigkeit, sondern auch auf die Wirkungsfähigkeit von Adrenalin und Noradrenalin zugunsten einer vermehrten Synthese von körpereigenen substanzen, speziell von Eiweiß. Diesbezüglich koppeln sich die Beta-2-Agonisten an den sogenannten β-Rezeptoren, welche im Regelfall durch die natürlichen Überträgerstoffe Adrenalin und Noradrenalin angesprochen werden und dementsprechend für deren Effekte verantwortlich sind. „Dieser Vorgang aktiviert ein bereits stimulierend wirkendes Eiweiß. Der Gesamtvorgang erhöht die Leistungsfähigkeit des Körpers und stellt die eigentliche Adrenalin/Noradrenalinwirkung dar“ (Bergner, 2006, S. 112).
Insofern kann zum Beispiel das Arzneimittel Clenbuterol, eines der populärsten Vertreter aus der Gruppe der Beta-2-Agonisten, durchaus als leistungssteigerndes Mittel missbraucht werden, da neben der antikatabolen auch eine fettabbauende Wirkung bekannt ist. Dementsprechend verhilft diese Substanz zu einem geringeren Körpergewicht sowie zu einer verbesserten Regenerationsfähigkeit.
- Arbeit zitieren
- Till Hansmeier (Autor:in), 2009, Doping im Freizeit- und Breitensport, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/133929