Ausgehend vom Zusammenbruch des US-amerikanischen Immobilienmarktes im Sommer 2007 hat sich bis heute eine weltweite Finanz- und Bankenkrise entwickelt, die sich nach Einschätzungen der Weltbank und diverser Wirtschaftexperten zur schlimmsten Krise der Weltwirtschaft seit 1929 auswächst. Und auch ein Sündenbock wurde schnell ausgemacht. Quer durch das politische Spektrum ist man sich sicher; Schuld tragen die „gierigen“ Banker und Fondsmanager, die die Bankeinlagen der Sparer an der Börse durch unseriöse Spekulationen „verzockten“. So verkündet die globalisierungskritische Bewegung Attac auf der Homepage ihrer Kampagne ‚Das Casino schließen!’: „Die aktuelle Krise ist keine Naturkatastrophe. Sie ist die direkte Folge der Gier und der Skrupellosigkeit der Banker und Fondsmanager […]“ (Attac 2009). Diese Einschätzung der Krisenursachen teilen offenbar sämtliche bürgerlichen Medien vom eher linksliberalen Spiegel bis zur konservativen Welt. Im öffentlichen Diskurs wird stark mit moralischen Kategorien argumentiert, selten wird jedoch die Frage nach dem kapitalistischen System und den daraus resultierenden Strukturen, die das Handeln der Akteure determinieren, gestellt. Zwar scheint nach der Krise plötzlich Einigkeit darüber zu herrschen, dass es sich bei den Selbstregulierungskräften des freien Marktes um ein neoliberales Ammenmärchen handelt, auf der anderen Seite wird die Notwendigkeit der staatlichen Regulierung der Finanzmärkte nicht mit einem dem System inhärenten Krisenpotential, sondern mit der Gier und dem menschlichen Versagen einzelner Akteure begründet.
Gleichzeitig spukte 2008 die Nachricht durch die Medien, es habe aufgrund der Finanzkrise einen Ansturm auf „das Kapital“ von Karl Marx gegeben, welches kurzzeitig sogar ausverkauft gewesen sei (vgl. Bauckhage 23.10.2008).Sind Marx und seine Analyse des Kapitalismus also mitten in der Krise plötzlich wieder aktuell? In der Öffentlichkeit weit verbreitet scheint die Annahme zu sein, Marx habe einen durch eine Krise ausgelösten Zusammenbruch des kapitalistischen Systems prophezeit. Zwar ist diese Behauptung in Marx Schriften aus der Zeit der Wirtschaftskrise von 1857 enthalten, nach Beendigung derselben verabschiedete sich jedoch auch Marx offenbar wieder von diesem Gedanken (vgl. Heinrich 2008, S. 56). Aber worin besteht dann überhaupt die marxsche Krisentheorie? Können die analytischen Kategorien, die Marx im Kapital vor gut 150 Jahren prägte heute überhaupt noch gewinnbringend angewandt werden?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die aktuelle Finanzkrise
- bei Marx
- Realwirtschaftliche Aspekte der marxschen Krisentheorie
- Das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate
- Unterkonsumptionstheorie
- Monetäre Aspekte der marxschen Klisentheorie
- Geld
- Zinstragendes Kapital
- Kredit
- Fiktives Kapital
- Aktienmarkt
- Realwirtschaftliche Aspekte der marxschen Krisentheorie
- Marx und die Finanzkrise
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Aktualität der Krisentheorie von Karl Marx im Kontext der aktuellen Finanzkrise. Ziel ist es, zu analysieren, ob und inwiefern die marxschen Kategorien zur Erklärung der Finanzkrise beitragen können.
- Die Entstehung und Entwicklung der aktuellen Finanzkrise
- Die verschiedenen Ansätze der marxschen Krisentheorie, insbesondere die monetären Aspekte
- Die Übertragbarkeit der marxschen Analysekategorien auf die aktuelle Finanzkrise
- Die Rolle des fiktiven Kapitals und der Finanzmärkte im marxschen Kontext
- Die Bedeutung der Kreditwirtschaft und die Folgen der Überproduktion im kapitalistischen System
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und erläutert die Relevanz der marxschen Krisentheorie im Kontext der aktuellen Finanzkrise. Kapitel 2 beleuchtet die Entstehung der Finanzkrise, beginnend mit der Immobilienblase in den USA, über die Subprime-Kredite bis hin zur internationalen Bankenkrise. Die marxschen Krisentheorien werden in Kapitel 3 vorgestellt, wobei sowohl realwirtschaftliche als auch monetäre Aspekte beleuchtet werden. Das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate und die Unterkonsumptionstheorie werden als realwirtschaftliche Ansätze behandelt. Die monetären Aspekte umfassen die Funktionen des Geldes, das zinstragende Kapital, die Kreditwirtschaft, das fiktive Kapital und den Aktienmarkt. Kapitel 4 widmet sich der Übertragbarkeit der marxschen Kategorien auf die aktuelle Finanzkrise. Dabei wird die Rolle des fiktiven Kapitals, die Bedeutung der Finanzmärkte und die Interdependenz von Finanz- und Produktionssphäre im Kontext der Krise untersucht.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Finanzkrise, die Krisentheorie von Karl Marx, das fiktive Kapital, die Kreditwirtschaft, die Überproduktion, die Unterkonsumption, das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate, die Rolle des Geldes im Kapitalismus, die Interdependenz von Finanz- und Produktionssphäre, die Globalisierung und die Entwicklung der Finanzmärkte.
- Quote paper
- Stefanie Graf (Author), 2009, Kann die Krisentheorie von Karl Marx zur Erklärung der aktuellen Finanzkrise beitragen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/133859