Der Mensch ist Calvins Meinung nach ein Sünder, er handelt ungerecht und deswegen graut es Gott vor der Taten des Menschen. Als Sünder kann der Mensch nie Gnade erlangen, das Ebenbild Gottes in ihm ist vernichtet. Denn der Mensch hat sich selbst von Gott abgewandt, anstatt mit ihm zu leben und sich zu ihm zu wenden. Die Ursache von dieser Abwendung liegt in der Ursünde. Denn Adam, der erste Mensch, der von Gott geschaffen worden ist, ist von seinem Schöpfer abgefallen und hat dadurch das Schicksal des ganzen Menschengeschlechts
Inhalt
Prolog
I. Die Lehre von der Erbsünde und der Begriff der Rechtfertigung
II. Die Buße
III. Imputatio Christi
IV. Gute Werke
V. Prädestination
VI. Wie geht es nach der Rechtfertigung weiter alias die Lehre von der Heiligung
VII. Einwand Calvins Gegner und seine Antwort
VIII. Rechtfertigung bei Calvin und Luther: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Epilog
Literaturverzeichnis
Prolog
„Wie erlange ich als Christ mein Heil?“
Diese Frage hat schon immer alle Christen beschäftigt, denn sie ist die Grundfrage unseres Glaubens, um die sich alles in unserem Leben dreht. Wenn der Mensch ein Sünder ist, ist es für ihn überhaupt möglich, Gottes Gnade zu erlangen? Und wenn ja, wie? Muss ich ein perfektes Leben führen, nur gute Werke vollbringen oder nützt mir meine Anstrengung nichts?
Mit diesen Fragen möchte ich mich in meiner Hausarbeit auseinandersetzen und versuchen, auf sie Antworten zu geben, die der Reformator Calvin gegeben hätte. Ich möchte herausfinden, was die Rechtfertigung ist, wie sie erfolgt und aus welchem Grund sie geschieht.
Ich möchte auch die Begriffe Buße, Prädestination und Heiligung ansprechen, ohne die die Rechtfertigungslehre nicht komplett wäre.
Am Schluss versuche ich, auf einen der Einwände Calvins Gegner Antwort zu geben und kurz anzusprechen, was Calvin von Luther unterscheidet, da es für mich als Lutheranerin von Bedeutung ist.
I. Die Lehre von der Erbsünde und der Begriff der Rechtfertigung
Der Mensch ist Calvins Meinung nach ein Sünder, er handelt ungerecht und deswegen graut es Gott vor der Taten des Menschen. Als Sünder kann der Mensch nie Gnade erlangen, das Ebenbild Gottes in ihm ist vernichtet. Denn der Mensch hat sich selbst von Gott abgewandt, anstatt mit ihm zu leben und sich zu ihm zu wenden. Die Ursache von dieser Abwendung liegt in der Ursünde. Denn Adam, der erste Mensch, der von Gott geschaffen worden ist, ist von seinem Schöpfer abgefallen und hat dadurch das Schicksal des ganzen Menschengeschlechts verändert.[1]
Denn Gottes Verbot, von dem Baum der Erkenntnis zu essen, zielte auf die Prüfung des Menschen ab und zwar in Hinsicht auf seinen Gehorsam, nicht etwa auf sein Appetit. Adam sollte Gott gehorchen und dadurch zeigen, dass er gerne Gott folgt und sich seinem Willen unterwirft. Deswegen wird klar, warum Gott so zornig geworden ist. Es ging es ja nicht um die Frucht, die Adam gegessen hat, sondern um den Gehorsam. Gott hat für den Menschen alles getan, hat ihm das Leben geschenkt und für ihn das Paradies erschaffen - und der Mensch wollte seinem einzigen Befehl nicht gehorchen.[2]
Wie ist es aber möglich, dass eine Tat des ersten Menschen auch unsere Sünde ist? Wie kann man eine Sünde 'erben'? Warum hat uns Gott auf Grund der Schuld e i n e s Menschen in einen gemeinsamen Anklagezustand gesetzt?
Gott, der Richter, sieht alle Menschen als Sünder an und behandelt sie so. Deswegen lehnt Calvin alle natürlichen Erklärungsversuche der Erbsünde ab, wie etwa, dass sie eine natürliche Vererbung sei. Denn die Erbsünde ist keine Erbkrankheit. Calvin versucht, dieses Rätsel zu erklären, indem er sagt, dass wir alle in seiner, d.h. Adams, Person waren. Adam war keine Person für sich, sondern Repräsentant des ganzen Menschengeschlechts. Es war Gottes Wille und da Gottes Taten unsere Vernunft übertreffen, dürfen wir uns bei der Beantwortung der Frage nicht auf natürliche Vernunftgründe verlassen. Wir müssen uns auf das Urteil Gottes halten und dürfen nicht unserer Vernunft trauen.
Kein Mensch ist gerecht, denn wo keine Schuld ist, gibt es auch keine Rache. Dadurch, dass Gott uns mit Strafe belegt, zeigt sich, dass wir alle Sünder sind. Wir wenden uns von Gott ab, entscheiden uns für das Böse und folgen ihm nach. Wir können uns aber aus dieser unserer Entscheidung nicht mehr lösen. Dies bedeutet für uns die Notwendigkeit zu sündigen, welche wir selber durch unser Ungehorsam im Paradies verursacht haben. Dies bestimmt unser ganzes Denken, Wollen und Handeln; unser Wille ist so verkehrt, dass wir nur Schlechtes und Unreines hervorbringen. Es gibt im Leben der Menschen sicher auch gute Eigenschaften, Heldentaten, aber diese kommen von Gott. Er 'rüstet' manche Menschen mit besonderen Gaben aus, weil er mit ihnen etwas Besonderes vorhat. Daher gebührt für alle tugendhafte Taten, die wir eigentlich den Menschen anrechnen würden, Gott der Ruhm. Das Tugendhafte ist nur ein Anschein, aber für Gott zählt das Innere.[3]
Die Ungerechtigkeit und Sündhaftigkeit des Menschen ist Gott zuwider und deshalb kann der Sünder vor seinen Augen keine Gnade finden, sofern er Sünder ist und als solcher angesehen wird. Um gerechtfertigt zu werden, muss er jedoch als rein angesehen werden. Er muss sich also irgendwie reinigen oder gereinigt werden.[4]
Denn Gott spricht nur gerechte Menschen frei. Die Rechtfertigung kann man sich wie ein Strafprozess vorstellen, wo Gott der Richter und die Menschen die Angeklagten sind. Die Gerechtigkeit und Reinheit der Menschen wird nicht danach gemessen, wie sie sind, sondern wie sie sein sollten, wie Gott sie vorgesehen hatte. Dadurch ist es möglich, dass Gott sich uns gegenüber so verhalten kann, als wären wir unschuldig angeklagt gewesen. Er tut es aus seinem freien Willen und auf Grund seiner Gnade.[5]
Die Rechtfertigung ist das Gleiche wie die Sündenvergebung, wobei der Mensch auch nach seiner Rechtfertigung, also Versöhnung mit Gott neuer Rechtfertigung bedarf. Denn er sündigt weiter und vollbringt nicht nur gute Werke.
Rechtfertigung erfolgt auf folgende Weise: Entweder durch tadellose, Gott wohlgefällige Werke oder durch den Glauben des Menschen an Jesus Christus. Diese zwei Möglichkeiten werde ich in den Abschnitten III. und IV. näher erörtern.
II. Die Buße
Die Frage,die ich in diesem Abschnitt beantworten möchte ist, inwiefern die Buße die Voraussetzung zur Sündenvergebung ist.
Bei Calvin wird die Buße als Folge des Glaubens gesehen; denn der Sünder wird durch die Verkündigung des Evangeliums von der Tyrannei des Satans frei, nun ist es ihm möglich, die Gnade des Evangeliums anzunehmen. Danach sieht er sein vorheriges Leben anders, er sieht, welche Sünden er begangen hat und richtet sein neues Leben auf ein erstes Trachten nach der Buße.[6]
Da ihm seine Augen geöffnet wurden, hasst er nun die Sünde. Dieser Hass bietet ihm die Möglichkeit, Christi zu erkennen; denn Christi offenbart sich allein elenden, geängstigten Sündern. Christus ist schließlich gekommen, um die Sünder zu rufen - aber zur Buße.[7] Das heißt also, dass Gott die Umkehr fordert, indem er uns die Vergebung der Sünden anbietet. Er zeigt uns dadurch, dass seine Barmherzigkeit für den Menschen Ursache zur Umkehr sein soll.
Dies bedeutet freilich nicht, dass wir auf Grund unserer Reue gerechtfertigt würden! Denn Gott hat beschlossen, dass er sich der Menschen erbarme, damit sie ihre Sünden bereuen können und er ihnen dadurch zeigen könne, wo der Weg ist, auf dem sie zu seiner Gnade kommen können.6
Unser Leben lang sollen wir also mit unserem Fleische im Streite sein, gegen unseren natürlichen Sinn kämpfen. Wir dürfen diesen Kampf nicht aufgeben, denn es ist der Kampf, der uns den Weg zu Christus frei macht. Für Calvin heißt es sogar, man müsse sich selbst hassen, da ein Mensch ja nie ohne Sünde ist.6
Das, was Calvin hier beschreibt, klingt erstmal sehr hart. Denn unser Kampf mit unserem Fleische können wir nie gewinnen. Es bedeutet, Tag für Tag auf viele Sachen zu verzichten, die uns zur Sünde verführen und die doch so verlockend sind: über den Nachbarn zu lästern, so viel Schokolade zu essen, bis man platzt, sich an demjenigen zu rächen, der einem etwas angetan hat etc. Calvin verspricht aber nicht, dass dieser Weg leicht sei, er ist jedoch unausweichlich. Denn wenn wir an Christus glauben und christliches Leben führen wollen, können wir nicht erwarten, dass uns alles geschenkt 'vom Himmel fällt'.
[...]
[1] Institutio II, 1, 1.
[2] Institutio II, 1, 4.
[3] Niesel, S.75-85.
[4] Institutio III, 11, 2.
[5] Hauck, S.29-31.
[6] Institutio III, 3, 1.
[7] Mt 9,13.
- Arbeit zitieren
- Paula Svoboda (Autor:in), 2009, Rechtfertigung bei Calvin, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/133786