Der folgende Essay soll die Frage zum Gegenstand haben, aus welchen Gründen homosexuelle Profifußballer sich noch immer gegen ein Coming-out und für das Geheimhalten ihrer sexuellen Orientierung entscheiden.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, soll zunächst darauf eingegangen werden, welche Ergebnisse die bisherige Forschung zum Thema Homosexualität im Fußball hervorgebracht hat und schließlich im Fazit eine zusammenfassende Darstellung der Befunde zur Beantwortung der Fragestellung erfolgen.
1990 outete sich mit dem Engländer Justin Fashanu der erste aktive Fußballprofi öffentlich als homosexuell. Fashanu beging am 3. Mai 1998 Suizid und gab in seinem Abschiedsbrief deutlich zu verstehen, dass dies auch mit den Problemen, die sich für ihn als schwulem Fußballprofi ergaben zusammenhing (Melzer, 2021). Seitdem gab es lange Zeit nur Fußballprofis wie den ehemaligen deutschen Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, welche sich nach ihrer aktiven Laufbahn als homosexuell outeten.
Im Oktober 2021 wagte mit Josh Cavallo der erste aktive Profifußballer seit langer Zeit sein Coming-out und bekannte sich öffentlich zu seiner Homosexualität. Cavallo erhielt für sein Outing Zuspruch von vielen Seiten. Große Vereine und bekannte Fußballspieler lobten seinen Mut und bezeichneten ihn als Vorbild für viele weitere Fußballprofis. Allerdings blieben auch Hass und homophobe Äußerungen, insbesondere in sozialen Netzwerken nicht aus. Cavallo beklagte auch homophobe Anfeindungen, die ihn, während er bei Spielen auf dem Platz stand von den Zuschauerrängen erreichten (Laing, 2022).
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung
2 Forschungsstand
3 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Problemstellung
1990 outete sich mit dem Engländer Justin Fashanu der erste aktive Fußballprofi öffentlich als homosexuell. Fashanu beging am 3. Mai 1998 Suizid und gab in seinem Abschiedsbrief deutlich zu verstehen, dass dies auch mit den Problemen, die sich für ihn als schwulem Fußballprofi ergaben zusammenhing (Melzer, 2021). Seitdem gab es lange Zeit nur Fußballprofis wie den ehemaligen deutschen Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, welche sich nach ihrer aktiven Laufbahn als homosexuell outeten.
Im Oktober 2021 wagte mit Josh Cavallo der erste aktive Profifußballer seit langer Zeit sein Coming-out und bekannte sich öffentlich zu seiner Homosexualität. Cavallo erhielt für sein Outing Zuspruch von vielen Seiten. Große Verei - ne und bekannte Fußballspieler lobten seinen Mut und bezeichneten ihn als Vorbild für viele weitere Fußballprofis. Allerdings blieben auch Hass und homophobe Äußerungen, insbesondere in sozialen Netzwerken nicht aus. Cavallo beklagte auch homophobe Anfeindungen, die ihn, während er bei Spielen auf dem Platz stand von den Zuschauerrängen erreichten (Laing, 2022).
Im deutschen Profifußball lässt ein Coming-Out eines aktiven Spielers noch immer auf sich warten. Dennoch gibt es vom deutschen Fußballbund (DFB) eine offizielle Informationsbroschüre zum Thema Fußball und Homosexualität. In einer Art Leitfaden wird zum einen zum Coming-out ermutigt und zum anderen werden gezielte Schritte zum Coming-out und dessen Begleitung vorge - geben (Deutscher Fußball-Bund, 2013). Anfang 2021 sicherten über das Magazin 11 Freunde bereits 800 Fußballer und Fußballerinnen in Deutschland homosexuellen Spielern ihre Unterstützung und Solidarität bei einem möglichen Outing zu. Alles in allem lässt sich festhalten, dass gerade im deutschen Profi - fußball immer mehr getan wird, um die Rahmenbedingungen für ein Coming- out zu schaffen, allerdings bleibt Josh Cavallo bis dato ein Einzelfall.
Dass es weitere homosexuelle Profifußballer gibt, gilt als sicher. Der ehemalige französische Nationalspieler Patrice Evra gab in einem Interview mit der französischen „Le Parisien“ an, mit Homosexuellen zusammengespielt und sich mit ihnen über ihre Sexualität unterhalten zu haben (Baheux et. al, 2022).
Im Juli 2020 beschrieb ein Profispieler aus der englischen Premier League in einem anonymen Brief sein Dasein als homosexueller Profi und seine Angst vor dem Outing (Whaling, 2020). Es scheint also noch auschlaggebende Grün - de zu geben, weshalb sich homosexuelle Profifußballer noch immer gegen das Outing und für das Geheimhalten ihrer sexuellen Orientierung entscheiden.
Vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, die vermehrt den Anspruch hat, einen offenen Umgang mit sexueller Vielfalt zu pflegen, ist dieses Phänomen ungewöhnlich. Die Norm der Heterosexualität, die in der Gesellschaft immer mehr zu schwinden scheint, was unter anderem die LGBT-Bewegung verdeutlicht, scheint im professionellen Männerfußball noch immer fest zu bestehen. Die Problematik besteht vor allem darin, dass homosexuelle Fußballer durch das Geheimhalten ihrer Sexualität einem enormen psychischen Druck ausgesetzt sind, der sie sowohl auf als auch außerhalb des Spielfelds negativ beeinflussen kann.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass im Profifußball, konträr zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, noch immer kein offener Umgang mit der homosexuellen Orientierung von Seiten betroffener Spieler gepflegt wird. Der folgende Essay soll daher die Frage zum Gegenstand haben, aus welchen Gründen homosexuelle Profifußballer sich noch immer gegen ein Coming-out und für das Geheimhalten ihrer sexuellen Orientierung entscheiden.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, soll zunächst darauf eingegangen werden, welche Ergebnisse die bisherige Forschung zum Thema Homosexualität im Fußball hervorgebracht hat und schließlich im Fazit eine zusammenfassende Darstellung der Befunde zur Beantwortung der Fragestellung erfolgen.
2 Forschungsstand
Im Folgenden soll der Stand der aktuellen Forschung beleuchtet werden, um die Gründe zu erläutern, die homosexuelle Fußballprofis von einem Coming- Out abhalten.
Die Befunde basieren dabei auf der empirisch belegten Annahme, dass definitiv homosexuelle Spieler im Profifußball existieren. Tanja Walther geht von einem Anteil von 5-10% homosexueller oder bisexueller Menschen an der Gesamtbevölkerung aus (2006, S.6). Angesicht dieses prozentualen Anteils ist es statistisch betrachtet unmöglich, dass sich im Profifußball bei der Vielzahl an Vereinen und Spielern, nicht auch einige homosexuelle Spieler befinden. Es ist zwar anzumerken, dass keine aktuellen Statistiken zum Anteil an homosexuellen Spielern im Profifußball existieren, dies dürfte allerdings durch das Geheimhalten der sexuellen Orientierung von Seiten schwuler Spieler zu erklären sein.
Ein Ansatz zur Erklärung der ausbleibenden Coming-outs im professionellen Männerfußball basiert auf der gesellschaftlichen Setzung der Heterosexualität im Fußball. Diesen Ansatz vertritt unter anderem Michael Bartowiak, dessen Ausführungen dabei auf dem Begriff der „Heteronormativität“ (2018, S.79) gründen.
Er beschreibt den Fußball als einen männlich geprägten Raum, in dem Heterosexualität eine festgelegte Norm ist (2018, S.79). Neben der Einteilung der Menschen in die beiden Pole männlich und weiblich beschreibt der Begriff der Heteronormativität die Heterosexualität als „eine in der Gesellschaft zentrale Machtposition“ (Bartowiak, 2018, S.80). Damit übt die Heteronormativität eine „repressive Funktion“ (2018, S.80) auf alle Menschen aus, die der Norm der Heterosexualität nicht gerecht werden, was eine Exklusion dieser Menschen zur Folge hat.
Sämtliche Identitäten, die von dieser Heteronormativität abweichen werden als sogenannte „Verletzungen“ (Butler, 1997, S.176, zitiert nach Bartowiak, 2018, S.82) bezeichnet. Diese Identitäten werden demnach für die männliche Mehrheitsgesellschaft „zur Bedrohung schlechthin“ (Degele & Janz, 2011, S.18, zitiert nach Bartowiak, 2018, S.85). Demzufolge wird in der Homosexualität ein Angriff auf die Heteronormativität gesehen (de Hek, 2011, S.76). Der von der Homosexualität ausgehenden Bedrohung der Heteronormativität wird Bartowiak zu Folge durch Unsichtbarmachung der verletzlichen Identitäten entgegengewirkt, indem die Existenz dieser Identitäten negiert wird (2018, S.85). Auch in einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wird die Negierung als ein Mittel zum Umgang mit Homosexualität ausgemacht (Degele & Janz, 2011, S.19). Die Unsichtbarmachung als Exklusionsmechanismus wird auch in weiterer Fachliteratur genannt (Walter-Ahrens, 2014, S.49).
Dem Prinzip der Unsichtbarmachung wird dadurch Rechnung getragen, dass Homosexualität als Tabuthema aufgefasst wird, das gar nicht erst thematisiert wird (Sabisch, 2014, S.57). Es handelt sich dabei um eine bewusste Nicht- Wahrnehmung homosexueller Fußballer (de Hek, 2011, S.71). So konstatieren auch Degele und Janz, dass „Schwule im Stadion so lange kein Problem [sind], wie sie als Schwule unsichtbar bleiben“ (2011, S.17). Erst durch Sichtbarmachung ihrer sexuellen Orientierung laufen Homosexuelle Gefahr diskriminiert zu werden, weshalb sie aus Angst vor dieser Diskriminierung ihre Sexualität geheim halten. Dieses Phänomen wird als „Gefangenen-Dilemma“ (Walther, 2006, S.8) bezeichnet. Um eine Exklusion aus dem sozialen Umfeld des Fußballs zu vermeiden, müssen homosexuelle Fußballer diesen Befunden zur Folge ihre Sexualität geheim halten
Eine Mailumfrage an alle Bundesligavereine von Alexandra Martine de Hek aus dem Jahr 2010 mit Fragen zum Thema Homosexualität und Homophobie im Profifußball liefert deutliche Belege für die Unsichtbarmachung und NichtThematisierung von Homosexualität im Fußball. So beantwortete die Hälfte aller Vereine die Mail nicht (2011, S.87). Die gestellten Fragen zum Thema Homosexualität und Homophobie im Fußball wurden gar von 72,2% der befrag - ten Vereine nicht beantwortet (2011, S.87). Die Konfrontation mit dem Thema wurde von einem Großteil der Vereine somit bewusst umgangen und das Thema wurde gänzlich verschwiegen, was der Verfasserin zur Folge ein Bekenntnis zur Homosexualität bei Betroffenen signifikant erschwert (2011, S.87).
Daran anknüpfend wird von Walther die fehlende Thematisierung von Homophobie in Vereinen und Verbänden als Grund dafür ausgemacht, dass eine Atmosphäre herrscht, in der homosexuelle Spieler sich nicht wohl fühlen können und daher kein Outing in Erwägung ziehen (2006, S.8). Viele Vereine begründen die fehlende Thematisierung der Homosexualität damit, dass es keine homosexuellen Spieler gäbe und somit auch keine Adressaten für die Thematisierung (2006, S.13). Von der Autorin hingegen wird die ausbleibende Thematisierung von Homosexualität und Homophobie von Seiten der Vereine und Ver - bände damit begründet, dass das Thema ein „zu heißes Eisen“ (Walther, 2006, S.14) sei.
Während Bartowiak, den Fußball als einen männlich geprägten Raum beschreibt, in welchem Heterosexualität als soziale Norm gilt, fasst Katja Sa- bisch ihn in einem ähnlichen Ansatz als „männerbündisches Dispositiv“ (Sa- bisch, 2014, S.54) auf.
Ein Dispositiv ist „ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen [...], kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes“ (Foucault, 1978, S.119, zitiert nach Sabisch, 2014, S.54) umfasst. Dieses Dispositiv weist allem Männlichen eine Sonderstellung zu, wobei Homosexualität als unmännlich gesehen wird und damit dieser Sonderstellung nicht gerecht wird. Dies führt wie bereits Bar - towiak angeführt hatte zu einer Exklusion der Homosexualität aus dem Dispo - sitiv Fußball.
Eine weitere Diskriminierungsform Homosexueller im Profifußball ist neben der Exklusion und Unsichtbarmachung die Homophobie. Tanja Walther greift eine Definition des Begriffs Homophobie als eine „irrationale Angst und Into - leranz gegenüber Homosexualität, Schwulen und Lesben- und sogar gegenüber Verhaltensweisen, welche außerhalb der erwarteten Geschlechterrollen-Vorstellungen liegen“ (Fasting, 2003, zitiert nach Walther, 2006, S.7) auf.
Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung konnte Homophobie gar als festen Bestandteil des Fußballs ausmachen, wobei vor allem das Wort „schwul“ häu - fig in Zusammenhang mit Beleidigungen fällt (Degele & Janz, 2011, S.16 f.). Dieses Attribut wird oftmals auch als Bezeichnung für alles, was den Fans nicht gefällt (de Hek, 2011, S.69) oder als Mittel zur Provokation des Gegners (de Hek, 2011, S.72) verwendet.
Auch Tanja Walther sieht in der Homophobie einen festen Bestandteil des Fuß - balls (2006, S.6). Sie schlussfolgert, dass Homophobie dabei hilft, die Hetero - Sexualität als soziale Norm zu stabilisieren und damit alle anderen, von ihr abweichenden sexuellen Identitäten als unzulässig abzustempeln, ähnlich der Heteronormativität nach Bartowiak. Homosexualität wird dabei als „Bedrohung der männlichen Geschlechtsidentität“ (de Hek, 2011, S.79) wahrgenommen. Im Gegensatz zum Exklusionsmechanismus der Unsichtbarmachung, wird Homosexualität durch Homophobie sehr wohl thematisiert, allerdings ausschließlich in einem negativen, diskriminierenden Kontext (de Hek, 2011, S.69).
Erscheinungsformen der dem Fußball fest anhaftenden Homophobie sind dabei das Schweigen aller beteiligten Personen, die Negierung und die Unsichtbarmachung (Walther, 2006, S.8). Die Autorin nennt außerdem Diskriminierungen verbaler Art, in Form körperlicher Gewalt und in Form der Exklusion als Gründe für ein Geheimhalten der sexuellen Orientierung von Seiten homosexueller Spieler (2006, S.7).
Während homophobes Verhalten meist vor allem den Fans zugeschrieben wird, gibt es dennoch empirische Befunde, die konträr zu dieser Annahme sind. So kam eine anonyme Befragung von 3500 Fußballfans zu dem Ergebnis, dass 93% der Befragten für Homophobie im Fußball keinen Platz sehen und derartiges Verhalten verurteilen (Cashmore & Cleland, 2012, S.370). Für unzureichende Akzeptanz gegenüber sexueller Vielfalt müssten demzufolge auch andere dem Fußball angehörige Personengruppen verantwortlich sein, so zum Beispiel die Vereine und Verbände, deren oftmals unzureichender Umgang mit Homosexualität bereits beleuchtet wurde.
An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass die meisten der Befunde zwar bereits etwas älter sind, aber durchaus noch immer relevant sind. Ohne zu bestreiten, dass sich im Bezug auf das Thema sexuelle Vielfalt auch im Fußball viel getan hat, bleibt Josh Cavallo bislang der einzige aktive Profifußballer, der öffentlich homosexuell ist. Das Ausbleiben weiterer Coming-Outs, sowie die zum Teil homophoben Reaktionen in Stadien auf Josh Cavallos Outing belegen, dass die angeführten Befunde noch immer aktuell sind und dass Homophobie im Fußball noch immer vorkommt.
In einem weiteren Ansatz prägt Katja Sabisch den Begriff des Männerbundes. Dieser Männerbund müsse gegenüber allem Nichtmännlichen verteidigt wer - den und benötige daher Homophobie als notwendiges Instrument (Sabisch, 2014, S.55). Homosexuelle sollten demzufolge ihre Sexualität gestehen, um dadurch den Männerbund in seiner Ordnung zu festigen (2014, S.61). Degele und Janz postulieren in diesem Zusammenhang, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb des Männerbundes auch immer auf der Ausgrenzung von Homosexuellen basiert (2011, S.8).
Es erfolgt eine „Alterisierug des Anderen“ (Sabisch, 2014, S.61). Alle Hand - lungen des Homosexuellen werden nur noch im Kontext seiner Sexualität bewertet, sodass die Person schlicht nicht mehr losgelöst von ihrer sexuellen Ori - entierung exisitert. Ihnen wird dabei sogar das Begehren nach sexuell aufgeladener Körperlichkeit auf dem Spielfeld unterstellt (de Hek, 2011, S.80). Die Angst auf die Sexualität reduziert zu werden spielt demnach eine große Rolle bei der Entscheidung gegen das Outing, hinzu kommen mehrere homophobe Äußerungen aus Kreisen des Männerbundes, die die Reaktionen im Falle des Coming-Outs eines aktiven Spielers vermuten lassen (Sabisch, 2014, S.62) und daher auch eine abschreckende Wirkung haben.
Daraus ergibt sich eine Abgrenzung des Männerbundes und der damit verbundenen Personen von homosexuellen Männern. Auch hier greift abermals das Prinzip der Exklusion. Um Teil des Männerbundes Fußball zu sein besteht folglich ein Zwang zur Heterosexualität (Sabisch, 2014, S.56). Auch hier sind die Befunde ähnlich zu denen Michael Bartowiaks, der den Zwang zur Heterosexualität mit dem Begriff „Heteronormativität“ (2018, S.79) umschreibt.
Mit dem Männerbund zeichnet die Autorin eine Konstruktion von Männlichkeit, die durch Heterosexualität ausgezeichnet ist und der Tendenz der steigenden gesellschaftlichen Toleranz beim Thema sexuelle Vielfalt nicht gerecht wird (Sabisch, 2014, S.63). Innerhalb dieses Männerbundes kommt es zwar zu körperlichen Berührungen wie Umarmungen, diese werden allerdings stets als nicht sexuell wahrgenommen (Walther, 2006, S.9). Zum selben Schluss kommt auch Alexandra Martine de Hek, die von einer ,,legitimierte[n] Homoerotik im Fußball“ (2011, S.77) spricht, die allerdings nur innerhalb des Fußballstadions stattfindet und nur aufgrund der als selbstverständlich wahrgenommenen Heterosexualität aller Männer möglich ist. Demnach ist die Homoerotik innerhalb des Stadions nur ein Ausdruck der Kameradschaft und nicht von homosexueller Gesinnung (2011, S.79).
Degele und Janz liefern hierzu in ihrer Studie divergierende Befunde, nach denen Körpernähe im Männerfußball ein Tabuthema ist und viele Berührungen als sexuell aufgeladen gesehen werden (2011, S.18). Im Gegensatz zu den Befunden Alexandra Martine de Heks, ist eine strikte Trennung von Körperlichkeit und homosexuellem Verhalten im Kontext Fußball nicht möglich (2011, S.78). Weiter kommt die Studie von Degele und Janz zum Ergebnis, dass insbesondere die Begegnung mit Homosexuellen unter der Dusche für viele hete - rosexuelle Männer ein absolutes Tabu ist, das in ihnen eine regelrechte Angst und Bedrohung hervorruft (2011, S.18). Insgesamt bleibt der Eindruck, dass der Fußball und Homosexualität ein automatischer Widerspruch sind, weshalb homosexuelle Fußballer sich dafür entscheiden ihre Sexualität zu leugnen (Sabisch, 2014, S.64).
Dass der Fußball damit eine Sonderrolle einnimmt, belegen die Gegebenheiten in anderen Gesellschaftsbereichen. Tendenzen in Richtung einer höheren Akzeptanz gegenüber Homosexualität, gibt es vermehrt in anderen Bereichen als dem Sport (Martin K. W. Schweer, 2018, S.13 f.). Nahezu in allen anderen Bereichen gab es bereits Outings, weshalb der Fußball als einer der rückständigsten Gesellschaftsbereiche betrachtet werden kann (Walther-Ahrens, 2014, S.46). Osborne und Wagner kamen in einer Studie zu dem Ergebnis, dass in männlich konnotierten Sportarten, zu denen auch der Fußball zählt, das Risiko zur Entwicklung einer abneigenden Haltung gegenüber Homosexualität signifikant höher ist als in anderen sozialen Bereichen (2007, S.602). Daher bezeichnet Tanja Walther den Fußball als letzten Raum, in dem noch immer über - holte Ideale und Vorstellungen von Männlichkeit wie die Heteronormativität ausgelebt werden können (2006, S.5).
Walther-Ahrens nennt in einer aktuelleren Arbeit zwei mögliche Gründe für ausbleibende Coming-Outs. Zum einen, die in den vorherigen Befunden bereits erwähnte Angst vor Ausgrenzung und das damit verbundene Doppelleben schwuler Fußballer, aber auch die Möglichkeit, dass es schlicht keine homose - xuellen Profifußballer gibt, da diese bereits vor Beginn einer möglichen Profi - karriere durch die Strukturen des Fußballs gefiltert und aussortiert werden (2014, S.47). Dementsprechend ist auch das Risiko zum Drop-out aus dem Vereinssport bei Homosexuellen erhöht (Martin K. W. Schweer, 2018, S.7). In dieser Selektion bereits vor der Profikarriere könnte eine Erklärung für das Fehlen homosexueller Profis (Walther, 2006, S.10) liegen. Der Fußball könnte demnach eine gänzlich „schwulenfreie Zone“ (de Hek, 2011, S.69) sein. Dieser Ansatz ist gegensätzlich zur weit verbreiteten, empirisch belegten Annahme, dass ein Nichtvorhandensein homosexueller Profifußballer statistisch gesehen nahezu unmöglich ist.
Außerdem muss erwähnt werden, dass ein Outing ein großes mediales Spekta - kel bedeuten würde und die betroffene Person in den Mittelpunkt der Bericht - erstattung rücken würde (de Hek, 2011, S.88). Die Scheu davor durch den Medienrummel in den Fokus zu rücken,stellt damit einen weiteren Faktor dar, der vor einem Outing abschreckt. Auch mit „finanziellen Einbußen, die durch den sinkenden Marktwert oder einen Vereinsausschluss entstehen könnten“ (de Hek, 2011, S.88) müsse man rechnen.
Hinzu kommt, dass homosexuellen Fußballern eine Reihe von stereotypisch männlichen Eigenschaften abgesprochen werden (Bartowiak, 2018, S.88). Im Sinne dieser „Attribuierungen [...], die als männlich oder weiblich codiert werden“ (2018, S.88), werden homosexuellen Fußballern männlich konnotierte Eigenschaften aberkannt. Sie weisen eine „defizitäre Männlichkeit [auf], wel - ehe mit dem Fußball innewohnende Härteanforderungen gegenüber sich selbst und dem Gegner nicht kompatibel (Heißenberger, 2008, S.65, zitiert nach de Hek, 2011, S.81) ist. Die männlich codierten Eigenschaften stehen in positivem Zusammenhang mit der Leistung im Fußball. Somit würden homosexuelle Spieler durch ein mögliches Outing „das männliche Privileg [...] ein erfolgrei- eher Fußballer werden zu können“ (Bartowiak, 2018, S.88) verlieren. Alexan - dra Martine de Hek geht sogar davon aus, dass ein Outing die gesamte Karrie - re in Gefahr bringen würde (2011, S.88). Somit stellt der mögliche Verlust die - ses Privilegs einen weiteren Grund für homosexelle Spieler dar, kein Coming-Out zu wagen.
Insgesamt muss festgehalten werden, dass das Prinzip der Unsichtbarmachung von Homosexualität im Fußball sich auch im wissenschaftlichen Diskurs des Themas widerspiegelt. Es gibt eher wenig Arbeiten, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, auch wenn vor allem in den letzten Jahren die Anzahl an Publikationen über das Thema zugenommen hat. Ein Großteil der Forschung fokussiert sich daher auf Männlichkeitsideale, die vor allem in der Kabine innerhalb einer Mannschaft bestehen. Vor allem die Rolle von Verbänden und dem organisierten Sport generell muss noch mehr in den Fokus der Forschung rücken. Auch die Rolle der Medien findet bislang nur spärlich Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs. Demnach gibt es noch mehrere Faktoren, deren Rolle im Bezug auf ausbleibende Coming-outs im Fußball in der zukünftigen Forschung noch ausführlicher thematisiert werden sollte, um somit ein umfas - senderes Bild der vielschichtigen Gründe zu erhalten, die homosexuelle Fuß - baller noch immer vom Coming-out abhalten.
3 Fazit
Die Befunde stellen deutlich dar, wie ein großer Teil des sozialen Umfelds im Fußball auf das Thema Homosexualität blickt und liefern vielfältige Gründe für homosexuelle Spieler, sich kein Outing während der aktiven Karriere zu trauen.
So wurde in mehreren Publikationen der Fußball als ein männlich geprägter Raum aufgefasst, in dem noch immer traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit vorherrschen. Zu diesen Vorstellungen gehört auch die Norm zur Hete - rosexualität. Von allen abweichenden Identitäten wird sich durch diverse Exklusionsmechanismen abgegrenzt.
Einer dieser Exklusionsmechanismen ist die Unsichtbarmachung, die sich durch eine bewusste Nicht-Thematisierung und Tabuisierung von Homosexualität auszeichnet. Das Prinzip der Unsichtbarmachung kommt dabei von Seiten der Spieler, Fans, Vereinen und Verbänden vor und gewährleistet keine Atmo - Sphäre, die einen Spieler zu einem Outing bewegen könnte.
Auch ohne offizielles Outing und Kenntnis über homosexuelle Spieler sind di - verse Diskriminierungsformen im professionellen Fußball beobachtbar. Diese signalisieren homosexuellen Spielern, aber bereits deutlich, dass ein Outing schwerwiegende Folgen für sie haben würde. Dabei wird Homosexualität im Gegensatz zur Unsichtbarmachung zwar thematisiert, allerdings nur in einem diskriminierenden Kontext.
Die Hauptdiskriminierungsform ist dabei die Homophobie, die als fester Bestandteil des Fußballs aufgefasst wird. Die homophoben Verhaltensweisen rei - chen dabei von bewusstem Schweigen, Reduzierung auf die Sexualität, Diskriminierungen verbaler Art, bis hin zu körperlicher Gewalt. Der Verzicht auf ein Coming-out dient homosexuellen Spielern somit als Schutz vor Diskriminierung, wobei vor allem die Reduzierung auf die Sexualität vermieden werden soll. Der Fokus würde im Fall eines Outings auf der Sexualität des geouteten Spielers liegen und von der sportlichen Leistung abrücken.
Weitere Faktoren, die homosexuelle Profis vom Outing abhalten, sind die Furcht vor dem medialen Hype, vor finanziellen Einbußen oder gar Angst um die gesamte sportliche Karriere.
Ein Grund dafür, dass es im Profifußball weniger Homosexuelle Personen als in anderen Bereichen gibt, könnte die Selektion durch die Strukturen des Fußballs sein, die zu freiwilligem Drop-out schwuler Spieler bereits vor der Profikarriere führen kann. Allerdings ist statistisch betrachtet ausgeschlossen, dass es im Profifußball nicht dennoch homosexuelle Spieler gibt.
Die vom Coming-Out abschreckenden Faktoren, gehen dabei nicht allein von bestimmten Personengruppen aus. Vielmehr ist es das Gesamtsystem Fußball, das Homosexualität tabuisiert und keinen Platz für homosexuelle Spieler bie - tet. Daran sind sowohl Spieler und Fans als auch Vereine, Verbände und Medi - en beteiligt.
Allerdings muss angemerkt werden, dass außer Josh Cavallo bislang kein akti - ver Profifußballer sich öffentlich geoutet hat. Somit gibt es wenig Belege dafür, wie die Reaktionen im Falle eines Outings tatsächlich ausfallen würden. Im Fall Josh Cavallo waren es überwiegend positive Reaktionen, allerdings blieben auch Zeichen von Homophobie nicht aus. Interessant wäre es vor allen Dingen, sollte sich ein etwas bekannterer aktiver Spieler aus Europa, der mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, als homosexuell outen. Tanja Walther vermutet, dass ein Outing eines Spitzenspielers mit weniger Diskriminierung ein - hergehen würde und zusätzlich ein Zeichen dafür sein könnte, dass der Fußball nicht mehr so konservativ ist (2006, S.18). Dies jedoch ist bisweilen nicht geschehen, weshalb darüber nur spekuliert werden kann.
Literaturverzeichnis
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