Eine Vorbedingung des Strafprozesses ist die Wahrheitsfindung. Ohne sie kann keine gerechte Entscheidung über den Anklageentwurf getroffen werden. Ohne sie kann das Verfahren nicht seiner Befriedungsfunktion gerecht werden. Die Wahrheitsfindung ist in der Praxis nicht immer zweifelsfrei möglich. Treten Zweifel auf, kann dies ganz unterschiedliche Auswirkungen haben.
Sind die Zweifel tatsächlicher Art und betreffen die Frage, ob sich der Beschuldigte überhaupt strafbar gemacht hat, so ist er nach dem Zweifelssatz freizusprechen. Ist jedoch nur rechtlich unklar, ob ein Straftatbestand verwirklicht wurde, findet der Zweifelssatz keine Anwendung, da die Rechtserkenntnis allein dem Gericht und den Grenzen des Art 103 GG obliegt. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen ein eindeutig strafbares Verhalten nicht eindeutig festgestellt werden kann, weil ein weiteres strafbares Verhalten möglich ist.
Um in Fällen alternativer Tatbestandsverwirklichung, bei welcher sich keiner der Tatbestände sicher nachweisen lässt, jedoch zwingend einer erfüllt sein muss, die Unbilligkeit eines Freispruchs zu vermeiden, wurde zu Zeiten des RG die echte Wahlfeststellung als Rechtsfigur ins Leben gerufen. Seit ihrer Schöpfung war sie jedoch stets umstritten. Diese Debatte wurde jüngst vom 2. Strafsenat erneut angestoßen. Dieser ist davon überzeugt, dass die Rechtsfigur verfassungswidrig ist.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einführung
- II. Konkurrenzfragen bei tatsächlichen Zweifeln
- 1. In dubio pro reo
- 2. Stufenverhältnisse
- 3. Prä- und Postpendenzfeststellung
- 4. Wahlfeststellung
- III. Die Rechtsfigur der echten Wahlfeststellung
- 1. Definition
- 2. Historischer Kontext
- 3. Exkurs: Internationale Rechtsgestaltung
- IV. Verfahrenshintergünde und -ablauf
- 1. Sachverhalt der Ausgangsentscheidung
- 2. Rechtliche Würdigung durch das Landgericht Meiningen
- 3. Anfragebeschluss des 2. Strafsenats
- 4. Reaktion der angefragten Senate und des Großen Strafsenats
- 5. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
- V. Voraussetzungen und Ausschluss der echten Wahlfeststellung
- 1. Ausschluss der echten Wahlfeststellung
- 2. Generelle Zulassung der echten Wahlfeststellung
- 3. Vertretene Kriterien in Rechtsprechung und Literatur
- a) Häufig vertretene Voraussetzungen
- b) Insbesondere Vergleichbarkeit der jeweils verwirklichten Delikte
- aa) Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit
- bb) Identität des Unrechtkerns
- cc) Eigene Stellungsnahme
- VI. Legitimität der echten Wahlfeststellung
- 1. Schuldspruch als Strafe oder als reine Strafvorausssetzung
- 2. Auffangtatbestand als Wahlfeststellungsalternative
- 3. Wahlfeststellung als nationalsozialistisches Recht
- VII. Auf der Suche nach einer angemessenen Strafe
- 1. Freispruch
- 2. In dubio mitius
- 3. In dubio pro mitis durior
- VIII. Kritik und Lösungsvorschlag
- 1. Verstoß gegen Art. 103 II GG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die wissenschaftliche Studienarbeit befasst sich mit dem Fall BGH 2 StR 495/12 und analysiert die Voraussetzungen, Probleme und Legitimität der echten Wahlfeststellung im deutschen Strafrecht. Die Arbeit beleuchtet die rechtlichen und historischen Hintergründe dieses Rechtsinstituts und untersucht die Kritik an seiner Verfassungsmäßigkeit.
- Konkurrenzfragen bei tatsächlichen Zweifeln
- Die Rechtsfigur der echten Wahlfeststellung
- Voraussetzungen und Ausschluss der echten Wahlfeststellung
- Legitimität der echten Wahlfeststellung
- Kritik und Lösungsvorschläge
Zusammenfassung der Kapitel
- I. Einführung: Die Arbeit stellt den Fall BGH 2 StR 495/12 vor und erläutert den Fokus auf die echte Wahlfeststellung.
- II. Konkurrenzfragen bei tatsächlichen Zweifeln: Dieses Kapitel befasst sich mit verschiedenen Rechtsgrundsätzen und Verfahren im Kontext von Zweifeln bei strafrechtlichen Entscheidungen.
- III. Die Rechtsfigur der echten Wahlfeststellung: Hier wird die Definition, der historische Kontext und die internationale Rechtsgestaltung der echten Wahlfeststellung erörtert.
- IV. Verfahrenshintergünde und -ablauf: Dieses Kapitel beschreibt den Sachverhalt der ursprünglichen Gerichtsentscheidung, die Rechtliche Würdigung durch das Landgericht Meiningen und die weiteren Schritte des Verfahrens.
- V. Voraussetzungen und Ausschluss der echten Wahlfeststellung: Dieses Kapitel analysiert die Voraussetzungen für die Anwendung der echten Wahlfeststellung und die Gründe für ihren Ausschluss.
- VI. Legitimität der echten Wahlfeststellung: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, ob die echte Wahlfeststellung mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist.
- VII. Auf der Suche nach einer angemessenen Strafe: Dieses Kapitel beleuchtet verschiedene Ansätze zur Strafzumessung im Kontext der echten Wahlfeststellung.
- VIII. Kritik und Lösungsvorschlag: Dieses Kapitel beleuchtet die Kritik an der echten Wahlfeststellung und präsentiert Lösungsvorschläge.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen der Arbeit sind die echte Wahlfeststellung, das deutsche Strafrecht, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die Verfassungsmäßigkeit, die Rechtsfigur der Wahlfeststellung, die Voraussetzungen und die Legitimität. Die Arbeit untersucht auch die Kritik an der echten Wahlfeststellung sowie die Argumente für und gegen ihre Abschaffung.
- Arbeit zitieren
- Jenny Joy Schumann (Autor:in), 2022, BGH 2 StR 495/12. Voraussetzungen, Probleme und Legitimität der echten Wahlfeststellung, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1328082