Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Hausarbeit, 2022
43 Seiten, Note: 1,3
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bewertung von Grundstücken
2.1. Bewertung unbebauter Grundstücke
2.2. Bewertung bebauter Grundstücke
2.2.1. Abgrenzung der Grundstücksarten
2.2.2. Wahl des Bewertungsverfahrens
2.2.3. Vergleichswertverfahren
2.2.3.1. Vergleichspreisverfahren
2.2.3.2. Vergleichsfaktorverfahren
2.2.4. Ertragswertverfahren
2.2.4.1. Ermittlung des Bodenwerts
2.2.4.2. Ermittlung des Gebäudeertragswerts
2.2.5. Sachwertverfahren
2.2.5.1. Ermittlung des Bodenwerts
2.2.5.2. Ermittlung des Gebäudesachwerts
3. Immobilienbewertung anhand eines Praxisbeispiels
3.1. Darstellung
3.2. Rechtsfolgen
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Verzeichnis der sonstigen Quellen
Abbildung 1: Schema zur Wahl des Bewertungsverfahrens
Abbildung 2: Wertermittlungsschema nach dem Ertragswertverfahren
Abbildung 3: Wertermittlungsschema nach dem Sachwertverfahren
Abbildung 4: Ermittlung des Bodenwerts
Abbildung 5: Ermittlung des Rohertrags
Abbildung 6: Ermittlung der Restnutzungsdauer
Abbildung 7: Ermittlung der Bewirtschaftungskosten und des Reinertrags des Grund stücks
Abbildung 8: Ermittlung der Bodenwertverzinsung und des Gebäudereinertrags
Abbildung 9: Ermittlung des Gebäudeertragswerts
Abbildung 10: Ermittlung des Ertragswerts respektive Grundbesitzwerts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Heutzutage kommt es immer häufiger zu diversen Erwerbsvorgängen, bei denen verschiedenste Arten von Grundvermögen erworben werden. Oft wird unterschätzt, in welcher Höhe die Steuer auf das erworbene Grundvermögen erhoben werden kann. Sei es die Erbschaftsteuer, die z.B. bei Schenkung unter Lebenden oder Erwerb von Todes wegen anfällt, oder die Grunderwerbsteuer. In beiden Fällen ist die Bewertung von Immobilien von großer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich vor solchen Erwerbsvorgängen darüber im Klaren zu sein, wie hoch das Grundvermögen bewertet werden kann, um hohe und unerwartete Liquiditätsschmälerungen zu vermeiden.
Diese Arbeit soll daher die Bewertung von Grundbesitz im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne aufzeigen. Insbesondere soll auf die gängigen Regelbewertungsverfahren eingegangen werden, mit denen Immobilien bei erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbsvorgängen standardmäßig bewertet werden. Der Leser soll auf die zu beachtenden Faktoren aufmerksam gemacht werden, die die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Grundbesitz bilden. Ziel ist es, dem Leser, insbesondere nach der beispielhaften Immobilienbewertung, aufzuzeigen, wie eine Immobilienbewertung nach dem Bewertungsgesetz in der Praxis durchgeführt wird.
Von besonderer Bedeutung für die Ausarbeitung war dementsprechend die Abgrenzung in der Bewertung unbebauter und bebauter Grundstücke. Im Anschluss war es so möglich, verschiedene Grundstücksarten bewertungsrechtlich einzuordnen und so das jeweilige Bewertungsverfahren für die Berechnung einschlägig festzustellen. Dieses Fundament bot die Grundlage für die geordnete Prüfung und Berechnung einer praktischen Immobilienbewertung.
Durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.2006 wurde entschieden, dass die zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtslage zur Bewertung von Grundvermögen nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes nach Art. 3 I GG genügt. Hintergrund dessen ist die Problematik, dass die bestehenden Bewertungsmethoden nicht zielführend für eine einheitliche Besteuerung waren und teils erheblich vom gemeinen Wert abwichen. Dem Gesetzgeber wurde somit auferlegt, eine Neuregelung spätestens bis zum 31.12.2008 zu schaffen, um die gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten.1
Die Bewertung der Grundbesitzwerte ab dem 01.01.2009 richtet sich aufgrund der Neuregelung nach den §§ 176 bis l98 BewG.2 Diese Vorschriften bilden die Bewertungsgrundlage, wenn unbebaute oder bebaute Grundstücke beispielsweise durch Erwerb von Todes wegen gem. § 1 I Nr. 1 ErbStG oder durch Schenkungen unter Lebenden gem. § 1 I Nr. 2 ErbStG übertragen werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Wege seines genannten Beschlusses vom 07.11.2006 auf die notwendige Annäherung an den gemeinen Wert berufen, der durch bisherige Bewertungsverfahren vor dem 01.01.2009 nicht ausreichend berücksichtigt wurde.3 Es entstanden in verschiedenen Bereichen Werte, die nicht innerhalb eines Bereichs von 20 Prozent über oder unter dem Verkehrswert lagen.4 Der gemeine Wert ist mit dem Verkehrswert, der auch den Marktwert beschreibt, deckungsgleich. Dies wird durch § 194 BauGB deutlich, da diese Norm inhaltlich übereinstimmend mit § 9 II BewG ist.5 Deshalb ist bei den folgenden Bewertungsvarianten der gemeine Wert gem. § 177 I i.V.m. § 9 BewG zu Grunde zu legen.6
Um zu bestimmen, welche Bewertungsverfahren einschlägig sind, ist es nötig im Bewertungsgesetz zwischen unbebauten und bebauten Grundstücken zu unterscheiden.7
Anhand von drei Kriterien kann festgestellt werden, ob ein unbebautes Grundstück vorliegt. Kraft Gesetzes dürfen gem. § 178 I 1 BewG auf dem zu bewertenden Grundstück keine benutzbaren Gebäude stehen. Daraus ist abzuleiten, dass auf dem Grundstück keine Gebäude, noch nicht benutzbare Gebäude oder auf Dauer nicht mehr benutzbare Gebäude vorhanden sein müssen.8 Letztere Variante ist gegeben, wenn z.B. Verfallsmerkmale an der Bausubstanz erkennbar sind und das gesamte Gebäude betroffen ist. Somit müssen erhebliche Schäden an den wesentlichen Teilen des Gebäudes auffindbar sein.9 Dies ist stets der Fall, wenn eine Anordnung der Bauaufsichtsbehörde vorliegt, die die sofortige Räumung der Örtlichkeit vorsieht.10
Die Benutzbarkeit wird konkretisiert mit dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit gem. § 178 I 2 BewG. Dieser Zustand liegt dann vor, wenn zukünftigen Benutzern oder Bewohnern zugemutet werden kann, das Gebäude zu nutzen. Nicht entscheidend dafür ist die Abnahme der Bauaufsichtsbehörde, § 178 I 3 BewG. Zudem ist das gesamte Gebäude und nicht einzelne Wohnungen und Räume für eine Beurteilung der Bezugsfertigkeit maßgebend.11 Die Merkmale müssen auf Dauer angelegt und nicht vorübergehend sein. So sind behebbare Baumängel und Bauschäden sowie aufgestauter Reparaturbedarf infolge von unterlassenen Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten regelmäßig nur als vorübergehend und damit als bebaute Grundstücke anzusehen. Bei vorübergehender Unbenutzbarkeit von Gebäuden liegt ebenfalls kein unbebautes Grundstück vor.12 Sind Gebäude jedoch auch vorübergehend entkernt worden, sodass dadurch keine bestimmungsgemäß benutzbaren Räume mehr enthalten sind, ist das Grundstück im Feststel- lungszeitpunkt als unbebaut zu deklarieren.13 Eine Besonderheit gilt bei der Errichtung eines Gebäudes in Bauabschnitten. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein Gebäude nicht in geplanter Weise bezugsfertig erbaut wird und beispielsweise erst eine von mehreren Wohnungen fertig gestellt wird. Hier ist sodann der fertig gestellte Teil als bebaut zu bewerten. Gegensätzliches liegt vor, wenn die Verzögerung oder Unterbrechung auf bautechnischen Gründen beruht. Dies ist beispielsweise bei Überwindung einer Frostperiode gegeben. Darüber hinaus muss sie über min. zwei Jahre andauern.14
Für das Bewertungsverfahren eines unbebauten Grundstücks sieht das Bewertungsgesetz in § 179 BewG ein mittelbares Vergleichswertverfahren vor.15 Hier bemisst sich der Wert nach der Fläche sowie aus dem zuletzt vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwert des Grundstücks, der von Gutachterausschüssen nach dem Baugesetzbuch zu ermitteln ist, vgl. § 179 Satz 1 f. BewG i.V.m. § 196 BauGB. Der aus dem Bodenrichtwert ermittelte Bodenwert pro Quadratmeter muss auf volle Centbeträge abgerundet werden und ergibt letztendlich multipliziert mit der Grundstücksfläche den Wert des Grund und Bodens respektive den Bodenwert. Dieser ist dann auf volle Eurobeträge abzurunden.16 Kommt es dazu, dass von den Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert ermittelt worden ist, so ist der Bodenwert aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten, § 179 Satz 4 BewG. Standardisierte Wertansätze werden durch die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen in solchen Fällen zur Verfügung gestellt.17
Für den Steuerpflichtigen kann es sinnvoll sein den niedrigeren gemeinen Wert für die wirtschaftliche Einheit des unbebauten Grundstücks durch Sachverständigengutachten nachzuweisen. Wenn wertmindernde Umstände, z.B. Bodenbelastungen, dingliche Nutzungsrechte, unzureichende Beschaffenheit des Baugrundes oder diverse Belästigungen durch äußerliche Einwirkungen vorliegen, ist hier ggf. ein abweichender gemeiner Wert feststellbar.18
Ein bebautes Grundstück liegt namentlich dann vor, wenn sich darauf ein benutzbares Gebäude befindet, vgl. § 180 I BewG.19 Obligatorisch für die Feststellung sind die folgenden Merkmale, die vollumfänglich erfüllt sein müssen, damit ein Bauwerk als Gebäude zählen kann. Zunächst müssen Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung vor Witterungseinflüssen geschützt sein und der Aufenthalt von Menschen muss gestattet sein. Darüber hinaus muss das Bauwerk fest mit dem Grund und Boden verbunden, von gewisser Beständigkeit und ausreichender Standfestigkeit geprägt sein.20 Der Tatbestand eines Gebäudes setzt nicht voraus, dass das Gebäude über die Erdoberfläche hinausragen muss. Es kann sich viel mehr auch unter der Erd- oder Wasseroberfläche befinden, wie z.B. Tiefgaragen, unterirdische Betriebsräume und Lagerkeller. Auch ein Bauwerk, das auf fremdem Grund und Boden steht, schließt den Gebäudebegriff nicht aus, vgl. § 180 II BewG.21 Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Benutzbarkeit wird auf Kapitel 2.1. verwiesen.
Um hinsichtlich der in den folgenden Kapiteln betonten Bewertungsverfahren bebauter Grundstücke abgrenzen zu können, welches Bewertungsverfahren anzuwenden ist, muss die Einordnung des Grundstücks in eines der sechs verschiedenen Grundstücksarten erfolgen, die entsprechend in § 181 I BewG aufgeführt sind. So sind namentlich Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum, Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke und sonstige bebaute Grundstücke zu unterscheiden.
Um im Folgenden die einzelnen Grundstücksvarianten auszuführen, ist zunächst der Begriff der Wohnung zu klären.
Unter einer Wohnung versteht man die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die zusammen die Möglichkeit eines selbstständigen Haushalts eröffnen. Es ist zwingend erforderlich, dass sie eine abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen eigenständigen Zugang besitzen. Zudem müssen die notwendigen Nebenräume, sprich Küche, Bad oder Dusche und Toilette, vorhanden sein. Der Gesetzgeber räumt zusätzlich die Voraussetzung einer Mindestwohnfläche von 23 Quadratmetern ein, vgl. § 181 IX BewG.22 Demgegenüber wurde entschieden, dass auch eine Wohnfläche von min. 20 Quadratmetern unschädlich ist, wenn die vorher genannten Kriterien auch eingehalten werden.23
Bei einem Ein- und Zweifamilienhaus handelt es sich um ein Wohngrundstück, bei dem bis zu zwei Wohnungen enthalten sind und gleichzeitig kein Wohnungseigentum vorliegt. Wenn das Haus für betriebliche oder öffentliche Zwecke zu weniger als 50 Prozent mitbenutzt wird, ist dies unschädlich, wenn dadurch die Eigenart als Ein- oder Zweifamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird, vgl. § 181 II BewG.24 Wenn zusätzlich zu einer bestehenden Wohnung weitere Räume zur Nutzung für z.B. eine Massagepraxis vorhanden sind, handelt es sich trotzdem um ein Einfamilienhaus, wenn die Nutzung unter 50 Prozent der Wohn- bzw. Nutzfläche stattfindet. Dies gilt entsprechend auch für Zweifamilienhäuser.25
Für das Vorliegen eines Mietwohngrundstücks muss das Grundstück, berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche, min. 80 Prozent für Wohnzwecke genutzt werden. Es müssen mehr als zwei Wohnungen vorhanden sein und bei dem Grundstück darf es sich nicht ausschließlich um Wohnungseigentum handeln, vgl. § 181 III BewG.26
Hinsichtlich der Begrifflichkeit des Wohnungseigentums ist auszuführen, dass es sich um Sondereigentum an einer Wohnung handelt, die als Eigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum partizipiert, vgl. § 181 IV BewG.
Die Abgrenzung zum Teileigentum liegt darin, dass es sich hierbei um Räume eines Gebäudes handelt, die nicht Wohnzwecken dienen, vgl. § 181 V BewG.
Weiter liegt ein Geschäftsgrundstück gem. § 181 VI BewG vor, wenn das Grundstück zu mehr als 80 Prozent, gemessen an der Wohn- oder Nutzfläche, eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienlich ist. Es darf sich hier nicht um Teileigentum handeln. Wird das Grundstück bis zu 20 Prozent zu Wohnzwecken genutzt, so ist dies für die vorliegende Einordnung unproblematisch. Liegt die Nutzung über 20 Prozent und unter 80 Prozent, so muss von einem im Anschluss erläuterten gemischt genutzten Grundstück ausgegangen werden. Beziffert sich die Nutzung zu Wohnzwecken auf über 80 Prozent, so liegt in der Einordnung ein Mietwohngrundstück vor.27
Als gemischt genutzt gelten Grundstücke, die anteilig Wohnzwecken und anteilig eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen. Im Falle dieser Zuordnung darf es sich nicht um Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücken, Wohnungseigentum, Teileigentum oder Geschäftsgrundstücken handeln, vgl. § 181 VII BewG. Für die Qualifizierung der notwendigen anteiligen Nutzung kann auf die Ausführungen in vorhergehendem Absatz verwiesen werden.
Zuletzt fallen unter die sonstigen bebauten Grundstücke alle Grundstücke, die zu keinen vorhergehenden Grundstücksarten zuzuordnen sind. Dazu gehören beispielsweise Grundstücke, die weder Wohnzwecken noch betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen. Dies ist der Fall bei z.B. nicht ganzjährig bewohnbaren Wochenendhäusern, Schützenhallen, Jagdhütten, Clubhäusern, Vereinshäusern, Turnhallen sowie nicht betrieblich genutzten Garagengrundstücken.28
Die einzeln aufgeführten Grundstücksarten werden sodann nach unterschiedlichen Regelbewertungsverfahren bewertet. Hier werden insbesondere das Vergleichswertverfahren (vgl. § 183 BewG), das Ertragswertverfahren (vgl. §§ 184 bis 188 BewG) und das Sachwertverfahren (vgl. §§ 189 bis 191 BewG) dargestellt.29
Im Folgenden soll Abbildung 1 verdeutlichen, welches Bewertungsverfahren bei den unterschiedlichen Grundstücksarten zu wählen ist. Dies bestimmt sich nach § 182 BewG:30
Abbildung 1: Schema zur Wahl des Bewertungsverfahrens
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach: Krause, I., Grootens, M., Grundbesitzbewertung, 2022
Sonstige bebaute Grundstücke sind nach § 182 IV Nr. 3 BewG zwingend im Sachwertverfahren zu bewerten. Ebenso gilt für Mietwohngrundstücke, dass die Bewertung gem.
§ 182 III Nr. 1 BewG verpflichtend im Ertragswertverfahren vorzunehmen ist. Für alle weiteren Grundstücksvarianten gilt es, ein Bewertungsverfahren vorrangig und nachrangig zu wählen. Für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungs- und Teileigentum muss die Bewertung vorrangig im Vergleichswertverfahren erfolgen, vgl. § 182 II BewG. Erst im Falle dessen, dass kein Vergleichswert vorliegt, kann die Bewertung nachrangig im Sachwertverfahren stattfinden, vgl. § 182 IV Nr. 1 BewG. Ebenso muss für Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke zunächst nach dem Ertragswertverfahren bewertet werden, vgl. § 182 III Nr. 2 BewG. Erst, wenn keine übliche Miete auf dem örtlichen Grundstücksmarkt ermittelbar ist, greift nachrangig die Bewertung über das Sachwertverfahren, vgl. § 182 IV Nr. 2 BewG.31
Das Vergleichswertverfahren basiert im Wesentlichen auf empirisch erhobenen Daten, die durch die laufenden Beurkundungen der Kaufverträge durch die Notare im jeweiligen Einzugsgebiet den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellt werden. Die Gutachterausschüsse bringen die einzelnen Grundstücksarten sodann in eine Beziehung zueinander, sodass diese Daten für die Bewertung herangezogen werden können. Da das Verfahren noch relativ neu ist und somit in vielen Gebieten noch keine ausreichende Datenlage für Vergleiche vorhanden ist, kommt das Verfahren in der Praxis allenfalls in Ballungsgebieten vor, wo eine hohe Grundstücksfluktuation vorherrscht. In allen anderen Fällen kommt es zu der Bewertung nach dem Sachwertverfahren gem. § 182 IV Nr. 1 BewG.32
Nachteilig ist für das Vergleichswertverfahren, dass die den Wert beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art unberücksichtigt bleiben, vgl. § 183 III BewG. Gleiches gilt für Erhöhungen. Derartige Wertminderungen sind z.B. Belastungen nach dem Bauordnungs- und Denkmalschutzrecht oder Belastungen aufgrund eines Nießbrauchs.33 Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, auf Antrag einen niedrigeren gemeinen Wert nach § 198 BewG nachzuweisen.
Das zu bewertende bebaute Grundstück nach § 182 II BewG kann entweder gem. § 183 I BewG durch Vergleichspreise oder gem. § 183 II BewG durch Vergleichsfaktoren be- wertet werden. Die beiden Verfahren stehen gesetzessystematisch nebeneinander, sodass ein Auswahlermessen besteht.34 Schnitter ist jedoch der Auffassung, dass nur dann das Vergleichsfaktorverfahren anwendbar ist, wenn das Vergleichspreisverfahren mangels vorliegender Voraussetzungen keine Anwendung finden kann.35 Diese Ansicht bestätigt auch die Verwaltungsauffassung.36
Zur Ermittlung der Vergleichspreise sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen, vgl. § 183 I 1 BewG.37 Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn die zu vergleichenden Grundstücke hinsichtlich ihrer Lage, Art und Maß der baulichen Nutzung, Größe, Erschließungszustand, Gebäudeart und Alter des Gebäudes weitgehend übereinstimmen.38 Zu Grunde liegen hier Vergleichspreise, die von den Gutachterausschüssen nach Maßgabe der §§ 192 ff. BauGB mitgeteilt werden, vgl. § 183 I 2 BewG. Zu beachten ist, dass genannte Mitteilungen nur beschränkt auf offensichtliche Unrichtigkeiten gerichtlich überprüfbar sind.39 Damit § 183 I BewG angewendet werden kann, ist es wichtig, dass in ausreichendem Maße Kaufpreise geeigneter Vergleichsgrundstücke existieren. Dieses Merkmal ist gegeben, wenn ca. 30 Kaufpreise vorliegen, die direkt mit dem zu vergleichenden Objekt, auch in zeitlicher Hinsicht, verglichen werden können.40 Aufgrund der notwendigen Repräsentation der Vergleichswerte führen Grundstückserwerbsnebenkosten nicht zur Reduzierung des gemeinen Werts.41 Im Ausnahmefall kann auch ein Vergleichspreis für die Anwendung des § 183 I BewG ausreichen. Hierfür sind jedoch örtliche Verhältnisse mit einzubeziehen, die den Verkaufspreis als geeignet begründen lassen. Zusätzliches Kriterium ist das Zustandekommen des Vergleichskaufpreises im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, ebenso wie die enge zeitliche Nähe zum Bewertungsstichtag.42 Unschädlich ist auch ein Vergleichspreis, der auf einem Kaufpreis basiert, der innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag unter fremden Dritten zustande gekommen ist.43 Wenn mehrere Vergleichspreise vorliegen, so ist der Durchschnittswert anzusetzen.44 Fehlen die Vergleichspreise, da sie nicht von den Gutachterausschüssen mitgeteilt wurden, so kann auch ein zeitnah erzielter Kaufpreis herangezogen werden.45 Keine geeigneten Vergleichspreise sind reine Auszüge aus einer Kaufpreissammlung oder die Anwendung des Immobilien-Preis-Kalkulators der niedersächsischen Gutachterausschüsse.46
Scheidet die Bewertung über das Vergleichspreisverfahren nach § 183 I BewG beispielsweise mangels vorhandenen Vergleichspreisen aus, so kann alternativ das Vergleichsfaktorverfahren gem. § 183 II BewG herangezogen werden.
Die Basis bilden bei vorliegendem Verfahren Vergleichsfaktoren, die von den örtlichen Gutachterausschüssen in Grundstücksmarktberichten für geeignete Bezugseinheiten ermittelt und bereitgestellt werden, vgl. § 183 II 1 BewG.47 Vergleichsfaktoren können für das zu bewertende bebaute Grundstück von Bedeutung sein, wenn die Grundstücksmerkmale der ihnen zugrunde liegenden Grundstücke hinreichend mit denen des zu bewertenden Grundstücks übereinstimmen bzw. die Abweichungen in sachgerechter Weise berücksichtigungsfähig sind.48 Betreffen die Vergleichsfaktoren ausschließlich den Gebäudewert, dann ist der Bodenwert zusätzlich nach Maßgabe des § 179 BewG — siehe auch Kapitel 2.1. — separat zu ermitteln, vgl. § 183 II 2 BewG. Die zugrunde gelegten Vergleichsfaktoren der Gutachterausschüsse sind verbindlich und können gerichtlich nur auf offensichtliche Unrichtigkeiten überprüft werden.49 Bei veröffentlichten Vergleichsfaktoren in Spannen und dementsprechender Ausweisung von Differenzierungsmerkmalen, ist der differenzierte Wert aus der Spanne maßgebend. Sind hingegen keinerlei Differenzierungsmerkmale publiziert worden, so ist nicht der Mittelwert, sondern viel mehr der unterste Wert der Spanne anzusetzen. Eine nach oben und nach unten angegebene Standardabweichung zu einem vorgegebenen festen Wert ist nicht von Relevanz, weshalb der vorgegebene feste Wert anzusetzen ist.50 Bei vorhandenen Abweichungen der Vergleichsgrundstücke vom zu bewertenden Grundstück sind diese durch Zu- oder Abschläge nach Vorgabe des Gutachterausschusses für Grundstückswerte zu berücksichti- gen.51 Eine hinreichende Übereinstimmung liegt auch dann noch vor, wenn das jeweilige wertbeeinflussende Merkmal des zu bewertenden Grundstücks höchstens jeweils 20 Prozent vom Vergleichsgrundstück abweicht.52 Im Falle von Wohnungseigentum sollten mindestens die Baujahrsklasse, die Wohnungsgröße der Vergleichswohnung oder eine Wohnungsgrößenspanne und die Wohnlage vorliegen. Hinsichtlich eines freistehenden Einfamilienhauses kann ein Reihenhaus nur als Vergleich dienen, wenn entsprechende Korrekturfaktoren vorliegen.53
[...]
1 Vgl. BVerfG (2006), v. 07.11.2006 — 1 BvL 10/02, DStR 2007, S. 235 ff.
2 Vgl. R B 176.1 I 1 f. ErbStR v. 16.12.2019.
3 Vgl. BVerfG (2006), v. 07.11.2006 — 1 BvL 10/02, DStR 2007, S. 235.
4 Vgl. Krause, I., Grootens, M., Grundbesitzbewertung, 2022.
5 Vgl. Halaczinsky, R., BewG, § 9 Rn. 4.
6 Vgl. Halaczinsky, R., BewG, § 9 Rn. 2.
7 Vgl. Schaffner, M., BewG, § 178 Rn. 1.
8 Vgl. Schaffner, M., BewG, § 178 Rn. 2.
9 Vgl. Krause, I., Grootens, M., Grundbesitzbewertung, 2022.
10 Vgl. Zipfel, L., BeckOK, § 12 Rn. 340.
11 Vgl. Zipfel, L., BeckOK, § 12 Rn. 334.
12 Vgl. R B 178 IV 6 ff. ErbStR v. 16.12.2019.
13 Vgl. BFH (1990), v. 24.10.1990 — II R 9/88, DStR 1991, S. 245.
14 Vgl. R B 178 III 7 ErbStR v. 16.12.2019; Vgl. Zipfel, L., BeckOK, § 12 Rn. 336.
15 Vgl. Stalleiken, J., Handbuch, § 4 Rn. 27.
16 Vgl. R B 179.3 I ErbStR v. 16.12.2019.
17 Vgl. Stalleiken, J., Handbuch, § 4 Rn. 27.
18 Vgl. Krause, I., Grootens, M., Grundbesitzbewertung, 2022; Vgl. Stalleiken, J., Handbuch, § 4 Rn. 29.
19 Vgl. Schaffner, M., BewG, § 180 Rn. 1.
20 Vgl. OFdL, Erlass v. 05.06.2013, BStBl. 2013 I, S. 734.
21 Vgl. Zipfel, L., BeckOK, § 12 Rn. 326.
22 Vgl. Halaczinsky, R., BewG, § 181 Rn. 16.
23 Vgl. BFH (2014), v. 04.12.2014 — II R 20/14, NZM 2015, S. 503.
24 Vgl. Loose, M., ErbStR, Kap. D Rn. 119.
25 Vgl. Halaczinsky, R., BewG, § 181 Rn. 5.
26 Vgl. Halaczinsky, R., BewG, § 181 Rn. 8.
27 Vgl. Halaczinsky, R., BewG, § 181 Rn. 11.
28 Vgl. Krause, I., Grootens, M., Grundbesitzbewertung, 2022.
29 Vgl. Landsittel, R., Handbuch , § 11 Rn. 244.
30 Vgl. Landsittel, R., Handbuch, § 11 Rn. 244.
31 Vgl. Krause, I., Grootens, M., Grundbesitzbewertung, 2022.
32 Vgl. Stalleiken, J., Handbuch, § 4 Rn. 33.
33 Vgl. Schnitter, G., ErbStG, § 183 Rn. 25.
34 Vgl. R B 183 I 2 ErbStR v. 16.12.2019.
35 Vgl. Schnitter, G., ErbStG, § 183 Rn. 14.
36 Vgl. R B 183 II 4 ErbStR v. 16.12.2019.
37 Vgl. Pelka, J., Wüst, J., StB-Handbuch, Kap. G Rn. 291.
38 Vgl. R B 183 II 3 ErbStR v. 16.12.2019.
39 Vgl. FG Hannover (2018), v. 06.09.2018 — 1 K 68/17, EFG 2019, S. 503.
40 Vgl. Schnitter, G., ErbStG, § 183 Rn. 19.
41 Vgl. FG Köln (2014), v. 12.02.2014 — 4 K 3081/13, EFG 2014, S. 818.
42 Vgl. Schnitter, G., ErbStG, § 183 Rn. 20.
43 Vgl. H B 183 II ErbStH v. 16.12.2019.
44 Vgl. R B 183 II 5 ErbStR v. 16.12.2019.
45 Vgl. FG München (2020), v. 29.01.2020 — 4 K 2487/19, DStRE 2021, S. 868.
46 Vgl. FG Niedersachsen (2014), v. 11.04.2014 — 1 K 107/11, EFG 2014, S. 1365.
47 Vgl. Schnitter, G., ErbStG, § 183 Rn. 23.
48 Vgl. R B 183 III 3 ErbStR v. 16.12.2019.
49 Vgl. FG Niedersachsen (2015), v. 17.09.2015 — 1 K 147/12, EFG 2016, S. 185.
50 Vgl. H B 183 III ErbStH v. 16.12.2019.
51 Vgl. R B 183 IV 1 ErbStR v. 16.12.2019.
52 Vgl. Schnitter, G., ErbStG, § 183 Rn. 24.
53 Vgl. H B 183 III ErbStH v. 16.12.2019.