Fußball gilt als die beliebteste Sportart weltweit. Einen großen Beitrag zu dieser Beliebtheit leistet die stetig steigende Schnelligkeit und Dynamik des Spiels. Diese wird im Fußball durch die taktische Ausrichtung der Mannschaft bestimmt, durch die technischen Fertigkeiten der Spieler, zu einem großen Teil aber auch durch den Ausprägungsgrad der konditionellen (Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft) und koordinativen (Beweglichkeit und Koordination) Fähigkeiten - Athletik.
Um den Status eines professionellen Fußballspielers zu erreichen und im professionellen Fußball (Hochleistungsfußball) langfristig erfolgreich spielen zu können, gilt, unter anderem, eine vielfältige sportmotorische Ausbildung im Kindes- und Jugendalter als Basis. Sportartübergreifend nennt man diese Ausbildung den langfristigen Leistungsaufbau, kurz LLA. Ein wichtiger Baustein, um Höchstleistungen im professionellen Fußball erbringen zu können und damit auch ein wichtiger Baustein des LLA ist die Entwicklung der konditionellen Fähigkeiten. Laut Ryan et al. bildet eine optimale Fitness die Basis für fußballerische Höchstleistung.
Als Basis sportlicher Handlungskompetenz sowie als elementare Grundlage für jede Bewegung nennt Ferrauti die konditionelle Fähigkeit Kraft. Auch im Fußball kann die Kraft als leistungsbestimmender Faktor gesehen werden. Ein gut ausgeprägtes Kraftniveau reduziert die Verletzungsanfälligkeit und trägt zu einer Verbesserung der fußballerischen Leistungsfähigkeit bei. Dies gilt insbesondere für die spielentscheidenden Momente z.B. Torabschlüsse, Laufduelle, Zweikämpfe, Kopfballduelle, welche häufig an schnellkräftige Aktionen, Sprint und Sprung, gekoppelt sind, welche von der Maximalkraft und Schnellkraft beeinflusst werden. Die Entwicklung der Kraft, sollte wie die Entwicklung jeder anderen Fähig- bzw. Fertigkeit bereits im Kinder- und Jugendalter, also während des LLA, starten. Zu berücksichtigen ist, dass sich das Krafttraining im LLA aufgrund von wachstums-, reifungs- und entwicklungsbedingter Veränderungen besonderen physiologischen und psychologischen Gegebenheiten vom Trainingsansatz für Erwachsene unterscheiden sollte.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Nachwuchsleistungszentrum
2.1 Gründungskriterien des Nachwuchsleistungszentrums
2.2 Sportliche Ausbildungsstufen des Nachwuchsleistungszentrums
3. Langfristiger Leistungsaufbau
3.1 Sensible Phasen im langfristigen Leistungsaufbau
3.2 Langfristiger Leistungsaufbau im Fußball
3.3 Langfristiger, athletischer Leistungsaufbau im Fußball
4. Die konditionelle Fähigkeit Kraft
4.1 Erscheinungsformen der konditionellen Fähigkeit Kraft
4.1.1 Maximalkraft
4.1.2 Schnellkraft
4.1.3 Kraftausdauer
4.1.4 Reaktivkraft
4.2 Die konditionelle Fähigkeit Kraft im Fußball
5. Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft im langfristigen, athletischen Leistungsaufbau von Nachwuchssleistungsspielern in der Sportart Fußball – aktueller Forschungsstand
6. Methodik
6.1 Datenerhebung und -sampling
6.2 Datenaufbereitung und -analyse
6.3 Gütekriterien
6.3.1 Intersubjektive Nachvollziehbarkeit
6.3.2 Gegenstandsangemessenheit des Forschungsprozesses
6.3.3 Prüfung von kommunikativer und explanativer Validierung
6.3.4 Triangulation/Mixed Methods
7. Ergebnisse
8. Diskussion
9. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1. Modell der Talentidentifikation und -entwicklung (Hoffmann et al. 2013, S. 4)
Abb. 2. Übersicht des Ausbildungskonzepts des DFB (Quelle: DFB, 2014, S. 14)
Abb. 3. Konzeptionelles Modell zur Implementierung verschiedener Krafttrainingsformen (Granacher et al., 2016, S. 6)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: günstiger Phasen der Trainierbarkeit-sensible Phasen
Tabelle 2: Der Leistungsaufbau im Überblick
Tabelle 3: Strukturierung der Kraft10 Tabelle 4: Übersicht der Interviewteilnehmer
Abkürzungsverzeichnis
Langfristiger Leistungsaufbau.LLA
Nachwuchsleistungszentrum..NLZ
Deutscher Fußballbund...DFB
Bundesinstitut für Sportwissenschaft…Bisp
Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaftdvs
Institut für angewandte Trainingswissenschaft….IAT
Deutscher olympischer Sportbund….DOSB
1. Einleitung
Fußball gilt als die beliebteste Sportart weltweit(Spox, 2019). Einen großen Beitrag zu dieser Beliebtheit leistet die stetig steigende Schnelligkeit und Dynamik des Spiels. Diese wird im Fußball durch die taktische Ausrichtung der Mannschaft bestimmt, durch die technischen Fertigkeiten der Spieler, zu einem großen Teil aber auch durch den Ausprägungsgrad der konditionellen (Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft) und koordinativen (Beweglichkeit und Koordination) Fähigkeiten - Athletik.
Um den Status eines professionellen Fußballspielers zu erreichen und im professionellen Fußball (Hochleistungsfußball) langfristig erfolgreich spielen zu können, gilt, unter anderem, eine vielfältige sportmotorische Ausbildung im Kindes- und Jugendalter als Basis (Düring, 2011, S.21). Sportartübergreifend, nennt man diese Ausbildung den langfristigen Leistungsaufbau, kurz LLA. Ein wichtiger Baustein um Höchstleistungen im professionellen Fußball erbringen zu können und damit auch ein wichtiger Baustein des LLA ist die Entwicklung der konditionellen Fähigkeiten. Laut Ryan et al. (2018, S. 2) bildet eine optimale Fitness die Basis für fußballerische Höchstleistung.
Als Basis sportlicher Handlungskompetenz sowie als elementare Grundlage für jede Bewegung nennt Ferrauti (2020, S.189) die konditionelle Fähigkeit Kraft. Auch im Fußball kann die Kraft als leistungsbestimmender Faktor gesehen werden. Ein gut ausgeprägtes Kraftniveau reduziert die Verletzungsanfälligkeit und trägt zu einer Verbesserung der fußballerischen Leistungsfähigkeit bei. Dies gilt insbesondere für die spielentscheidenden Momente z.B. Torabschlüsse, Laufduelle, Zweikämpfe, Kopfballduelle, welche häufig an schnellkräftige Aktionen, Sprint und Sprung, gekoppelt sind, welche von der Maximalkraft und Schnellkraft beeinflusst werden (Schlumberger, 2006, S.125). Die Entwicklung der Kraft, sollte wie die Entwicklung jeder anderen Fähig- bzw. Fertigkeit bereits im Kinder- und Jugendalter, also während des LLA, starten. Zu berücksichtigen ist, dass sich das Krafttraining im LLA aufgrund von wachstums-, reifungs- und entwicklungsbedingter Veränderungen besonderen physiologischen und psychologischen Gegebenheiten vom Trainingsansatz für Erwachsene unterscheiden sollte (Ferrauti, 2020, S. 510). Abgeleitet aus diesen Erkenntnissen, wird im Rahmen dieser Forschungsarbeit der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert die konditionelle Fähigkeit Kraft im langfristigen, athletischen Leistungsaufbau bei Nachwuchsleistungsspielern in der Sportart Fußball hat. Das Ziel der Forschung ist es herauszufinden, wie der Stellenwert der Kraft bzw. die Entwicklung dieser konditionellen Fähigkeit im LLA von Athletiktrainern, die derzeit im Nachwuchsleistungszentrum, kurz NLZ, von XY tätig sind, bewertet wird. Ferner, wird die subjektive Meinung der Athletiktrainer hinsichtlich des allgemeinen LLA im Fußball, die allgemeine Bedeutsamkeit der Kraft im Fußball und die Rolle der NLZ als Trainingsort im LLA erforscht. Die Forschungsarbeit gliedert sich in 2 Teile. In Teil 1 wird den Lesenden eine theoretische Einführung in die Themen NLZ, LLA, sensible Phasen bei der Entwicklung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten, die konditionelle Fähigkeit Kraft im Fußball, gegeben. Außerdem erfolgt eine Übersicht über den aktuellen Forschungsstand. In Teil 2, werden anhand einer qualitativen Studie mit den zuvor genannten Athletiktrainern Interviews durchgeführt, um deren subjektive Meinung zu erfahren. Die Ergebnisse werden miteinander verglichen und vorgestellt. Im Anschluss erfolgt ein Abgleich der Ergebnisse mit der bereits vorhandenen Literatur im Diskussionsteil der Arbeit. Die Arbeit endet mit einem Fazit zum Stellenwert der Kraft im LLA in der Sportart Fußball und einem Ausblick für zukünftige Forschungsarbeiten, die sich mit dem selben bzw. einem ähnlichen Thema beschäftigen werden. In dieser Forschungsarbeit wird im nachfolgenden Text auf das Gendern verzichtet, weil es sich ausschließlich um männliche Nachwuchsleistungsspieler handelt.
2. Das Nachwuchsleistungszentrum
Das NLZ soll für eine qualitativhochwertige Ausbildung talentierter Nachwuchsspieler in der Sportart Fußball zuständig sein. Die übergeordneten Ziele aller Nachwuchsleistungszentren sind es, durch eine kontinuierliche Nachwuchsförderung, die Nachwuchsspieler, erstens, für den nächsthöheren Jahrgang und dessen Anforderungen zu qualifizieren. Zweitens, die Nachwuchsspieler letztendlich für den Lizenzbereich (Profibereich) auszubilden. In Deutschland, bestehen Nachwuchsleistungszentren seit der Saison 2002/2003 in Deutschland. Sie gelten als Anlaufstelle für die regionalen Talente der Region – Talentförderung (Herz, 2015, S.44).
2.1 Gründungskriterien des Nachwuchsleistungszentrums
Alle Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga haben von der deutschen Fußball Liga (DFL) die Vorgabe, ein Nachwuchsleistungszentrum zu stellen, um eine Lizensierung für den professionellen Fußball zu erhalten. Vereine unterhalb der 1. und 2. Bundesliga dürfen ein Nachwuchsleistungszentrum stellen, wenn sie, wie die Vereine der 1. und 2. Bundesliga, die geforderten Kriterien umsetzen. Die Kriterien variieren teilweise abhängig von der jeweiligen Spielklassenzugehörigkeit der Seniorenmannschaft. Kriterien für die Eröffnung eines NLZ (Herz, 2015, S.45):
-Die Gründung von mindestens 7 bis 9 Nachwuchsteams (U9-U23)
-1. Bundesligavereine müssen 3 Rasenplätze stellen
-1. Bundesligavereine müssen mindestens 2 Trainer mit der Qualifikation des Fußballlehrers (höchste Trainerlizenz) einstellen, sowie einen weiteren Trainer mit einer Fußballtrainer A-Lizenz. Diese 3 Trainer, müssen hauptamtlich beschäftigt sein
-Sportliche Leiter müssen hauptamtlich angestellt sein und die Qualifikation des Fußballlehrers besitzen
-Eine physiotherapeutische- und ärztliche Betreuung muss gewährleistet sein
-Die Beschäftigung eines hauptamtlichen Sportpsychologen
-Ein Jugendförderungprogramm, mit einem erkenntlichen Ziel (z. B., die eigenen Nachwuchsspieler in den vereinsinternen Profibereich zu integrieren oder als Ausbildungsverein tätig zu sein und die Nachwuchsspieler vereinsextern, gewinnbringend, weiterverkaufen) und einer Philosophie (z.B., eine ganzheitliche Entwicklung der Spieler, i.e. sportliche-, schulische- und persönliche Entwicklung)
In Deutschland bestehen aktuell 57 Nachwuchsleistungszentren (18 Vereine aus der 1. Bundesliga, 18 Vereine aus der 2. Bundesliga, 11 Vereine aus der 3. Bundesliga, 8 Vereine aus der Regionalliga und 2 Vereine aus der Oberliga).
2.2 Sportliche Ausbildungsstufen des Nachwuchsleistungszentrums
Die große Mehrheit der NLZ unterteilt ihre sportliche Ausbildung in 3 bzw. 4 Stufen:
-Grundlagenbereich
-Aufbaubereich
-Leistungsbereich
-Übergangsbereich
Die Altersstufen der einzelnen Ausbildungsbereiche sind vereinsabhängig und deswegen teilweise unterschiedlich. Bei XY gliedern sich die Bereiche, altersabhängig, wie folgt:
-Grundlagenbereich (U9-U12)
-Aufbaubereich (U13-U15)
-Leistungsbereich (U16-U17)
-Übergangsbereich (U19-U23)
Laut des internen Ausbildungskonzeptes von XY, sollen die Nachwuchsspieler in den jeweiligen Ausbildungsstufen/Ausbildungsbereichen, altersgerecht, technische- und taktische Fertigkeiten erlernen. Die Ausbildung der technischen und taktischen Fertigkeiten im Nachwuchs, soll sukzessive an das Niveau und die Spielphilosophie des Profiteams heranführen. Zusätzlich sollen mentale und athletische Fähigkeiten gefördert bzw. ausgebildet werden, welche der Leistungsoptimierung (mental und körperlich) und der Verletzungsprophylaxe dienen. Durchläuft ein Nachwuchsspieler alle Ausbildungsstufen, so muss dies systematisch und langfristig geplant werden. Dieser systematischen Planung, des zielorientierten Entwicklungsprozesses der sportlichen Leistungsfähigkeit, liegt dem LLA zu Grunde.
3. Langfristiger Leistungsaufbau
„Die übergreifende Zielstellung im deutschen Nachwuchsleistungssport besteht darin, internationale sportliche Erfolge im Hochleistungsalter systematisch vorzubereiten, um die Spitzenposition Deutschlands im internationalen Vergleich zu erhalten und den Stellenwert des Leistungssports in der Gesellschaft zu erhöhen“ (Richartz et al., 2014, S. 8).
Im Leistungssport wird der LLA als systematischer Aufbau der sportlichen Leistung eines sportlichen Anfängers bis zum Hochleistungssportler in einer Sportart gesehen (Schnabel, 2008, S. 401). Zu differenzieren, ist hier insbesondere zwischen dem Nachwuchstraining und dem Hochleistungstraining im Erwachsenenalter. Der langfristige Leistungsaufbau beginnt im Nachwuchstraining und unterscheidet sich in drei wesentlichen Punkten vom Hochleistungstraining im Erwachsenenalter.
Laut Schnabel (2008, S. 401) steht Nachwuchstraining für Folgendes:
-Hat einen perspektivischen Charakter
-Sollte nur die Aufgaben und Inhalte der jeweiligen Ausbildungsetappe als Ziel haben
-Gilt als Basis. Leistungsvoraussetzungen sollen geschaffen werden, um darauf aufbauende Trainingsziele zu erreichen
Im Nachwuchsleistungskonzept des deutschen olympischen Sportbundes (2014, S.10), kurz DOSB, wird zwischen folgenden Ausbildungsetappen im langfristigen Leistungsaufbau unterschieden (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 321):
- Allgemeine Grundlagenausbildung (AGA)
- Schwerpunkt: allgemeine Bewegungsförderung und Vorbereitung auf ein leistungsorientiertes Training
- Grundlagentraining (GLT)
- Schwerpunkt: vielseitige athletische Ausbildung mit dem Schwerpunkt Abwechslung und Spiel, Ausbildung der koordinativen Fähigkeiten und erster technischer Fertigkeiten
- Aufbautraining (ABT)
- Schwerpunkt: zielgerichtete sportartspezifische Ausbildung (Anfangsspezialisierung), Steigerung des Techniktrainings, Steigerung der energetisch-konditionellen Leistungsvoraussetzungen
- Anschlusstraining (AST)
- Schwerpunkt: Ausbildung hoher psycho-physischer Belastbarkeit, Zunehmende Spezialisierung auf eine Disziplin der Sportart
- Hochleistungstraining (HLT)
- Schwerpunkt: höchstmöglicher Ausprägungsgrad der individuellen sportartspezifischen Leistungsfähigkeit, Ziel höchstmöglicher Wettkampferfolge
Insbesondere Grundlagentraining, Aufbautraining und das Anschlusstraining fallen in den Bereich des Nachwuchstrainings. Hervorzuheben ist, dass die einzelnen Ausbildungsetappen im langfristigen Leistungsaufbau hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer in den unterschiedlichen Sportarten variieren können. Auch der Einstieg in das leistungsorientierte Nachwuchsleistungstraining erfolgt zu verschiedenen Zeitpunkten hinsichtlich des kalendarischen Alters der Kinder. Im Geräteturnen beginnt das Grundlagentraining (GLT) bereits mit 6/7-10 Jahren und das Aufbautraining mit 9/10 Jahren, wohingegen im Gewichtheben, dass GLT erst mit 13/14 Jahren und das ABT erst mit 16-19 Jahren beginnt (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 320). Laut des internen Ausbildungskonzeptes von XY, beginnt das strukturierte Grundlagentraining Im Fußball im Alter von 8. Die ist deckungsgleich mit dem Ausbildungskonzept des deutschen Fußball Bundes, kurz DFB, siehe Abbildung 2.
Abbildung 1, illustriert die einzelnen Ausbildungsetappen vom Sportanfänger bis hin zum Hochleistungssportler.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.1 Sensible Phasen im langfristigen Leistungsaufbau
Wie in Kapitel 3.0 dargestellt, befindet sich die Mehrheit der Ausbildungsetappen im Nachwuchstraining (i.e. Grundlagentraining, Aufbautraining und das Anschlusstraining) und damit im Kindes- und Jugendalter. Betrachtet man diesen bedeutsamen Abschnitt des LLA, muss man einen Blick auf die Modelle der sensiblen Phasen richten. Sensible Phasen geben einen Aufschluss über zeitlich begrenzte Phasen im Lebenslauf, in welcher eine besonders hohe motorische Plastizität besteht und folglich die Trainierbarkeit konditioneller und koordinativer Fähigkeiten und Fertigkeiten höher liegt, als zu anderen Zeitpunkten (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 328). Bekannte und anerkannte Modelle sensibler Phasen, sind unter anderem das Youth Physical Development Model (YPD) aus dem englischsprachigen Raum und das Modell günstiger Phasen der Trainierbarkeit. Tabelle 1 gibt einen Überblick über letzteres.
Tab. 1. Modell günstiger Phasen der Trainierbarkeit -sensible Phasen (Martin et al.,1999, S. 152)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um den hohen Anforderungen im Nachwuchsleistungssport gerecht zu werden, ist die Nutzung von Modellen sensibler Phasen und insbesondere, der darin enthaltenen zentralen Anhaltspunkte für einen systematischen Aufbau zur sportlichen Höchstleistung und damit im langfristigen Leistungsaufbau essentiell (Schnabel, 2008, S. 401; Hottenrott & Seidel, 2017, S. 328). Für die Anwendung dieser Modelle in der Trainingspraxis, sind zusätzliche Faktoren, wie z.B. die Genetik, das Geschlecht und der biologische Reifegrad der Leistungssporttreibenden relevant und bedeutsam und müssen in der Trainingsplanung berücksichtigt werden (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 326).
3.2 Langfristiger Leistungsaufbau im Fußball
Betrachtet man den LLA und die daran enthaltenden sensiblen Phasen in der Sportart Fußball, so ist es ratsam einen Blick auf die Ausbildungskonzeption des DFB, sowie deren Schwerpunktsetzung zu werfen. Die Ausbildungskonzeption des DFB, soll als sportliche Orientierungshilfe für Trainierinnen und Trainer im deutschen Fußball dienen (DFB, 2014, S. 1). In Anlehnung an die Ausbildungsetappen im LLA, welche bereits in Kapitel 3 erläutert wurden, hat der DFB seine eigenen Ausbildungsetappen, hier Ausbildungsstufen erstellt. Diese beginnen ebenfalls im Kindesalter, sportlicher Anfänger, und zielen auf die Entwicklung zum Hochleistungssportler/professionellen Fußballspieler, im Erwachsenenalter, ab. Anfangend, mit einer umfassenden Bewegungsschulung und technisch-spielerischen Vielseitigkeitsschulung, geht die Ausbildungskonzeption in die Richtung einer fußballspezifischen Ausbildung über und mündet im Hochleistungstraining. Abbildung 2 stellt eine Übersicht der vorher genannten Ausbildungsstufen des DFB, vom sportlichen Anfänger bis hin zum Hochleistungssportler, dar. Zusätzlich werden in Abbildung 2, die Ausbildungsstrukturen, für die jeweilige Altersstufe vorgestellt. Im Alter von 8-20 Jahren, ist insbesondere das NLZ als Trainings- und Wettkampfort, ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung auf dem Weg zum professionellen Fußballspieler/Hochleistungssportler und damit ein fester Bestandteil des LLA,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2. Übersicht des Ausbildungskonzepts des DFB (Quelle: DFB, 2014, S. 14)
Folgende Merkmale und Ziele, hat der DFB (2014, S. 14) für seine Ausbildungsstufen festgelegt hat:
-Teilziele jeder Ausbildungsstufe bauen systematisch aufeinander auf
-Die Stufen der Ausbildung sind auf Entwicklungsphasen abgestimmt und daher fließend.
-Der individuelle Entwicklungsstand beeinflusst auf jeder Stufe Ziele, Inhalte und Methoden
-Das Auslassen bestimmter Stufen begrenzt einen systematischen Leistungsaufbau
3.3 Langfristiger, athletischer Leistungsaufbau im Fußball
Schaut man sich die Wettkampfkalender, Wettkampf- und Trainingsdaten der heutigen Spitzenfußballer an, so ist es nicht verwunderlich, dass die zu erfüllenden Anforderungen auf technisch-taktischer, psychologischer und konditionelle Ebene immer größer werden. Ein Gesamtanstieg an Umfang und Intensität, findet stetig statt (DFB, 2014, S. 14). Der Grundstein, um diese Spitzenleistungen im Seniorenbereich zu erbringen, wird im Kindes- und Jugendalter – Nachwuchstraining gelegt. Eine systematische und langjährige Ausbildung ist unabdinglich um in nahezu allen Sportarten Spitzenleistungen zu erbringen. Das Nachwuchstraining ist als Schlüsselfaktor bei der Entwicklung spätere Spitzenleistungen anzusehen (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 318).
Der DFB hat ein umfassendes Trainingsmodell für den LLA konzipiert. Das Trainingsmodell umfasst das Trainieren der Technik, Taktik, und Kondition sowie die Ausbildung der Persönlichkeit. Schaut man sich die Leistungsdaten und die Dynamik des professionellen Fußballs heutzutage an, so wird klar, dass eine fußballspezifische Fitness auf Topniveau absolut leistungsbestimmenden ist (DFB, 2014, S. 30). Die fußballspezifische Fitness, wird hier mit dem Begriff Kondition beschrieben. Kondition bedeutet im sportlichen Kontext, sportlich Leistungsfähigkeit zu sein, um die Anforderungen der jeweiligen Sportart erfüllen zu können (Ferrauti, 2020, S.511). In den Bereich der Kondition, fallen primär die konditionellen Fähigkeiten Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer. Die koordinativen Fähigkeiten, Beweglichkeit und Koordination, werden häufig im Zusammenhang mit den konditionellen Fähigkeiten genannt, da sie sich gegenseitig beeinflussen. Beispielsweise, wird die Schnelligkeit im hohen Maße von den koordinativen Fähigkeiten mitbestimmt (Steinhöfer, 2015, S. 21; Grosser, Starischka & Zimmermann, 2012, S. 8).
Laut Steinhöfer (2015, S. 13) sind Kondition und Koordination die Basisvoraussetzung für das Sportspiel und somit auch für den Fußball. Schaut man sich die unterste Zeile in Tabelle 2 an, so kann man die Wichtigkeit des langfristigen athletisch-konditionellen Leistungsaufbaus über die gesamte Zeitspanne (Fußballanfänger bis hin zum professionellen Fußballspieler) sehen. Schaut man sich die Wettkampfstruktur bzw. das Anforderungsprofil im Fußball an, so wird erkennbar, das alleine bei einer Spieldauer von 90 – 120 Minuten (Meisterschaftsspiel und Pokalspiel mit Verlängerung) eine hohe Anforderung an die Ausprägung aller konditionellen Fähigkeiten besteht. Insbesondere die konditionelle Fähigkeit Kraft spielt im athletisch-konditionellen Anforderungsprofil im Fußball eine übergeordnete Rolle, da sie für viele fußballspezifische und spielentscheidende Bewegungsabläufe Grundvoraussetzung ist (Steinhöfer,2015, S. 88).
4. Die konditionelle Fähigkeit Kraft
„Kraft ist eine elementare Grundlage für jede Bewegung des Menschen und somit fundamentale Basis sportlicher Handlungskompetenzen“ (Ferrauti, 2020, S.189).
Laut Steinhöfer (2015, S. 66) ist Kraft die Fähigkeit des Nerv-Muskelsystems, durch Innervations- und Stoffwechselprozesse Muskelkontraktionen durchzuführen und dabei Widerstände zu überwinden, ihnen nachzugeben oder sie zu halten. Der geleistete Krafteinsatz, liegt dabei höher als 30 Prozent des spezifischen Kraftmaximums. Der Richtwert von ungefähr 30 Prozent grenzt den Einsatz der konditionellen Fähigkeit Kraft von anderen konditionellen Fähigkeiten, wie beispielweise, der Ausdauer und der Schnelligkeit ab. Dies bedeutet, dass bei einem Krafteinsatz von unter 30 Prozent gegebenenfalls andere konditionelle Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Ausdauer, dominanter sein können (Steinhöfer, 2015, S. 66).
Muskeln weisen drei unterschiedliche Arbeitsweisen auf. Diese werden nachfolgend, anhand von Beispielen, aus dem Fußball, erklärt:
Die konzentrische Arbeitsweise des Muskels: Ursprung und Ansatz der Arbeitsmuskulatur nähern sich an. Die Arbeitsweise der Muskulatur ist dynamisch überwindend. Beispiel: ein Fußballspieler springt zum Kopfball hoch. Die Aufwärtsbewegung des Sprunges bedeutet einer konzentrischen Arbeitsweise für die unteren Extremitäten (Steinhöfer, 2015, S.66).
Die statische Arbeitsweise des Muskels: Abstand zwischen Ansatz und Ursprung der Arbeitsmuskulatur bleibt gleich. Die Arbeitsweise der Muskulatur ist haltend. Beispiel: der Torwart geht vor einem Strafstoß in eine kniebeugähnliche Position und verharrt in dieser. Die Arbeitsweise der unteren Extremitäten und des Rumpfes sind statisch (Steinhöfer, 2015, S.66).
Die exzentrische Arbeitsweise des Muskels: Ansatz und Ursprung der Arbeitsmuskulatur entfernen sich voneinander. Die Arbeitsweise der Muskulatur ist dynamisch nachgebend. Beispiel: ein Fußballspieler springt zum Kopfball hoch. Vor dem Absprung, macht er eine Gegenbewegung nach unten, um mehr Schwung zu holen. Die unteren Extremitäten arbeiten exzentrisch (Steinhöfer, 2015, S.66).
Allgemein, muss der Kraft im Sport, im Vergleich zu den anderen konditionellen Fähigkeiten, ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden. Um sportliche Leistung erbringen zu können, ist ein Mindestmaß an Kraft sowie die Kontraktionsschnelligkeit der an der jeweiligen Sportart beteiligten Muskulatur äußerst bedeutsam (Hottenrott & Seidel, 2017, S.171). Beispiele im Fußball wären hier: der. Sprung beim Kopfballduell, der Zweikampf mit einem Gegner oder eine Vielzahl an Sprints über die gesamte Spieldauer (Hottenrott & Seidel, 2017, S.171). Diese sportartspezifischen Anforderungen müssen im Training berücksichtigt werden (Ferrauti, 2020, S.189). Übergeordnete Ziele im Krafttraining und vor allem Ziele, die für den Leistungssport wichtig sind, sind laut Ferrauti (2020, S. 190) die Steigerung der sportspezifischen Leistungsfähigkeit, eine verbesserte Verletzungsprophylaxe und eine verbesserte Rehabilitation durch eine schnellere Wiederherstellung von Muskel- und Gelenkfunktionen. Ein Anforderungsprofil, mit dem ausschließlichen Bezug auf die konditionelle Fähigkeit Kraft im Fußball, wird in Kapitel 4.2 vorgestellt.
4.1 Erscheinungsformen der konditionellen Fähigkeit Kraft
Die Kraft, lässt sich in drei Erscheinungsformen aufgliedern, i.e. die Maximalkraft als übergeordnete Basisfähigkeit, die Schnellkraft und die Kraftausausdauer. Die Reaktivkraft, wird zum Teil als eine Spezialform der Schnellkraftfähigkeit gesehen (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 173). Teilweise aber auch als eine gesonderte Erscheinungsform (Steinhöfer, 2015, S.81). Im weiteren Verlauf dieser Seminararbeit, wird die Reaktivkraft, als eine gesonderte Erscheinungsform der Kraft gesehen. Hervorzuheben ist, dass die Maximalkraft, als übergeordnete Basisfähigkeit, einen Einfluss auf den Ausprägungsgrad aller anderen Erscheinungsformen der motorischen Kraft hat (Bompa & Buzzichelli, 2015, S. 4; Steinhöfer, 2015, S.81). Diesen Einfluss, spiegelt Tabelle 3 noch einmal wieder.
Tab. 3. Strukturierung der Kraft
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.1.1 Maximalkraft
Steinhöfer (2015, S. 82) definiert die Maximalkraft als die höchstmögliche Kraft, welche das neuromuskuläre System bei maximaler willkürlicher Kontraktion ausüben kann. Laut Hottenrott & Seidel (2017, S. 173), ist die Maximalkraft jene, die bei höchster willkürlicher Anstrengung entwickelt werden kann. Die Höhe der Maximalkraft wird von den in Kapitel 4 erläuterten Arbeitsweisen der Muskulatur erheblich beeinflusst. In der exzentrischen Arbeitsweise, ist die maximale Krafthöhe am höchsten. Darauf folgen die statische und die konzentrische Arbeitsweise (Bompa & Buzzichelli, 2015, S. 27).
4.1.2 Schnellkraft
Hottenrott & Seidel (2017, S. 173) definieren die Schnellkraft als die Fähigkeit, Bewegungswiderstände mit maximaler Geschwindigkeit (Kontraktionsgeschwindigkeit der eingesetzten Muskulatur) zu überwinden bzw. einen möglichst hohen Kraftstoß zu erteilen. Dies kann das eigene Körpergewicht sein, bespielweise, bei einem Sprung oder einem Sprint aber auch die Beschleunigung eines Sportgerätes z. B. Fußball.
4.1.3 Kraftausdauer
Die Kraftausdauer, beschreibt die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, Kraftstöße von mehr als 30 Prozent der individuellen Maximalkraft innerhalb eines vorgebenden Zeitraums wiederholen zu können, und diese Kraftleistung im möglichst hohen Maße aufrechterhalten zu können (Wirth et al., 2012, S. 13; Steinhöfer 2015, S. 86).
4.1.4 Reaktivkraft
Martin, Carl und Lehnertz (1993, S.107) beschreiben die Reaktivkraft als eine Muskelleistung, welche innerhalb eines Dehnungs-Verkürzungszyklus (DVZ) einen erhöhten Kraftstoß erzeugt. Steinhöfer (2015, S. 85) beschreibt ein reaktives Kraftverhalten als hohe Kraftleistungen in der exzentrischen und konzentrischen Phase der Kraftentfaltung. Werden die zeitlichen Bedingungen zwischen Dehnung und Verkürzung geringgehalten, so können die exzentrische und konzentrische Kraftentfaltung höher sein als bei Bewegungen ohne exzentrische Vordehnungsphase (Steinhöfer 2015, S. 85).
4.2 Die konditionelle Fähigkeit Kraft im Fußball
Blickt man auf die Bewegungsanforderungen im Fußball, so kommt man zur Erkenntnis, dass zur Ausführung von vielen fußballspezifischen Bewegungsanforderungen, ein gewisses Kraftniveau vorrausetzend ist. Im Fußball dominieren vor allem beschleunigende (konzentrisch) und abbremsende (exzentrisch) Krafteinsätze (Steinhöfer, 2015, S. 88). Beschleunigende Krafteinsätze sind z. B. Sprints und Sprünge (insbesondere der Abdruck). In einer Studie mit norwegischen, männlichen Profifußballern, untersuchten Wisloff et al. (2004) den Zusammenhang der Nackenkniebeuge mit der Sprint- und Sprungleistung im Fußball. Gemessen wurde das Einer-Wiederholungs-Maximum der Nackenkniebeuge, 90 Grad Kniewinkel, die 10-Meter- und 30-Meter-Sprintzeiten und die vertikale Sprunghöhe. Wisloff et al. (2004) fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen der maximalen Kraft in der Nackenkniebeuge, 90 Grad Kniewinkel, den Sprintzeiten und der vertikalen Sprunghöhe. Je stärker der Athlet in der Nackenkniebeuge ist, desto schneller ist er auf den ersten 30 Metern und desto höher ist seine vertikale Sprunghöhe. Die konditionelle Fähigkeit Kraft, insbesondere die Maximalkraft und die Schnellkraft, hat also auch einen direkten Einfluss auf die konditionelle Fähigkeit Schnelligkeit.
Laut Steinhöfer (2015, S.82) überwiegt der Einfluss der Maximalkraft auf schnellkräftige Bewegungsanforderungen (Sprint und Sprung), wenn die zu beschleunigende Masse (Körpergewicht) hoch ist. Beim Schießen eines Fußballs würde hingegen eher der Einfluss der Schnellkraft, aufgrund des leichten Gewichtes des Fußballs, überwiegen. Abbremsende Krafteinsätze sind, beispielweise, Finten, Richtungswechsel, abrupte Stopps sowie das abbremsen nach dem Sprint oder die Abfangphase nach einem Sprung. Auch hier spielen die Fähigkeiten der Maximal- und Schnellkraft eine bedeutende Rolle (Dargartz, 2008, S. 81). Vor allem schnellkräftige Aktionen, tragen zur Ballgewinnung, Ballverteidigung, Torerzielung und Torvermeidung bei (Reilly et al., 2000, S. 669). Der Fußball ist eine Sportart, welche überwiegend aus dynamischen und vielfach hochexplosiven Bewegungen besteht (Weineck, Memmert und Uhing, 1998, S.201). Hinzukommen körperbetonte Zweikämpfe und Tacklings. Um diesen Bewegungsanforderungen über die gesamte Spieldauer, ohne einen signifikanten Leistungsabfall, gerecht zu werden, wird den unteren Extremitäten und dem Rumpf eine hohe Kraftleistungsfähigkeit abverlangt und setzt dementsprechend eine schnellkräftige und ausdauernde Muskulatur voraus. Folglich, besitzt somit auch die Kraftausdauer einen hohen Stellenwert im Fußball (Ferrauti 2020, S. 620). Beim Torhüter sollte zusätzlich eine größere Berücksichtigung auf das Training der oberen Extremitäten stattfinden als bei Feldspielern (Ferrauti 2020, S. 620). Gut ausgeglichene und ausgeprägte Kraftfähigkeiten, dienen neben der Leistungsoptimierung auch dem Abbau von Dysbalancen und der Reduzierung von Verletzungen – Verletzungsprophylaxe, im Fußball (Düring, 2011, S. 27).
[...]
- Quote paper
- Raphael Städtler (Author), 2022, Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft im langfristigen, athletischen Leistungsaufbau von Nachwuchsleistungsspielern in der Sportart Fußball, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1315564