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Essay, 2004
5 Seiten, Note: 1,5
ESSAY – Aristoteles, Nikomachische Ethik
Aristoteles´ dialektische Theorie der „Mitte“
Der zu behandelnde Text ARISTOTELES´, Nikomachische Ethik, Buch II, Kapitel
6 bis 9 ist ein Auszug aus ARISTOTELES´ Glückslehre. ARISTOTELES, welcher 384 v. Chr. in Stagira geboren wurde (gest. 322 v. Chr.) ist wahrscheinlich der bedeutendste Philosoph der Antike, dessen Name bis heute mit dem Begriff des Logischen Denkens verbunden ist. Sein Einfluss auf die Entwicklung des abendländischen Denkens war so entscheidend, dass man sich fragen muss: Wie wäre sie ohne ihn verlaufen? Das Selbe trifft auch für sein Konzept der Eudaimonia zu, welches in die Nikomachische Ethik eingebettet ist. Glückseligkeit ist für ARISTOTELES die Verwirklichung der vernünftigen Natur durch die Tätigkeit der Seele. Nach ARISTOTELES ist derjenige glücklich zu nennen, welcher gemäß vollendeter Tugend wirkt und über die notwendigen äußeren Güter in ausreichendem Maße verfügt.
Der ausgewählte Textauszug, der im Stil eines Lehrvortrages geschrieben wurde, befasst sich speziell mit der Theorie der „Mitte“ (griech. „mesotes“) und ist somit Bestandteil der theoretischen Dialektik ARISTOTELES’. Er diskutiert die Probleme, die im Bezug der Tugendfindung auftreten können und benutzt sein dialektisches Konzept der Mitte um theoretische Operationen ausführen und erläutern zu können. Dabei ist die Wahl der richtigen Mitte zwischen zwei Extremen diese Tugend, während Extreme wie Verschwendung und Geiz für ihn ein Laster sind. ARISTOTELES definiert diese Mitte als ein rechtes Maß zwischen dem Übermaß und dem Mangel, das durch die Vernunft bestimmt ist und möglichst immer in den Affekten und Handlungen des Menschen bestehen sollte. Zudem ist für ARISTOTELES die Tugend ihrer Substanz und Wesensbegriff nach selbst eine Mitte, kann aber gleichzeitig im besten Falle Äußerstes und Ende sein.
Allerdings kennt für ARISTOTELES nicht jede Handlung und Affekt eine solche Mitte. Affekte wie Schadenfreude und Neid oder Handlungen wie Ehebruch und Diebstahl schließen für ihn eine solche Mitte aus, da es, ganz gleich ob wenig Neid oder zuviel Neid, nie ein richtiges Verhalten geben kann, sondern immer nur ein falsches. Auf der anderen Seite heißt das, dass die Tugenden Mäßigkeit und Starkmut auch keine Extreme kennen, weil für ARISTOTELES die Tugend eine Mitte ist, welches gewissermaßen Ende und Äußeres ist. Durch diese Abgrenzung von solchen Begriffen schafft er eine standardisierte Termini und schließt gleichzeitig in seinem dialektischen Zugang zur „Mesotes-Lehre“ allgegenwärtig anerkannte und absurde Thesen aus, da für ihn die Dialektik
keine Schwatzkunst, sondern eine Kunst des problembezogen Diskutierens ist, welche mit Lösungsansätzen arbeitet.
ARISTOTELES wäre nicht er selbst, wenn er diese Theorie nur allgemein aufstellen würde, denn für ihn lassen sich seine Behauptungen auch bis ins Einzelne verfolgen. So nennt er viele Beispiele von Tugenden, wobei die Gerechtigkeit, welche einen doppelten Sinn hat, für ARISTOTELES eine größere Bedeutung besitzt. So bildet der Mut die Mitte zwischen den beiden Affekten Furcht und Zuversicht. Tollkühnheit ist das Übermaß an Zuversicht und Feigheit der Mangel. Mäßigkeit bildet die Mitte zwischen Zuchtlosigkeit und Unmäßigkeit, Freigiebigkeit wiederum zwischen Verschwendung und Geiz. An dieser Stelle definiert ARISTOTELES diese Begriffe klar aus und grenzt sie auch klar von einander ab. Durch die Operation von Begriffstripeln, die gegenseitig in Verbindung gesetzt werden, wird der dialektische Zugang zu diesem Thema deutlich.
Für ARISTOTELES gibt es somit drei Eigenschaften. Es existieren zwei Extreme, wovon eins am Übermaß leidet und das andere am Mangel sowie die Mitte selbst. Er setzt diese drei Eigenschaften in eine gegensätzliche Beziehung untereinander. Die Extreme sind der Gegensatz zur Mitte wie die Mitte ein Gegensatz zu den beiden Extremen ist. Darüber hinaus ist aber für ihn auch die jeweilige Mitte im Vergleich zum Mangel ein Übermaß und im Vergleich zum Übermaß ein Mangel, egal ob Affekt oder Handlung. So erscheint der Mutige gegenüber dem Feigling als tollkühn und gegenüber dem Tollkühnen als feige. Obwohl sich alle drei Eigenschaften einander entgegengesetzt sind, stehen sich die beiden Extreme am meisten entgegen. Hinzu kommt auch, dass sich zwischen manchen Extremen und der Mitte eine gewisse Ähnlichkeit abzeichnen kann.
Das zu der Mitte einmal der Mangel und einmal das Übermaß den größten Gegensatz bildet wie beim Mut die Feigheit und nicht die Tollkühnheit, führt ARISTOTELES auf zwei folgende Ursachen zurück. Die eine liegt in der Natur der Sache selbst, weil das eine Extrem der Mitte näher und sachlich ähnlicher ist und die andere in uns Menschen, da uns das, welchem wir von Natur aus mehr zugeneigt sind mehr der Mitte entgegengesetzt erscheint. Für ARISTOTELES neigt der Mensch von Hause aus mehr zur Lust, weshalb er leichter den Weg der Zuchtlosigkeit als den der Wohlanständigkeit betritt, d.h., dass die Seite, welcher wir leichter zuneigen, wir auch als stärkeren Gegensatz der Mitte entgegensetzen.
Für ARISTOTELES ist es als Mensch schwer sittlich tugendhaft zu sein, da es ein bestimmtes Maß an Wissen bedarf, um in jeder Sache die richtige Mitte finden zu können. Dieses jedoch macht für ihn das Gute so selten und so lobenswert. Um die richtige Mitte
finden zu können, muss man sich vor allem von dem stärkeren Gegensatz, welchen wir innerlich eher zuneigen, lösen. Hierin liegt für ARISTOTELES eine besondere Schwierigkeit, da die Menschen in diesem Punkt sehr individuelle Neigungen haben. Jedoch besteht für ihn eine besonders ausgeprägte Neigung der Menschen zur Lust oder Unlust.
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