Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Essay, 2021
16 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Der Panther - Rainer Maria Rilke
2.1. Gedichtform Dinggedicht - Definition
2.2. Der Panther als typisches Dinggedicht
2.3. Form und Sprache des Gedichts
2.3.1. Reimschema und Metrik
2.3.2. Syntax, Zeichensetzung und Enjambements
2.3.3. Sprachliche Perspektivierung und Wortwahl
3. Sprachliche Bildung
3.1. Von Sprachkultur und Sprachkultiviertheit
3.2. Das Modell der kommunikativen Kompetenz
4. Transfer in die unterrichtliche Praxis
4.1. Chancen und Herausforderungen des Gedichts
4.2. Exkurs: Charakteristika lyrischer Sprache (Spinner 2000)
4.3. Förderung der Sprachkompetenz
4.3.1. Hinführung und Zugang zum Gedicht
4.3.2. Verfahren zur Förderung der kreativen Kompetenz
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Für die meisten Kinder bilden lyrische Texte die frühste sprachästhetische Erfahrung. Indem sie etwa von ihren Eltern als Säuglinge Schlaflieder vorgesungen oder gesprochen bekommen, entwickeln sie ein Gespür für Melodik und Rhythmus, schon lange bevor sie Sprache verstehen können. Lyrik ist dabei, folgt man K. Spinner, „die ästhetische Manifestation von Sprache“ (Spinner 2018: 173).
Neben den sprachlichen und formalen Verschiedenheit der lyrischen Sprache im Vergleich zur Alltagssprache (dazu später mehr) betreibt die Lyrik ein „artistisches Spiel“ (Leubner et al. 2016: 106) mit sprachlichen Möglichkeiten (in Metrik, Reim, Klang sowie Wortwahl, Stilmittel und deren optischen Anordnung). Die Erkundung dieser Möglichkeiten ist Teil der Verstehensarbeit im Unterricht- allerdings birgt sie auch einen enormen Eigenwert: Sie kann maßgeblich zur Förderung des Sprachbewusstseins, der ästhetischen Wahrnehmung sowie des ästhetischen Vergnügens der Lernenden beitragen. Um nicht zuletzt das Potenzial lyrischer Texte für die Identitätsentwicklung verfügbar machen zu können, soll der Unterricht nicht nur auf gelungene Textinterpretationen abzielen, sondern das spielerische, aktivierende Moment in Gedichten entdeckendend und kreativ erfahrbar machen. (Vgl. ebd.)
An dieser Stelle setzt der vorliegende Essay an. Er hat seinen Schwerpunkt in der Sprachdidaktik. Um die Differenz zwischen Alltagssprache und verdichteter Sprache zu verdeutlichen, werde ich mich zunächst analytisch der formalen und sprachlichen Gestaltung meines Patengedichts, Maria Rilkes Der Panther (1903), widmen. Dabei orientiere ich mich an der Vorgehensweise des Seminars, in welchem Analyseaspekte aus dem Cornelsen- Schulbuch herangezogen wurden (vgl. 2. Sitzung; vgl. Cornelsen 2017: 121). Daran anschließend werde ich zunächst in das Konzept der Sprachkultiviertheit einführen und anschließend das Modell der Kommunikativen Kompetenz (Janich 2009), mit spezifischen Fokus auf die kreative Kompetenz, skizzieren. Auf dieser Grundlage möchte ich abschließend einige operativ-kreative Herangehensweisen an mein Patengedicht erörtern, die zur Förderung besagter sprachlicher Kompetenzen in der unterrichtlichen Praxis beitragen können.
Als Patengedicht wählte ich Der Panther (1903) von Rainer Maria Rilke. Ich entschied mich für dieses Gedicht, weil es für mich starkes Identifikationspotenzial hat: Während des Corona-Lockdowns, der landesweiten Ausgangsbeschränkungen und den strengen Kontaktverboten, habe ich mich (ebenso wie der Großteil der Bevölkerung) eingesperrt und von der Welt separiert gefühlt. Ich fühl(t)e mich auf mein Innerstes zurückgeworfen- meinem Gefühl für Raum und Zeit beraubt, blickte ich auf eine fremd-scheinende Welt, die mir einmal vertraut und zugänglich gewesen war.
Ähnliche Empfindungen greift Rilkes Gedicht auf und illustriert sie auf sensible Art und Weise ihm harmonischen Zusammenspiel zwischen Sprache und Form. Mittels treffender, ausdrucksstarker Wortwahl wird der/die Rezipientin sukzessive von der äußeren Beschreibung eines (in Gefangenschaft lebenden) Panthers in sein fragiles Inneres geführt.
Der Begriff des Dinggedichts wird in der deutschen Literaturgeschichte vornehmlich mit Rainer Maria Rilke in Verbindung gebracht. Es ist „ein Gedicht, das intensiv wahrgenommene Gegenstände der Wirklichkeit wiedergibt“ (Müller 1997: 366, zit. nach Wolf oD.: 97). Rilke verfolgt in seinen Dinggedichten die Absicht, sich mittels verdichteter, objektiver Sprechweise der Wesensart der Phänomene durch ihre plastische Erscheinung hindurch anzunähern. Das Ding mutiert bei ihm „zum Inbegriff eines in sich Seienden, das zur Deutung auffordert und zugleich niemals in dieser Deutung aufgehen kann oder soll.“ (Bolterauer 2015: 42) Das beschriebene Äußere steht dabei also symbolisch für das Innenleben des Dinges (vgl. Müller 1971: 13).
Bei meinem Patengedicht Der Panther handelt es sich um eines der prominentesten Dinggedichte Rilkes. Darin beobachtet ein/e Besucher:in der Pariser Gartenanlage einen hinter Gitter gesperrten Panther und interpretiert das Gesehene als innere Erfahrung. Typischerweise steht das Gedicht deshalb „in der Spannung zwischen Objekt- und Subjektbezug, zwischen Gegenstandstreue und imaginativer Sicht, zwischen realistischer und symbolischer Darstellung.“ (Müller 1997: 367, zit. nach Wolf oD.: 97) Der Panther ist ein Spiel „um An- und Abwesenheit“ (Bolterauer 2015: 46), in dem sich im Hin- und HerSwitchen der inneren und äußeren Welt Valenzen vertauschen (vgl. ebd.).
Das Gedicht besteht aus insgesamt drei Strophen, die jeweils vier Verse umfassen. In der Gesamtheit liegen demnach 12 Verse vor. Als durchgängiges Reimschema lässt sich der Kreuzreim (abab, cdcd, efef) identifizieren, mit dem Endreim als dominante Reimform (vgl. Gedicht im Anhang). Diese ergänzend liegt im dritten Vers ein Binnenreim in Form eines Schlagreims vor („Stäbe gäbe“). Der Binnenreim verlangsamt das Lesetempo und verstärkt im Lesevorgang das ermattende Gefühl fehlender Dynamik. Die beiden Schlusszeilen der ersten Strophe sind klanglich sehr monoton: Durch die Wiederkehr derselben Lautfolge verdeutlicht sich die End- und Aussichtslosigkeit des gefangenen Panthers (vgl. Kügler 1987: 212).
Hinsichtlich des Versmaß‘ des Gedichts lässt sich ein regelmäßiger, fünfhebiger Jambus identifizieren, welcher vor allem in der zweiten Strophe den raubtierhaften Gang (V. 6), das Umhergehen des Panthers als „ein Tanz von Kraft“ (V. 7) im geschmeidigen Rhythmus der fünf gleichförmigen Hebungen widerspiegelt (vgl. ebd.: 211). Die Kadenzen des Gedichts sind abwechselnd stumpf und klingend. Für die dritte Strophe kennzeichnend ist die kalkulierte Verletzung der zuvor suggerierten metrischen Regel, wodurch die Semantik des Verses in den Fokus gerückt wird (vgl. Felsner et al. 2012: 55). Rhetorisch-semantisch manifestiert sich im Fehlen des letzten Jambus- gedacht als „schweigender Versfuß“ (Kohl 2016: 79)- effektvoll das Ermatten des Panthers. Die schweigende Kadenz, das Abweichen vom Metrum, symbolisiert damit als Äquivalent der Leere, „in der sich das Bild im Herzen des Panthers auflöst.“ (ebd.)
Auf den/die Lesende:n wirkt der Text atmosphärisch deutlich melancholisch und insgesamt nachdenklich. Die metrische und rhythmische Regelmäßigkeit, das in den Kadenzen begründete ,Zusammenbrech en ‘ des schleppenden Rhythmus, setzt dem Gedicht einen Rahmen. Es grenzt es ein und spiegelt summarisch die äußere und innere Gefangenschaft des Panthers, dessen „großer Wille“ (V. 8) hinter den ihn umgebenden Gitterstäben kontrastvoll als „betäubt“ erlebt wird. (Vgl. Kügler 1987: 211)
Mit Blick auf die syntaktische Ausgestaltung des lyrischen Textes wird deutlich, dass in der ersten Strophe zwei hypotaktische Satzstrukturen (vgl. erste Strophe mit zwei Satzgefügen) vorliegen, während die zweite aus nur einem Hauptsatz und zwei Attributsätzen besteht, in syndetischer (=gereihter) Form. Die dritte Strophe umfasst zwei Hauptsätze, die ein zeitliches, iteratives (=wiederholendes) Nacheinander ausdrücken. (Vgl. Wolf o.D.: 96f.; Waldmann 2018: 205f.) Insgesamt stehen die Satzkonstruktionen in vollkommender Übereinstimmung mit dem Sinngefüge des lyrischen Textes. Zudem verwendet Rilke Enjambements, die in Kombination mit den so oder so gearteten Satzbauweisen unterschiedliche Wirkungen erzielen: Durch die Enjambements werden die Versenden samt deren Endreimen mehr oder weniger überspielt, sodass diese an Bedeutung verlieren. Am Ende der Verse eins und drei etwa, bewirken sie ein Stocken im Lesefluss. Funktion dieser Kunstmittel ist es, die Satzbedeutung und somit Aufmerksamkeit in den nächsten Vers zu verlagern. Dies lockert die Zeilenaufteilung und unterstützt den monotonen, schleppenden Rhythmus des Gedichts. (Vgl. ebd.: 210f.)
Inhaltlich verdeutlicht sich darin das Resignieren, die Hoffnungs- und Antriebslosigkeit des Panthers, dessen Blick „müd geworden“ (V. 2) und dessen „großer Wille“ (V. 8) betäubt ist. Durch den verkürzten Jambus sowie dem Einsatz von Gedankenstrichen (V. 11, 12) kommt eine gewisse spannungsreiche Dramatik auf, welche sich semantisch in dem endgültigen innerlichen Erschlaffen/ Sich-Aufgeben des Panters findet (vgl. Kügler 1987: 211). Dieser Eindruck wird durch die erneute Verwendung von Enjambements (V. 9-10, 11-12) verstärkt, indem auch hier der Lesefluss stockt und verlangsamt wird. Die Rezeption allgemein wird, wie auch in der ersten Strophe, intensiviert (vgl. Waldmann 1998: 212f.).
Der Panther ist durch eine, für Dinggedicht typische, objektive Sprechweise gekennzeichnet. Eine sprachliche Besonderheit liegt dabei zunächst im grundsätzlich reduzierten Blick des Sprecher-Ichs, welches nur indirekt in Erscheinung tritt und sich speziell auf das ,Natur- Ding‘ fokussiert. Bolerauer verweist hierbei auf den, für den Symbolismus relevanten, Aspekt des Weltverlusts (vgl. auch im Gedicht V. 4): „Wenn es „die“ Welt nicht gibt, dann gibt es zumindest diesen einen [realen] Panther.“ (Bolterauer 2015: 45). Die Sprechhaltung des lyrischen Ichs ist die der Deskription, da der Text durchgängig und ohne weitere Temporalangaben im Präsens verfasst ist. Jenes signalisiert das simultane Beschreiben des sich vor dem Käfig befindenden lyrischen Ichs. Das Adverb „manchmal“ (V. 9) lässt darauf schließen, dass es sich dort über einen längeren Zeitraum aufgehalten haben muss (vgl. Wolf o.D.: 96f.).
Interessant ist auch, dass das Substantiv ,Panther‘ (abgesehen vom Titel) wörtlich niemals in seiner Konkretheit gefasst wird, sondern schlicht anhand einzelner Wahrnehmungssplitter seiner äußeren Körperfunktionen (Substantive in der Funktion von Assoziationen wie dessen Blick, Gang/Schritte, Pupille). Darüber hinaus findet er nur implizit Erwähnung durch den Einsatz von Personal- und Possessivpronomen („sein“, „er“, „ihm“ V. 1). (Vgl. Kügler 1987: 211) Boltenauer dazu: „Die vordergründige Wahrnehmung wird zugunsten einer „hintergründigen“ verlassen - von einem „Gott, der hinter den Dingen ist“, [so] schreibt Rilke einmal.“ (Boltenauer 2015: 46)
Folgt man den Ausführungen Wolfs, so trägt das lyrische Ich keine unmittelbaren Beobachtungen an den/die Rezipient:in heran, sondern teilt vielmehr seine subjektiven Empfindungen/Interpretationen anhand der wahrnehmbaren, äußeren Merkmale des Panthers. Dies werde etwa darin deutlich, dass der Blick des/ der Beobachtenden direkt zum Blick des Panthers und zu dessen interpretierten Körperfunktion übergeht. Dass das Verb ,werden‘ (V. 2) im Perfekt vorliegt, deute darauf hin, dass der „müd gewordene Blick“ (V. 1-2) das Ergebnis eines Vorgangs sei. Als weiteres Indiz führt er die Tatsache an, dass die Prädikativergänzung ,so müd‘ analytisch gesteigert ist. Der „ausgeklammerte [...] in Eindrucksstellung gesetzte Gradsatz drückt [demzufolge] eine Interpretation des lyrischen Ichs aus“ (Wolf o.D.: 97).1
Wo die „tausend Stäbe“ (V. 3) in der ersten Strophe symbolisch für die äußere Gefangenschaft stehen, wird in der zweiten Strophe die innere Gefangenschaft des Panthers zum Ausdruck gebracht. Auch hier wird der objektive Gang von der/dem beobachtenden und interpretierenden Zuschauer:in von außen nach innen interpretiert. Syntaktisch wird dieser Perspektivwechsel durch gereihte Hypotaxe verdeutlicht. Die ,Dehnung‘ des Satzes kann mit der Betäubung des Panthers in Zusammenhang gebracht werden, welcher sich im monotonen, komprimierten Alltag seiner Selbst (ursprünglichen Kraft) entfremdet. (Vgl. Kügler 1987: 211) Die Attribute „weich“, „geschmeidig“ und „stark“ (V. 5) skizzieren noch das natürliche Wesen des Panthers und stehen in Opposition zu den Kontrastworten „müd“, „betäubt“, „im allerkleinsten Kreise“ u.Ä., welche auf die Entfremdung und Unnatürlichkeit der Gefangenschaft verweisen.
In der letzten Strophe erschließt sich dem/der Lesenden nach „hartnäckig-geduldigen [, analogem] Beobachten“ (Kügler 1987: 2010) der gesamte „lyrische Erkenntnisgewinn“ (ebd.): Das Hingelangen in die Einsicht der Wesensart des Tiers. Inhaltlich geschieht das durch die erneute Hinwendung des/der Beobachter:in zum Blick des Panthers, in dessen Pupille sich „nur manchmal“ (V. 9) ein „Bild hinein[schiebt]“. Wird das Bild (symbolisch: ein Stück der Welt) noch sehend aufgenommen, „so endet und verendet alles Beobachten - nach einem Augenblick der Spannung - im Herzen“ (Kügler 1987: 211). Die Gedankenstriche erlauben Zäsuren beim Lesen des Gedichts und symbolisieren Hoffnung. Diese erlischt jedoch in der Symbolik des „Herzens“ (V. 12), welches als Sitz der Gefühle, („sonst Zentrum des Lebens“, Kügler 1987: 211) auch für das innerste Wesen des Panthers steht. Dass das Verb „geben“ (V. 3) im Konjunktiv II vorliegt, „ist dann nur noch das Pünktchen auf dem i“ (Bolterauer 2015: 47): Es versinnbildlicht bereits in der ersten Strophe den verloren gegangenen Bezug des gefangenen Tieres zu sich und der Realität (vgl. ebd.).
Der Begriff der Sprachkultur wird im alltagssprachlichen Gebrauch häufig dafür verwendet, um normativ über das Sprechen und die Sprache anderer zu urteilen. Janich (2016) versucht, den Begriff stärker deskriptiv zu fassen, indem sie eine theoretische Unterscheidung zwischen den Termini der Sprachkultur und Sprachkultiviertheit vornimmt:
Die Sprachkultur im engeren Sinn ist die vorliegende Leistung und Leistungsfähigkeit einer Sprachgemeinschaft. Ihr liegt demnach „als Referenzgröße die historische Einzelsprache und damit der materielle Gegenstand an repräsentativen Sprech- und Textzeugnissen zugrunde“ (Janich 2019: 430). Bei der Sprachkultiviertheit hingegen liegt der Fokus auf das Individuum als sprechhandelndes, kooperatives Wesen: Es beschreibt ein „(prinzipiell anzustrebendes) individuelles Sprach- und Sprechhandlungsvermögen, wobei Sprech- und Texterzeugnisse hier als Mittel der Rekonstruktion dienen.“ (ebd.) Janich distanziert sich von der weitverbreiteten Auffassung, dass Sprachkultiviertheit nur dann vorherrsche, wenn sich jemand grammatikalisch korrekt und sprachlich versiert äußert (vgl. Obrist/Janich 2016, n.pag.). Sie hebt hervor, dass Sprechen in diesem Sinne nicht als Verhalten verstanden werden kann, sondern vielmehr als intendiertes Handeln, für welches man Verantwortung trägt. Sodann betont sie den Stellenwert des ernsthaften Interesses eines Menschen an „erfolgreicher und gemeinschaftlicher Kommunikation“ (ebd.) und den damit verbundenen Anspruch an den/die Sprechendem, sich ernsthaft um seine „sprachliche Kompetenz und um Sprachreflexion auch mit Blick auf das eigene Sprechen [zu bemühen]“ (ebd.).
Janich entwickelt auf diesen Gedanken aufbauend ein Modell der kommunikativen Kompetenz (Janich 2009: 33, siehe Ab. 2 im Anhang). In diesem skizziert sie sieben sprachliche Subkompetenzen, über die ein/e Sprecherin mindestens in basalen Ausprägungen verfügen muss, um erfolgreich sprachlich handeln zu können. Als grundlegende Sprachkompetenzen, die Alltagskommunikation ermöglichen, beschreibt sie das Vermögen, „grammatisch korrekte Zeichenfolgen zu produzieren, sie als bedeutungstragend zu verstehen sie in Text und Situation angemessen zu kontextualisieren“ (Janich 2019: 431) sowie sie in ihrer prinzipiellen Strukturiertheit zu verstehen (vgl. ebd. 2009).
Darüber hinaus existieren nach Janich drei „Zusatzkompetenzen“ (Obrist/Janich 2016, n. pag.), die bereits einen hohen Anspruch an Sprachkultiviertheit formulieren:
1. die transsubjektive Kompetenz, die die Fähigkeit umfasst, seinem Gegenüber in seinen Erwartungen einschätzen zu können, sowie 2. die metakommunikative Kompetenz, die das Vermögen beschreibt, Distanz einnehmen zu können und über Sprache und Sprechen konstruktiv-reflexiv reden zu können. (Vgl. Janich 2009: 32ff; ebd. 2019: 433f.; Obrist/Janich 2016, n. pag.)
Innerhalb dieses Essays soll der Fokus auf dem Erwerb und der Weiterentwicklung der 3.- kreativen Kompetenzen liegen. Diese hat, so Janich, ihren Ursprung darin, dass das Spielerische und Schöpferische einen essenziellen (kognitiven) Aspekt sprachliche Handelns ausmacht. Sie kommt dort zum Einsatz, wo bereits vorhandene Mittel (Basiskompetenzen der kommunikativen Kompetenz wie das grammatikalische Regelwissen, Wortschatzkenntnisse, Semantisierung und Kontextualisierung) nicht ausreichen, um eine spezifische, neue Situation lösen zu können oder konkrete Ziele zu erreichen. Das bedeutet: Sie bezieht sich im basalen Sinne auf die Fähigkeit, bereits Bekanntes auf kreative Weise auf unbekannte Situationen (insbesondere auf sprachsystematischer Ebene) durch Erweiterung und Modifizierung des Vertrauten transformieren zu können. Insofern wird sie oft in Kombination mit der metakommunikativen Kompetenz aktiviert, wenn nämlich die Problemlösung nur durch das Sprechen, Analysieren und Reflektieren von Sprache gefunden werden kann. Sofern durch Erfahrungen und Experimentieren eine hohe kreative Kompetenz erworben wurde, befähigt sie die Einzelnen zur bewussten und intendierten Abweichung von Bekanntem. (Vgl. Janich 2009: 38f.)
Für den Einsatz des symbolischen Dinggedichtes im Unterricht spricht, dass es ein besonders hohes Identifikationspotenzial für die SuS bereithält. Das liegt einmal an der für Dinggedicht typischen Verwendung entsprechender sprachlicher Mittel wie etwa Personifikationen (Bsp.: „sein Blick ist [...] müd’ geworden“ V.1-2) und Symboliken. Zudem leben wir seit Frühling 2020 in einer Pandemie, die das Leben aller maßgeblich verändert und teilweise stark ein(ge)schränkt (hat). Vor allem Kinder und Jugendliche haben darunter zu leiden: Zeitweise blieben die Schulen geschlossen, es wurde ihnen verwehrt, Freund:innen zu treffen oder ihren Hobbies nachzugehen (vgl. Rosinius 2021).
Der lyrische Text findet sich daher ideal in die aktuelle Lebenswelt der Heranwachsenden ein, da er Themen wie Einsamkeit, Freiheitsentzug, Monotonie sowie Selbst- und Weltverlust auf sensible Art in sich vereint.
[...]
1 Für eine detaillierte sprachliche Analyse des Gedichts vgl. Wolf, Norbert Richard (o.D.). Dortiger Textvergleich könnte im Unterricht exemplarisch herangezogen werden, um die Differenzen zwischen sachlicher Alltags- und lyrischer Sprache herauszuarbeiten. Während in unteren Jahrgangsstufen eine starke didaktische Reduktion und entsprechende Fokussierung nötig wäre, böte Wolfs differenzierte Textanalyse von Der Panther in einem (leistungsstarken) Leistungskurs der Oberstufe Vertiefungspotenzial.