Die europäische Gemeinschaft ist ohne die Integration der einzelnen Mitgliedsstaaten in die Staatengemeinschaft nicht denkbar. Die theoretische Grundlage hierfür ist der liberale Intergouvernementalismus, der auch für eine gemeinsame Migrations- und Asylpolitik von Bedeutung ist.
Die Vergemeinschaftung der Migrations- und Asylpolitik der Europäischen Union
Die europäische Gemeinschaft ist ohne die Integration der einzelnen Mitgliedsstaaten in die Staatengemeinschaft nicht denkbar. Die theoretische Grundlage dafür ist der liberale Intergouvernementalismus, der in der Literatur vor allem dem Politikwissenschaftler Andrew Moravcsik zugeschrieben wird (vgl. Schimmelpfennig 2007, S. 75f.; vgl. Moravcsik & Schimmelpfennig 2009, S. 85). Allerdings gab es die Theorien des Intergouvernementalismus und des Neofunktionalismus bereits vor Moravcsik. Die Entwicklung des Liberalen Intergouvernementalismus war Teil von Moravcsiks Doktorarbeit an der Harvard University in Cambridge und seine Theorie gründet auf Elementen der klassischen politischen Theorie der internationalen Beziehungen (vgl. Gierling & Möller 2010, S. 142; vgl. Bieling 2007, S. 97). Der liberale Intergouvernementalismus ist als theoretische Basis wichtig, weil er zum einen die Unterscheidung zwischen der EU als System und dem System einer internationalen Organisation deutlich macht. Zum anderen ist dieser Ansatz wichtig, weil Moravcsik mit ihm zwei zentrale relevante Einflussebenen europäischer Politik analytisch trennt: die Ebene eines nationalen politischen Raums und die Dimension europäischer Verhandlungen.
Seine Schlussfolgerung lautet: 1. Beide Handlungsebenen beeinflussen die europäische Politik. 2. beide Ebenen folgen ihren eigenen institutionellen und verhaltensmäßigen Gesetzen (vgl. Moravcsik 1993, S. 517). 2. beide Ebenen folgen ihren eigenen institutionellen und verhaltensmäßigen Gesetzen (vgl. Moravcsik 1993, S. 514ff). Dass europäische und nationale Interessen nicht nur unterschiedlich, sondern auch diametral entgegengesetzt sein können, zeigte und zeigt sich am Beispiel der finanziellen Unterstützung des europäischen Mitgliedslandes Griechenland und den damit einhergehenden Forderungen nach finanziellen Einsparungen. Gesteuert wird dieser Prozess von der Troika. Daher ist auch davon auszugehen, dass die Entwicklung und Umsetzung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) nicht völlig konfliktfrei verlaufen wird. Rechtsgrundlage für das Gemeinsame Europäische Asylsystem sind Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 18 - das Recht auf Asyl - der EU-Grundrechtecharta. Ziel des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist es, ein gemeinsames System von Normen und Verfahren für die Gewährung von Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz zu schaffen, denn „die bisherige Richtlinie stellte den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den Mitgliedstaaten zum damaligen Zeitpunkt dar. Die Vorschriften waren oft zu vage, und Ausnahmen ermöglichten es den Mitgliedstaaten, ihre eigenen Vorschriften beizubehalten, auch wenn diese die vereinbarten Mindeststandards unterschritten“ (Malmström 2014, S. 4).
Es stellt sich die Frage nach dem Warum. Immerhin wurde von Seiten des Europäischen Rates jahrelang betont, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem bis 2012 fertiggestellt werden sollte, aber diese Frist konnte nicht eingehalten werden (Rat der Europäischen Union 2013, S. 12). Neben dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), das seit 2010 besteht und seinen Sitz in Malta hat, wurde auch Frontex eingerichtet. Diese Agentur ist für den Schutz der europäischen Grenzen zuständig. Sie soll zum einen die gemeinsamen Aktionen der nationalen Grenzschutzbehörden koordinieren und zum anderen die Behörden technisch und personell unterstützen. Die Aufgaben von Frontex sind mannigfach und reichen von der Organisation gemeinsamer Abschiebeflüge bis zur Untersuchung von Migrationsströmen (vgl. Klepp 2014, S. 60).
Zur Frage zurückkehrend, warum es zu Konflikten in der Koordination zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten in Sachen Gemeinsames Europäisches Asylsystem kommt, kann auf Moravcsiks Annahme verwiesen werden, dass jeder Mitgliedsstaat nicht nur seine eigenen institutionellen Gesetzmäßigkeiten, sondern auch Verhaltensweisen hat. Letztere sind von nationalen Interessen geleitet. So sind beispielsweise die Zuständigkeiten zwischen Frontex und den Mitgliedstaaten nicht ganz klar, da hier oft nationale Interessen im Vordergrund stehen. Ein Beispiel ist die jüngste Änderung der deutschen Asylpolitik, nach der Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina nun als sichere Herkunftsländer gelten (vgl. Rujevic 2014, o. S.).
Doch ein Mangel an Kompetenzen stellen für Frontex-Einsätze in erster Linie im Zusammenhang mit Flüchtlingen auf See ein gravierendes Problem dar. Denn wenn „an diesen Operationen Kräfte verschiedener Mitgliedsstaaten teilnehmen, die sich nicht immer über Art und Zeitpunkt des Abfangens einig“ (Klepp 2011, S. 290) sind, ist die Entstehung von Konflikten gleichsam bereits vorab konfiguriert (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2006, S. 12). Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Grenzschutzsystems der Europäischen Union ist aus diesem Grund das Füreinander-Eintreten der Mitgliedsstaaten (vgl. Klepp 2011, S. 65). Allerdings ist dies keineswegs stets gegeben und es ist auch nicht möglich, es immer einzufordern, womit es zum Verhandlungsgegenstand wird. Es wird zu Recht kritisiert, dass die EU hier Rechtslücken hat und dass diese vor allem auf die unterschiedliche Behandlung von Flüchtlingen in den einzelnen Mitgliedsstaaten zurückzuführen sind. Eine echte Harmonisierung des Asylrechts mit der Folge, dass alle Flüchtlinge überall in Europa effektiven Schutz genießen können, ist mit dem GEAS nicht erreicht worden.
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- Anonymous,, 2018, Die Vergemeinschaftung der Migrations- und Asylpolitik der Europäischen Union, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1302055