Parallel zur Einführung der Gemeinschaftsschule betonte die Landesregierung, die Gymnasien stärken zu wollen. Eine radikale Schulreform wie beim Vorbild Finnland blieb also aus. Ein Grund liegt vermutlich in der „Unantastbarkeit des Gymnasiums“. In Baden-Württemberg sind die Übergangsquoten von der Grundschule auf das Gymnasium beispiellos hoch. Eine Befürchtung, dass die Gemeinschaftsschule damit zur „Restschule“ verkommt, könnte also berechtigt sein. Eine Frage, die es im Folgenden zu untersuchen gilt. Dabei wird außerdem die Zweigleisigkeit von Gymnasium und Gemeinschaftsschule untersucht, um anhand internationaler Vergleichsstudien festzustellen, inwiefern die Gemeinschaftsschule qua Konzeption geeignet ist, die erwünschten Effekte wie Bildungsgerechtigkeit, Aufstiegschancen, funktionierende Inklusion etc. zu gewährleisten und welchen Einfluss das Bestehenbleiben des Gymnasiums auf diese Effekte haben kann.
Als sich die CDU nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011 nach 58 Jahren Regierungsverantwortung in der Rolle der Opposition sah, wurden die schwärzesten Entwicklungsszenarien prophezeit. Nach mittlerweile vier Jahren ist weder die Wirtschaft zusammengebrochen, noch hat die grün-rote Landesregierung für eine Revolution im Land gesorgt. Akzente setzte die Koalition aus Grünen und SPD allerdings in der Bildungspolitik mit der Einführung der Gemeinschaftsschule. Doch auch hier blieb eine tiefgreifende Reform aus. Das etablierte dreigliedrige Schulsystem bleibt den Schülerinnen und Schülern erhalten.
Neuerungen an der Gemeinschaftsschule sind beispielsweise der Entfall jeglicher Selektion. So werden nicht nur die drei Niveaustufen der bisherigen Gliederung von Haupt-, Realschule und Gymnasium zusammengeführt, sondern im Rahmen der Inklusion steht die Gemeinschaftsschule auch Kindern offen, die das Recht auf den Besuch einer Sonderschule haben. Auf der Gemeinschaftsschule sollen die Schülerinnen und Schüler durch offenen Unterricht und weitestgehend befreit von klassischer Benotung auf alle drei bisherigen Schulabschlüsse vorbereitet werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Was Finnland über das Vorhaben der Landesregierung verrät
- 2 Die Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg: Ein Modell mit Schwächen
- 3 Das Problem der „Restschule“: Die Gemeinschaftsschule als Opfer der „Unantastbarkeit des Gymnasiums“?
- 4 Eine kritische Bewertung der Konzeption der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg
- 5 Fazit: Die Gemeinschaftsschule als Chance oder als Gefahr für die Bildungsgerechtigkeit?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Einführung der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg und analysiert die Parallelität zum etablierten dreigliedrigen Schulsystem. Die Arbeit untersucht die Zielsetzung der neuen Schulform sowie ihre Konzeption und Umsetzung im Kontext der Bildungsgerechtigkeit und der Inklusion. Zudem wird ein Vergleich mit dem finnischen Schulsystem gezogen, um die Realisierbarkeit der Ziele der Landesregierung zu beurteilen.
- Die Konzeption der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg
- Die Parallelität zur etablierten dreigliedrigen Schulstruktur
- Der Vergleich mit dem finnischen Schulsystem
- Die Bedeutung der Bildungsgerechtigkeit und der Inklusion
- Die Rolle des Gymnasiums und die Gefahr der "Restschule"
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Das Kapitel analysiert die Konzeption der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg, die stark von der finnischen Gemeinschaftsschule inspiriert ist. Es beleuchtet die Organisation des Schulalltags, die individuellen Lernangebote und die angestrebte Inklusion.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel diskutiert die Herausforderungen der Umsetzung der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg im Hinblick auf die Heterogenität der Schüler und die bewährte dreigliedrige Schulstruktur. Es analysiert die Bildungstheorie und die didaktischen Ansätze, die der Gemeinschaftsschule zugrunde liegen.
- Kapitel 3: Der Fokus dieses Kapitels liegt auf der "Unantastbarkeit des Gymnasiums" und dem Problem der "Restschule". Es wird untersucht, ob die Gemeinschaftsschule zu einer "Restschule" für weniger leistungsstarke Schüler verkommen könnte und welche Auswirkungen dies auf die Bildungsgerechtigkeit hätte.
- Kapitel 4: Dieses Kapitel liefert eine kritische Bewertung der Konzeption der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg anhand von Praxiserfahrungen und aktuellen Erkenntnissen. Es analysiert die Unterschiede zwischen der finnischen und der baden-württembergischen Gemeinschaftsschule und untersucht die Auswirkungen der selektiven Elemente in der baden-württembergischen Variante.
Schlüsselwörter
Gemeinschaftsschule, dreigliedriges Schulsystem, Bildungsgerechtigkeit, Inklusion, Finnland, Gymnasium, Restschule, Heterogenität, individuelle Förderung, Vergleichsstudien, Bildungstheorie, Didaktik, Praxiserfahrungen.
- Arbeit zitieren
- Christopher Brogle (Autor:in), 2015, Parallelität der Gemeinschaftsschule zum etablierten dreigliedrigen Schulsystem, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1301021