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Facharbeit (Schule), 2020
24 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Theoretische Abhandlungen der sozialen Intervention
2.2 Vorstellung der teilnehmenden Personen
2.3 Begründung der Methodenauswahl
2.4 Interventionsplan
2.5 Tatsächliche Verläufe der Interventionsdurchführungen
3. Zusammenfassung und Evaluation der Interventionsdurchführung
„Das Einzige worauf der Mensch nicht verzichten kann, ist der Mensch"
(Aristoteles)
Von Geburt an bis zu seinem Tod ist der Mensch ein soziales Wesen, das heißt, um zu überleben ist er auf das Miteinander seinesgleichen angewiesen. Ohne dieses Charakteristikum könnte unsere Spezies auf keinen Fall überleben. Damit die Entwicklung des Individuums in jedem Lebensabschnitt gewährleistet und möglichst positiv beeinflusst wird, geht es aber nicht nur um die Sicherstellung und Befriedigung existenzieller physischer Grundbedürfnisse, wie beispielsweise nach Nahrung, Schlaf oder Schutz und Sicherheit, sondern ebenso um die Erfüllung psychischer Bedürfnisse, wie in etwa das Verlangen nach Liebe und Berührung, nach Anerkennung und dem Wunsch, Teil einer Gruppe zu sein. Die körperlichen und geistig-seelischen Bedürfnisse stehen, wie wissenschaftliche Studien schon im vorigen Jahrhundert bewiesen, in Korrelation zueinander: Soziale Verarmung oder Isolation lassen somatische Beschwerden entstehen.
Der Mensch muss also in der Interaktion mit anderen Personen sein, um sich selbst als Person zu erleben und um die Welt auf kognitiver und emotionaler Ebene verstehen zu können (vgl. Kitwood 2002).
Soziale Kontakte entwickeln und verändern sich im Laufe des Lebens, mit zunehmenden Seniorenalter verringern sie sich meist. Für Menschen im hohen Alter ist es oftmals sehr schwer bzw. kaum möglich, den Kontakt zur Außenwelt aufrecht zu erhalten, insbesondere dann, wenn die Mobilität krankheitsbedingt eingeschränkt ist u./o. kognitive Beeinträchtigungen aufgrund gerontopsychiatrischer Veränderungen bestehen.
Dann ist es notwendig, dass Dritte die Rolle des „Vermittlers" übernehmen, Beziehung zu anderen Menschen ermöglichen und mit adäquaten Maßnahmen (Interventionen) den destruktiven Konsequenzen, die durch Isolation entstehen, entgegensteuern.
Die vorliegende Facharbeit beinhaltet eine von mir geplante, durchgeführte und evaluierte soziale Intervention bei drei gerontopsychiatrisch veränderten Menschen, für deren Methodik ich die verbale Kommunikation innerhalb der Gruppe gewählt hatte. Der Austausch und das gemeinsame Erinnern sollten beziehungsförderlich wirken und das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit wie auch das Gefühl für die eigene Person stärken.
In den Kapiteln 2.2 bis 2.5 werden die teilnehmenden Personen, Methodik, Planung sowie Durchführung detailliert beschrieben, in dem darauffolgenden Kapitel findet sich die Zusammenfassung und Evaluation. Zunächst soll sich der Leser jedoch über theoretische Grundlagen, Abhandlungen und Zielsetzung der Interventionsmethode als auch über Begrifflichkeiten informiert fühlen...
Intervenieren {lat. intervenire) ist im deutschen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit Synonymen wie „dazwischentreten", „eingreifen", „vermitteln" (vgl. duden.de). Im psychologischen Kontext bezeichnet man Interventionen als „geplante und gezielt eingesetzte Maßnahmen, um Störungen vorzubeugen (Prävention), sie zu beheben (Psychotherapie) oder deren negative Folgen einzudämmen" (Lexikon/Psychologie.de). Das heißt, es handelt sich um vorbeugende oder entgegenwirkende Handlungsstrategien, die problem- und lösungsorientiert auf die jeweilige Situation des Betroffenen ausgerichtet sind und somit auch die Basis der Arbeit mit Menschen bilden (vgl. soziale ln- tervention/soziales-wissen.de).
Unter sozialen Interventionen wird in der Regel das „Eingreifen in die strukturierten Bedingungen, unter denen Menschen ihr alltägliches Leben führen" verstanden (Pädagogische Intervention/SpringerLink.de) und finden in der gesamten Bandbreite der sozialen Arbeit sowie im psychotherapeutischen Bereich Anwendung, z.B. in der Schulsozialarbeit, Kinder- und Erwachsenenpsychiatrie, zur Inklusion von Menschen mit Behinderung, zur Entlastung von pflegenden Angehörigen und in der Arbeit mit älteren Menschen.
Während meiner Recherchen zu dieser Facharbeit konnte ich keine wissenschaftlich fundierten Daten finden, die Hinweise auf die Wirksamkeit von sozialen Interventionen bei Menschen mit spezifischen gerontopsychiatrischen Veränderungen geben und den theoretischen Ansatz untermauern. Einige Wissenschaftler und Experten beschreiben jedoch anhand von diversen durchgeführten Studien die positiven Effekte, die derartige Maßnahmen bei Menschen mit Demenz haben können. Dies könnte zum einen daran liegen, weil auf diesem Gebiet noch einiges unerforscht ist und zum anderen der Demenz die häufigste Ursache für psychische Veränderungen im Alter zugesprochen wird. Beispielsweise weist Prof. Dr. A. Kurz in der Zeitschrift „Der Nervenarzt" (Ausgabe 01/2013, SpringerMedizin.de) auf den förderlichen Einfluss hinsichtlich „kognitiver Fähigkeiten", „emotionalem Wohlbefinden" und der „Milderung auffordernder Verhaltensweisen" hin. Schon damals forderte er, „das Potenzial psychosozialer Interventionen in künftigen Studien mit verbesserten Untersuchungsmethoden im Hinblick auf wirksame Komponenten [...] weiter auszuloten." (Psychosoziale Intervention bei De- menz/springermedizin.de,)
Auch Prof. Dr. Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität in Heidelberg, spricht den sozialen Aktivitäten eine bedeutsame Rolle zu, wenn es darum geht, „körperliche, geistige, emotionale, soziale und alltagspraktische Fähigkeiten demenzerkrankter Menschen zu erhalten und zu stärken", so der Gerontologe und Psychologe in einem Video Interview (http://bit.ly/bmg-zukunftswerkstatt-demenz- kruse 2016). Soziale Interventionen bzw. soziale Kontakte sieht er als wichtigen Faktor zum „Identitätserleben" an. Auszüge aus diesem Interview sind in der Einleitung auf Seite 12 der Broschüre „Zukunftswerkstatt Demenz" (aktualisierte Aufl. April 2017) des Bundesgesundheitsministeriums für Gesundheit nachzulesen (bundesgesundheitsmi- nisterium.de).
Ebenfalls sehr aufschlussreich sind die Ergebnisse, zu denen Antonia Scheinast in ihrer Bachelorarbeit zur Erlangung des „Bachelor of Nursing Science" kam. Ziel ihrer Arbeit war es „herauszufinden, welche psychosozialen Interventionen die Lebensqualität von Menschen mit dementieller Erkrankung fördern". Anhand ihrer Recherchen und Ausarbeitungen konnte sie schlussfolgern, dass sich sozialer Kontakt vor allem auf unruhige Verhaltensweisen positiv auswirkt und hat diesen als „besonders förderlich" beurteilt (Scheinast, Puplikationen MEDonline 2016 S.3).
Aus den Erkenntnissen der Pflegewissenschaften heraus sollen pflegerische Maßnahmen nicht ausschließlich auf die Linderung von Krankheit und Symptomen ausgerichtet sein sondern die Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens fokussieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Lebensqualität als ,,[...]die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen." (wikipedia.de). Moderne Konzepte zur Pflege und Betreuung älterer Menschen verfolgen diesen Anspruch und gründen vielfach auf den „personzentrierten Ansatz" nach Tom Kitwood (Sozialpsychologe 1937-1998). Er setzt Wohlbefinden mit „sich als Person fühlen" gleich und beschreibt vier globale Empfindungszustände
- das Gefühl, etwas wert zu sein,
- das Gefühl, etwas zu tun, etwas bewirken zu können,
- das Gefühl, Kontakt zu anderen Menschen zu haben, dazu zu gehören,
- das Gefühl von Sicherheit, Urvertrauen und Hoffnung
(Welling, Der personzentrierte Ansatz, 2004, S.l)
Aus diesen Emotionen heraus erwachsen Bedürfnisse, Tom Kitwood definiert sie als den Wunsch nach Identität, Beschäftigung, Einbeziehung, Bindung und Trost, im Zentrum steht das Bedürfnis nach Liebe. Person-Sein bzw. sich selbst als Person spüren ist demnach die Konsequenz der Befriedigung dieser Bedürfnisse und ist nur in der Beziehung zu anderen Menschen möglich: „Kein Mensch kann aus sich heraus eine Person sein!" (Kitwood 2002). Er war der Überzeugung, dass sich Menschen auch in späteren Stadien einer Demenzerkrankung wohl fühlen können, insofern das psychosoziale Umfeld an die individuellen Bedürfnisse angepasst wird (Kitwood 1996 / vgl. G. Jung, Skript Seminare Demenz 2016).
Bei sozialen Interventionen geht es immer um Beziehungsgestaltung und der Stärkung der Identität. Hierfür stehen verschiedene Methoden und Werkzeuge zur Verfügung, die in Abhängigkeit der Bedürfnisse und Fähigkeiten der zu intervenierenden Person und des Zieles der Maßnahme gewählt und miteinander kombiniert werden können. Einige grundlegende werden im Folgenden vorgestellt:
Kommunikation (verbal und nonverbal)
„Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln" (Chinesische Weisheit)
Die Basis jeder menschlichen Interaktion ist die Kommunikation (lat. communicare = teilen, mitteilen, teilnehmen lassen gemeinsam machen, vereinigen), sie ist quasi der Schlüssel zum Beziehungsaufbau und deren Gestaltung. Um eine Beziehung identitätsstiftend zu gestalten ist die Vergegenwärtigung der eigenen Grundhaltung notwendig. Der Psychologe Carl Rogers (1902-1987) entwickelte auf der Basis eines humanistischen Menschenbildes die klientenzentrierte Gesprächstherapie und formulierte dazu die Grundbedingungen „Echtheit", „Wertschätzung" und „Einfühlung" (vgl. Jung, Seminare Demenz Skript 2016).
Mit Echtheit (Kongruenz, Authentizität) seinem Gegenüber zu begegnen heißt, die eigenen Gefühle und Haltungen zu kennen und anzuerkennen, sich nicht zu verstellen. Authentizität wird von anderen wahrgenommen und hilft den Interaktionspartnern sich ebenso zu verhalten. Besonders bei Menschen, deren Hörvermögen stark eingeschränkt ist oder bei Menschen, denen aufgrund ihrer Erkrankung die Sinnhaftigkeit der Worte verlorengeht (Aphasie) ist es wichtig, Echtheit in der nonverbalen Sprache zu wahren, d.h. in der Mimik und Gestik aber auch in der inneren Haltung, denn je mehr der Intellekt verloren geht, umso sensibler nimmt der Mensch die Atmosphäre und die Stimmungen seiner Umgebung auf. Menschen mit vorangeschrittener Demenz reagieren beispielsweise sehr empfindsam auf den ihnen entgegengebrachten Emotionen.
Wertschätzung und Akzeptanz beruht auf der Überzeugung der Einzigartigkeit des Individuums und auf dem vorbehaltlosen Annehmen der Persönlichkeit des Gegenübers. Andere Menschen wertzuschätzen bedeutet zunächst einmal, dass eigene Leben wertzuschätzen, eigene Stärken und Schwächen zu akzeptieren und eigene Werte gegenüber der Umwelt abzugrenzen. Für den Umgang mit einem gerontopsychiatrisch veränderten Menschen bedeutet dies, ihn/sie nicht als „Symptomträger" zu sehen (vgl. Jung, Seminare Demenz Skript 2016) sondern die Gesamtpersönlichkeit sprich sei- ne/ihre Identität wahrzunehmen und das aktuelle Verhalten wertschätzend zu respektieren.
Empathie (einfühlendes Verstehen)
Jemanden empathisch zu begegnen bedeutet, dessen Gefühle wahrzunehmen und wertefrei anzuerkennen. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, sich darauf einzulassen und die Welt aus den Augen des anderen zu betrachten. Ein Mensch wird in seiner Identität bestärkt, wenn die Daseinsberechtigung und Wahrhaftigkeit seiner Gefühle nicht angezweifelt wird. Mit zunehmendem Verlust geistiger Fähigkeiten fällt es den betroffenen Menschen immer schwerer, ihre Gefühle einzuordnen und sich selbst zu verstehen. Durch einfühlsames Erkennen und Benennen seitens der Pflegeperson kann das Gefühl Klarheit bekommen. Manchmal ist es auch hilfreich, wenn man die Emotion spiegelt, damit sich ein verunsicherter Mensch seiner selbst bewusst wird (z.B. Traurigkeit) und sich verstanden und angenommen fühlt.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
„Nichts ist lebendiger als die Erinnerung" Federico Garcia Lorca
Um die Pflege und Betreuung eines älteren Menschen individuell auf ihn abzustimmen und zu gestalten, ist das Wissen um seine Biografie sehr hilfreich. Selbstverständlich erfordern solche Informationen einen wertschätzenden Umgang, sie sollen nicht zur Beurteilung eines Menschen führen sondern Hinweise auf alltagsrelevante Ressourcen und Bedürfnisse geben z.B. durch Herkunft, Beruf, Familienstrukturen, persönliche Vorlieben und Abneigungen, Rituale, Hobbies und Interessen. Bekannte biografische Teilaspekte sind auch oftmals hilfreich, um aktuellen Verhalten adäquat und handlungsorientiert zu begegnen, beispielsweise bei traumatischen Ereignissen in der Vergangenheit.
Im Wesentlichen geht es bei der biografischen Arbeit um das Wissen der Identität der Person und dadurch Anknüpfungspunkte und Schlüsselreize zu finden, die es ihr ermöglicht, sich durch lebensgeschichtliche Erinnerung das „Ich" bewusst zu machen. Impulse setzen zum Beispiel lebensgeschichtliche Erzählungen. Dadurch können innere Bilder und die damit verbundenen Gefühle lebendig werden, der Erzählende lässt seine ureigene Geschichte Revue passieren. So ist es möglich, „alte" Schätze und Wissen, erreichte Ziele, Krisen, Glück, Begegnungen, etc. zu betrachten und zu würdigen und die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verknüpfen (vgl. Specht-Tomann, Biografiear- beit, 2. AufL, S.16/17).
Einen Reichtum an Erinnerungsreizen bieten selbstverständlich auch diejenigen Elemente, die die Sinne ansprechen, allen voran die Musik. Es gibt wohl kaum einen Menschen, der sich ihrer emotionalen Wirkung entziehen kann, wir alle tragen von Geburt bis zum Tod Musik und Rhythmus in uns , sie verbindet Menschen und ihre Einsatzmöglichkeiten im pflegerischen, betreuerischen sowie therapeutischen Bereich sind vielfältig. Mit Musik erreicht man auch Menschen, die sich in einem stark ausgeprägten Stadium einer gerontopsychiatrischen Erkrankung befinden und scheinbar „teilnahmslos" und zurückgezogen wirken.
Olfaktorische Signale, also Reize, die den Geruchssinn betreffen, bieten ebenfalls eine Fülle an Erinnerungsimpulsen und können zur Vitalisierung oder zur Entspannung beitragen. Betroffene Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr oder nur kaum zu koordinierter Eigenbewegung in der Lage sind, z.B. bei einer fortgeschrittenen Demenz, kann man durch sanfte Berührung, durch Stimulieren des Tastsinns oder durch passiv ausgeführte Bewegungen dabei unterstützen, ihren Körper und sich selbst zu spüren.
Milieugestaltung
„ Erzähle mir und ich vergesse. Zeige mir und ich erinnere. Lass es uns gemeinsam tun und ich verstehe" (Konfuzius, 551 bis 479 v. Chr.)
Im Laufe der sich entwickelten Gesundheits- und Krankengeschichte und der Sozialpsychologie hatte man erkannt, dass die Symptomatik und der Verlauf einer psychiatrischen Erkrankung durch die unmittelbare Umgebung (Milieu) des Menschen beeinflusst wird. Unter der Annahme einer Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt wurden Therapieformen entwickelt, die sich mit bewusster Gestaltung des Milieus an den Bedürfnissen des Erkrankten orientieren und Genesungsprozesse unterstützen. Die gestalterischen Faktoren ergeben sich aus der Beeinflussung durch die räumliche und äußerliche Umwelt, des sozialen Umfelds und der Tagesstruktur. Bruno Bettelheim, Psychoanalytiker und Kinderpsychologe (geb. 1903 in Wien, gest. 1990 in Ma- ryland/USA), nutzte die Milieutherapie für seine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Er definierte diese Form der Therapie als eine, die „[...] darauf basiert, dass jeder, auch der kleinste Aspekt des Lebens der Patientinnen geplant und organisiert werden muss, um die Integration ihrer Persönlichkeit zu fördern."(Wesely, Die Milieutherapie B. Bettelheims, S.39).
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