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Hausarbeit (Hauptseminar), 2000
42 Seiten, Note: 1,7
1. - Einleitung
2. - Grundzüge der ausgewählten Positionen
2.1. - Volterra & Taeschner (1987)
2.2. - Meisel (1989) und Paradis & Genesee (1996)
3. - Diskussion der Ansätze
3.1. - Konzeptuale Probleme der „ULS“-Hypothese
3.1.1. - Unzureichende Evidenz für drei Erwerbsstufen
3.1.2. - Unzureichende Evidenz für die zweite Erwerbsstufe
3.1.3. - Zirkularität in der Argumentation
3.1.4. - Code-Switching als Evidenz für ein zugrundeliegendes einheitliches System
3.2. - Konzeptuale Vorteile der „Two-System“-Hypothese
3.2.1. - Syntaktsche Abgrenzungskriterien für bilinguale Erwerbsstufen
3.2.2. - Der pragmatische und der syntaktische Modus von Sprachverarbeitung
3.2.3. - Guilfoyle & Noonans (1992) „Structure Building Hypothesis“
3.2.4. - Der syntaktische Modus von Sprachverarbeitung und Code-Switching
3.2.5. - DiSciullo, Muysken & Singhs (1986) „Government Constraint“
3.3. - Die autonome Entwicklung von grammatischen Systemen beim simultanen Erwerb des Deutschen und Französischen
3.3.1. - Der Erwerb der Wortstellung und der Subjekt-Verb-Kongruenz beim simultanen Erwerb des Deutschen und Französischen
3.3.1.1. - Der Erwerb der Wortstellung
3.3.1.2. - Der Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz
3.3.2. - Der Erwerb von syntaktischen Beschränkungen für Code- Switching beim simultenen Erwerb des Deutschen und Französischen
3.3.2.1. - Der Erwerb von syntaktischen Beschränkungen für Code-Switching
3.4. - Eine erste Evaluation der „ULS“-Hypothese und der „Two-System“-Hypothese
3.5. - Eine Analyse des simultanen Erstspracherwerbes zweier Erstsprachen durch die „ULS“-Hypothese und die „Two- System“-Hypothese
3.5.1. - Die Aufzeichnungen I (2;00,29) und I (2;04,09)
3.5.1.1. - Eine Analyse der Aufzeichnungen I (2;00,29) und I (2;04,09) durch die „ULS“-Hypothese
3.5.1.2. - Eine Analyse der Aufzeichnungen I (2;00,29) und I (2;04,09) durch die „Two-System“-Hypothese
3.5.2. - Die Aufzeichnung I (3;01,02)
3.5.2.1. - Eine Analyse der Aufzeichnung I (3;01,02) durch die „ULS“-Hypothese
3.5.2.2. - Eine Analyse der Aufzeichnung I (3;01,02) durch die „Two-System“-Hypothese
4. - Ergebnisse
5. - Bibliographie
Ich werde zunächst die konkurrierenden Erklärungsansätze der „Unitary Language Sys-
tem“-Hypothese und der „Two-System“-Hypothese gegenüberstellen und die Argumen-
te analysieren, auf welche sich beide Hypothesen stützen. Hier soll gerade auf die unter-
schiedlichen Ausgangspositionen beider Theorien eingegangen werden. Die „Unitary
Language System“-Hypothese geht von einer anfänglichen Fusion grammatischer Kom-
petenz und einer erst später erfolgenden Differenzierung unterschiedlicher grammatischer
Systeme im Verlaufe des bilingualen Erstspracherwerbes aus. Der Annahme der „Two-System“-Hypothese zufolge entwickeln sich unterschiedliche grammatische Systeme
von früh an grundsätzlich autonom und unabhängig voneinander. Ich beabsichtige, durch
die Gegenüberstellung beider Hypothesen sowohl die Vor- wie auch die Nachteile der
zwei verschiedenen Ansätze hervorzuheben. Dieser erste Schritt soll bereits einige em-
pirische Grundlagen zur Bewertung der zwei Hypothesen als Erklärungsansätze für den
bilingualen Erstspracherwerb liefern. Des weiteren werde ich versuchen, dem Leser die
Analysedes simultanen Erwerbes zweier Erstsprachen durh die „Unitary Language Sys-
tem“-Hypothese und die „Two-System“-Hypothese mittels einer Überprüfung an sprach-
lichen Daten des Französischen verständlich und nachvollziehbar zu machen. Dabei
soll überprüft werden, ob der Erwerb von grammatischen Wohlgeformtheitsbedingun-
gen wie DiSciullo, Muysken & Singhs (1986) „Government Constraint“ für eine Dif-
ferenzierung unterschiedlicher grammatischer Kompetenzen in späteren Erwerbsphasen
des bilingualen Erstspracherwerbes verantwortlich ist. Dieser weitere Schritt soll zusätz-
liche empirische Argumente zur Bewertung beider Hypothesen als Erklärungsansätze
für den simultanen Erstspracherwerb zweier Erstsprachen liefern. Durch eine Auswer-
tung aller Analyse werde ich anschließend versuchen, zwischen der „Unitary Language
System“-Hypothese und der „Two System“-Hypothese zu entscheiden und somit die
Überlegenheit einer Theorie gegenüber der anderen hinsichtlich der Erklärungskraft
für den bilingualen Erstspracherwerb zu ermitteln.
Volterra & Taeschner (1978) untersuchen in ihrer Studie den bilingualen Erstspracher-
werb von Kindern im Zeitraum vom 1. bis zum 4. Lebensjahr. Dabei gehen die Auto-
ren von drei Entwicklungsstufen beim simultanen Erwerb zweier Erstsprachen aus:
1. Stufe - das Kind besitzt ein lexikalisches System, welches Wörter beider Sprachen
beinhaltet, Wörter beider Sprachen tauchen häufig zusammen in Mehrwort-
konstruktionen auf, es gibt kaum oder gar keine Evidenz für die Verfügbar-
keit und Anwendung syntaktischer Regeln
2. Stufe - das Kind unterscheidet zwei verschiedene Lexika, wendet jedoch dieselben
syntaktischen Regeln auf beide Sprachen an, Wörter beider getrennter Lexi-
ka tauchen nicht mehr zusammen in Mehrwortkonstruktionen auf
3. Stufe - das Kind besitzt zwei verschiedene linguistische Systeme, welche sich so-
wohl hinsichtlich des Lexikons wie auch der Syntax unterscheiden, jede der
beiden Sprachen wird ausschließlich mit jener Person assoziiert, welche die
jeweilige Sprache spricht
Somit verfügt ein bilinguales Kind nicht bereits von früh an über zwei getrennte Gram-
matiken. Nach Volterra & Taeschners Ansatz erfolgt die Differenzierung beider lingu-
istischer Systeme erst allmählich während des Erwerbsprozesses. Dabei durchläuft das
Kind notwendigerweise die zweite Entwicklungsstufe, auf welcher die Lexika beider
Sprachen getrennt behandelt werden, die Syntax beider Sprachen auf der Kompetenze-
bene des Kindes allerdings noch fusioniert ist. Erst nach der Trennung der fusionierten
syntaktischen Komponente beider Sprachen auf der dritten Entwicklungsstufe ist eine
endgültige Differenzierung beider linguistischer Systeme erfolgt. Volterra & Taeschner
führen zur Untermauerung ihrer These sprachliche Daten zweier von ihnen untersuch-
ter deutsch-italienischer Kinder, Giulia und Lisa, an. So legen die Autoren der postulier-
ten ersten Erwerbsstufe das Auftreten von lexikalischem Mixing als Abgrenzungskrite-
rium gegenüber den folgenden Erwerbsstufen zugrunde:
„In the first stages, the child has one lexical system which includes words from
both languages. A word in one language does not have a corresponding word in
the other language. As a result, words from both languages frequently occur to-
gether in two- to three-word-constructions.“ (Volterra & Taeschner,1987;S.321)
Demnach stellt der vereinzelte Gebrauch von gemischten Äußerungen aufgrund der noch
undifferenzierten Lexika Evidenz für eine allgemeine Stufe von lexikalischem Mixing dar:
„So we see that all the words of a child´s speech appear to form one lexical sys-
tem. (...) In this phase, the few two-to three-word-constructions appear as am
mixture of words taken from both languages (...). In practice, the bilingual speaks
only one language which is a language system of his own.“
(Volterra & Taeschner,1987;S.317)
Als Argument für die von ihnen aufgestellte zweite Erwerbsstufe führen Volterra &
Taeschner sowohl lexikalische wie auch syntaktische Definitionskriterien an:
„In the second stage the child distinguishes two different lexicons, but applies
the same syntactic rules to both languages. (...) Moreover, words drawn from
the two lexicons no longer occur together in constructions. (...) In the second
stage the child reaches the point where he can be said to possess two lexical
systems, in the sense that the same object or event is indicated with two diffe-
rent words pertaining to the two languages.“
(Volterra & Taeschner,1987;S.312/317))
Die zweite Erwerbsstufe scheint sich somit qualitativ von der ersten Erwerbsstufe auf-
grund einer nun erfolgten Differenzierung der lexikalischen Komponente beider Spra-
chen zu unterscheiden. Allerdings scheint sich die Separierung beider lexikalischer
Systeme nicht sofort zu vollziehen, sondern erfolgt eher allmählich und abgestuft:
„(...) The process of generalization implies a great effort on the cognitive level.
The child must detach one word from a specific context and identify that word
with the corresponding word in the other. (...) we found also in the same period
that children in a single sentence keep mixing words of the two languages. It
is only when the knowledge of the two linguistic codes becomes greater and the
generalization process habitual that the child learns to distinguish the two lexi-
cal systems.“ (Volterra & Taeschner,1987;S.320 - 322)
Demnach grenzt sich die zweite Erwerbsstufe qualitativ durch eine langsam erfolgen-
de Differenzierung der lexikalischen Komponente beider involvierter Sprachen sowie
durch eine Fusion beider linguistischer Systeme auf der syntaktischen Ebene von der
ersten Erwerbsstufe ab. Dabei läßt sich eine allmähliche Abnahme von lexikalischem
Mixing bzw. gemischten Äußerungen in den sprachlichen Daten der untersuchten Kin-
der beobachten. Als Definitionskriterium für die dritte Erwerbsstufe legen Volterra &
Taeschner eine nun auch auf der syntaktischen Ebene vollzogene Separierung beider
Grammatiken zugrunde:
„In the third stage the bilingual process of learning is practically complete. The
child speaks both languages correctly at both the lexical and syntactic level.“
(Volterra & Taeschner,1978;S.324)
Jedoch erfolgt die Separierung beider Grammatiken auf der zuvor noch fusionierten
syntaktischen Ebene nicht sofort. Diese Differenzierung auf der dritten Erwerbsstufe
stellt, wie bereits die Separierung der lexikalischen Komponente beider Grammatiken
auf der zweiten Erwerbsstufe, einen langsamen Prozess dar und vollzieht sich stufen-
weise:
„It is certainly not an easy process. There still are, at the same period, many ex-
amples of interference, and these continue for quite some time. In the previous
stage, interference was observed on the lexical level; in this stage there is still
interference, but on the syntactic level. (...) Lisa has to learn a series of complex
rules which are differentiated for both languages. To minimize the risk of inter-
ference she must try to keep the two languages seperate as possible.“
(Volterra & Taeschner,1987;S.325)
Volterra & Taeschner versuchen, die beobachtete Interferenz auf der syntaktischen Ebe-
ne auf pragmatische Bedingungen zurückzuführen:
„This interference is particularly observed when the child is put into a situation of
conflict. She may have to switch rapidly from one language to another because
she interacts simultaneously with persons speaking different languages or she has
to express in one language something that she is accustomed to express in the other
language.“ (Volterra & Taeschner,1987;S.325)
Somit ist der Prozeß der Differenzierung beider linguistischer Systeme auf der syntak-
tischen Ebene erst am Ende der dritten Erwerbsstufe abgeschlossen:
„As the sytactic differences become more and more apparent to the child, the ten-
dency to label people with definite language decreases (...). At the end of this
stage the child is able to speak both languages fluently; i.e. with the same lingu-
istic competence as a monolingual child, with any person. It is only at this point
that one can say a child is truly bilingual.“ (Volterra & Taeschner,1978;S.326)
Entgegen der von Volterra & Taeschner aufgestellten „Unitary Language System“-Hy-
pothese geht die u.a. von Meisel (1989) und Paradis & Genesee (1996) vertretene „Two-
System“-Hypothese von einer grundsätzlich getrennten und autonomen Entwicklung
von linguistischen Systemen aus:
„(...) The question was raised whether it might be possible, in principle, that an
individual exposed to two languages from early on should be capable of separa-
ting the two grammatical systems without goint through a phase of temporary
confusion. I believe that our findings lend strong support to the claim that this
is indeed possible.“ (Meisel,1989;S.35)
„Our results support the hypothesis that bilingual children acquire their language
autonomously, following gehe same patterns as monolingual. Bilingual chil-
dren provide a sensitive test of proposed universals and language-specific dif-
ferences in acquisition.“ (Paradis & Genesee,1996;S.22)
Das Auftreten von Code-Mixing in gemischten Äußerungen von bilingualen Kindern
stellt dabei die autonome Entwicklung beider Grammatiken nicht in Frage und bietet,
anders als in Volterra & Taeschners Ansatz, keine Evidenz für eine Erwerbsstufe, wel-
che sich durch die Fusion zweier Grammatiken auf der lexikalischen Ebene auszeich-
net. Vielmehr kann Code-Mixing als Resultat eines interdependenten Zusammenspiels
zweier ansonsten autonomer linguistischer Systeme interpretiert werden:
„If we accept that by 2 years of age bilingual children have differentiated lingu-
istic systems, this still leaves open the question whether these systems interact
over the course of acquisition. It is possible that the two grammars do not inter-
act at all, in which a bilingual´s syntactic development resembles that of two
monolinguals. However, it is also possible that the two grammars interact with
each other during acquisition, causing a bilingual to look different from mono-
lingual children acquiring each language.“ (Paradis & Genesee,1996;S.2)
Unter dieser Sichtweise stellt das Auftreten von Code-Mixing Evidenz für zwei diffe-
renzierte linguistische Systeme dar:
„(...) We define interdependence as the systematic influence of the grammar of
one language on the grammar of the other language (...). Note that the notion
of autonomy and interdependence presupposes the existence of two linguistic
representations.“ (Paradis & Genesee,1996;S.3)
Das Auftreten von Code-Mixing in gemischten Äußerungen von bilingualen Kindern
wird unter der Perspektive der „Two-System“-Hypothese auf von der autonomen gram-
matischen Entwicklung unabhängige Faktoren zurückgeführt:
„Mixing is most likely to occur if a) one of the two languages is very dominant
in the child´s competence and if b) the adults in the child´s linguistic environ-
ment mix or switch quite freely in their own speech. (...) I will assume that cer-
tain factors (i.e. mixing in the linguistic environment, dominance of one lan-
guage, social-psychological biases in favor of one language etc.) may indeed
lead to mixing and will certainly render language differentiation more difficult“
(Meisel,1989;S.14/15)
Interpretieren Volterra & Taeschner den Rückgang von Code-Mixing in den gemisch-
ten Äußerungen von bilingualen Kindern als Evidenz für eine allmähliche Differen-
zierung der lexikalischen Komponente beider Sprachen während der zweiten Erwerbs-
stufe, so erklärt die „Two-System“-Hypothese die Abnahme von Code-Mixing durch
eine zunehmend elaborierte grammatische und pragmatische Kompetenz von bilingu-
alen Kinder:
„Assuming the developmental perspective, mixing is reported to happen most fre-
quently during a very early phase of language acquisition, before or around 2;0
(years, months), whereas later on, bilingual children easily seperate two linguis-
tic systems. (...) when switching is used not only as a relief strategy, it becomes
more frequent as the child acquires more proficiency in both languages, i.e. its
its use increases with age and with developing competence in the two languages.
Code-Switching, in other words, is thus regarded as part of the bilingual´s prag-
matic competence.“ (Meisel,1989;S.14)
Dabei stellt die nun zunehmend elaborierte pragmatische Kompetenz wiederum Evi-
denz für eine grundsätzliche Differenzierung beider linguistischer Systeme dar:
„Contrary to the ULS-hypothesis, there is evidence that even 2-year-olds do not
mix profusely within utterances. (...) although 2-year-old bilingual children do
code-mix between utterances, overall they can use the appropriate language most
of the time. (...) there is evidence that young bilingual children can seperate their
languages at the pragmatic level. Whereas pragmatic separation does not provide
direct evidence for differentiation of the underlying representation, it would be
difficult to explain how bilingual children could achieve pragmatic separation
without differential representations of their languages“
(Paradis & Genesee,1996;S.2)
Erfolgt die Entwicklung der involvierten linguistischen Systeme beim bilingualen Erst-
spracherwerb unter der Annahme der „Two-System“-Hypothese ähnlich wie beim mo-
nolingualen Erstspracherwerb, so ergibt sich dennoch die Möglichkeit eines interdepen-
denten Zusammenspiels zwischen beiden differenzierten Grammatiken während früher
Erwerbsphasen. Solche Interferenzen manifestieren sich zeitweise durch lexikalisches
Code-Mixing in gemischten Äußerungen von bilingualen Kindern.
Volterra & Teaschners „Unitary Language System“-Hypothese sieht sich einer ungenü-
genden Evidenz hinsichtlich der Abgrenzungskriterien für die drei unterschiedlichen Er-
werbsstufen gegenübergestellt:
„The definition of the three stages, especially that of stage 2, as proposed by Vol-
terra & Taeschner (1978), is surprisingly vague. (...) No independent criterion is
mentioned, like ages, mean lenght of utterance (MLU), or any other feature which
is itself not part of the definition of this stage. Note that not even for the children
studied by Volterra & Taeschner are we given precise indications delimitating
these stages. If, however, age, MLU, etc. are considered to be unrelable indica-
tors of stage, other defining criteria could have been found.“
(Volterra & Taeschner,1978;S.15/16)
Tatsächlich machen Volterra & Taeschner nur vereinzelt Altersangaben der von ihnen
untersuchten bilingualen Kinder:
„For a long period of time, until the age of 2;9, Lisa appears to have acquired only
one syntactic system. (...) We see that her rule is to put the negation at the end of
the sentence, e.g. at 2;7 (...).“ (Volterra & Taeschner,1978;S.323/324)
Beide Autoren benutzen lediglich lexikalische und syntaktische Definitionskriterien zur
Abgrenzung der verschiedenen Erwerbsstufen. Zudem scheinen Volterra & Taeschner
die unterschiedlichen Entwicklungsstufen aufgrund vereinzelter und nicht eingehend un-
tersuchter sprachlicher Daten zu definieren:
„One shortoming of some research supporting the ULS hypothesis is the use of
episodic code-mixing as evidence for the child´s linguistic representation as a
whole. In this kind of code-mixing, the items which are mixed, the structures
they appear in, and the frequency of appearance all vary.“
(Paradis & Genesee,1996;S.3)
Volterra & Taeschner interpretieren somit das vereinzelte Auftreten von Code-Mixing
als Evidenz für lexikalisches und syntaktisches Mixing als Evidenz für unterschiedliche
Erwerbsstufen, ohne diese Erwerbsstufen näher voneinander abzugrenzen oder näher
auf den Kontext der untersuchten Äußerungen einzugehen:
„Genesee (1989) criticized much of the research supporting the ULS hypothesis
for only providing anecdotical examples of code-mixing and for not systematical-
ly studying the children´s language use in context. Incomplete reports on the pre-
sence of code-switching do not provide a meaningful account of the child´s lingu-
istic competence as a whole.“ (Paradis & Genesee,1996;S.2)
Eine unzureichende Analyse einzelner sprachlicher Daten kann somit weder als Evidenz
für die Definition qualitativ unterschiedlicher Erwerbsstufen noch für die Abrenzung ver-
schiedener Entwicklungsstufen voneinander angesehen werden:
„(...) most proponents of the unitary-system hypothesis do not present or analyse
their data by context. (...) the evidence cited by Volterra & Taeschner (1976) in
support of stage 1 of their model consists simply of isolated examples of lexical
mixing in utterances addressed to the child´s German-speaking mother. No evi-
dence of language use with the child´s Italian-speaking father is given.“
(Genesee,1989;S.166)
Ein weiteres, mit unzureichend abgegrenzten Erwerbsstufen verbundes Problem der
ULS-Hypothese ergibt sich aus der Postulierung der zweiten Erwerbsstufe. Der Defi-
nition zufolge stellt die zweite Erwerbsstufe eine Phase des bilingualen Erstspracher-
werbes dar, in welcher sowohl die lexikalische wie auch die syntaktische Komponen-
te beider linguistischer Systeme auf der Kompetenzebene von bilingualen Kindern
noch fusioniert sind und undifferenziert behandelt werden. Die eigentliche Annahme
der ULS-Hypothese eines einheitlichen zugrundeliegenden grammatischen Systems
wird somit in der Charakterisierung der zweiten Erwerbsstufe explizit ausformuliert.
Die zweite Erwerbsstufe stellt nach Volterra & Taeschner eine Phase des simultanen
Erwerbes zweier Erstsprachen dar, welche bilinguale Kinder währen des Erwerbspro-
zesses notwendigerweise durchlaufen müssen. Allerdings scheint die Evidenz, welche
Volterra & Taeschner zur Untermauerung dieser allgemeinen Entwicklungsstufe zwei-
er miteinander fusionierter Grammatiken anführen, äußerst ungenügend und fragwür-
dig zu sein. Bietet das vereinzelte Auftreten von gemischten Äußerungen noch schein-
bare Evidenz für lexikalisches Mixing aufgrund eines undifferenzierten Lexikons bei-
ger Sprachen auf der ersten Erwerbsstufe, so läßt sich keine wirkliche Evidenz für ei-
ne Fusion der syntaktischen Komponente auf der zweiten Erwerbsstufe finden:
„The case for „stage 2“ would be much stronger if it could be stated that syntac-
tic mixing ocurred during developmental phases, for instance independent of
age and MLU. (...) The most likely candidates would be syntactic phenomena,
especially since stage 2 is defined in terms of syntactic features. Use of syntac-
tic criteria is common practice in language acquisition studies.“
(Meisel,1989;S.16)
Die Evidenz für syntaktisches Mixing auf der zweiten Erwerbsstufe ist tatsächlich un-
zureichend:
„(...) The arguments given by Volterra and Taeschner (1978) in favor of a stage
at which a single syntactic system is used are based on data from only one child,
Lisa. It appears that she was the only one of the children studied to use construc-
tions which could be interpreted in this fashion.“ (Meisel,1989;S.17)
Zudem scheint es äußerst schwierig zu sein, die Postulierung einer allgemeinen Erwerbs-
phase zweier miteinander fusionierter linguistischer Systeme angesichts unzureichen-
der Evidenz weiterhin aufrechterhalten zu können. Gerade die von Volterra & Taesch-
ner aufgestellte zweite Erwerbsstufe ist durch äußerst fragwürdige Abgrenzungskrite-
rien definiert:
„Volterra & Taeschner (1978) themselves show (...) that instances of mixing do
not constitute evidence of the stage under discussion. They found (p. 319) that
children at stage 2 „keep mixing words of the two languages“ (Lisa at age 2,5).
If, however, mixing of words may still occur after „the child distinguishes two
different lexicons“ (p. 312), how do we know s/he has already reached stage 2;
and vica versa, if this can be accounted for, how can we make sure that similar
examples at stage 1 do indeed indicate that the child operates with only one le-
xical system for both languages ? (...) Bearing in mind that stage 2 is said (...)
to last until 2,9, it seems that stage 1 ends up around 2,0 and stage 2 lastst from
2,5 to 2,9, allowing, however, for features of stage 1 to appear at 2 and features
characteristic of 2 to be used at 3.“ (Meisel,1989;S.16/17)
Die der ULS-Hypothese zugrundeliegende Annahme zweier anfänglich auf der lexika-
lexikalischen und syntaktischen Ebene miteinander fusionierter Grammatiken, explizit
ausformuliert in der Charakterisierung der zweiten Erwerbsstufe, begründet sich durch
das Auftreten von Code-Mixing als Evidenz. Dabei scheint sich jedoch eine Zirkulari-
tät in der Argumentation für die ULS-Hypothese zu ergeben:
„(...) the evidence offered by Volterra & Taeschner (1987) (...) is not sufficient
to support the hypothesis that bilingual children must pass through an initial
stage of syntactic mixing which, in turn, would have to be explained as a result
of their processing both languages as a single syntactic system.“
(Meisel,1989;S.18)
Diese zirkuläre Argumentation stellt die Interpretation von Code-Mixing als Evidenz
für sowohl die Kernthese der ULS-Hypothese wie auch für die von Volterra & Taesch-
ner aufgestellt zweite Erwerbsstufe in Frage:
„(...) it is questionable wheter code-mixing is a valid measure of an underlying
unitary system. The presence or absence of code-mixing in a bilingual´s speech
is governed by pragmatic or sociolinguistic competence, which should be dis-
tinguished from grammatical competence. (...) lack of seperation on the prag-
matic level is not necessarily an indication of fusion at the level of grammati-
cal representation. (...) Genesee (1989) pointed out that there is a circularity in
the reason linking the ULS hypothesis and code-mixing - namely, that code-
mixing is used as evidence for the ULS hypothesis, whereas the ULS hypothe-
sis is used as an explanation for code-mixing.“ (Paradis & Genesee,1989;S.2)
einheitliches System
Das Auftreten von Code-Mixing muß nicht notwendigerweise als Evidenz für eine Fu-
sion zweier linguistischer Systeme interpretiert werden. Unter einer solchen Sichtwei-
se stellt der Rückgang von gemischten Äußerungen in den sprachlichen Daten von bi-
lingualen Kindern Evidenz für eine Differenzierung der lexikalischen Komponente bei-
der involvierten Grammatiken dar. Trotz einer solchen Interpretation gehen Volterra
& Taeschner kaum auf die Tatsache ein, daß gemischte Äußerungen weiterhin auf der
zweiten Erwerbsstufe auftreten. Die Möglichkeit der Erklärung von Code-Mixing durch
Transfer oder Interdependenz schließen beide Autoren fast gänzlich aus:
„(...) This kind of code-mixing indicates an „on-line“ interaction between the lan-
guages in performance and does not necessarily indicate systematic interaction
on the level of competence“ (Paradis & Genesee,1996;S.3)
Ein interdependentes Zusammenspiel zweier sich ansonst autonom entwickelnden Gram-
matiken kann das Auftreten von Code-Mixing adäquat erklären und berücksichtigt zu-
dem die sich entwickelnde syntaktisch-grammatische Kompetenz von bilingualen Kin-
dern:
„Transfer is most likely to occur if the child has reached a more advanced level
of syntactic complexity is one language than in another. Such a discrepancy
could occur because (...) the bilingual child is more dominant in one of his or
her languages. (...) We consider this form of interdependence to be principal-
ly motivated by the child having achieved a more advances level of syntactic
complexity in one language than in the other.“ (Paradis & Genesee,1996;S.3)
Auch Lanza (1993) argumentiert für Sprachdominanz als Ursache von frühem Code-
Mixing:
„Mixing is interpreted as a sign of the child´s lack of awareness of dealing with
two languages, which results in the child´s construction of a single linguistic sys-
tem. (...) much of this early mixing can be interpreted as indications of language
dominance (...). If we consider mixing as a result of dominance, then the element
element which is mixed will be (...) the result of negative transfer (...). There is a
need to reassess our interpretations of language mixing in bilingual first language
acquisition and pay more attention to the role of language dominance in the child´s
constructions of two linguistic systems, and the role of situational variation in
the child´s language socialisation process.“ (Lanza,1993;S.207)
Einen solche Standpunkt nimmt auch Meisel (1989) in seiner Kritik an Volterra & Taesch-
ners Interpretation von Code-Mixing in den gemischten Äußerungen des bilingualen Kin-
des Lisa ein:
„Yet, as becomes evident from what we are told about her, Italian is clearly Lisa´s
dominant language. (...) Lisa strongly preferred Italian and had less contact with
German for a considerable period of time. This happened at exactly the same time
when she was said to be at stage 2. (...) These facts suggest that social-psychologi-
cal factors may lead to language-mixing (...). They do not, however, represent con-
vincing evidence in favor of an early phase of mixing through which all children
would have to go.“ (Meisel,1989;S.17)
[...]