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Hausarbeit, 2018
11 Seiten, Note: 1,3
Philosophie - Theoretische (Erkenntnis, Wissenschaft, Logik, Sprache)
Heutzutage weisen die Medien in nahezu allen Lebensbereichen einen sehr hohen Stellenwert auf. Aufgrund der schnellen Entwicklung der Neuen Medien wurden immer häufiger unterschiedliche Disziplinen ausdifferenziert, wie zum Beispiel die Medienpädagogik oder die Medienwissenschaft. Somit führt die steigende Bedeutung der Medien zu einer zunehmenden unübersichtlichen Definition des Begriffs Medium. Darum hat sich eine weitere Disziplin entwickelt, welche zugleich der Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit darstellt: die Medienphilosophie.
Der Philosophie fehlte lange Zeit das Bewusstsein, dass jeder Diskurs „[...] davon abhängig [ist], über welche Symboliken und Materialsysteme er vermittelt wird.“1 Demzufolge spricht Margreiter von einer Medienvergessenheit der Philosophie. Jedoch muss erwähnt werden, dass das Sprechen, das Schreiben und das Reflektieren über Medien schon viel früher thematisiert wurde. Schon im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert tauchte der Mediendiskurs in vielen unterschiedlichen Disziplinen, wie der Ästhetik, Kunstwissenschaft und der Pädagogik auf. Aufgrund dessen, dass sich Medientheoretiker wie Walter Benjamin schon früh mit dem Diskurs beschäftigten, spricht man heute von einer „Medientheorie avant la lettre“. Das bedeutet, dass die Medientheorie schon existierte, bevor dafür eine Begriffsbestimmung gegenwärtig war. Die Medienphilosophie selbst entstand sogar erst im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.2 Der Philosophie zugrundeliegende Aufgaben sind jene, die die Bedeutung von Begrifflichkeiten klären, beziehungsweise deren Verwendung im Sprachgebrauch kritisch hinterfragen. Demzufolge beschäftigt sich die Medienphilosophie zum Beispiel damit, auf unterschiedliche Weisen den Begriff des Mediums zu bestimmen.
Auch Ernst Cassirer (1874 - 1945) ist jener, der sich bereits 1944 in Essay on Man mit der Phänomenologie der menschlichen Natur beschäftigte.3 Denn nach Cassirer, besteht die Fähigkeit des Menschen darin, sich symbolisch auszudrücken, sprich komplexe symbolische Formen zu gestalten, um „[...] seine Wahrnehmungen Gestalt werden zu lassen, seine Erfahrungen darzustellen, seine Erkenntnisse auf den Begriff zu bringen.“4 Mit der dadurch gewonnen Erkenntnis, dass sich Medien wie Zeichen- und Symbolsysteme verhalten, wurde deutlich, dass sich das Denken symbolisch-medial vollzieht. Aufgrund dessen wandelte sich also der linguistic turn zu dem symbolic/semiotic turn, welcher sich wiederum zum media turn transformierte.5
Wie dieser Wandel detailliert zustande kam, untersucht die vorliegende Arbeit. Dabei wird zunächst auf die Begriffsbestimmungen von Medium und Symbol eingegangen, um anschließend die Transformation vom linguistic turn bis zum schlussendlichen media turn verständlich darzulegen. Im nächsten Schritt wird darauf eingegangen, inwieweit Cassirer zu dieser Wende beigetragen hat und wie seine Philosophie der symbolischen Formen in der Medienphilosophie zu verorten ist. Im darauf folgenden Fazit werden zusammenfassend alle wichtigen Aspekte der Arbeit aufgezeigt und weitere mögliche Forschungsthemen vorgeschlagen.
In den folgenden Kapiteln werden zunächst die Begriffe „Medium“ und „Symbol“ näher bestimmt, um anschließend den Wandel der Sprache im Bezug auf den „linguistic turn“ bis schließlich zum „media turn“ zu erläutern.
Im alltäglichen Gebrauch fällt die Bestimmung des Begriffs „Medium“ leicht, denn als Beispiel wird gerne ein Fernseher oder ein Magazin genannt. Jedoch trägt das nicht der Definition bei, denn hinter dem Begriff steckt viel mehr. Ursprünglich kommt der Begriff Medium aus dem Lateinischen (medius) und bedeutet so viel wie „in der Mitte, vermittelnd“. Laut dem Wörterbuch Brockhaus versteht man unter dem Medium lediglich ein „Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Informationen durch Zeichen und Bilder (Fotographie), Rede, Druck (Buch und Presse), Film, Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), Schallplatte und [...] Tonband [...].“6 Demzufolge wird das Medium mit einem Informationsmedium gleichgestellt, welches als Träger fungiert.
Roland Posner, ein Semiotiker und Linguist, beschreibt das Medium als „[...] ein System von Mitteln für die Produktion, Distribution und Rezeption von Zeichen, das den in ihm erzeugten Zeichenprozessen bestimmt gleichbleibende Beschränkungen auferlegt.“7 Trotz vieler unterschiedlicher Definitionen haben alle eine Aussage gemein und zwar, dass der Begriff Medium immer für ein Objekt oder ein Phänomen verwendet wird, welches stets die Rolle eines Mittels der Vermittlung übernimmt.8
Auch der Ausdruck Symbol lässt sich nicht klar und deutlich bestimmen, denn laut Vischer ist er ein gestaltwechselnder Prozess, welcher schwer zu begreifen und zu bannen sei. Das bedeutet, dass er sich schwer in die Grenzen einer festen Definition einschließen lässt, um den Gebrauch und die Bedeutung eindeutig festzulegen.9 Der Begriff stammt von dem Griechischen Wort „symbolon" ab und wird als „Zusammengefügtes; nach dem zwischen verschiedenen Personen vereinbarten Erkennungszeichen, bestehend aus Bruchstücken (z. B. eines Ringes), die zusammengefügt ein Ganzes ergeben“10 bezeichnet. Das Symbol ist somit als Sinnbild oder Zeichen zu verstehen, das einen abstrakten Sachverhalt oder Gedanken inne hat. Denn das zwischen Denken und Sein vermittelnde Symbol bildet nicht einfach nur die Welt oder Sachverhalte ab, sondern „jede echte geistige Grundfunktion hat mit der Erkenntnis den einen entscheidenden Zug gemeinsam, daß [sic!] ihr eine ursprünglich-bildende, nicht bloß eine nachbildende Kraft innewohnt.“11
Wie sich diese beiden Begriffe in der Medienphilosophie und im Speziellen in den unterschiedlichen „Turns“ bemerkbar machen, wird im Folgenden deutlich. Denn in der gegenwärtigen Philosophie und den Kulturwissenschaften kommt immer mehr der „media turn“ zum Vorschein. „Turn“ lässt sich als Wende übersetzen und wird dahingehend definiert, dass eine thematische oder gar methodische Wende im Denken vorliegt, was auch als „Paradigmenwechsel“ zu verstehen ist. Hierbei werden in der Wissenschaft sowohl Ansichten, Methoden, als auch Organisations- und Wahrnehmungsmuster eingetauscht. Somit können Weltansichten verabschiedet werden und durch neue ersetzt werden.12
„Von medienphilosophischem Interesse sind aber nur jene „turns“ in der Nachfolge Kants, die stufenweise zu einem erkenntnis- und kulturtheoretischen Ernstnehmen der Medien und damit in the long run zu einer expliziten Medienphilosophie hinführen. Einen markanten Ausgang nimmt dieser ideengeschichtliche Weg bei Kants Erkenntniskritik, anschließend verläuft er über den „linguistic turn“ und den „symbolic/semiotic turn“ und endet - vorläufig - beim „media turn“.“13
Die „linguistische Wende“ wird in der Philosophie als eine Entwicklung im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert verstanden, welche den verstärkten Fokus auf das Phänomen der Sprache und ihrer Bedeutung hat. Der Anfang der Wende kam mit Wilhelm von Humboldt ins Rollen. Daraufhin beschäftigten sich auch Nietzsche und Mahner mit der Thematik der Sprache. Die systematische Ausgestaltung in der analytischen Philosophie ist jedoch Wittgenstein und Moore Fuß zu verdanken. Denn Wittgenstein war jener, der die wahrscheinlich wichtigste Rekonstruktion und Neufassung Relativierung von Denken auf Sprache geprägt hat. Denken ist Sprechen, so lautete die These, welche das sprachunabhängige Denken ausschloss und für den Austausch von der Erkenntniskritik durch die Sprachkritik einstand.14
Hierbei ist festzuhalten, dass das Denken sehr wohl sprachlich vermittelt wird, jedoch kann dafür keine allgemein gültige und ausschließliche Bedingung beansprucht werden, denn dafür spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle. Der „linguistic turn“ geht mit dem Wandel von der Erkenntniskritik zur Sprachkritik einher. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass sich die Sprache nicht als alleinige Medienbedingung des Denkens darstellt. Die Erkenntnis dazu war ein großer Schritt zu einer bedachtsamen Phänomenologie der Erkenntnis. Margreiter betont an diesem Punkt auch, dass der „linguistic turn“ zeigt, dass das Denken an Symbol- bzw. Zeichensysteme gekoppelt ist, welche wiederum mit dem System der Sprache gleich gesetzt werden. Demnach bezieht sich das Denken nicht aus sich selbst heraus, sondern ist auf diese Zeichen und Symbole angewiesen.15 Die Verfechter der linguistischen Wende forderten somit, eine neue erkenntnistheoretische Position einzunehmen, in welcher „[...] die Sprache für das Erleben und Verstehen von Welt systematisch ins Zentrum ihrer Überlegungen rücken.“16 Aufgrund dessen soll sogleich der Sprache eine unersetzbare Rolle bei der Konstruktion von Wirklichkeit zugeschrieben werden, um das Ziel zu erreichen, die Grundsätze der Logik der Sprache mit jenen der Erkenntnismöglichkeiten gleichzustellen. Demzufolge wäre die menschliche Erkenntnis in all ihren Formen durch eine Struktur der Sprache gekennzeichnet, sodass eine Wirklichkeit entfernt von der Sprache nicht existent wäre. Also könnten philosophische Probleme lediglich durch eine Sprachanalyse gelöst werden. Das
Reflektieren der Denkvorgänge wird damit zur Sprachkritik, was bedeutet, dass sich die Reflexionen sprachlicher Formen sich nur unter den Bedingungen des zugrundeliegenden reflektierten Gegenstandes, der Sprache vollziehen.17
Der darauffolgende Wandel, der „symbolic/semiotic turn“ legt dar, dass das Denken eine „Konstitution, Konstellation und Zusammenspiel mehrerer und unterschiedlicher Zeichen- bzw. Symbolsysteme“18 ist. Jener wurde durch drei bekannte Kulturphilosophen geprägt: Ernst Cassirer, Alfred N. Whitehead und Susanne K. Langer. „Die drei Autoren verstehen unter Kultur das jeweilige Ensemble von Symbolsystemen, erklären Kultur bzw. Symbolizität zum Inbegriff menschlicher Lebensverhältnisse und sehen darin die zentrale [...] Möglichkeitsbedingung von Denken.“19
Jene Philosophen kamen aber auch zum Entschluss, dass die Symbol- und Zeichensysteme, welche das Denken beeinflussen, stets auch Medien darstellen. Das liegt daran, dass Medien als Informations- und Kommunikationsmittel in der Definition identisch sind wie Zeichen- und Symbolsysteme. Durch diese Erkenntnis kam es zu dem Entschluss, dass der Grundsatz Denken vollzieht sich symbolisch-medial lauten muss. Zeitgleich entstand somit der „media turn“, welcher beinhaltete, dass das menschliche Denken stets durch Medien geprägt ist und durch die Medien bestimmt ist.20 Da sich in Cassirers Philosophie der symbolischen Formen die ersten Anzeichen der medialen Wende darbieten, wird im folgenden Kapitel erläutert, inwieweit Cassirer seine Kulturphilosophie als Medienphilosophie zu verstehen ist.
Der Neukantianismus lässt sich als einflussreichste Strömung innerhalb der Philosophie von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg bestimmen. Der Neukantianismus war mitunter jener Zeitraum, welcher die Anfänge von dem bedeuteten Kulturphilosoph des 20. Jahrhunderts, Ernst Cassirer hervorbrachte. Hierbei entstand auch die „Philosophie der symbolischen Formen“. Das Buch ist in drei Bände unterteilt und wurde zwischen den Jahren 1923 und 1929 veröffentlicht. Darin zeigt er, inwieweit sich der Neukantianismus fortsetzen lässt bzw. wie eine paradigmatische Überwindung dessen zustande kommt. Dabei stellte er sich durchaus erkenntnistheoretischen Fragestellungen wie „Was ist Wissen?“, „Wie kommt es zustande?“, „Wie funktioniert es?“, „Welche Formen von Wissen gibt es?“.21
In seiner Theorie erlangt der Begriff Symbol jedoch auch eine anthropologische Qualität und jene wird zeitgleich Grundlage seiner Lehre vom Menschen. Cassirer erkennt die Struktur des Menschen weder aus seiner physischen als aus seiner metaphysischen Natur heraus. Nach ihm lebt der Mensch in einem symbolischem Universum.22
„Der Mensch ist das Wesen, das über Symbole verfügt und das sich sein Selbstverständnis und seine Ansicht der Welt durch den Gebrauch von Symbolen verschafft. Wir schauen der Welt nicht unmittelbar ins Gesicht, sondern zwischen die Wirklichkeit und uns schalten wir Symbole. Wir bewegen uns in vielfältigen Netzen von Symbolen.“23
In „An Essay on Man“, welches 1944 veröffentlicht wurde, ist ein klassisches Beispiel für die philosophische Anthropologie. Hierbei setzt er sich mit der These auseinander, dass sich der Mensch an der Welt weder explizit, noch primär begrifflich-theoretisch orientiert, sondern stattdessen sich die Welt mithilfe des Gebrauchs von unterschiedlichen Werkzeugen über Ästhetik und Kunst, über mythisch-religiösen Vorstellungen und Praktiken, und über Sprache aneignet. Diese unterschiedlichen Bereiche setzt er mit Versionen einer einheitlichen Struktur gleich. Mit Versionen sind die symbolischen Formen gemeint, welche unterschiedliche Erfahrungstypen und unterschiedliche Handlungs- und Denkmuster beinhalten. Jene werden durch ihr Zusammenspiel bzw. Gegeneinanderwirken zu einem Gefüge und gleichzeitig zu einem Prozess von Kultur. Die Kultur stellt somit die Summe und das Zusammenwirken aller Symbolkonstruktionen dar. Da der Mensch in eine Kultur hineingeboren wird, wird er einerseits von der Kultur geprägt und andererseits prägt er sie selbst. Daraus resultiert, dass der Mensch sowohl ein Kulturals auch ein Symbolwesen ist. Aufgrund dessen entwickelte Cassirer die Formel „animal symbolicum“, welche besagt, dass der Mensch die symbolischen Formen schafft. Er übernimmt sie, bewegt sich in und mit ihnen historisch gesehen weiter. Um dies zu ermöglichen, lassen sich die symbolischen Formen wie folgt definieren: sie sind veränderliche Gestalten, sprich nie fertig und somit kontingent.24 Cassirer vergleicht sie mit „jede[r] Energie des Geistes [...], durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und diesem Zeichen innerlich zugeneigt wird.“25
[...]
1 Margreiter 2016, S. 19
2 Vgl. ebd., S. 19ff.
3 Vgl. Sander 2008, S. 227
4 Ebd., S. 227
5 Vgl. Margreiter 2016, S. 31
6 Schwachulla 1998, S. 590
7 Jäger 2000, S. 15
8 Vogel 2003, S. 107
9 Vgl. ebd., S.107
10 Duden
11 Müller 2010, S.16
12 Vgl. Margreiter 2017, S. 26
13 Margreiter 2017, S. 28
14 Vgl. ebd., S. 28
15 Vgl. ebd., S. 29f.
16 Reichle 2010, S. 169
17 Vgl. Reichle 2010, S. 169
18 Margreiter 2007, S. 29f.
19 Ebd., S. 30
20 Vgl. ebd., S.30
21 Vgl. Margreiter 2007, S. 32
22 Vgl. Sewig, Dr. Eva-Maria, Online-Wörterbuch Philosophie
23 Paetzold 2002, S. 82
24 Vgl. Margreiter 2007, S. 33
25 Ebd. 2007, S. 33