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Hausarbeit, 2022
15 Seiten, Note: 1,3
Einleitung
Historischer Abriss zur Entstehung des Dualen Systems
Die Zünfte als Vorreiter der beruflichen Ausbildung
Protophase
Konsolidierungsphase
Ausbauphase
Entstehung neuer Berufe
Beruf und Beruflichkeit
Fazit
Literaturverzeichnis
Die Veränderungen in den letzten zwei Jahrzehnten werden umgangssprachlich häufig als digitale Revolution bezeichnet. Auch die Arbeitswelt muss sich diesen Veränderungen anpassen, sie mittragen und teilweise auch vorantreiben. Diese Schnelligkeit der Veränderungen wird es in den nächsten Jahren immer wieder notwendig machen auch die berufliche Ausbildung zu verändern, anzupassen, sich von veralteten Berufen zu verabschieden und neue zu erschaffen.
Um diesen Prozess besser verstehen zu können, lohnt ein Blick in die Geschichte - zurück zu einer vorangegangenen Revolution, die ebenfalls einen einschneidenden Wendepunkt in der Arbeitswelt mit sich brachte.
Folgend wird daher die Entstehung der heutigen Berufsausbildung in ihrem Dualen System näher beleuchtet.
Berufliche Erstausbildungen in Deutschland werden zu einem Großteil im Dualen System durchgeführt. Der Dualismus entsteht dabei aus der Kombination von Berufsschule, als Bildungsstätte für den fachtheoretischen und allgemeinbildenden Bereich, und Betrieb, als Ausbildungsstätte der fachpraktischen Kompetenzen und Fertigkeiten - also dem Theorie-Praxis-Transfer bereits während der Ausbildungszeit.1 Ergänzt werden diese beiden Säulen zum Beispiel im Handwerk durch überbetriebliche praktische Unterweisungen, wodurch fehlende Kompetenzen, die sich durch die Spezialisierung von Betrieben ergeben können, ausgeglichen werden. Damit wird sichergestellt, dass alle Auszubildenden nicht bereits während der Ausbildung eine zu große Spezialisierung erfahren und etwaige Defizite ausgeglichen werden können.2 Dabei entsteht eine gewisse Vergleichbarkeit der Abschlüsse und Erfüllung aller Anforderungen aus den Ausbildungsrahmenplänen.
Folgend wird die historische Entstehung des heutigen Dualen Systems von den Zünften im Mittelalter bis zur heutigen Zeit dargestellt.
Zu Beginn des 11. Jahrhunderts, mit Gründungen größerer Städte, unterteilte sich die mittelalterliche Gesellschaft in drei Stände, wobei der hierarchisch niedrigste Stand aus den Menschen bestand, welche ihren Lebensunterhalt und Dienst an Gesellschaft und Gott durch ihrer eigenen Hände Arbeit verdienten und leisteten. Dieser unterteilte sich dabei in Handwerker, Künstler, Kaufleute und Gelehrte.3 Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur auf die Handwerker näher eingegangen.
Zum Ende des 12. Jahrhundert entwickelten sich Zünfte als kartellartige Zusammenschlüsse einzelner Gewerke aus Bruderschaften städtischer Handwerker.4 Teils erfolgte dieser Zusammenschluss auf Bestreben der Handwerker selbst, teils auf Druck durch die Stadtherren. Die Zünfte können dabei als Kartell verstanden werden, da sie sich durch ihre wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen, wie zum Beispiel die Bestimmung über Verkaufspreise, Anzahl der Handwerksmeister oder auch Lehrlinge, direkt in die wirtschaftlichen Bereiche der Stadt und der einzelnen Handwerker eingriffen, doch auch in politische oder kirchliche Belange griffen die Zünfte ein. Sie beriefen sich auf den christlichen Glauben. „Arbeit dient auch dem Nächsten, d.h. allen, die dadurch, dass sie an Gott glauben, zur Gemeinde Christi gehören.“5 Folglich war es auch nur (nicht ausschließlich) christlichen Menschen erlaubt ein Handwerk zu erlernen und in diesem tätig zu sein. Zünfte hatten damit einen großen Anteil an der antijudaistischen Haltung in der mittelalterlichen Gesellschaft, in dem sie jüdische Menschen ausschlossen und in nicht-christliche Tätigkeiten abtrieben.6 Durch ihren Machtanspruch und der ihnen innewohnenden Regeln und Vorschriften verhinderten sie maßgeblich die Exploration der Handwerker durch die Unterdrückung von Innovation zur Erhaltung ihrer Vormachtstellung.7
Dennoch machte der Zusammenschluss in Zünften erstmals eine zielgerichtete Vermittlung und damit das Erlernen von berufs- und standesspezifischen Fähig- und Fertigkeiten möglich. So beschränkte sich dies nicht allein auf diese, zur Ausübung des Berufs notwendige, sondern auch auf solche, welche für ein sittliches Leben notwendig sind. ,,[...] durch praktisches Vor-, Mit- und Nachtun und durch berufliche wie auch allg.-sittl. Unterweisung in harter Zucht unter intensiver Miterziehung durch die ganze Hausgemeinschaft des Meisters.“8 Entgegen der heutigen Situation bildeten Handwerksbetriebe in dieser Zeit eine Hausgemeinschaft, in der Lehrlinge und Gesellen im Hausstand des Meisters lebten. Durch die strenge Hierarchie bestand das Erlernen aus der Imitation von Lebens- und Arbeitsweisen, wobei der Meister diese vorgab.9 Somit kann die Ausbildung bereits zu dieser Zeit als wichtige Sozialisationsinstanz verstanden werden. Um das Zusammenleben und die Ausbildung zu regeln, trafen Zünfte verschiedene rechtlich-verwaltende Maßnahmen zum Übergang vom Lehrling zum Gesellen und die damit verbundene Tippelei, aber auch zum Zusammenleben und Arbeiten, die dem Schutz der Jugendlichen etwa vor Misshandlung dienen soll- ten.10
Der Lehrling wurde dabei ebenfalls in die gesellschaftlichen Anforderungen, Normen und Werte seines Standes eingeführt. Diese Standeszugehörigkeit galt als gottgewollt und war somit keine freie Entscheidung eines Menschen.11 Weder die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Beruf, noch ein Aufstieg in einen höheren Stand waren somit für die Jugendlichen ohne weiteres möglich. Erst mit der Abschaffung des Feudalismus und der zugrundeliegenden Ständegesellschaft zum Beginn des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Ausgangslage für Jugendliche beim Eintritt in die Arbeitswelt.12
Auch wenn die Wurzeln der geordneten Berufsausbildung in Deutschland bei den Zünften liegen, machte erst die Rückbesinnung auf dieses Modell im Scheitelpunkt der Industriellen Revolution jenes „zum Vorbild einer nicht-akademischen Berufsausbil dung überhaupt“13, welches bis heute die Grundlage der dualen Ausbildung darstellt. Greinert gliedert die Entstehungsphase des heutigen Dualen Systems in drei Phasen: die Protophase, die Konsolidierungsphase und die Ausbauphase. 14 Zur Vereinfachung der Einordnung wird diese Gliederung übernommen.
Vorangehend zur Industrialisierung veränderten die Stein-Hardenbergschen Reformen Preußen und machten damit einen Wandel vom ständisch organisierten Staat, hin zum Industriestaat möglich. Unter anderem wurde im Zuge dessen die Gewerbefreiheit eingeführt und damit der Zunftzwang abgeschafft, wodurch diese ihre Vormachtstellung verloren.15 Erst durch diese Reformen war es möglich, die Einschränkungen durch die Zünfte zu überwinden und dem industriellen Fortschritt voranzutreiben.
In der Zeit der Industrialisierung in Deutschland (circa 1870 - 1920) wurde auf Grund sozioökonomischer Problemlagen auch eine Umstrukturierung der (beruflichen) Bildung notwendig. Die 1869 eingeführt Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes trug maßgeblich dazu bei, dass die Qualität der Ausbildung abnahm, wenngleich sie bestimmte einheitliche Regelungen zur täglichen Arbeitszeit, der Entlohnung, sowie den Modalitäten der Ausbildung und des Besuchs der Fortbildungsschulen, traf.16
Um die Ausbildungsqualität in den Handwerksberufen wieder zu erhöhen, verabschiedete der Deutsche Reichstag zwischen 1878 und 1907 verschiedene Gesetzesnovellen, vor allem zum Schutz von Handwerk und Detailhandel. Mit dem Handwerkerschutzgesetz von 1897 schuf der Deutsche Reichstag die Möglichkeit zur Schaffung der Handwerkskammern als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wie auch bei den Zünften vorhergehend, bestand nun der Zwang zur Zugehörigkeit (Innungszwang).17 So scheiterte zwar 1890 am Einspruch des Bundesrates die Einführung des großen Befähigungsnachweises und damit der Meisterzwang zur Führung eines Handwerksbetriebs, mit dem kleinen Befähigungsnachweis wurde 1908 dann aber, als Parallele zu den Zünften, die Befähigung zur Ausbildung von Lehrlingen im Handwerk unter Meisterzwang gestellt. Die Gesetzesnovellen bilden daher das Fundament der ersten Säule im Dualen System: der betrieblichen Ausbildung.18
Bereits seit dem 18. Jahrhundert existierten in Deutschland Fortbildungsschulen, welche zum Teil auch die Vermittlung von beruflichem Wissen vornahmen, dennoch in erster Linie zur Erziehung und Indoktrination nach politischen Vorstellungen dienten. Durch Kerschensteiner entwickelten sich zum Beginn des 20. Jahrhunderts Fortbildungsschulen, die ihre Daseinsberechtigung vor allem durch die Orientierung am Beruf des Auszubildenden erlangten. Als Teil der Reformbewegung weitete sich die Zahl der beruflich orientierten Fortbildungsschulen massiv aus und wurde alsbald zur zweiten Säule der Berufsausbildung und damit zum Dualen System in der heutigen Form.19 Kerschensteiner stellte sich damit gegen die Theorie Wilhelm von Humboldts, der die Unvereinbarkeit von allgemeiner Persönlichkeitsbildung und spezialisierender Berufsausbildung als gegeben ansah.20
Auch die Ausweitung der industriellen Produktion ergab die Notwendigkeit, die Berufsausbildung an das sich wandelnde System anzupassen. Dabei ging man zuerst davon aus, „dass handwerkliche Fähigkeiten bald nicht mehr gebraucht würden, dass der Mensch als ausführendes Organ in der industriellen Produktion daher auch nicht einer beruflichen Ausbildung im klassischen Sinne bedürfe“21 Dies stellte sich zeitnah als Trugschluss heraus.
[...]
1 vgl. Nissen.
2 Semper und Gress 2015, vgl. S. 51f.
3 Sailmann 2018, vgl. S. 37.
4 Sailmann 2018, vgl. S. 37f.
5 Sailmann 2018, S. 26.
6 vgl. König 2006.
7 vgl. Gabler Wirtschaftslexikon.
8 Pahl 2014, S. 28.
9 Greinert 2007, vgl. S. 31.
10 Kell 2006, vgl. S. 455.
11 Sailmann 2018, vgl. S. 33.
12 Sailmann 2018, vgl. S. 42.
13 Greinert 2006, S. 500.
14 Greinert 2006, vgl. S. 499.
15 Sailmann 2018, vgl. S. 85f.
16 Schütte 2012, vgl. S. 465ff.
17 Greinert 2006, vgl. S. 500.
18 Greinert 2006, vgl. S. 499ff.
19 Greinert 2006, vgl. S. 501.
20 Brater 2018, vgl. S. 2.
21 Vonken 2005, S. 57.