Otto Brunner wurde am 21. April 1898 in Mödling bei Wien geboren. Die niederösterreichisch – mährische Heimat in seiner Jugend wirkte sich wohl bestimmend auf seinen Beruf als Sozialhistoriker aus. Otto Brunners Wegbereiter auf dem Gebiete der Historie waren Doptsch, Redlich und Srbik. In der Zeit des Nationalsozialismus war sein Gebot der Stunde die politische Volksgeschichte. Brunners methodische Grundsatzfrage entwickelte er in der scharfen Konfrontation des bürgerlichen und liberalen Rechtsstaates mit den damals heraufkommenden politischen Überzeugungen des Nationalsozialismus. Unter Volksgeschichte verstand er dasselbe wie unter Sozialgeschichte, nämlich „die Geschichte des inneren Gefüges menschlicher Gruppen“. Um nach dem Zweiten Weltkrieg den vorbelasteten Begriff „Volksgeschichte“ zu vermeiden, ersetzte er denselben mit dem Begriff „Strukturgeschichte“.
Otto Brunners Rezeptionsarbeit war immens. Seine „geistigen Wurzeln“ sollen anhand einiger Persönlichkeiten auf den Punkt gebracht werden: Das Zusammenwirken des Königs und des Volkes und das Wesen verfassungsmäßiger Ordnung bei Georg Waitz. Die enge Verflechtung von Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung bei Karl Lamprecht. Sowie das unentzweite Recht in der altständischen Gesellschaft bei Otto Gierke. Das abendländische Mittelalter nach Ernst Troeltsch: „…der eigentliche Mutterschoß unseres ganzen Lebens“. Die paritätische Verbindung von Mikroskopie und Makroskopie bei E.R.Curtius. Als auch Otto Hintze und seine Verbindung von Sozialgeschichte mit Begriffsgeschichte und das Wesen des Politischen bei Carl Schmitt.
Die kritischen und ablehnenden Stellungsnahmen bzgl. Otto Brunners Werk fehlten keineswegs. So warf man ihm vor, er hege eine „Nostalgie nach der alteuropäischen Adelswelt“, er hätte eine „gewisse Phobie“ gegen die Aufklärung „und gegen Intellektuelle überhaupt“. Mit Attributen wie „konservativ“, „romantisierend“, „nostalgisch“ und „historisch“ wurden seine historischen Arbeiten gerne von seinen Gegnern gekennzeichnet.
Otto Brunner fragt was denn der Gegenstand der Geschichtswissenschaft im engeren Sinn des Wortes sei, gibt es neben der Fülle von historischen Wissenschaften doch ein eigenes Fach „Geschichte“. Er wehrt sich immens gegen die verkehrte Ansicht, dass es letztendlich den Kulturhistorikern überlassen sei „die Ergebnisse der historischen Einzelwissenschaften zu einem einheitlichen Bild der betreffenden Kultur zusammenzufassen“.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITENDE GEDANKEN
- Otto Brunners Affinität zum Nationalsozialismus
- Volksgeschichte - Strukturgeschichte - Sozialgeschichte
- OTTO BRUNNERS HISTORISCHER HUMUSBODEN
- Otto Brunners „Vordenker“
- Kritik an Otto Brunners historischer Arbeit
- DIE POLEMIK IN DER GESCHICHTSWISSENSCHAFT
- Allgemeine Geschichte und historische Fachwissenschaften
- Die Unterscheidung von „,Geisteswissenschaften“ und „,Sozialwissenschaften“
- Gegenstand und ursprüngliches Interesse in der Geschichtswissenschaft
- DAS VERHÄLTNIS VON GESCHICHTE UND GEGENWART
- Begriffskritische Untersuchungen
- Der Bedeutungswandel von Wörtern
- Otto Brunners,,europäische\" Sozialgeschichte
- DIE MITTELALTERLICHE RECHTS- UND VERFASSUNGSORDNUNG
- Fehde
- Herrschaft
- ABSCHLIEBENDE GEDANKEN
- ANMERKUNGEN
- LITERATURVERZEICHNIS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beleuchtet das Leben und Werk des österreichischen Historikers Otto Brunner, insbesondere seine Entwicklung vom „Vordenker“ der Volksgeschichte zur Sozialgeschichte. Sie untersucht seine akademische Laufbahn, seine Affinität zum Nationalsozialismus und seine Kritik an der liberalen Staatsauffassung. Zudem werden die Verbindungen zwischen Geschichte und Gegenwart sowie die Bedeutung von Sprache und Begrifflichkeit in der historischen Forschung beleuchtet.
- Otto Brunners Lebensweg und seine akademische Karriere
- Otto Brunners Verhältnis zum Nationalsozialismus
- Die Entwicklung von Volksgeschichte zur Sozialgeschichte bei Otto Brunner
- Die Beziehung zwischen Geschichte und Gegenwart
- Die Rolle von Sprache und Begrifflichkeit in der historischen Forschung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der frühen Biografie Otto Brunners, seiner Jugend in Österreich und Mähren, sowie seinem Militärdienst im Ersten Weltkrieg. Anschließend wird sein Studium in Wien beleuchtet, das ihn maßgeblich prägte. Das zweite Kapitel untersucht die „Vordenker“ von Otto Brunners historischer Arbeit, sowie die Kritik an seiner Forschung. Das dritte Kapitel beleuchtet die Polemik in der Geschichtswissenschaft und die Trennung von „Geisteswissenschaften“ und „Sozialwissenschaften“. Das vierte Kapitel analysiert das Verhältnis von Geschichte und Gegenwart und befasst sich mit der Bedeutungswandel von Wörtern. Abschließend werden die mittelalterliche Rechts- und Verfassungsordnung, Fehde und Herrschaft, im Kontext von Otto Brunners Arbeit behandelt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf zentrale Themen und Begriffe wie Otto Brunner, Volksgeschichte, Sozialgeschichte, Nationalsozialismus, Geschichte und Gegenwart, Begriffskritik, Sprache und Begrifflichkeit, Mittelalter, Fehde, Herrschaft, sowie die Verbindung von Geschichte und Gegenwart.
- Quote paper
- Alessandro de Michel (Author), 1997, Otto Brunner - Ein Zeuge des 20. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/12840