Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Hausarbeit, 2022
26 Seiten, Note: 2,0
1 Einleitung
2 Bildergeschichten als didaktisches Mittel
2.1 Was sind Bildergeschichten - fachwissenschaftliche Einordnung
2.2 Das Erzählen im Deutschunterricht
2.3 Bildergeschichten im Deutschunterricht
3 Literatenmeinungen zum Thema Bildergeschichte
3.1 Kritiken am Thema als Erzähl- und Schreibanlass
3.2 Alternativen für Erzähl- und Schreibanlässe
4 Vorstellung und Erörterung von erfragten Meinungen
4.1 Empirische Studie
4.2 Auswertung
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
„Sieh dir die Bilder genau an und schreibe passend dazu eine Bildergeschichte. Und denke immer daran: Vergiss den Höhepunkt der Geschichte nicht.“ Diese Aufgabenstellung begegnet wohl fast allen Schülerinnen im Laufe ihrer Schulzeit - den meisten vermutlich bereits in der Grundschule. Die Bilder sind hier meist in einen einfachen Kontext gebettet und bieten Anlass zum Erzählen und um der Fantasie freien Lauf zu lassen. Im Gegensatz zu einer Geschichte, die nacherzählt werden muss oder einem Gedicht, welches analysiert werden muss, zielen Bildergeschichten auf das freie und kreative Erzählen ab. Dabei soll Fantasie gefördert und das Erzählen einer spannenden Geschichte erlernt werden.
Das Arbeiten mit Bildern umfasst ein großes Spektrum an Aufgabenstellungen und ein kleiner Teil hiervon umfasst das Thema dieser Arbeit. Die Meinungen zu dem Unterrichtsthema „Bildergeschichten als schriftlicher Erzähl- und Schreibanlass“ sind oft einstimmig und überwiegend mit eher negativer Kritik belastet. Warum werden Bildergeschichten dennoch so häufig als Unterrichtsmaterial für Schreib- oder Erzählanlässe verwendet und wie stehen Lehrerinnen dazu? Sind Bildergeschichten wirklich sinnvoll oder bieten andereAlternativen einen kreativeren Schreibanlass?
Im ersten Abschnitt dieser Arbeit wird darauf eingegangen, was eine Bildergeschichte ist, was sie ausmacht und wie diese aktuell im Deutschunterricht eingesetzt und behandelt wird. Zudem wird auf das Erzählen an sich eingegangen, um zu zeigen, welche Kriterien hier im Unterricht eine Rolle spielen und wie diese auf die Bildergeschichte übertragen werden.
Im Anschluss werden die Kritiken an Bildergeschichten behandelt. Es wird der Frage nachgegangen, warum diese in der Literatur häufig eher negativ belastet sind sowie auf die Gründe eingegangen, warum Literaten und Didaktiker diese weniger bis überhaupt nicht für die (Grund-)Schule empfehlen. Es werden Alternativen sowie Förderprozesse für Erzählanlässe vorgestellt und es wird herausgearbeitet, warum diese der Bildergeschichte eventuell vorzuziehen sind.
In der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Studie wurden Lehrerinnen hinsichtlich ihrer Meinung zu Bildergeschichten befragt. Ziel der Umfrage war es, der Frage nachzugehen, ob und wenn ja wie diese noch im aktuellen Deutschunterricht eingesetzt werden . Es wird erörtert, warum Bildergeschichten immer noch ein häufig genutztes Verfahren in der Schule darstellen und was sich die Lehrkräfte von dem Einsatz dieses Verfahrens im Unterricht versprechen bzw. erhoffen. Zudem wird darauf eingegangen, welche Alternativen zu den Bildergeschichten zum Thema schriftlicher Erzähl- und Schreibanlass in der Schule von Lehrkräften verwendet werden und wie diese zu den kritischen Meinungen der Deutschdidaktiker- und Forscher stehen.
Im folgenden Abschnitt wird darauf eingegangen, wie Bildergeschichten in der Fachwissenschaft einzuordnen sind und wie der aktuelle Einsatz von diesen im Deutschunterricht aussieht. Damit es verständlicher wird, warum das Erzählen für Schülerinnen ein komplexes Thema darstellt, wird auch das Erzählen an sich thematisiert. Hierbei werden das Erzählschema sowie wichtige Kriterien zum Schreiben einer Geschichte aufgezeigt.
Jeder Erwachsene und vermutlich auch die meisten Kinder, können mit dem Begriff Bildergeschichte etwas anfangen. In der Schulzeit ist keiner darum herumgekommen, mindestens einmal eine Geschichte zu verfassen für die man als Vorlage lediglich ein paar kleine Bilder hatte. Die Beschreibung, die den meisten bei diesem Stichwort einfallen würde wäre möglicherweise etwas wie: „Ich habe 4 - 6 Bilder vorliegen und muss hierzu eine passende Geschichte verfassen“. Ganz so leicht sind Bildergeschichten aber natürlich nicht zu definieren, die fachwissenschaftliche Einordung beschreibt diese etwas genauer und allumfassender.
„Bildergeschichten sind Erzählungen, die ausschließlich auf der Abfolge von Bildern beruhen“,1 welche in ihrer Ausführung auf das Wesentliche beschränkt sind und somit das schnelle Erfassen der Situation möglich machen.2 Meist handelt es sich hierbei um eine Höhepunkterzählung (bedeutet: Einleitung - Hauptteil mit Höhepunkt - Schluss) mit einer meist witzigen Pointe.3 In der Grundschule werden sie überwiegend als Schreibanlass für das schriftliche Erzählen verwendet, wobei aus den Bildfolgen ein Ereignis rekonstruiert werden muss. Darauf, dass genau dies die größte Schwierigkeit für die Schülerinnen darstellt,4 wird im späteren Teil dieser Arbeit genauer eingegangen.
Da Bildergeschichten, ihre schematisch und prototypisch skizzierten Figuren und die zuvor erwähnte Pointe von Schülerinnen schnell und einfach zu erfassen und zu verstehen sind, erfolgt keine Identifikation mit einem der Charaktere aus der Geschichte, sondern lediglich eine flüchtige Betrachtung der Gesamtsituation.5 In der Schule werden Bildergeschichten häufig für Schreibanlässe verwendet, sind hierbei aber von anderen Gattungen und Unterrichtsmethoden zu unterscheiden. Während Fix die Bildergeschichten neben Erlebniserzählungen, Fantasieerzählungen und Nacherzählungen indie Aufsatzlehre einordnet,6 sind diese laut Wallrabenstein als ein didaktisierendes Medium, also ein Medium, welches für den Sprachunterricht entwickelt wurde, zu sehen.7 Es wird deutlich, dass letzterer hier also weniger auf die schriftlichen Komponenten dieses Teil des Deutschunterrichts eingeht, sondern seinen Fokus auf die Mündlichkeit legt, die diesem Thema ebenfalls zu Grunde liegt.
„[...] Schriftliches Erzählen gehör[t] in den Kernbereich des Aufsatzunterrichts der Grundschule,"8 dessen Ziel in der „Produktion einer auch inhaltlich zusammenhängenden Folge von Sätzen, die eine kommunikative Funktion erfüllen"9, liegt.
Bereits in der Grundschule muss nicht nur das Grundschema (Einleitung - Hauptteil - Schluss) einer Erzählung gekonnt sein, sondern auch das Erzählen an sich. „Eine Geschichte erzählen können heißt, ein Ereignis mit einer unerwarteten Wendung so darzustellen, dass sich der Leser (oder der Zuhörer) in die erzählte Welt hineinversetzen kann."10 Der Verfasser einer Geschichte hat also die Aufgabe, eine gemeinsame Welt zu schaffen, in die sich Erzähler und Zuhörer für den Moment des Erzählens hineinversetzen können.11 Gerade dieser Aspekt des Erzählens kann aber stark von einer subjektiven Seite aus betrachtet und bewertet werden, da das Hineinversetzen in eine Geschichte von jedem anders wahrgenommen werden kann. Während dem einen eine Kurzgeschichte hierfür genügt, benötigt ein anderer einen kompletten Roman, um sich der Welt der Geschichte zugehörig fühlen zu können. Zudem besteht die Schwierigkeit oft darin, dass eine Erzählung nicht einfach unüberlegt zu Papier gebracht werden kann. Grob kann man sagen, dass sich das Schreiben in die Phasen Planen - Formulieren - Überarbeiten gliedert.12
Schäfer hebt in seinem Artikel „Schriftliches Erzählen in der Grundschule" folgendes Wichtiges zum Thema Erzählen hervor: Der Ursprung einer Erzählung lässt sich in der Antike finden, in der sich der Grundgedanke darauf bezog, ein Ereignis so darzustellen, dass die Zuhörer*innen von diesem mitgerissen und überzeugt waren.13 Dieser Gedanke ist inzwischen allerdings stark in den Hintergrund gerückt und spielt beim Erzählen in der (Grund-)Schule wenn dann nur noch eine untergeordnete Rolle. Inzwischen stehen die Textform sowie die sprachliche Gestaltung im Mittelpunkt und das Augenmerk wird auf die Einhaltung von Textsortenmerkmalen (bei einer Erzählung wären dies bspw. die Verwendung des Präteritums, vieler Adjektive und Verben sowie ein logischer Zusammenhang und das bereits erwähnte Erzählschema (siehe auch Abb. 1)) und nicht mehr auf die Ausrichtung am Leser gelegt. Schülerinnen lernen daher, Erzählungen nach folgendem Schema aufzubauen: Begonnen wird mit einer Einleitung, in der die „W-Fragen" beantwortet werden. Daraufhin folgt ein Hauptteil der Spannung aufbaut und einen Höhepunkt enthält, gefolgt von einem kurzen und prägnanten Schluss.
Hilfestellungen wie bspw. das Mausschema (Vgl. Abbildung 1) sollen die Schülerinnen dabei unterstützen, ihre Erzählungen nach oben genannten Kriterien aufzubauen.14
Einleitung — Hauptteil mit Höhepunkt der Spannungskurve - Schluss
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Mausschema, aus Fix (2008)
Zudem spielt im Bildungsplan die Anschaulichkeit der Geschichte noch eine wichtige Rolle, auch wenn Schäfer hier deutlich macht, dass dieser Aspekt wohl eher bei einer Beschreibung, als bei einer Erzählung zu verorten wäre.15 Bredel nennt neben dem Punkt Spannung noch die Lebendigkeit, die Subjektivität, den Detailreichtum sowie das Einnehmen der Erzählperspektive als charakteristisch für eine Erzählung.16 Der letzte Punkt den Bredel hier erwähnt, greift auch Fix in seiner Ausführung zu Erzählungen auf. Auch er hebt hervor, dass eine Erzählung stark auf die Perspektive des erzählenden Subjekts angelegt ist und er ist, wie Wallrabenstein (siehe 2.1.), der Meinung, dass die Mündlichkeit dieses Verfahrens aufgrund von in der Erzählung eingebauten Gefühlen und Erlebnissen stark hervortritt.17
Wie bereits erwähnt, werden Bildergeschichten seit jeher im Deutschunterricht für die verschiedensten Methoden eingesetzt, welche von Schriftlichkeit sowie von Mündlichkeit geprägt sind. Im folgenden wird auf die Schriftlichkeit von diesen eingegangen.
Bildergeschichten wurden mit dem Gedanken eingeführt, schwächeren Schülerinnen eine Hilfestellung bei der Erzählstruktur zu gewähren, sind auch heute noch eine beliebte Methode im Deutschunterricht und werden überwiegend als Schreib- und Erzählanlass für eine Höhepunkterzählung verwendet.18 Das Verfassen einer Bildergeschichte kann in den drei Handlungsschritten „1. Konfrontation mit dem Material, 2. Textplanung [und] 3. Textproduktion" zusammengefasst werden.19 Während im ersten Schritt lediglich die Rolle des Betrachters eingenommen wird und die Bilder und deren Geschichte nur mit einem sogenannten Blitzblick erfasst werden, wechselt die eigene Rolle bei Schritt zwei und der Betrachter wird zum Beobachter, welcher sich nun mit genaueren Details der Bilder beschäftigen muss. Auch im dritten Schritt konzentrieren sich die Kinder stark auf die einzelnen Bilder um nichts außer Acht zu lassen. So ist dieser Schritt stark von einem „Text-Bild-Vergleich" geprägt,20 welcher stark eine Bildbeschreibung, jedoch keine Erzählung bedingt (genauere Ausführungen folgen in Kapitel 3). Die Handlungsschritte einer Bildergeschichte sind das Vorstellen der vorhandenen Figuren, das Erzählen der Geschichte sowie der zugehörigen Handlungskomplikation (also der Höhepunkt) und die Bewertung des Geschriebenen. Doch auch das Einhalten dieser Schritte in Kombination mit den anderen Vorgaben, die einer Bildergeschichte zuzuschreiben sind, ist keine einfache Aufgabe für Kinder.21
Mit Hilfestellungen wie beispielsweise dem Mausschema (Abb. 1), sollen die Schülerinnen lernen und verstehen, was eine Erzählung ausmacht.22 Um den Schreibprozess zu unterstützen, sollten den Schülerinnen Aufgabenstellungen (Achte hierauf..., schreibe im Präteritum,...) sowie Darstellungsformen (Mausschema,...) dienen. In der Theorie allerdings, werden diese immer mehr Richtung normativer Bewertung gelenkt, haben sich somit von Hilfsgegenständen zu Unterrichtsgegenständen gewandelt23 und sind nicht mehr dem eigentlichen Ziel gewidmet, welches einer Bildergeschichte ursprünglich zu Grunde lag. Die kreative und fantastische Idee hinter dieser Methode, geht durch diese starre Normativität immer mehr verloren. Schülerinnen lernen und wissen mit der Zeit, was die Lehrkraft von ihnen hören und sehen möchte und bleiben so lieber auf dem sicheren Weg, auf dem sie wissentlich eine gute Note erhalten, als diesen auch einmal zu verlassen und etwas Neues und eher in Eigenproduktion entstandenes zu verfassen.24
Da Bildergeschichten rein visuell stimulierend sind, müssen diese einige Voraussetzungen erfüllen, damit sie für die Schülerinnen zugänglich und bearbeitbar sind. Becker (2011) hat hierfür die Kriterien kohäsiv, narrativ strukturiert, Einhaltung der gewählten Zeitform sowie inhaltliche Orientierung an der vorhandenen Vorlage gewählt.25 Zudem können Bildergeschichten dabei helfen, die vorherrschenden, narrativen Strukturen zu entdecken und somit auch das narrative Schreiben bedingen und herbeiführen.26
Im ersten Abschnitt wurde das Erzählen, die Bildergeschichte allgemein und auch bezogen auf den Deutschunterricht betrachtet. Im Folgenden wird darauf eingegangen, wie diese in der Literatur betrachtet und bewertet werden. Außerdem wird auf alternative Schreibanlässe eingegangen und das Für und Wider von diesen gegenüber der Bildergeschichte gegenübergestellt und analysiert.
Schreibaufgaben können verschiedene Hintergründe haben und zielen somit auch auf verschiedene (Teil-) Kompetenzen und Ziele ab.27 Bildergeschichten beispielsweise sollten das kreative Schreiben sowie das Erzählen einer Höhepunktgeschichte fördern. Gerade in der Literatur sind die Sinnhaftigkeit und der Lerneffekt oft umstritten, wodurch sie nicht immer als geeignet scheinen Im Deutschunterricht steht immer mehr der Aspekt der guten Noten im Vordergrund und das didaktische Mittel der Bildergeschichten fördert diesen Aspekt wohl mehr, als dass er hierdurch unterbunden wird. Schülerinnen neigen immer mehr dazu, das zu schreiben, was die Lehrkraft im Endergebnis sehen und hören möchte28 und der eigentliche Aspekt und Gedanke hinter der Aufgabenstellung - das richtige Erzählschema und kreatives Schreiben - gehen verloren.
Mit die größte Schwierigkeit bei Bildergeschichten stellt vermutlich die visuelle und damit verbunden auch die kognitive Herausforderung dar. Da keine bereits verschriftliche Geschichte vorhanden ist, die lediglich nacherzählt oder zusammengefasst werden muss, müssen im ersten Schritt die visuellen Vorlagen (also die Bilder) mental zu einer Geschichte zusammengefügt werden.29 Natürlich gibt es auch hier Möglichkeiten, dies anders zu strukturieren, wie beispielsweise alle Gedanken zuallererst aufzuschreiben und am Ende passend zu einer Geschichte zusammenzufügen. Da im Unterricht und vor allem bei Klassenarbeiten hierfür oft die zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreicht, kann auch diese Möglichkeit nicht immer pauschal eingehalten werden.
Schülerinnen in der Grundschule, vor allem in den beiden ersten Klassenstufen, sind mit Bildergeschichten als Erzähl- und Schreibanlass kognitiv und damit verbunden sprachlich überfordert und können aufgrund des rein visuellen Reizes, der ihnen hier geboten wird, ihr sprachliches und erzählerisches Können nicht vollständig zeigen.30 Becker macht deutlich, dass die Bildergeschichte keine „Gelegenheit [bietet], die Erzählfähigkeiten frei zu entfalten."31 Da die aneinandergereihten Bilder eher eine Nacherzählung und keine Erzählung an sich bedingen, kann anhand von Bildergeschichten nicht festgestellt werden, ob Kinder wirklich das Schreiben einer Erzählung beherrschen und das Schema hinter dieser verstanden haben oder nicht.
Die Folge von den verschiedenen Schwierigkeiten, die beim Verfassen einer Erzählung mit Hilfe einer Bildergeschichte entstehen, führen im Endeffekt oft dazu, dass die Schülerinnen keine Höhepunkterzählung, sondern eine Aneinanderreihung von Bildbeschreibungen verfassen.32 Hierbei liegt das Problem häufig auch in der Aufgabenstellung. Die Schülerinnen sind auf der einen Seite dazu aufgefordert, die Bilder genau zu betrachten, um so jedes Detail ins Auge zu fassen, während sie sich auf der anderen Seite in die Geschichte hineinversetzen sollen, was durch das exakte Betrachten der Bilder aber eher verhindert, als gefördert wird.33 Somit lautet die Aufgabestellung am Ende nicht nur „Sieh dir die Bilder genau an und schreibe passend dazu eine Bildergeschichte. Und denk immer dran: Vergiss den Höhepunkt der Geschichte nicht“, sondern mündet in Anweisungen wie „Verwende das Präteritum, gib den Figuren Namen, finde eine passende Überschrift, benutze die direkte Rede.“34 Wie bereits erwähnt, ist das kognitiv für viele Schülerinnen zu überfordernd. Vor allem für diejenigen Kinder, die mit dem Erzählen im Grunde schon Schwierigkeiten haben, ist diese Aufgabe oft nicht bewältigbar und sie werden mit Hilfe einer Bildergeschichte das Erlernen des Erzählens auf diese Weise weder lernen noch fördern können.35 36 Zudem fehlt den Kindern die emotionale Beteiligung an der Erzählung. Da der Rahmen der Geschichte größtenteils durch die Bilder vorgegeben ist3S, entfällt oft der Teil des kreativen Schreibens und die Kinder verfallen wie oben erwähnt in eine stupide Beschreibung. Sie sind hierdurch eventuell des Öfteren nicht vollkommen mit dem Kopf bei der Aufgabe und der Lerneffekt verringert sich oder bleibt im schlimmsten Fall komplett aus. Laut Steinig und Huneke kommt erschwerend hinzu, dass die Schülerinnen das Erzählen einer Bildfolge nicht wirklich in ihrem Alltag wiederfinden und wenn doch, bezieht sich dies eher auf das Betrachten und Beschreiben einzelner Bilder, weshalb das Schreiben einer Bildergeschichte eher künstlich erscheint.37 Die Autoren beziehen diesen Punkt zwar auf das mündliche Erzählen einer Bildergeschichte, dieser Punkt lässt sich aber ebenso gut auf das Verschriftlichen von diesen anwenden.
Die zuvor aufgezeigten Schwierigkeiten treten allerdings nicht nur in der Grundschule auf. Die Schwierigkeiten des Erzählens anhand von Bildergeschichten begleiten die Schülerinnen bis in die Sekundarstufe und stellt sie auch hier noch vor eine große Herausforderung. Die zur Verfügung gestellten Abbildungen zu einer zusammenhängende Geschichte mit einer Pointe zu verwandeln, ist für die Schülerinnen oft nicht realisierbar.38 Fix formuliert eine recht harte aber deutliche Kritik, die das grundlegende Problem der Bildergeschichten im Grunde kurz und knapp zusammenfasst:
„Bild(er)geschichten [...] sind nichts anderes als reine Formulierungs-Etüden ohne kommunikative Funktion. Diese Übungen, die dem Erwerb der Erzählkompetenz dienen sollten, sind zu eigenen schulischen Textsorten aufgestiegen, die in der außerschulischen Realität keine Entsprechung haben."39
Im später analysierten Fragebogen werden ebenfalls noch einige Alternativen zu den Bildergeschichten aufgezeigt. In diesem Abschnitt werden ausschließlich der Bildimpuls sowie die Reizwortgeschichte und Hilfestellungen zur Strukturierung und zum Kompetenzerwerb des Schreibens behandelt.
Da Bildergeschichten, zumindest in der Literatur, mit doch eher negativer Kritik belastet sind, stellt sich natürlich die Frage, welche Alternativen oder Fördermöglichkeiten für schriftliche Erzähl- und Schreibanlässe in der Schule zur Anwendung kommen können, um den schematischen Schreibprozess sowie das kreative Schreiben zu fördern. Schäfer zeigt in seinem Artikel einige interessante Weiterentwicklungen und Überlegungen auf, wie der Kompetenzerwerb der Schülerinnen gefördert werden kann. Zunächst einmal wird erwähnt, wie wichtig es sein kann, das Schülerinnen sogenannte Schreibstrategien erlernen die ihnen helfen, einen Text zu konstruieren und zu Papier zu bringen. Sturm/Weder (2018, 81 f.) haben hierfür die sogenannte „PIRSCH+ Strategie" entwickelt. Hierbei geht es um die Planung des Textes, die stichwortartige Zdeensammlung, das Festlegen der Reihenfolge der Ideen, das Schreiben in ganzen Sätzen und das Prüfen des zu schreibenden Textes.40 Dieses Modell kann auch gut auf die Thematik der Bildergeschichte übertragen werden und somit das Schreiben von diesen eventuell vereinfachen, bzw. unterstützen. Laut Schäfer kann das Modell auch leicht abgewandelt und an den zu schreibenden Text angepasst werden.41 Der Punkt „Reihenfolge festlegen" kann somit bei der Bildergeschichte weggelassen werden, da die Reihenfolge durch die vorgegebenen Bilder bereits festgelegt ist. Die anderen Punkte der Strategie allerdings, können sehr wohl den Denk- sowie Schreibprozess unterstützen. Den Schülerinnen muss hier nur genügend Zeit zu Verfügung gestellt werden, sodass sie die Strategie tatsächlich Schritt für Schritt anwenden können.
Laut Bachmann/Becker-Mrotzek (2010, 195) benötigt es verschiedene Merkmale, die das Schreiben einer Geschichte unterstützen. Diese sind die Kommunikative Funktion der Aufgabe, die zur Verfügung stehende Recherchemöglichkeit (hier wäre auch das PIRSCH+ denkbar), die Interaktionsmöglichkeit mit Anderen und die Möglichkeit zur Überprüfung und des Feedbacks. Hier werden auch die Möglichkeiten der „Reizwortgeschichte" und des „Bildimpulses" genannt.42 Bei der Reizwortgeschichte werden den Schülerinnen Begriffe vorgegeben, aus denen sie eine zusammenhängende und plausible Erzählung verfassen sollen. Sie sind laut Schäfer „dann sinnvoll, wenn sie keine erwartbare Erzählung anstreben und nur konvergentes Denken erfordern."43 Die zur Verfügung stehenden Worte sollten also nicht bereits im Vorhinein den gesamten Verlauf der zu schreibenden Erzählung vorgeben, sondern eher so gewählt werden, dass die Schülerinnen die Möglichkeit haben, einen Spannungsbruch und somit auch einen Höhepunkt verbunden mit einer Pointe, in den Text einzubauen. Die Worte „Junge - Bananenschale - Beinbruch" beispielsweise, lassen bereits beim Lesen der Wörter darauf schließen, was die Lehrkraft hier von den Kindern erwartet, während bei „Schulhof - Alien - Nähmaschine" der Ausgang der Geschichte weniger bis überhaupt nicht vorgegeben ist.44 Bei dem zweiten Beispiel können sich die Schülerinnen also freier in ihrer eigenen Geschichte bewegen und haben die Möglichkeit, ihrer Fantasie und Kreativität freieren Laufzu lassen.
Auch der Bildimpuls (also lediglich ein Bild, auf Grundlage dessen die Schülerinnen eine Geschichte erzählen können) bietet eine gute Alternative zu Bildergeschichten, da die Schülerinnen hier nicht an eine komplett vorgegebene Handlung gebunden sind, sondern lediglich eine Art Ideenimpuls zum Verfassen einer Erzählung erhalten. Bei einem Bildimpuls handelt es sich also um ein Anregungsmaterial, welches einen bestimmten Impuls an die Kinder vermittelt.45 Einzelbilder können vor allem dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn sie als Interpretationsangebot verwendet werden und so anhand von ihnen eine Vor- oder Nachgeschichte erzählt werden kann.46
Ein Beispiel hierfür wäre ein Bild, auf dem ein Kind zu sehen ist, welches in eine dunkle Höhle hineinsieht47 und um das die Schülerinnen nun, wieder mit den zuvor genannten Hilfsmitteln, eine Erzählung verfassen sollen.
Reizwortgeschichten sowie Bildimpulse in Verbindung mit der PIRSCH+ Strategie können Kindern also helfen, eine gute Erzählung mit den vorgegebenen Kriterien (Mausschema) zu verfassen.
Im nun folgenden Abschnitt werden die ausgefüllten Fragebögen von 6 verschiedenen Lehrerinnen ausgewertet und analysiert. Es wird darauf eingegangen, wie sie mit Bildergeschichten in ihrem Unterricht umgehen, wie sie ihren Schülerinnen unterstützend zur Seite stehen und was für Alternativen sie selbst zum Thema schriftlicher Erzähl -und Schreibanlass verwenden.
[...]
1 Haueis, Eduard 2001: Deutschunterricht von A bis Z, S. 28 f.
2 Vgl. Böttcher und Mecker-Mrotzek: Texte bearbeiten, bewerten und benoten, S. 91
3 Haueis, Eduard 2001: Deutschunterricht von A bis Z, S. 28 f.
4 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 6
5 Vgl. Böttcher und Mecker-Mrotzek: Texte bearbeiten, bewerten und benoten, S. 91
6 Vgl. Fix, Martin: Texte schreiben, S. 94
7 Vgl. Wallrabenstein, Wulf: Ansichten eines kommunikationsbezogenen Deutschunterrichts, S. 246
8 Bredel 2001: Ohne Worte, S. 4
9 Baurmann, Jürgen 2001: Deutschunterricht von A bis Z, S. 311
10 Böttcher und Mecker-Mrotzek 2009: Texte bearbeiten, bewerten und benoten, S. 89
11 Vgl. Becker, Tabea: Kinder lernen erzählen, S. 9
12 Vgl. Fix, Martin: Texte schreiben, S. 36
13 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 6
14 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 1 ff.
15 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 1 ff.
16 Vgl. Bredel: Ohne Worte, S. 5
17 Vgl. Fix, Martin: Texte schreiben, S. 94
18 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 1 ff.
19 Bredel 2001: Ohne Worte, S. 11
20 Bredel 2001: Ohne Worte, S. 11 f.
21 Vgl. Bredel: Ohne Worte, S. 14
22 Vgl. Bredel: Ohne Worte, S. 11 f.
23 Vgl. Fix, Martin: Texte schreiben, S. 91 ff.
24 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 6
25 Vgl. Becker, Tabea: Kinder lernen erzählen, S. 63 f.
26 Vgl. Fix, Martin: Texte schreiben, S. 149
27 Vgl. Fix, Martin: Texte schreiben, S. 32
28 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 6
29 Vgl. Becker, Tabea: Kinder lernen erzählen, S. 63
30 Vgl. Becker, Tabea: Kinder lernen erzählen, S. 199
31 Becker, Tabea 2011: Kinder lernen erzählen, S. 199
32 Vgl. Böttcher und Mecker-Mrotzek: Texte bearbeiten, bewerten und benoten, S. 91 f.
33 Vgl. ebd.
34 Böttcher und Mecker-Mrotzek 2009: Texte bearbeiten, bewerten und benoten, S. 92
35 Vgl. Böttcher und Mecker-Mrotzek: Texte bearbeiten, bewerten und benoten, S. 92
36 Vgl. Knapp: Erzähltheorie und Erzählerwerb, S. 28
37 Vgl. Steinig, Huneke: Sprachdidaktisch Deutsch, S. 79
38 Vgl. Haueis, Eduard: Bildergeschichte, S. 28
39 Fix, Martin 2008: Texte schreiben, S. 96
40 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 6
41 Vgl. ebd.
42 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 7
43 Schäfer 2020: Didaktik Deutsch, S. 6
44 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 7
45 Vgl. Fix, Martin: Texte schreiben, S. 151
46 Haueis, Eduard 2001: Deutschunterricht von A bis Z, S. 28
47 Vgl. Schäfer: Didaktik Deutsch, S. 7