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Seminararbeit, 2022
24 Seiten, Note: 1,7
1 Der Ton macht die Musik
2 Vorgehen und Literaturübersicht
2.1 Verlauf und Methode der Studie
2.2 Literaturbericht
3 Begrifflichkeiten und theoretische Konzeptualisierung
3.1 Rechtspopulismus und rechtspopulistische Rhetorik
3.2 Die deliberative Demokratie
4 Empirische Analyse
4.1 Björn Höcke – Rede vom 17.01.2017
4.1.1 Stilistische Merkmale
4.1.2 Negative Effekte auf die deliberative Demokratie
4.1.3 Positive Effekte auf die deliberative Demokratie
5 Fazit
6 Abbildungsverzeichnis
7 Quellenverzeichnis
8 Literaturverzeichnis
Ein Ordnungsruf ist eine Disziplinarmaßnahme, bei dem „der Sitzungspräsident den Redner, der die parlamentarische Ordnung beispielsweise durch Beleidigungen oder andere Störungen verletzt, förmlich zur Ordnung rufen [kann].“1 Ferner darf „der Ordnungsruf und der Anlass hierzu […] von den nachfolgenden Rednern nicht behandelt werden.“2
Wie in Abbildung 1 zu sehen, wurden in der 19. Wahlperiode mit insgesamt 47 Ordnungsrufen so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung vergeben. Analysiert man die Statistiken der momentanen Legislatur des Deutschen Bundestages, so scheint sich der Trend bezüglich der Verschärfung des Tons zu bestätigen. In gerade einmal neun Monaten wurden 13 Verfahren eingeleitet, mehrheitlich gegen Mitglieder der Alternativen für Deutschland (AfD).3
Den genauen Gründen des Verlaufs gebührt eine eigene Arbeit, jedoch kann der hervorstechende Wert der 19. Legislatur unter anderem mit dem Einzug der AfD-Fraktion gedeutet werden. Zwar existierten beispielsweise mit den Republikanern und der Schill-Partei bereits davor Vertreter eines ähnlichen politischen Lagers, der exponentielle Anstieg rhetorischer Übertretungen, speziell im Bundestag, kann in jüngerer Vergangenheit aber vor allem mit dem Aufstieg der AfD erklärt sowie statistisch belegt werden.4 Diese Entwicklung kann überraschen. So ist es paradoxerweise doch vor allem die Alternative für Deutschland, die in einem überproportionalen Maße den 5. Artikel des Grundgesetzes, die Meinungsfreiheit betont, ohne welche „Demokratie nicht [funktionieren] würde“.5 Dass die Meinungsfreiheit „den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“ unterliegt und Anhänger der AfD in ihren Reden oftmals strafrechtlich über die Stränge schlagen, wirkt dabei unverständlich.6
Noch inkonsequenter wirken die Aussagen vor dem Hintergrund des Konzepts der Deliberation, auf welches sich nach dem Ende der Sowjetunion stillschweigend in den westlichen Demokratien geeinigt wurde.7 Es beschreibt die „auf den Austausch von Argumenten angelegte Form der Entscheidungsfindung unter Gleichberechtigten“, welche gegensätzlich zu den Äußerungen der AfD vor allem durch Gewaltfreiheit und Sachlichkeit brilliert.8
Es muss sich infolgedessen die Frage gestellt werden, ob es sich aufgrund des Wandels der Rhetorik im politischen Alltag um das Ende des friedlichen Verhandelns, respektive des Konzepts der deliberativen Demokratie handelt. Diese Arbeit möchte sich gezielt damit befassen und hinterfragen, welche Auswirkungen speziell rechtspopulistische Rhetorik auf das Modell der deliberativen Demokratie hat. Befinden wir uns bereits in einer post-deliberativen Zeit oder besitzen die Parolen keinen, wenn nicht sogar positive Einflüsse?
Bevor unter 3. das theoretische Fundament für die später folgende Analyse bezüglich der Fragestellung erfolgt, werden nachgehend der Verlauf sowie die angewandte Methode und eine Übersicht der Literaturlandschaft wiedergegeben.
Aufgrund einer besseren Übersicht ist das Werk in einzelne Teilbereiche untergliedert. Nach einführenden Worten und dem hier dargestellten Vorgehen der Arbeit erfolgt ein Überblick der Literatur des Themenfeldes. Anschließend werden unter 3. die zugrunde liegenden Begrifflichkeiten als auch die zur Verwendung kommende Theorie erläutert. Dieser Abschnitt dient dabei primär dem Erlangen des notwendigen Basiswissens und zur besseren Kontextualisierung des Sachverhaltes. So versucht die darauffolgende empirische Analyse mittels einer ausgewählten literarischen Quelle, die rechtspopulistische Rhetorik zu analysieren und in einer vergleichenden Art und Weise ihre vermeintlichen Auswirkungen auf den Idealtypus der deliberativen Demokratie zu erläutern. Im abschließenden fünften Kapitel wird die zentrale Fragestellung herausgestellt und resümiert.
Komplementierend ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Populismus in dieser Arbeit als Synonym für den Rechtspopulismus verwendet wird. Dies geschieht unter der Prämisse, dass der Linkspopulismus in dieser Veröffentlichung keine Rolle spielt. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass sich diese Untersuchung dem Fachbereich der Politikwissenschaft eingliedern möchte, weshalb die semantischen, syntaktischen und stilistischen Analysen der Quelle eher in den Hintergrund gerückt werden und ein besonders Augenmaß auf die Wirkung gelegt wird. Geschuldet ihrer besonderen Rolle hinsichtlich des Rechtspopulismus in Deutschland, konzentriert sich die Arbeit quellentechnisch auf den AfD-Verband.9
Angesichts einer besseren Kontextualisierung des Studienergebnisses ist des Weiteren zu erwähnen, dass das Analysenergebnis für eine einfachere Schlussbetrachtung auf die Staatenebene der BRD projiziert wird. Dafür ist idealtypisch anzunehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland eine deliberative Demokratie ist. Diese Arbeit möchte jedoch nicht gezielt überprüfen, inwiefern tatsächlich eine deliberative Demokratie in Deutschland vorherrscht, sondern welche Effekte populistische Rhetorik hypothetisch gesehen auf die Theorie hat.
Dieses Vorgehen kommt der sozialwissenschaftlichen Methode der qualitativen Einzelfallstudie nahe. Dieser wird vorgeworfen, dass sie aufgrund ihrer großen Interpretationsspielräume ein zu geringes Maß an Objektivität vorweisen kann. Zudem wird oft bemängelt, dass Studien der Sozialwissenschaft universale Aussagen treffen wollen, jedoch von einem Einzelfall nicht auf die Allgemeinheit geschlossen werden kann. Aufgrund ihrer „Orientierung am ganzen Menschen“ vermag sie jedoch ein „Korrektiv für quantitativ-statistische Analysen“ sein, welche mithilfe ihrer Tiefgründigkeit die vermeintliche Oberflächlichkeit quantitativer Studien übergehen kann.10 Der Mehrwert der Untersuchung liegt infolgedessen nicht speziell in ihr selbst, sondern vor allem in der übergreifenden Betrachtung qualitativer Einzelfallstudien desselben Themenbereiches und ihrer Ergebnisse.
Da in dieser Arbeit unterschiedliche Sachgebiete miteinander verbunden werden, ist keine eindeutige Literaturlandschaft zu identifizieren. Vielmehr müssen drei einzeln zu betrachtende Forschungsbereiche erläutert werden. So ist anfänglich ein Blick auf die Populismusforschung zu werfen. Diese, wie auch später unter 3.1 betont, erfährt in aktueller Literatur eine Art Reproduktion bereits bestehender Forschung. Ausgehend der Untersuchungen von Isaiah Berlin, Ernest Gellner oder auch Peter Worsleys „The Concept of Populism“ in den 1960er-Jahren dominieren die aktuelle Forschung vor allem Marcel Lewandowsky, Cas Mudde und Franz Decker, welche mit unzähligen Monografien und Aufsätzen die Diskussionsleiter widerspiegeln. Erweiternd zu diesen Autoren werden in diesem Elaborat die Studien Spiers und Grumkes genutzt als auch Beiträge anderer Schriftsteller in Sammelbänden und Zeitschriften, welche weiterführende Gedanken präsentieren.
Das Studienfeld rechtspopulistischer Rhetorik wird stark durch die Analysen Reisigls beeinflusst, welche die grundlegenden Charakteristika definieren. Aufbauend auf diesen haben sich mit dem Erstarken rechtspopulistischer Kräfte in den 2020er-Jahren eine Vielzahl an Forschern an der Analyse rechtspopulistischer Sprache versucht. Federführend sind „Der Sound der Macht“ von Astrid Séville, „Die Rhetorik der Rechten“ von Franziska Schutzbach, Thomas Niers und Jana Reissen-Koschs „Volkes Stimme? Zur Sprache des Rechtspopulismus“ sowie „Die Sprache der neuen Rechten“ von Enno Stahl aufzuführen. Allesamt versuchen mittels des Studierens einzelner Personen beziehungsweise (ihrer) Phrasen, die Effekte auf Gesellschaft und Demokratie aufzuzeigen.
Abschließend muss über die für den Theorieteil der Arbeit essenziellen Werke informiert werden. So sind zwangsläufig die Schriften von Joseph Bessette, John Rawls als auch Jürgen Habermas als Begründer des Konzepts der deliberativen Demokratie zu erwähnen. Komplementierend ist beispielhaft der Beitrag Landwehrs zu berücksichtigen, welcher die Theorie und ihre Strömungen deskriptiv zusammenfasst und in dieser Arbeit zur Verwendung kommt.
[...]
1 Deutscher Bundestag (o.J.).
2 § 36 Absatz 1 Satz 3 GOBT.
3 RP-Online (2022).
4 Ebd.
5 Von Storch (2022): Minute 0:15 – 0:19.
6 Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 GG.
7 Kramer (2019): Seite 22 – 23.
8 Große Hüttmann (2013): Seite 82.
9 Bezüglich ihrer „besonderen Rolle“ vgl.: Decker (2022): Seite 133 – 150.
10 Stykow (2009): Seite 164 – 170.