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Hausarbeit (Hauptseminar), 2022
32 Seiten, Note: 1,0
A. Einleitung
B. Wer waren die Marx Brothers?
C. Welche Filme wurden mit den Marx Brothers gedreht?
D. Der Versuch einer kurzen Inhaltsangabe.
E. Komiktheorien, Komikkategorien und andere Diskurse
1. Repetition und Variation
2. Bergsons Theorie des ‚Lachens mit kaltem Herzen‘
3. Spiel im Spiel
4. Der Horror - das Groteske
5. Die Parodie -die Persiflage -die Satire
6. Tit for Tat
7. Dada – Surrealismus - Farce
F. Welche Bedeutung hat der Filmtitel?
G. Welche Bedeutung hat die Musik in Duck Soup?
H. Revival
I. Erneute Aktualität
1. Gemeinsamkeiten zwischen Rufus T. Firefly und Donald J. Trump:
2. Analogie des Filmes zwischen Botschafter Trentino und Wladimir Putin:
J. Grouchos Meinung zum Film:
K. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang 1 : Die Filme der Marx Brothers
Anhang 2: Besetzungsliste
Anhang 3 : Andere Nutzungen des Filmtitels
Anhang 4: Musikliste
Anhang 5: ‚ Film as Art ‘ – Daniel Griffin’s Guide to Cinema
Vor kurzer Zeit ist ein neues Emoji eingeführt worden, dass die Bedeutung : ‚eine Maske tragen‘ haben soll. Seine hervorstehenden Kennzeichen sind: die Augenbrauen , die Brille und der Schnauzbart. Es fehlt nur noch die Zigarre, die wohl dem Zeitgeist zum Opfer gefallen ist, und wir haben das Portrait von Groucho Marx. Es gibt auch eine große Anzahl von Variationen, z. B. als Karnevalsmaske und als T-Shirt. Es stellt sich die Frage, warum 45 Jahren nach seinem Tod sein Aussehen so erkennbar ist, dass es für vielfältige Zwecke verwendet werden kann..
Dieser Frage und noch einigen anderen, möchte ich in dieser Arbeit nachgehen und versuchen, den wohl bekanntesten Film der Marx Brothers : ‚ Duck Soup ‘ (Die Marx Brothers im Krieg) zu analysieren und eine Einordnung in die Geschichte der Filmkunst zu erstellen .
Um dem Phänomen näher zu kommen, ist zunächst zu klären, welchen Personen zu der Gruppe gezählt werden können.
Ein Bild1 in Arces Buch zeigt alle damals noch lebenden Brüder auf dem Set zu Duck Soup 1933. ‚Lebend‘, weil der erstgeborene Sohn Manfred, der Eltern Sam Marx (aus dem Elsass stammend) und Minnie Schönberg (aus Dornum in Ostfriesland), bereits im Kindesalter vor der Geburt des 2. Sohnes verstorben ist. In der Familie wurde übrigens, vor allem mit dem Vater und den Großeltern , ‚Plattdeutsch‘ gesprochen.
- Demnach gilt im allgemeinen Sprachgebrauch Leonard Marx (geb. 22. März 1887, gest. 11. Oktober 1961) als der älteste der Brüder. Trotz anfänglichen Abneigungen gegen das Üben2 erlangte er spezielle Fähigkeiten beim Beherrschen des Klaviers, so dass in vielen der Filme eine Sequenz eingebaut war, die es ihm möglich machte, seine Kunst zu demonstrieren. Er erhielt übrigens den Spitznamen ‚Chico‘.
- Adolph Marx (geb. 23. November 1888, gest. 28. September 1964) war der zweite der Brüder. Es gibt Differenzen über seinen Vornamen. Er schreibt selbst in seiner Autobiografie, dass er den Namen ‚Adolph‘3 erhielt. Kurz vor dem 1. Weltkrieg änderte er, als Folge der wachsenden Deutschfeindlichkeit, seinen Namen, so dass er allgemein als ‚Arthur‘ bekannt war4. Dieser war aber wohl in der Familie nicht gebräuchlich. In einem Brief Grouchos vom 18.9.1964 (10 Tage vor seinem überraschendem Tod nach einer Herzoperation) schreibt Groucho in der Anrede: ‚Lieber Adolph‘5. Adolph hatte nur eine sehr kurze Schulausbildung von ca. 2 Jahren und hat sich später das Lesen und Schreiben selber beigebracht. Da die Art und Weise, wie er seine Sätze auf der Bühne sprach mehrfach kritisiert wurde6 Schon in der Jugend begann er mit dem Spielen der Harfe seiner Großmutter7, wobei Jahre später, während einer der Bühnentourneen ihm seine Mutter eine gebrauchte Harfe, die sie für $45,- gekauft hatte8 sandte und Adolph die Harfe danach in die Auftritte einbezog.In den meisten Filmen ist neben der Klavierszene auch eine Szene mit Harpo eingegliedert.Wenn Harpo spielte, schien es sich um zwei verschiedene Personen zu handeln, einmal den Clown und Komiker, das andere Mal den ernsthaften Musiker an seiner Harfe9. Dies betont er auch in seiner Autobiografie, die den angemessenen Titel: ‚ Harpo speaks ‘ trägt. Er musste täglich üben, um seine Finger zu härten, da sie ansonsten anfingen zu bluten, wenn er die Seiten spielte10.
- Der nächste Sohn erhielt den Namen: Julius Henry Marx (geb. 2. Oktober 1890, gest. 19. August 1977). Eigentlich wollte er Arzt werden, aber die Armut zwang ihn dazu, die schulische Ausbildung zu beenden. Zeit seines Lebens war er ein besessener Leser und später auch Autor mehrerer Bücher. Er ging mit 15 Jahren als erster ins Showbusiness, und zwar als Sänger. Wegen seines scharfen, schnellen Witzes und seinem speziellem Gang wurde er zu ‚Groucho‘.
- Der folgende Sohn war Milton Marx (geb. 23. Oktober 1892 oder 1893, gest. 21. April 1977), der aber auf Dauer keinen großen Gefallen an der Schauspielerei gefunden hat und nach seinem Militärdienst während des 1. Weltkrieges, die Truppe 191811 verließ, um kaufmännisch tätig zu werden. Er erhielt, vermutlich wegen seiner Vorliebe für Schuhe mit Gummisohlen, den Spitznamen Gummo.
- Und als Nachkömmling wurde dann noch Herbert Marx (geb. 25. Februar 1901, gest. 29. November 1979) geboren. Zeppo, dessen Namensursprung nicht mehr geklärt werden kann12. Alle diese Spitznamen (mit Ausnahme Zeppos, der zu diesem Zeitpunkt noch zu jung war, um in den Akt mit einbezogen zu werden), entstanden während eines Pokerspiels13. Zeppo war erst in späteren Jahren Teil des Teams in das er nach dem Austreten Gummos als ‚Ersatz‘ eintrat. Er war der sog. ‚ Straight Man ‘, also der Liebhaber und derjenige, dessen Anteil der ruhigere Part der Brüder war, aber die Beschränkung auf diese Rolle und die fehlende Chance sich gegen die drei exzentrischen Brüder in einer größeren Rolle zu behaupten, ließ ihn zu dem Schluss kommen, dass eine schauspielerische Karriere nicht das richtige für ihn sei und so wechselte er nach ‚ Duck Soup ‘ in die Wirtschaft und war unter anderem, zusammen mit Gummo als Schauspielagent auch für die Brüder, tätig.
- Margaret Dumont war von 1929 bis 1941 an sieben der dreizehn Filme der Marx Brothers beteiligt und spielte die ‚ straight woman ‘ zu Grouchos Rollen. Fast immer verliebt in ihn, aber ständig von ihm beleidigt oder lächerlich gemacht, wurde sie auch als ‚5. Marx Brother‘ bezeichnet. Wie Groucho bemerkte, verstand sie einfach seine Witze nicht und fragte, worüber die Leute denn lachen würden, obwohl diese Meinung auch als Witz gedacht sein kann. Oft war sie auch das Opfer der Brüder bei ihren außerfilmischen Streichen.14
Eine Liste der Filme (Anhang 1) zeigt deutliche Trennlinien. Die ersten 5 Filme einschließlich ‚ Duck Soup ‘ wurden für Paramount gedreht und bestanden, vor allem die beiden ersten Filme, aus den Stücken, die sie mit großem Erfolg am Broadway gespielt hatten. Die folgenden drei Filme waren neues Material. Nach ‚ Duck Soup ‘ lief der Vertrag mit der Paramount aus und über Chico, der mit Irving Thalberg (1899-1936) befreundet war, schlossen sie einen neuen Vertrag mit MGM ab. Nach dem frühen Tod Thalbergs entstanden Probleme bei MGM., da der Vorsitzende der Firma Louis B. Mayer mit dem Humor der Marx Brothers nichts anfangen konnte15. Die beiden ersten Filme für MGM hatten Sam Wood als Regisseur, mit dem die Brüder große Schwierigkeiten hatten. Danach wechselten die Regisseure aber keiner konnte mit seinen Filmen an die Anfangserfolge anknüpfen. Vor allem waren die Autoren nicht mehr so gut, wie die früheren Drehbuchschreiber und damit ließ auch die Qualität des Materials und der Witze nach. Die letzten beiden Filme, vor allem der letzte, wurden wohl nur noch gedreht, um bei Chicos großen Spielschulden eine Hilfe zu sein. Im letzten Film gelang es dem Regisseur dessen Namen ich hier nicht nennen möchte, keine einzige Szene mit allen drei Brüdern zusammen, zu Stande zu bringen.
Es geht um die Geschichte des Kleinstaates Freedonia und seines Nachbarn ‚Sylvania‘. Freedonia ist bankrott und die Witwe des früheren Präsidenten hat bereits die Hälfte des geerbten Vermögens für den Haushalt des Staates zur Verfügung gestellt. Nun bittet die Regierung um weitere 20.000.00 , um die Steuern senken zu können. Die Witwe, Mrs. Teasdale, willigt unter der Bedingung ein, dass ihr Favorit, Rufus T. Firefly (Groucho) die Regierungsgewalt übernimmt. Dies geschieht und Firefly wird als neuer Präsident eingesetzt, zu dessen Ehren ein großer Empfang veranstaltet wird .
Gäste sind unter anderem der Botschafter Sylvanias, Trentino und die Tänzerin Vera Marcal, von denen sich schnell herausstellt, dass sie Pläne schmieden, die Macht und den gesamten Staat zu übernehmen und nach Sylvania einzugliedern. Ein Versuch eines Aufstandes ist bereits gescheitert und nun will Trentino den, wie er meint einfacheren Weg gehen, und Mrs. Teasdale heiraten. Die hat aber nur Augen für Groucho der durch seinen Sekretär (Zeppo) angekündigt wird. Mit einem pompösen Auftritt der Garde und eines Balletts soll er begrüßt werden nutzt aber einen anderen Weg (eine Rutschstange), um auf dem Empfang zu erscheinen. Er wird mit Trentino und Vera bekannt macht und beleidigt sogleich alle Anwesenden. Außerdem nutzt er die Gelegenheit, Die Regeln seiner Regierung bekannt zu machen, um sie gleich als gegenstandslos zu zeigen.
Die Handlung spielt nun weiter in Sylvania, wo Chico und Harpo sich als Spione im Dienste Trentinos herausstellen, die ihm über ihre Erfolge, bzw. Misserfolge der letzten Woche berichten und mit einem neuen Auftrag nach Freedonia geschickt werden. Groucho hat in der Zwischenzeit sein Kabinett genervt und den Kriegsminister zum Rücktritt bewogen. Chico und Harpo stehen mit einem Erdnuss-Stand vor dem Gebäude und legen sich mehrfach mit einem Limonaden-Verkäufer an, der seinen Wagen daneben abgestellt hat.
Groucho ernennt Chico zum neuen Kriegsminister. Groucho verlegt seine Aktivitäten zu einer Teegesellschaft, die Mrs. Teasdale gibt und bei der seine Einladung von Vera Marcal verhindert worden war, damit Trentino der Gastgeberin den Hof machen könne. Das Zusammentreffen der beiden gipfelt in Beleidigungen Grouchos durch Trentino, der ihn daraufhin mit dem Handschuh ohrfeigt.
Chico und Harpo treffen erneut auf den Händler und tauschen Streiche aus.
Groucho, der Übernachtungsgast bei Mrs. Teasdale ist, übergibt ihr die Kriegspläne Freedonias. Chico und Harpo wollen diese an sich bringen und dringen zu diesem Zweck mit Hilfe Veras in Mrs. Teasdales Villa ein, was zu der berühmten Spiegelszene führt.
Nachdem Chico gefangen wurde, steht er vor Gericht, bei dem Groucho zuerst als Richter, dann aber als Verteidiger fungiert. Trentino will auf Bitten von Mrs. Teasdale hin, nochmals versuchen sich mit Groucho zu versöhnen. Dieser ist Anfangs auch bereit dazu, überredet sich aber selbst, zu der Ansicht, dies wäre eine Falle. Alle Anwesenden brechen in einen hymnischen Lobgesang auf den Krieg aus.
Damit besteht ein Kriegszustand zwischen den beiden Staaten, der sich aber hauptsächlich, um das Hauptquartier Grouchos herum abzuspielen scheint. Es ergeben sich zahlreiche Zwischenfälle, Groucho schießt auf seine eigenen Truppen, Harpo setzt unbeabsichtigt ein Lager mit Zündern in Brand, Groucho ruft telefonisch um Hilfe und es scheinen sich Massen an verschiedenen Menschen und Tieren aufzumachen, Groucho wechselt bei jedem Auftreten seine Uniform von amerikanischem Unabhängigkeitskrieg zu Mexikanischem Krieg, zur Napoleonik, zum Bürgerkrieg, um bei der Uniform Freedonias zu enden. Selbst Mrs. Teasdale greift zur Waffe.
Abschließend wird Trentino beim Sturm auf das Hauptquartier mit Truppen gefangen genommen und mit Obst beworfen. Als Mrs. Teasdale erneut in die Nationalhymne Freedonias ausbricht, wird auch sie zum Opfer des Obstes.
Dies ist die Suche nach Regeln im Chaos. Einige überschneiden sich, andere sind mit der Zeit zu regelrechten philosophischen Gedankengebäuden erweitert worden, die in diesem Rahmen nur angerissen werden können.
Die Repetition ist von Bergson als ‚eine Kombination von Umständen, die mehrere Male unverändert wiederkehren‘ definiert. Allerdings wiederholen sich Sequenzen in diesem Film nicht ohne Veränderungen. Daher könnten sich scheinbar wiederholenden Sequenzen des Films in die Kategorie ‚Variation ‘ einordnen. „Die Zuschauer haben eine Erwartung an das, was sie sehen – durch das, was sie schon gesehen haben. Diese Erwartung nicht zu bedienen wäre ein Fehler, ebenso wie sie nur zu erfüllen“16. Eines der wenigen Beispiele aus diesem Film ist der wiederkehrende Ruf nach ‚ His Excellency‘s car ‘. Mit großem Fanfarenklang und Aufmarsch der Garde wird der Wagen angefordert, der sich dann aber als Motorrad mit Seitenwagen herausstellt. Harpo ist der Fahrer. Bei den ersten beiden Versuchen, mit diesem Gefährt und diesem Fahrer ein Ziel zu erreichen, löst sich der Seitenwagen und Harpo fährt nur mit dem Motorrad davon. Beim dritten Mal scheint Groucho seinen Lehren daraus gezogen zu haben, setzt sich auf das Motorrad und verweist Harpo in den Seitenwagen. Aber nun fährt dieser davon und lässt Groucho auf dem Motorrad verdutzt zurück. Damit ist die Wiederholung zu einer neuen Abfolge variiert worden.
Größere Bedeutung haben die drei Treffen von Groucho mit Trentino, bei denen Beleidigungen ausgetauscht werden und Groucho den Botschafter mit einem Handschuh ohrfeigt (eine mittelalterliche Geste, um jemanden zum Duell herauszufordern), die letztendlich zum Krieg führen. Beim letzten dieser Treffen, überzeugt Groucho sich selbst in einem Monolog, dass Trentino nicht zur Aussöhnung bereit wäre, was aber nicht der Fall ist. Sozusagen eine Selbstsuggestion.
Eine weitere ständige Wiederholung sind der Umgang Harpos mit einer Schere, der alles abschneidet, was ihm in den Weg kommt, von der Schreibfeder Grouchos über die Helmfedern der Soldaten zu den Rockschößen Trentinos. Diese Handlungen sind aber zu weitläufig über den Film verteilt und machen einen großen Teil von Harpos entwickeltem, dargestelltem Typen aus, als dass ich sie hier alle aufzeigen könnte.
Bergsons Theorie des ‚Lachens mit kaltem Herzen‘ ist in der Schluss-Sequenz des Films interpretiert worden, durch die Gefangennahme Trentinos und seine darauffolgende Behandlung durch alle Marx Brothers. Ich vermute, dass sich niemand finden wird, der über Trentinos Schicksal betrübt ist.
Unter diese Kategorie ist wohl am besten die bekannteste Szene des Films, die ‚Spiegelszene‘ einzuordnen.
Wie aus der Inhaltsangabe bekannt, dringen Chico und Harpo in Mrs. Teasdales Villa ein und sollen möglichst leise versuchen, die Kriegspläne zu entwenden. Dabei kommen ihnen allerdings ein Flügel, die einzige Anspielung auf die, sonst in den Filmen der Marx Brothers dargebotenen musikalischen Intermezzi, ein scheinbar unkaputtbares Radio, die einzige Ente, die im Film mitwirkt, und Groucho in die Queere.
Harpo (in der Maske Grouchos) und Groucho spielen diese Szene, die wahrscheinlich in dieser Perfektion nur von den Marxens performt werden konnte. Sie sind sich einfach so ähnlich, dass die Beiden kaum zu unterscheiden sind.
Für diese Szene wurden vielfältige Interpretationsmöglichkeiten gegeben, wobei ich bei der Recherche auf Jaques Lucans ‚Spiegelbühne‘17 gestoßen bin. Diese psychoanalytische Theorie veranschaulicht, wie der Mensch seine Identität durch das Erkennen des Spiegelbildes gewinnt18.Alenka Zupančič meint dazu:
„Die Komödie besteht nicht einfach darin, dass das imaginäre Eine auseinanderfällt, in die Vielheit oder in zwei, sondern beginnt erst in dem Moment, in dem wir sehen, wie diese beiden sich gerade nicht trennen oder ganz trennen können und einfach aus "zwei" - Einsen werden. Es gibt so etwas wie einen unsichtbaren Faden, der sie immer wieder miteinander verbindet, und dieser Faden ist es, der das wahre Objekt der Komödie ausmacht“19.
Einer der Gründe, warum die Spiegelszene der Marx Brothers komisch ist, liegt daran, dass Firefly (Groucho) die Illusionen aufrechterhalten will, aber die Zuschauer wissen, dass es nur eine Illusion ist. Groucho ist so fasziniert von diesem Spiegelbild, dass es die Kontrolle übernehmen kann. Die Zuschauer mögen vielleicht über Grouchos Motive spekulieren. Am Anfang dieser Szene kann man ohne Weiteres davon ausgehen, dass Groucho dieses Spiegelobjekt (Harpo) herausfordern will und versucht zu entlarven, dass es eine Fälschung ist. Allerdings wird die Situation jedoch im weiteren Verlauf der Szene komplexer. Groucho geht nicht nur in den Spiegel und Harpo aus ihm heraus, ersterer hebt sogar den Strohhut auf, wenn letzterer diesen auf den Boden fallen lässt. Das Publikum könnte durchaus vermuten, dass Groucho begonnen hat, an die „Echtheit" dieses Bildes zu glauben. Als Zuschauer werden wir jedoch auf die inneren Ungereimtheiten des Films aufmerksam gemacht. Wir sind uns bewusst, dass Groucho, wenn er vor dem „Spiegel" zu singen und zu tanzen vorgibt, er herumwirbelt, während Harpo stillsteht. Außerdem sehen wir, dass Harpo einen schwarzen Hut hält, während Groucho einen weißen hält (letzterer scheint sich dessen bewusst zu sein, will diese Illusion aber nicht durchbrechen, sondern sein Ebenbild weiter testen). Chico wird ertappt, weil sein Auftritt die Illusion zerstört und damit die Komik der Spiegelszene. Mit anderen Worten: Chico schafft einen dritten Raum, der das Funktionieren der „Spiegelbühne" unterbricht20.
Während Groucho das Oberhaupt von Freedonia zu sein scheint, kann er leicht in Chico und/ oder Harpo verwandelt werden. Je mehr eine Person an ihr Bild und ihre Worte glaubt, desto mehr ist er/sie entfremdet und gespalten. Die Marx Brothers demonstrieren die Macht von Bild und Bedeutung in dieser Szene21.
Bergson macht einen klaren Unterschied zwischen Mensch und Maschine/Puppe. In seinen Worten ist etwas komisch, wenn es kein Leben mehr gibt, sondern einen „Automatismus, der sich im Leben etabliert und es nachahmt" Er argumentiert:
[...]
1 Arce, Hector: Groucho, New York, 1979; https://www.bridgemanimages.com/de/noartistknown/la-soupe-au-canard-duck-soup-de-leomccarey-avec-les-marx-brothers-de-haut-en-bas-groucho-marx-zeppo/nomedium/asset/1706818 (abgerufen am 13.4.2022).
2 Marx, Groucho: Groucho and me, New York, 1959, 1995, S. 32.
3 Marx, Harpo: Harpo speaks, London, 1976, S. 11.
4 Arce, Hector: Groucho, New York, 1979, S. 83.
5 Marx, Groucho: The Groucho letters, London, 1974, S. 54.
6 Les Marsden in https://pippiroo-blog.tumblr.com/post/10134556258/harpo-adolpharthur-marx (abgerufen am 18.4.2022).
7 Marx, Groucho: Groucho and me, New York, 1959, 1995, S. 30.
8 Marx, Harpo, Harpo speaks, London, 1976, S. 125.
9 “The one running around and nuts, that’s the other guy. The one that sits down and plays the harp, that’s me.” Harpo speaks’, London, 1976, S. 125f.
10 Marx, Maxine: Growing up with Chico, Englewood Cliffs, New Jersey, USA, 1980, S. 39.
11 Marx, Maxine: Growing up with Chico, Englewood Cliffs, New Jersey, USA, 1980, S. 38; Ellis, Allen W.: Yes, Sir: The Legacy of Zeppo Marx, The Journal of Popular Culture, Vol. 37, No.1, 2003, S.15f. .
12 Ellis, Allen W.: Yes, Sir: The Legacy of Zeppo Marx, The Journal of Popular Culture, Vol. 37, No.1, 2003, S.16.
13 Marx, Harpo: Harpo speaks, London, 1976, S. 132.
14 Adamson, Joe: Groucho, Harpo, Chico and sometimes Zeppo, New York, 1974, S. 74
15 Marx, Maxine: Growing up with Chico, Englewood Cliffs, New Jersey, USA, 1980, S. 116; Arce, Hector: Groucho, New York, 1979, S. 278 ; https://www.britannica.com/topic/Marx-Brothers (abgerufen am 30.4.2022).
16 https://filmschreiben.de/standardsituationen-und-wie-daraus-unvergessliche-filmszenen-werden-teil-1/ (abgerufen am 30.4.2022).
17 Im englischen Original wird der Ausdruck ‚para-site‘ verwendet, der nicht zu übersetzen ist. Zusammengezogen könnte man an ‚Parasit‘ denken, auch eine Interpretationsmöglichkeit. Deepl bot ‚Spiegelbühne‘ an. Diesen Begriff habe ich verwendet, da er mir auch angemessen für die Situation eines ‚halben‘ Wirkenden erschien. Die Definition des Wortes ‚para‘ als ‚bei ,neben‘ war auch nicht zielführend. https://www.dwds.de/wb/para- (abgerufen am 28.3.2022).
18 Hui, Isaac: The Comedy of the “Para- site” Duck Soup, Volpone and Hamlet, in: The Comparatist , Vol. 40 (OCTOBER 2016),University of North Carolina Press, S.170.
19 Zupančič, Alenka. The Odd One In: On Comedy. Cambridge: MIT Press, 2008, zitiert in : Hui, Isaac: The Comedy of the “Para- site” Duck Soup , Volpone , and Hamlet, in: The Comparatist , Vol. 40 (OCTOBER 2016),University of North Carolina Press, S.182.
20 Hui, Isaac: The Comedy of the “Para- site” Duck Soup, Volpone, and Hamlet, in: The Comparatist , Vol. 40 (OCTOBER 2016),University of North Carolina Press, S.182f.
21 Hui, Isaac: The Comedy of the “Para- site” Duck Soup, Volpone, and Hamlet, in: The Comparatist , Vol. 40 (OCTOBER 2016),University of North Carolina Press, S.183.