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Hausarbeit, 2021
15 Seiten, Note: 1,3
1 Einleitung
2 Historische Entwicklung des deutschen Bildungssystems
2.1 Frühkindliche Bildung im Elementarbereich
2.2 Die Primarstufe
2.3 Die Sekundärstufe
2.4 Besonderheiten des deutschen Bildungssystems
3 Die Bildungsinstitution Förderschule
3.1 Personale und organisatorische Strukturen
3.2 Politische und rechtliche Rahmenbedingungen
3.3 Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Das deutsche Bildungssystem so wie wir es heute kennen, ist noch keine hundert Jahre alt, seine Geschichte und Entwicklung jedoch begann schon früh. Dabei hat es Tiefen wie das preußische Kindergartenverbot, die Zeit des Nationalsozialismus oder auch das Ergebnis der PISA Studie aus dem Jahr 2000, welches das Bildungssystem in Deutschland stark in Frage gestellt hat, überwinden müssen und gezeigt, wie anpassungs- und wandlungsfähig es ist (Gujons/Traub 2020, S. 277).
Die vorliegende Arbeit möchte sich damit auseinandersetzen, wie sich das deutsche Bildungswesen seit der Deutschen Klassik ab dem Jahr 1800 entwickelt hat und die heutige Bildungsinstitution Förderschule genauer betrachten. Die sich daraus ergebende Leitfrage lautet:
Inwieweit hat sich das Bildungssystem in Deutschland in den letzten zwei Jahrhunderten entwickelt und was macht die Förderschule als Bildungsort so bedeutsam?
Zu Beginn der Arbeit werden zunächst die Begriffe Erziehung, Bildung und Betreuung definiert. Im Anschluss wird die historische Entwicklung der frühkindlichen Bildung im Elementarbereich, sowie die der Primar- und Sekundarstufe genauer betrachtet. Die Betrachtung ab dem Beginn der Deutschen Klassik wurde bewusst gewählt, um Persönlichkeiten wie Friedrich Wilhelm August Fröbel und Wilhelm von Humboldt einbeziehen zu können, welche das Bildungswesen maßgeblich geprägt haben. Danach werden einige Besonderheiten des Bildungswesens in Deutschland benannt und erläutert. Nachfolgend liegt der Fokus auf der in Bayern etablierten Förderschule, ihren organisatorischen und personellen Grundstrukturen sowie deren politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Abschließend werden aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen dieses Bildungsortes aufgezeigt.1
Bevor im Folgenden das deutsche Bildungssystem und dessen Institutionen genauer betrachtet werden, sollen vorweg die Begrifflichkeiten Erziehung, Bildung und Betreuung genauer definiert werden. Für die Begriffe Erziehung und Bildung lassen sich nur schwer allgemeine Definitionen finden. Die Erläuterungen von Wolfgang Brezinka und Wolfgang Klafki sind vor dem Hintergrund dieser Hausarbeit gut anzuwenden, keinesfalls aber als allgemeingültig und einzig wahren Definitionen zu handhaben. Brezinka versteht unter Erziehung soziale Handlungen, durch die ein Mensch versucht, das Gefüge der psychischen Dispositionen eines anderen Individuums in irgendeiner Hinsicht langfristig zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Komponenten zu erhalten (Brezinka 1999). Erziehung kann also als eine Art der Einflussnahme verstanden werden. 1954 formulierte Wolfgang Klafki den kategorialen Bildungsbegriff. Für ihn ist Bildung die Fähigkeit, sich Inhalte oder Sachverhalt gedanklich zu erschließen und sich parallel durch erlernte Methoden Sachverhalte sowie Kompetenzen eigenständig anzueignen (Hanke/Seel 2015, S. 19). Betreuung ist als umfassende Sorge für das seelische und leibliche Wohl als auch das Wohlbefinden von Kindern zu verstehen. Sie beinhaltet unter anderem die emotionale Zuwendung, die Gesundheitsfürsorge und die Pflege des Kindes (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2008, S. 9). Alle drei Faktoren sind grundlegend und von hoher Bedeutung für eine gesunde und stabile Entwicklung des Kindes.
Schon zu Beginn des 19 Jahrhunderts gründete die Fürstin Pauline zu Lippe-Detmold sogenannte Kinderbewahranstalten, in denen Kinder bis zu ihrem vierten Lebensjahr betreut wurden, während ihre Eltern mit Ernte- oder Feldarbeiten beschäftigt waren. Zwischen 1830 und 1840 wurden viele Einrichtungen der öffentlichen Kleinkinderziehung eröffnet, welche vor allem Namen wie Kleinkinderschule, Strickschule oder Warteschule trugen. Nicht nur die Namen dieser Einrichtungen orientierten sich stark an der Schule, auch inhaltlich und räumlich wiesen diese einige Gemeinsamkeiten auf. So gab es beispielsweise feste Stundenpläne mit Gesangs- oder Sinnesübungen. Gegründet wurden diese Einrichtungen einerseits aus sozialfürsorglichen Gründen, beispielsweise um Kinder aus ärmeren Familien zu betreuen, wenn die Eltern ihren Erwerbstätigkeiten nachgingen. Andererseits verfolgten sie bildungspolitische Gründe, da sie als erste Stufe des Bildungssystems angesehen wurden, welche schulvorbereitende Aufgaben zu erfüllen hatten (Franke-Meyer 2016). Im thüringischen Bad Blankenburg wurde dann im Jahr 1840 der erste Kindergarten von Friedrich Wilhelm August Fröbel eröffnet. Er wollte mit seinem Kindergarten eine anregende Umgebung schaffen, in der Kinder ihre Selbstbildungspotenziale entfalten und sich zu selbstständigen und verantwortungsvollen Individuen entwickeln können (Thesing 2007, S. 94). In den Jahren 1851 bis 1860 kam es jedoch zum preußischen Kindergartenverbot. Die Methoden Fröbels, unter anderem sein Fokus auf die kindliche Selbsttätigkeit, standen in Widerspruch zu den Erziehungsvorstellungen Preußens unter Friedrich Wilhelm IV. Diese fokussierten sich vor allem auf die Ausbildung von Tugenden. Das führte dazu, dass die Kontrolle über frühkindliche Bildungs- und Betreuungseinrichtungen überwiegend vom Staat übernommen wurde (Franke-Meyer 2016).
Nach dem zweiten Weltkrieg und der Trennung der Bundesrepublik in Ost- und Westdeutschland, führte die Deutsche Demokratische Republik 1968 einen einheitlichen Bildungs- und Erziehungsplan für Kindergärten ein. Dieser wies klare staatliche Zielvorgaben auf und sah den Kindergarten als schulvorbereitende Einrichtung (ebenda 2016). In Westdeutschland entwickelten sich in dieser Zeit Einrichtungen der öffentliche Kinderbetreuung, die von weitaus mehr Vielfalt geprägt waren, sowohl bei den Trägern als auch bei ihren pädagogischen Konzeptionen (Böttcher 2020). Nach der Wiedervereinigung im Jahre 1990 nahm die Deutsche Demokratische Republik überwiegend das westdeutsche Kindergarten-System an.
Mit dem PISA Ergebnis aus dem Jahre 2000 wuchs das Interesse an frühkindlicher Bildung rasant an. Bis in das Jahr 2006 veröffentlichten alle 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland elementarpädagogische Bildungs- und Erziehungspläne, welche das Ziel einer einigermaßen einheitlichen konzeptionellen Vielfalt verfolgten. Seit 1996 hat jedes Kind in Deutschland das Recht auf einen Kindergartenplatz und seit dem Jahr 2013 mit Vollendung des ersten Lebensjahrs auch das Recht auf einen Krippenplatz. Heute besuchen rund 30% der unter Dreijährigen und knapp 90% der über Dreijährigen eine Kindertagestätte (Franke-Meyer 2016). Die Aufgaben dieser Einrichtungen sind laut §22 Absatz 2 des achten Sozialgesetzbuches die Erziehung und Bildung in der Familie zu unterstützen als auch zu ergänzen sowie die Entwicklung der Kinder zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Individuen zu fördern. Zudem sollen sie den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung miteinander vereinbaren zu können.
Bereits 1763 führte das Generallandschulreglement in Preußen die Schulpflicht für Kinder ab dem fünften Lebensjahr ein, um ihnen grundlegende Kenntnisse des Lesen, Schreibens und Christentums nahezubringen. Diese Schulpflicht wurde bis 1850 in den meisten deutschen Ländern, unter anderem Bayern und Württemberg, durchgesetzt (Jacobi 2013). Im Jahr 1920 legte dann der Weimarer Schulkompromiss fest, dass der Besuch der vierjährigen Grundschule für Kinder aller Schichten verpflichtend wird. Die Primarstufe galt von nun an als Fundament für den weiteren Bildungsweg. Anders als noch im 19 Jahrhundert entschied nicht mehr die Schichtzugehörigkeit oder der politische Einfluss der Eltern über die weiterführende Schule, sondern die Leistungen der Kinder in der Grundschule (Edelstein/Veith 2017).
Nach den beiden Weltkriegen kam es auch im Bildungswesen zum Wiederaufbau in den 1950er und 1960er Jahren, doch wurde die Grundschule dabei kaum berücksichtigt. Dies änderte sich jedoch in den 1970er Jahren im Rahmen des Strukturplans für das deutsche Bildungs- und Erziehungswesen, welches unter anderem die Neugestaltung der Grundschule als einen Reformschwerpunkt auflistete (Hanke/Seel 2015, S. 289).
Heute beginnt die Schulpflicht für alle Kinder die das sechste Lebensjahr vollendet haben und umfasst in der Regel neun bis zehn Jahre, oft geht sie aber bis zum 18. Lebensjahr. In den meisten Bundesländern Deutschlands dauert die Grundschule immer noch vier Jahre. In Berlin und Brandenburg gibt es jedoch die 6-jährige Grundschule (Gudjons/Traub 2020, S. 284). Anders als in der Sekundarstufe findet in der Primarstufe keine Aufteilung der Kinder statt, alle lernen gemeinsam. Die Separierung der Schüler erfolgt erst nach der Zeit in der Primarstufe anhand einer Schullaufbahnempfehlung die sich aus den Schulnoten, dem Lern- und Arbeitsverhalten des Schülers zusammensetzt (ebenda 2020, S. 299).
Nach dem Elementar- und dem Primarbereich des Bildungswesens folgt der Übertritt in die Sekundarstufe, welche sich in die Sekundarbereiche 1 und 2 unterteilt. Die Sekundarstufe 1 umfasst die Schulstufen der mittleren Bildung, die Sekundarstufe 2 führt zur allgemeinen Hochschulreife (Gudjons/Traub 2020, S. 281). Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erläutert, entscheidet heute die Leistung über die weiterführende Schule, doch dies war nicht immer so.
Bereits im 19. und 20. Jahrhundert kam es zu diversen Reformversuchen des Schul- und Bildungswesens, Vorreiter schulpolitischer Veränderungen war vor allem Preußen. Es sollte ein System entstehen, bei dem nicht die Herkunft über die Schulbildung und den Beruf entscheidet, sondern die Fähigkeiten und Leistungen des Individuums (Edelstein/Veith 2017). Mit der Neuordnung des Bildungswesens wurde der Philosoph Wilhelm von Humboldt beauftragt. Zusammen mit dem Staatsrat Johann W. Süvern entwickelte er ein Konzept, welches seine Vorstellung einer allgemeinen Menschenbildung in einem einheitlich organisierten Schulsystem umsetzen sollte (Gudjons/Traub 2020, S. 95). Humboldts Plan stieß jedoch auf viel Widerstand und wurde im Zuge der Karlsbader Beschlüsse im Jahr 1819 abgelehnt. Der Ausbau des Schulsystems ging weiter, jedoch nach alten Wegen. Die Volksschule, in der nur ein Minimum an Bildung, dafür aber Gehorsam und Gottesfurcht gelehrt wurde, war weiterhin für die Unter- und Mittelschicht vorgesehen, während die Oberschicht das deutlich besser ausgestattete Gymnasium besuchte. Diese Zweiteilung des Bildungswesens blieb jedoch nicht lange bestehen. Mit der Industrialisierung stiegen auch die Anforderungen an das technische und wirtschaftliche Wissen der Menschen, was dazu führte, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts berufsorientierte Fachschulen und Realanstalten entstanden, die als dritte Säule im Bildungswesen fungierten. In dieser Zeit wurde auch die Kirche als wichtigster Träger von Bildungseinrichtungen vom Staat abgelöst (Edelstein/Veith 2017).
Nach dem Ende des ersten Weltkriegs versuchte die Weimarer Koalition im Jahr 1918 erneut, das Bildungssystem zu reformieren, dabei lag der Fokus auf der Demokratisierung der Gesellschaft und des Staates. Dieses Ziel war schwer umsetzbar und geriet mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 komplett in Vergessenheit. Statt Demokratie wurden die Ideologien der Nationalsozialisten gelehrt und vor allem die jüdische Bevölkerung massiv diskriminiert (Gudjons/Traub 2020, S.106).
Im Jahr 1946, kurz nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte und von den Alliierten besetzt worden war, begann der Wiederaufbau des Bildungswesens. Das Gedankengut des Nationalsozialismus sollte beseitigt werden, die Schule wieder pädagogische und demokratische Aufgaben erfüllen (Edelstein/Veith 2017). Dabei setzten Ost- und Westdeutschland unterschiedliche Konzepte um. In Ostdeutschland entstand die zehnklassige, allgemeinbildende polytechnische Oberschule, eine Einheitsschule, die alle Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse besuchten. Anschließend konnte man entweder eine Berufsausbildung beginnen oder das Abitur ablegen. Eine Separierung der Schüler gab es nicht (Geißler 2019). In Westdeutschland etablierte sich in der Nachkriegszeit ein mehrgliedriges Schulsystem mit der klassischen Aufteilung in die Haupt- und Realschule sowie das Gymnasium. In den 1970er Jahren kam es zu einer großen Bildungsreform, die durch die neu gegründete Bund-Länder-Kommission in Gang gesetzt wurde. Schwerpunkte waren unter anderem die Reform der gymnasialen Oberstufe und die Modernisierung der Lehrpläne. Nach der Wiedervereinigung nahm Ostdeutschland das System Westdeutschlands an (Gudjons/Traub 2020, S. 289f.).
Heute gibt es kein wirklich einheitliches Bildungssystem, da Bildung in Deutschland Ländersache ist und jedes Bundesland unterschiedliche Reglungen, Schulformen und Abschlüsse hat. Grundlegend gibt es in jedem Bundesland dennoch den Elementar-, den Primar-und Sekundarbereich, Förderschulen sowie den tertiären Bildungsbereich, welcher unter anderem die Hochschulbildung sowie die berufliche Weiterbildung umfasst (Edelstein 2013 und Gudjons/Traub 2020, S. 285). Trotz oder genau aufgrund dieser zahlreichen Unterschiede lässt sich sagen, dass das Bildungswesen in Deutschland vielfältig gestaltet ist.
Ein wesentliches Merkmal des deutschen Bildungssystems ist, wie bereits im vorangegangenen Kapitel angesprochen, dessen föderalistische Struktur. Diese ist sogar im Grundgesetz verankert (Hepp 2013). Während das Bildungswesen in anderen Ländern, beispielsweise Frankreich, zentral gesteuert ist, unterliegt es in Deutschland der Kulturhoheit der Bundesländer (Gudjons/Traub 2020, S. 278f.). Ziel dabei ist es, eine möglichst große Vielfalt an schulpolitischen Programmen und Ideen umzusetzen. Dennoch hat der Staat weitreichende Regelungs- und Steuerungskompetenzen, unter anderem die ständige Konferenz der Kultusminister, welche zum Beispiel die Planung und Organisation übernimmt. Die Konferenz der Kultusminister ist gerade in der aktuellen Corona-Pandemie von großer Bedeutung, da sie versucht, einheitliche Rahmenbedingungen für das Schulwesen in der Pandemie zu schaffen (Konferenz der Kultusminister 2021).
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1 Zur besseren Lesbarkeit werden in dieser Hausarbeit personenbezogene Bezeichnungen, die sich sowohl auf Männer als auch auf Frauen beziehen, generell nur in der für die deutsche Sprache üblichen männlichen Form verwendet. Dies soll jedoch keine Geschlechterdiskriminierung zum Ausdruck bringen.