Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Hausarbeit, 2021
24 Seiten, Note: 1.0
2. Einleitung
3. Emotionen und Kognition: Einführung in den Problembereich
3.1 Emotion und Stimmung: Definition und Abgrenzung von Begriffen
3.1.1. Emotionen
3.1.2. Grundemotionen des Menschen
3.1.3. Stimmung und Gefühl
3.2. Kognition
3.3. Verhältnis Emotion und Kognition
4. Lesen als kognitiver Konstruktionsprozess:
4.1 Grundlagen der Textverstehensprozesse
4.2. Der Begriff der Lesekompetenz am Ebenmodell nach Rosebrock und Nix (2008)
5. Emotionale Involviertheit im Leseprozess
5.1. Involviertes Lesen als Teil der Lesekompetenz nach Artelt (2007)
5.2. Leseinteresse und Lesemotivation als Ausgangsvoraussetzung für involviertes Lesen
5.3. Stimmungskongruenzeffekt als Messgegenstand der kognitiven Verarbeitung emotionaler Zustände und Teilbereich involvierten Lesens
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
7.1. Beitrag
7.2. Buch (Monographie)
7.3. Buch (Sammelwerk)
7.4. Hochschulschrift
7.5. Zeitschriftenaufsatz
'"Ich glaube man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Damit es uns glücklich macht, wie Du schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, könnten wir zur Not selbst schreiben. Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns'"(Kafka et al. 2013: 27)
Diese Form der emotionalen Teilhabe, die Kafka hier illustriert, kann man im Sinne des sprachwissenschaftlichen Lesekompetenzbegriffes als Form des involvierten Lesens deuten. Häufig ist es eben gerade dieses Gefühl der Spannung, der Erregung, der emotionalen Beteiligung an einem Text, welches uns nachhaltig im Gedächtnis bleibt, eben weil es so stark emotional konnotiert ist (vgl. Hielscher 1996: 209). Sowohl literarische Texte als auch Sachtexte tragen nicht nur für den Leser und für die Leserin relevante Informationen mit sich, die emotionslos vom Leser rezipiert werden. „Texte sind darüber hinaus auf Kommunikation mit den Lesenden angelegt. Sie enthalten eine Botschaft, die bei den Lesenden eine intendierte Wirkung (Pragmatik) erzielen soll. Emotionen sind Träger solcher kommunikativen Wirkungen“ (Wördemann 2016: 8). Entscheidend ist, welche Schlüsse wir aus diesem pragmatischen Wirkungsverhältnis ziehen und welche Informationen wir aus der Vielzahl sprachlicher Informationen für unsere Zwecke katalysieren können. Erst seit Beginn der 80er Jahre lässt sich ein verstärktes Interesse an einer empirischen Erforschung des Bereichs der Emotionspsychologie feststellen, der die Zusammenhänge zwischen Fühlen und Denken untersuchen soll (vgl. Abele 1995: 11). Auch im Bereich der Leseforschung und der Literaturwissenschaft ist dieser Forschungsbereich eher in der Rolle des Zaungastes aufgetreten. Doch zu welchem Preis? Ein Ausblenden des Teilaspekts der emotionalen Teilhabe und eine Vernachlässigung der Tatsache, dass kognitive und entwicklungspsychologische Lernprozesse auch von Gefühlen und Stimmungslagen beeinflusst werden, verkenne laut Hänze (1998) die Bedeutung, die Emotionen für die allgemeine Regulation unseres Verhaltens hätten, sowie den Einfluss darauf, die eigenen
Stimmungslagen effektiv regulieren zu können und sie für das Denken, Lernen und Problemlösen produktiv nutzbar zu machen (vgl. Hänze 1998: 9).
Ich möchte in meiner Hausarbeit der Frage nachgehen, welchen Einfluss die emotionale Involviertheit auf den kognitiven Vorgang des Textverstehens beim Lesevorgang hat. Speziell soll also in dieser Arbeit betrachtet werden, wie sich Stimmungseinflüsse aufSprachrezeptionsprozesse(vgl. Hielscher 1996: 19) im Bereich des Textverstehens verhalten. Anfangs werde ich mit begrifflichen Definitionen in den Problembereich Emotion und Kognition einführen. Im Anschluss folgt ein kurzer Exkurs in die Grundlagenforschung des Textverstehens und der Lesekompetenzforschung, Dies soll ein zentrales Bindeglied der vorangegangenen Elemente darstellen und Lesen als emotionalen und kognitiven Verarbeitungsprozess verdeutlichen. Darauf aufbauend möchte ich den wegweisenden Begriff der Involviertheit vorstellen, um ihn im Anschluss in den Lesekompetenzdiskurs einzugliedern. Mit Hilfe des Stimmungskongruenzeffekts (nach Hielscher 1996) möchte ich abschließend die Effekte emotionaler Involviertheit auf das kognitive Textverstehen aufzeigen.
Der Begriff der Emotion hat sowohl aus einer kulturwissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen als auch einer psychologischen Perspektive Hochkonjunktur. Dies zeigt sich beispielsweise mit Blick auf die aktuelle Spiegelbestsellerliste, wo mit Stefanie Stahls:Das Kind in dir muss Heimat finden(2015) und Ichiro Kishimis: Du musst nicht von allen gemocht(2013) zwei Bücher aus dem großen Bereich der Emotionspsychologie starken Anklang finden. Im Grunde ist jedoch der Terminus Emotion im hauseigenen Forschungsbereich, der Emotionspsychologie, bis heute nicht einheitlich definiert worden und deutet nach wie vor auf ein „multidisziplinäres und daher äußerst schwer fassbares Konstrukt“ (Steinhauer 2010: 73) hin. In dieser Arbeit möchte ich deshalb auf die Emotionsdefinition von Kleinginna und Kleinginna (1981) zurückgreifen und diese im Folgenden näher erläutern. Emotionen sind den beiden Autor:innen zur Folge „eine komplexe Reihe von Interaktionen zwischen subjektiven und objektiven Faktoren, vermittelt durch neuronale / hormonelle Systeme“ (Kleinginna und Kleinginna 1981: 355). Diese führen einerseits zu affektiven
Erfahrungen, wie Erregungsgefühlen, Vergnügen/ Unmut, andererseits erzeugen sie den Autor:innen zur Folge kognitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen (vgl. ebd. 355). Emotionen erfüllen somit die Funktion, dem Individuum über die Situation, in der es sich befindet, aufzuklären und ihm dabei zu helfen, die Situation zu verarbeiten (vgl. Bless; Igou, 2001: 75). Dabei „tragen sie zur Selektion von Inhalten bei und legen zudem den Prozess der Verarbeitung der Inhalte nahe. Emotionen lenken gerade dann die Aufmerksamkeit einer Person, wenn nicht genügend Informationen für eine analytisch begründete Entscheidung vorliegt“ (Steinhauer 2010: 95). Nach Steinhauer sei diese Funktion umso wichtiger, je weniger die aktuelle Situation mit Hilfe von kognitiven Verarbeitungsprozessen bewältigt werden könne (vgl. ebd. 79). Denn je weniger Informationen für die rationale Einschätzung eines Sachverhalts vorlägen, desto eher müssten Entscheidungen aufgrund des Bauchgefühls getroffen werden, also aufgrund von emotionalen Einschätzungen (vgl. Steinhauer 2010: 79). Mit anderen Worten: Emotionen bereiten uns darauf vor, mit wichtigen Ereignissen umzugehen, ohne darüber nachdenken zu müssen.
Doch, in welche Gruppen lassen sich die menschlichen emotionalen Zustände kategorisieren? Einen grundlegenden Überblick über diese Forschungslage möchte ich im unteren Abschnitt vorlegen.
Die Frage nach einer festen Anzahl von Basisemotionen (basic emotions), die transkulturell wirksam sind, hat der Psychologe Paul Ekman (1980) in die emotionspsychologische Debatte eingebracht (vgl. Koppenfels und Zumbusch 2018: 529). Von allen menschlichen Emotionen, die wir erleben, gibt es laut Ekman sieben universelle Emotionen, die wirAllefühlen, auch wenn ihre auslösenden Reize, je nach Art und Weise des Ausdrucks und je nach Kulturkreis variieren können (vgl. Ekman 1980: 25). Benthien (2000) spricht in diesem Kontext auch von Emotionen alsanthropologische Konstanten(vgl. Benthien 2000: 8). Während Ekman in seinen frühen Arbeiten noch sieben Basisemotionen unterscheidet,Fröhlichkeit, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung(vgl. Koppenfels und Zumbusch 2018: 529; Ekman 1980) umfasst eine neuere Aufstellung Izards (1999) zehn fundamentale Emotionspaare, die das Hauptmotivationssystem der menschlichen Psyche bilden sollen. Emotionen haben laut Izard einzigartige motivationale und phänomenologische Eigenschaften und stehen zudem in einem Interaktionsverhältnis zueinander und bedingen, verstärken oder schwächen einander ab (vgl. Izard 1999: 63). „Wenn zwei Emotionsknoten gleichzeitig aktiviert werden und sich nicht gegenseitig hemmen, dann kann der subjektive Eindruck und das expressive Verhaltensmuster eine Mischung der beiden reinen Muster sein. Zum Beispiel kann Traurigkeit, gemischt mit Überraschung, in Enttäuschung übergehen“ (Bower 1981: 135).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Emotionsgefüge nach Izard 1999:63; eigene Darstellung
Zusätzlich zu den Emotionen gibt es weitere Begriffe, die es im Kontext der intrapsychischen Verarbeitung von Informationen zu betrachten gilt und welche für diese Arbeit relevant sind. Hierzu zählen die Begriffe Stimmung und Gefühl.
Der Begriff Stimmung ist musiktheoretischen Ursprungs und bezeichnet in diesem Bereich den Zustand eines Instruments, was in einer bestimmten Tonart gestimmt oder gespannt sein muss, damit es den gewünschten Klang erzeugt. Somit ist Stimmung „ein Hintergrundmerkmal, das nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, sondern erst im Handeln spürbar wird“ (Steinhauer 2010: 74). Ebenso verhält es sich hinsichtlich Stimmungen als emotionalen Zustand, denn auch in diesem fungieren sie als Informationsträger. Sie geben der Person Rückmeldung darüber, wie sie eine bestimmte Situation einschätzen sollte beziehungsweise, wie sie in dieser agieren sollte (Bless; Igou 2001: 75). Abele (1995) spricht in diesem Zusammenhang von einer unbestimmtenGrundverfassung der Seele, da Stimmungen sich weder auf einen eindeutigen, bewusstseinsfähigen Auslöser zurückführen lassen können, noch sind Stimmungen intentional gerichtet, was sie von Gefühlen unterscheidet (vgl. Abele 1995:15). Darüber hinaus können „Stimmungen, anders als Gefühle, sehr lange andauern und sogar zu festen Eigenschaften und Kennzeichen der Persönlichkeit des Menschen werden“ (Steinhauer 2010: 74). Innerhalb der Stimmungsforschung wird Stimmung als mehrdimensionales Konstrukt betrachtet. „Zwei Dimensionen haben sich dabei empirisch am besten nachweisen lassen. Dieser Dichotomie zufolge wird Stimmung zum einen determiniert durch ihre Qualität (positiv vs. negativ), zum anderen durch ihre Spannung, mit der sie geladen sind (gespannt vs. entspannt). So steht die Kategorie Ärger für die spannungsgeladene negative Stimmung und Deprimiertheit für negativ aber nicht spannungsreich“ (Steinhauer 2010: 75). Gefühle bezeichnen hinlänglich Empfindungen, die im Gegensatz zur Stimmung auf einen spezifischen Auslöser zurückgeführt werden können. Laut Steinhauer seien Gefühle dem Bewusstsein zugänglich und stünden im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie treten intensiver auf und seien dafür aber auch weniger dauerhaft als Stimmungen (vgl. Steinhauer 2010:76). Stellt man diese beiden psychischen Empfindungen in einen Zusammenhang und veranschaulicht man sie an einem Beispiel, so kann man grundsätzlich fröhlich sein und gar nicht wissen, warum. In diesem Fall wäre Fröhlichkeit eine Stimmung oder man ist froh über etwas Bestimmtes, in diesem Fall wäre Fröhlichkeit ein Gefühl (vgl. ebd.). Strittig ist jedoch nach wie vor, ob Fühlen physisch oder psychisch gedacht werden kann (vgl. Benthien 2000: 10). Da aber emotionale Beteiligung im Rahmen dieser Arbeit von einem Auslöser ausgeht, und zwar in Form von Textverarbeitungsprozess beim Lesen, wird sie also nicht als Stimmung, sondern als Gefühl verortet (vgl. Steinhauer 2010: 74).
Ein weiterer, wichtiger Aspekt unseres intrapsychischen Lebens ist die Verarbeitung von Informationen in Form von kognitiven Prozessen. Emotionen und Kognitionen sind beides innere Ereignisse, die von anderen nicht direkt beobachtet werden können und in diesem wichtigen Sinne subjektiv sind. Dennoch scheint es wichtige Unterschiede zwischen Gedanken und Gefühlen zu geben: Gedanken scheinen oft einer geordneten Kette von Argumenten zu folgen, während Gefühle auf eine Weise zu wirken scheinen, die manchmal rational keinen logischen Sinn ergeben (vgl. Robinson et al. 2013: 3). Blickt man auf das große Feld der Kognitionspsychologie und speziell auf die Person Ulric Neissers (1974), dem sogenanntenUrvaterder Kognitionspsychologie, so werden unter dem Begriff Kognition alle jene Prozesse gemeint, „durch die der sensorische Input umgesetzt, reduziert, weiterverarbeitet, gespeichert, wieder hervorgeholt und schließlich benutzt wird. Begriffe wie Empfindungen, Wahrnehmung,
Vorstellung, Behalten, Erinnerung, Problemlösen und Denken nebst vielen anderen beziehen sich auf hypothetische Stadien oder Aspekte der Kognition“ (Neisser et al. 1974: 19).
In kognitions- und emotionspsychologischen Kreisen wurden oft wechselhafte Behauptungen über das Beziehungsfeld von Kognition und Emotion aufgestellt. Diese reichen von Vorschlägen, dass Kognition und Emotion unabhängig oder notwendig füreinander seien, bis zu dem Punkt, dass affektive Reaktionen auf Reizempfindungen einer kognitiven Analyse vorausgingen und dass Kognition und Emotion somit nicht unterschieden werden könnten (vgl. Robinson et al. 2013: 8). Das Phänomen emotionaler Befindlichkeit auf kognitive und zunächst speziell auf Gedächtnisprozesse wurde stark von Bower (1981) geprägt, der das Überschneidungsverhältnis theoretisch im Rahmen seines Netzwerkmodells erklärte, „welches die kognitiven Gedächtnisinhalte und Strukturen und direkter assoziativer Verknüpfung mit Repräsentationen von Emotionen darstellt, wobei Emotionen jeweils den Kern für eine Vielzahl assoziierter kognitiver Erfahrungen bilden“ (Hielscher 1996: 24). Bower (1981) ging davon aus, dass jede einzelne Emotion wie Freude, Verzweiflung oder Angst einen bestimmten Knoten oder eine Einheit im Gedächtnis bilde und so andere emotionale Aspekte sammle, die die durch Assoziation wie Wegmarken mit ihnen verbunden sind (vgl. Bower 1981: 135). „Man nimmt an, dass emotionale und kognitive Prozesse im Denken, Fühlen und Handeln des Menschen verbunden und voneinander abhängig sind. Emotionale Prozesse lenken die Wahrnehmung und initiieren kognitive Bewertungsprozesse, die wiederum den Gefühlszustand beeinflussen“ (Steinhauer 2010: 72).
Da in dieser Arbeit das zentrale Element dieser Arbeit der Textverständnisprozess im Lesevorgang ist, soll nun eingehend gezeigt werden, welche kognitiven Kriterien im Bereich der Leseforschung Anwendung finden und wie diese im Textverständnisprozess wirken. Als unmittelbarer Inhalt des Leseunterrichts und Ziel bei der Auseinandersetzung mit Texten gilt das Textverstehen, welches als kognitiver Prozess ein mentales Modell oder auch Situationsmodell (vgl. Knitsch 1990) des Gelesenen erzeugen lässt, „in das neue Textmomente ständig Eingang finden, sodass es korrigiert, differenziert, und gesamt prozessiert wird“ (Rosebrock und Nix 2008: 20). Hielscher (1996) spricht in diesem Zusammenhang auch von Textverstehen als einen komplexen, konstruktiven und kognitiven Prozess und sieht in diesem Vorgang verstärkt einen prozeduralen Aspekt (vgl. Hielscher 1996: 19).
Lesen hingegen kann laut Kneepkens und Zwaan (1995) als ein automatisierter kognitiver Konstruktionsprozess betrachtet werden, der auf sprachlichen und sozialen Konventionen basiere (vgl. Kneepkens und Zwaan 1995: 131). Lesen als eine kognitive Handlung im Textverstehensprozess (vgl. Reuss 2020) wird immer noch häufig mit der Entnahme von Informationen oder Bedeutungen aus Texten gleichgesetzt (vgl. Schmid-Barkow 2013: 223). Diese zusehend kognitive Perspektive lässt aber wichtige emotionale, soziale, motivationale Parameter außer Acht, denn ein Text und der durch ihn evozierte Textverarbeitungsprozess ist kein Unterfangen, das von sich aus einen Bedeutungsgehalt hat. „Der Text enthält keine Bedeutungen, er dient lediglich als Auslöser für die Konstruktion von Bedeutungen, wobei sich externe Informationen aus dem Text mit internen Wissensbeständen aus dem Gedächtnis des Lesers zu einem kohärenten mentalen Gebilde verknüpfen. So gesehen ist Textverstehen ein interaktiver Prozess, bei dem textgeleitete Bottom-up-Prozesse von der einen Seite und vorwissensgesteuerte Top-down-Prozesse von der anderen Seite her ineinandergreifen“ (Schmid-Barkow 2013: 223). So gesehen können gegenwärtige kognitionstheoretische Modelle sehr wohl davon ausgehen, dass Lesen ein konstruktiver Vorgang ist, der die aktive Bildung von Bedeutungen verlange (vgl. Rosebrock und Nix 2008: 18). Sodass zwei Leser, die denselben Text lesen, nie zu demselben Verständnis dieses Textes kommen würden (vgl. Schmid-Barkow 2013: 223). Dies ist das Resultat des Prozesses, den „der Adressat, angesichts der linearen Manifestation des Textes mit Sinn erfüllt“ (Eco 2004: 43). Die Herstellung kognitiver Verbindungen, die keine direkte Entsprechung im Text haben, „geschieht indes über inferenzielle und vorwissensabhängige Prozesse. Inferenzen werden allerdings bereits auf hierarchieniedrigen Repräsentationsebenen beim Textverstehen gebildet. Hierzu zählen beispielsweise lokale und globale Kohärenzbildung“ (Dörfler et al. 2010: 156). Lesen ist somit „ein fortlaufendes Bemühen um Kohärenz“ (Rickheit: 1991). Dieser Prozess der globalen Kohärenzbildung stellt eine wesentliche Bedingung für das Verstehen eines Textes und somit für einen gelingenden Leseprozess dar, so unterscheiden sich beispielsweise Leser:innen in ihrem jeweiligen Kompetenzniveau von anderen Leser:innen u.a durch die Anzahl beim Lesen gezogenen Inferenzen (vgl. ebd.). Stellt man diesen Inferenzbildungsprozess als einen der Wesensmerkmale des Lesekompetenzbegriffes heraus, so zeigt sich zudem, dass ein gesichertes Verstehen eines Textes, der nicht allein auf leicht verfügbarem Weltwissen beruht, zusätzlich durch intentionale und selbstregulative Prozesse beeinflusst wird, wie der Nutzung von Lesestrategien (vgl. Souvignier; Mokhlesgerami 2006). Rosebrock und Nix (2008) sprechen in diesem Zusammenhang auch von lesebezogenem Selbstkonzept (vgl. Rosebrock und Nix 2008: 22). Da dieses lesebezogene Selbstkonzept auch einen wesentlichen Eckpfeiler meiner Darstellung der Wirksamkeit der emotionalen Beteiligung im Textverständnisprozess darstellen soll, möchte ich im Folgenden noch eingehender den Subjektbezug zwischen Textverstehen und Subjekt herausstellen. Dies möchte ich durch das Mehrebenenmodell von Rosebrock und Nix (2008) tun, um zu zeigen, inwiefern die aktive, rege Beteiligung des Subjekts zu einem gelingenden Leseprozess beträgt.
[...]