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Hausarbeit, 2015
14 Seiten, Note: 1,0
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Stereotype
2.1 Soziale Kategorisierung und Stereotypisierung
2.2 Funktion von Kategorien
2.3 Informationsverarbeitung von Stereotypen
2.3.1 Automatische und kontrollierte Informationsverarbeitung
2.3.2 Verhaltensbeeinflussung durch automatische Aktivierung von Stereotypen
3 Vorurteile und Rassismus
3.1 Was ist ein Vorurteil?
3.2 Definition und Formen von Rassismus
3.3 Funktionen von Rassismus
4 Soziale Diskriminierung
5 Anonymisierte Bewerbungsverfahren
5.1 Ausgangslage und Zielsetzung
5.2 Konzeption
5.3 Umfang und Durchführung der Anonymisierung
5.4 Beantwortung der Problemfrage
6 Zusammenfassung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Hinweis:
Bei der Bezeichnung von Personen wird die männliche Form (z.B. der Abgeordnete) verwendet. Dies dient der einfacheren Lesbarkeit und soll keine Diskriminierung gegenüber Frauen darstellen.
Abschlussbericht NRW Abschlussbericht des Pilotprojekts „Anonymisierte Be- werbung“ in Nordrhein-Westfalen
ADS Antidiskriminierungsstelle des Bundes
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
etc. et cetera
IZA Institut zur Zukunft der Arbeit
KOWA Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der Europa-Universität Viadrina
u. a. unter anderem
vgl. vergleiche
z. B. zum Beispiel
Wenn sich in unserem Land Ausländer und Deutsche begegnen, dann doch in erster Linie bei der gemeinsamen Arbeit. Deshalb können dort, in Werkshallen und Büros, Intoleranz und der Gedanke an Gewalt zuallererst verhindert werden. - Edzard Reuter1
Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen und den enormen gesellschaftlichen Aufgaben, die damit für die Länder Europas verbunden sind, ist Reuters Aussage der vielleicht simpelste und doch beste Ansatz zur Integration der notleidenden Menschen in unsere Gesellschaft. Wie kann man besser einen Teil zur Gesellschaft beitragen, eine neue Sprache erlernen, neue Bekanntschaften knüpfen und Ressentiments entgegenwirken als durch gemeinsame Arbeit mit jenen, die seit ihrer Geburt in Deutschland leben.
Doch was geschieht, wenn das Arbeiten nicht möglich ist? Was geschieht, wenn aufgrund von bestehenden Stereotypen und Vorurteilen innerhalb der Gesellschaft das Einstellungsverfahren zur unüberwindlichen Hürde wird? Natürlich ist das nicht der Regelfall, aber Studien belegen (u. a. Kaas und Manger 2012), dass schon ein ausländisch klingender Name die Chancen beim Einstellungsverfahren erheblich vermindern kann.2
Aus diesem Grund befasst sich die folgende Hausarbeit mit dem Thema anonymisierte Bewerbungsverfahren und der Problemfrage:
Können anonymisierte Bewerbungsverfahren dazu beitragen den Anteil der Migranten im öffentlichen Dienst zu erhöhen?
Dazu soll näher darauf eingegangen werden, wie Stereotype, Vorurteile, Rassismus und soziale Diskriminierung entstehen und inwieweit anonyme Bewerbungen als Intervention dienen und damit einen Beitrag zur Chancengleichheit leisten können. Um diese Frage zu klären wird mithilfe von Studien zu Pilotprojekten mit anonymisierten Bewerbungsverfahren die Umsetzung dieser Verfahren näher erläutert und auf die empirischen Ergebnisse und Erfahrungen der Teilnehmer der Studien eingegangen.
Als soziale Kategorien versteht man Gruppen von Menschen, die in der sozialen Gemeinschaft in der Regel als zusammengehörig diskutiert und auch bewertet werden. Zusammengehörigkeitsmerkmale können dabei sowohl äußerliche Gemeinsamkeiten, wie z. B. Hautfarbe, Geschlecht oder Kleidungsstil, als auch geteilte Überzeugungen wie bspw. die Partei- oder Religionszugehörigkeit, sein. Die Kategorien können dabei verschiedenste quantitative Größen annehmen, bestehen jedoch für gewöhnlich über einen längeren Zeitraum hinweg fort. Desweiteren können einzelne Kategorien in weitere Unterkategorien aufgeteilt werden. Als Beispiel sei hier auf die Kategorie "Deutscher" verwiesen, die sich in die Kategorien "Hesse", "Thüringer", "Bayer", "Sachse", etc. aufteilen lässt.3
Die Einteilung in eine soziale Kategorie hat außerdem Auswirkungen für das Individuum und dessen Wahrnehmung durch andere. Durch die Zugehörigkeit zu einer Kategorie ergeben sich vielfältige Erwartungen im Bezug auf Eigenschaften und Verhaltensweisen des Mitglieds. Diese haben Auswirkungen auf die Behandlung und Beurteilung des Menschen. Solche Erwartungen sind in der Gesellschaft weit verbreitet und werden Stereotype genannt. Sie dienen der Vereinfachung von Urteilsvorgängen im alltäglichen Leben und haben große Auswirkungen auf das soziale Verhalten aller Mitglieder der Gesellschaft.4
Soziale Kategorien dienen der Vereinfachung und Strukturierung von Situationen im Alltag. Dies geschieht durch die Gruppierung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in einer bestimmten Situation. Bspw. bestimmen die Parteizugehörigkeiten der Bundestagsabgeordneten die Sitzordnung im Bundestag, indem Mitglieder der gleichen Partei - und damit der gleichen sozialen Kategorie - in einem gemeinsamen Block sitzen. Aufgrund der Parteizugehörigkeit lassen sich außerdem Voraussagen darüber treffen, wie sich ein Abgeordneter aus einer Fraktion zu einem bestimmten Thema während einer Debatte im Plenum äußern wird und ob Mitglieder anderer Fraktionen ihre Zustimmung - durch Klatschen und Kopfnicken - oder ihre Ablehnung - durch Zwischenrufe oder Kopfschütteln - gegenüber dem Redebeitrag des Redners bekunden werden. Die Betrachtung der Parteizugehörigkeit ordnet somit die Situation und ermöglicht eine Beurteilung der individuellen Charaktere, auch ohne nähere Informationen über sie zur Verfügung zu haben. Durch Kategorisierung zur Verfügung stehende Stereotype vermitteln diese Informationen und ermöglichen eine Einordnung und Bewertung der Situation.5
Laut Patricia G. Devine lässt sich die Informationsverarbeitung in einen automatischen und einen kontrollierten Prozess aufteilen. Bei der automatischen Verarbeitung sind wir uns des Prozessablaufes nicht bewusst und haben keine Kontrolle über die Assoziierungen, die daraus folgen. Das bedeutet, dass die Aktivierung eines Stereotyps (z. B. Asylbewerber sind kriminell) automatisch und unbewusst stattfindet. Ist ein Vertreter der betroffenen Kategorie anwesend, reicht also die bloße physische Wahrnehmung des Menschen um ein kulturelles Vorwissen über Stereotype freiwerden zu lassen. Gegen diesen Prozess kann man sich nicht verschließen.6
Aktivierte Stereotype müssen aber nicht automatisch zu einer Diskriminierung führen. Durch einen kontrollierten Verarbeitungsprozess können die aktivierten Informationen verdrängt oder verändert werden. Dazu bedarf es jedoch kognitivem Aufwand; ein solcher Prozess findet also immer bewusst statt und muss aktiv vollzogen werden. Außerdem ist der kontrollierte Verarbeitungsprozess dem automatischen Prozess, laut Devine, immer nachgeschaltet.7
J. Corell, B. Park, C. M. Judd und B. Wittenbrink haben im Jahr 2002 in der Studie The police officer's dilemma: Using ethnicity to disambiguate potentially threatening individuals gezeigt, dass automatisch aktivierte Stereotype sich nicht nur auf die Wahrnehmung, sondern auch auf das unmittelbare Handeln und Verhalten der Menschen auswirken können. Hierzu wurden den Teilnehmern der Studie auf einem Computer Bilder von Männern gezeigt, die entweder eine Waffe oder einen unverfänglichen Gegenstand (z. B. ein Mobiltelefon oder einen Fotoapparat) in der Hand hielten. Zudem wurde die Situation der eines Polizisten möglichst nahe gebracht, indem man mit sich verändernden Lichtverhältnissen arbeitete, durch die Entscheidung, ob eine Bedrohung vorliegt oder nicht, erschwert wurde. Die Aufgabe der Versuchsteilnehmer war, auf die bewaffneten Männer per Knopfdruck den Befehl "schießen" oder "nicht schießen" anzuwenden. Ein Teil der auf den Bildern abgebildeten Männer waren weiß, ein anderer Teil schwarz.8
Die Studie zeigte, dass die Hautfarbe der gezeigten Personen Auswirkungen auf die Schusswahrscheinlichkeit hatte. Unbewaffnete weiße Männer wurden seltener "erschossen" als unbewaffnete schwarze Männer. Gemäß den Erkenntnissen von Devine gab es nicht genügend Zeit, um eine kontrollierte Informationsverarbeitung einzuleiten. Die Probanden konnten lediglich auf die Informationen aus den unbewusst aktivierten Stereotypen zurückgreifen. Es wird also deutlich, dass die automatische Aktivierung von Stereotypen direkt unsere Handlungen und unser Verhalten gegenüber Angehörigen sozialer Kategorien beeinflussen kann.9
Ein Vorurteil ist eine ablehnende oder feindselige Haltung gegenüber einer Person, die zu einer Gruppe gehört und deswegen dieselben zu beanstandenden Eigenschaften haben soll, die man der Gruppe zuschreibt.- Gordon Allport10
Gordon Allports Definition des Begriffes Vorurteil ist die in der Sozialwissenschaft am häufigsten gebrauchte Beschreibung für das Phänomen. Sie hängt eng mit der im Alltag gebrauchten, meist negativen, Assoziierung des Begriffs zusammen und lässt die grundsätzlich denkbaren positiven Vorurteile unerwähnt.11
Vorurteile hängen eng mit Stereotypen zusammen. Sie entstehen vermeintlich dann, wenn Stereotype etwaige Kategorien nicht realitätsgetreu beschreiben, also Urteilsfehler entstehen, die im Volksmund gemeinhin Vorurteile genannt werden. Die Sozialwissenschaft geht jedoch von einem weiteren Aspekt aus, um Vorurteile zu definieren. Demnach kann man dann von einem Vorurteil sprechen, wenn die Bewertung einer gesamten Gruppe auf eines der Mitglieder übertragen wird, ohne weitere Informationen über den Betreffenden einzuholen. Wenn diese negative, oder auch positive, Bewertung der Person in den Umgang und die Art und Weise der Behandlung des Menschen mit einfließt, spricht man von Diskriminierung.12
Unter Rassismus versteht man extreme Vorurteile, die aufgrund von (schein)biologischen oder naturwissenschaftlichen Kriterien dazu dienen einen Menschen bzw. eine Gruppe abzuwerten. Obgleich in der Humangenetik die Unterscheidung von Menschen aufgrund verschiedener Rassen für sinn- und haltlos erklärt wird, bietet Rassismus auch heute noch die Grundlage für Diskriminierung und Gewalt.13
Rassismus kann einerseits in den institutionellen und andererseits in individuellen Rassismus aufgeteilt werden. Institutioneller Rassismus drückt sich in Form von Brauchtümern, Schichtungssystemen, aber auch Gesetzen aus, während individueller Rassismus sich vor allem auf das Verhalten des Einzelnen bezieht. Unterschieden werden zudem klassische und moderne Formen. Klassischer Rassismus drückt sich bspw. in der These aus, dass bestimmte Rassen minderbegabt sind (z. B. in der nationalsozialistischen Ideologie) und artikuliert dies sehr aggressiv. Moderne Formen des Rassismus treten weniger öffentlich in Erscheinung. Sie sind subtiler und u. a. in der Forderung zu finden, bestimmte Gruppen nicht zu fördern (bspw. Migranten).14
Der Rassismus hat vor allem gesellschaftliche Funktionen. Er dient der Rechtfertigung und Erklärung der Überlegenheit einer Gruppe gegenüber anderen Gruppen. Rassismus ist dabei eine legitimierende Beschreibung einer vermeintlichen Realität, um die Diskriminierung anderer Gruppen zu fördern und somit die Aufrechterhaltung von Hierarchien innerhalb einer Gesellschaft zu garantieren bzw. zu ermöglichen. Darüber hinaus dient er der internen Selbstaufwertung von Gruppen und deren individuellen Mitgliedern und ermöglicht dadurch die Einforderung von Disziplin und Konformität, gut sichtbar in rechtsextremen Organisationen. Er hat außerdem die Funktion ein vereinheitlichtes und simples Weltbild zu konstruieren, in dem eine übersichtliche Kategorisierung von Informationen und Realitäten angeboten wird.15
Die am meisten verbreitete Definition sozialer Diskriminierung stammt von Gordon Allport und wurde im Jahr 1954 aufgestellt. Allport stellt darin die These auf, dass soziale Diskriminierung dann vorliege, wenn einzelnen oder Gruppen von Menschen Gleichbehandlung vorenthalten wird, die sie sich wünschen. Sie umfasse weiterhin all das Verhalten, das auf sozialen oder natürlichen Unterschieden beruhe, die weder eine Beziehung zu den individuellen Fähigkeiten und Verdiensten haben, noch zu dem tatsächlichen Verhalten des Individuums. Soziale Diskriminierung bedeutet darüber hinaus, dass einzelne Personen einzig aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Kategorie gegenüber anderen Gruppen benachteiligt oder bevorzugt werden.16
Des Weiteren kann bei sozialer Diskriminierung von drei verschiedenen Formen gesprochen werden: Diskriminierung durch Gruppen, institutionelle Diskriminierung und isolierte Diskriminierung. Diskriminierung durch Gruppen tritt dann auf, wenn kleine Gruppen Mitglieder anderer sozialer Kategorien diskriminieren, ohne dass eine Unterstützung durch große Organisationen oder staatliche Institutionen stattfindet. Beispielhaft dafür ist die Diskriminierung von Ausländern durch kleinere rechtsextreme Organisationen. Institutionelle Diskriminierung tritt dann auf, wenn diskriminierendes Verhalten mittelbar oder unmittelbar durch staatliche Institutionen betrieben wird, wie z. B. die Apartheidpolitik im Südafrika des 20. Jahrhunderts. Isolierte Diskriminierung beschreibt diskriminierendes Verhalten von einer Einzelperson gegenüber einer anderen Person aufgrund der Zugehörigkeit des Diskriminierten zu einer bestimmten sozialen Kategorie. Wichtig ist dabei, dass die diskriminierende Handlung nicht Teil eines institutionellen Verhaltens ist. Als Beispiel ist hier die Ablehnung eines Bewerbers durch einen Personalverantwortlichen zu nennen, weil der Bewerber einen Migrationshintergrund hat.17
[...]
1 Online: http://www.gutzitiert.de/zitat_autor_edzard_reuter_2111.html (22.08.2015)
2 vgl. Bezirksregierung Arnsberg (Hrsg.), 2012, S. 3
3 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 23
4 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 23
5 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 23, 24
6 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 33
7 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 33, 34
8 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 35
9 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 35
10 Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 109
11 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 109
12 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 24, 109
13 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 111
14 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 111, 112
15 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 112
16 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 161
17 vgl. Petersen & Six (Hrsg.), 2008, S. 161, 162