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Hausarbeit (Hauptseminar), 2022
26 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Die Methode Rollenspiel
2.1.Die Ziele des Rollenspiels
2.2.Die Phasen des Rollenspiels
2.3.Die edukativen Phasen des Rollenspiels
3. Kriterien für eine erfolgreiche Anbahnung der Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht
4. Analyse des Rollenspiels „Ausflippen“ im Hinblick auf eine erfolgreiche Anbahnung der Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht
5. Chancen und Risiken des Rollenspiels als Methode zur Anbahnung einer erfolgreichen Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht
5.1.Chancen des Rollenspiels als Methode zur Anbahnung einer erfolgreichen Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht
5.2.Risiken des Rollenspiels als Methode zur Anbahnung einer erfolgreichen Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht
6. Schluss
7. Literaturverzeichnis
Die Planung einer Unterrichtsstunde wirft so manche Fragen auf, die für das Gelingen des Unterrichts essenziell sind. So steht neben der Wahl des Unterrichtsthemas auch stets die Frage nach der geeigneten Methode, zur Bearbeitung des Inhalts, im Raum. In der Didaktik der Sozialkunde gibt es dabei ein schier endloses Repertoire an Methoden, auf die zu diesem Zwecke zurückgegriffen werden kann. Hierbei ist es aber unabdinglich eine Methode zu wählen, die an erster Stelle zielführend ist. Als Ziel wird dabei im Sozialkundeunterricht die Urteilsbildung der Schüler*innen gesehen. Fehlt in einer Unterrichtsstunde die Urteilsbildung - und mag diese noch so schön ausgeplant und durchgeführt worden sein – so war die Stunde nicht ertragreich und somit eine verschenkte Stunde.
Die Urteilsbildung ist nicht nur das Ziel einer jeden Sozialkundestunde, sondern gleichzeitig auch der Kern der politischen Bildung en gros. Aus diesem Grund muss die politische Urteilsfähigkeit gefördert werden, indem man „eine Denkweise [übt], die sich auf das im Gemeinwesen zu Tuende richte und daher in gewisser Weise ein Abbild des politischen Urteils des Politikers [der Politiker*in] sei“ (Detjen 2007: 131). Bei dieser Beschreibung von Detjen wird zudem deutlich, dass die Fähigkeit sich ein Urteil zu bilden auch stets mit der Fähigkeit zu Handeln, dem im Gemeinwesen zu Tuenden, verbunden ist. Somit erscheint es als sehr naheliegend, zur Förderung dieser Fähigkeiten eine Methode zu wählen, welche von dem Handeln der Schüler*innen lebt. Dabei bietet das Methodenrepertoir der Sozialkundedidaktik auch eine große Bandbreite an handlungsorientierten und stark Schüler*innen aktivierenden Methoden. Eine davon ist das Rollenspiel.
Viele „[m]oderne psychologische, reformpädagogische, handlungs- und kommunikationstheoretische sowie konstruktivistische Theorien lassen dem Spiel eine produktive und progressive Erziehungs- und Sozialisationsfunktion zukommen“ (Scholz 2022: 499). Es wäre also naheliegend anzunehmen, dass auch das Rollenspiel einen solch produktiven und progressiven Effekt auf den Unterricht und im Besonderen auf die Urteilsbildung hat. Aus diesem Grund soll die Methode des Rollenspiels in dieser Arbeit einmal genauer hinsichtlich ihres Potenzials zur erfolgreichen Anbahnung der Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht betrachtet werden. Hierzu wird sich die vorliegende Arbeit mit der Frage beschäftigen wie ein Rollenspiel als Methode im Sozialkundeunterricht abläuft, inwiefern es für die Urteilsbildung zielführend ist, Schüler*innen Rollen einnehmen zu lassen und welche Chancen und Risiken diese Methode für eine erfolgreiche Anbahnung der Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht birgt.
Zu diesem Zweck soll die Methode Rollenspiel als solche zunächst näher betrachtet werden (Kapitel 2). Dabei sollen vor allem ihre Ziele (Kapitel 2.1), ihre Phasen (Kapitel 2.2) und ihre edukativen Phasen (Kapitel 2.3) im Fokus stehen. Daran anschließend soll näher erläutert werden, welche Kriterien für eine erfolgreiche Anbahnung der Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht herangezogen werden (Kapitel 3). Unter Berücksichtigung dieser wird dann das Rollenspiel „Ausflippen“ im Hinblick auf eine erfolgreiche Anbahnung der Urteilsbildung im Sozialkundeunterricht hin analysiert (Kapitel 4). Anhand dessen sollen sodann auch die Chancen und Risiken des Rollenspiels hinsichtlich der erfolgreichen Anbahnung der Urteilsbildung aufgezeigt werden (Kapitel 5), bevor letztendlich im Schlussteil ein umfassendes Resümee zur Tauglichkeit des Rollenspiels als Methode zur erfolgreichen Anbahnung der Urteilsbildung gezogen werden soll (Kapitel 6).
Rollenspiel ist die Bezeichnung für eine ganz bestimmte Art von Simulationsverfahren, und zwar für jene, durch die der Blick auf die Interaktion von Personen gerichtet wird. Es hebt die von verschiedenen Leuten unter verschiedenen Umständen wahrgenommenen Funktionen hervor…Der Grundgedanke des Rollenspiels in seiner einfachsten Form ist, jemanden zu bitten, sich vorzustellen, entweder er [*sie] selbst oder ein anderer [*eine andere] in einer bestimmten Situation zu sein. Er [*sie] wird gebeten, sich genauso zu verhalten, wie die Person es seinem [*ihrem] Gefühl nach tun würde
(Van Ments 1998, zitiert nach Scholz 2003: 121).
Denkt man, unter Berücksichtigung der Ausführungen von Van Ments, an spielende Kleinkinder, so kann man feststellen, dass diese in ihrem kindlichen Spiel andere Rollen annehmen, ohne dass sie darum gebeten werden. Bereits im Kindergarten spielen sie gemeinsam mit anderen Kindern sozial konstruierte Rollen, wie etwa Vater, Mutter, Kind oder Berufe, wie beispielsweise Lehrer*in oder Verkäufer*in nach. Dabei entwickeln sich die sozialen Fähigkeiten im Miteinander der Kinder enorm weiter. Nach Ansicht der Entwicklungspsychologie „ist das Rollenspiel eine Grundform menschlichen Verhaltens, das vor allem als individuelles und spontanes Rollen spielen […] bei Kleinkindern zu beobachten ist“ (Scholz 2003: 121). Es liegt demnach also in der Natur des Menschen, durch das Spielen von Rollen zu Lernen und sich weiter zu entwickeln. Da liegt es nicht fern, sich diese Eigenschaften des spielerischen Lernens auch für den Unterricht und im Speziellen für die Politische Bildung zu eigen zu machen. Denn
obwohl konventionelle Lehr- und Lernmethoden […] erfolgreich angewendet werden können, um Schüler[*innen] Wissen über Tatsachen und wesentliche theoretische Bezüge zu vermitteln, in die sie künftige Erfahrungen einordnen können, sind sie zumindest in zwei bedeutsamen Punkten unvollständig
(Van Ments 1985: 20).
Hierbei meint Van Ments zum einen die Fähigkeit der Schüler*innen ihre persönlichen Einstellungen oder auch ihr Ausdrucksverhalten zu verändern und zum anderen den Mangel an zwischenmenschlichem Handeln und Kommunikation (vgl. ebd.: 20). In Anbetracht dessen, dass die Politische Bildung auf die Erziehung mündiger Bürger*innen und somit auf die Ausbildung einer persönlichen Einstellung sowie der Fähigkeit der eigenen Interessen Artikulation abzielt, wird die Annahme, dass das Lernen mittels Rollenspiels hier einen großen Mehrwert bringt, bloß verstärkt. Um im weiteren Verlauf der Arbeit eingehender untersuchen zu können, ob sich diese Annahme bewahrheitet, soll die Methode Rollenspiel jedoch zunächst noch genauer hinsichtlich ihrer Ziele und Phasen Betrachtung finden.
Wie jede didaktische Methode verfolgt auch das Rollenspiel, neben dem übergeordneten Ziel der inhaltlichen Wissensvermittlung, Ziele die speziell durch die Verwendung der Methode angestrebt werden sollen.
Aus politikdidaktischer Sicht ist das Rollenspiel eine spielerische Methode zur Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Die Lernenden versetzen sich in das Denken, Fühlen und Handeln von politisch handelnden Menschen und stellen typisches und/oder abweichendes alternatives Rollenverhalten dar (Scholz 2003: 121).
Das Rollenspiel ist neben inhaltlicher Wissensvermittlung im Sinne von Theorievermittlung somit auch besonders praxisbezogen, indem es Handlungsmöglichkeiten eröffnet sowie die Handlungsfähigkeit der Schüler*innen fördert und fordert. Und genau hierin finden sich auch die intrinsischen Ziele der Methode Rollenspiel. Durch das Rollenspiel sollen „alltägliche, unübersichtliche, entfernte, vergangene, zukünftige oder fiktive Problemsituationen in den Klassenraum geholt werden“ (Petrik 2011: 116). Politik soll in kurzen Sequenzen von den Schüler*innen selbst nachgespielt und somit erlebt werden. Dadurch sollen Empathievermögen und Perspektivübernahme trainiert werden, welche sodann zu einer persönlichen Urteilsbildung beitragen sollen.
Es ist jedoch unmöglich stets genau zu bestimmen, welche Lernziele das Rollenspiel verfolgt, denn es ist durchaus möglich, dass durch die Methode Ziele erreicht werden können, die von der Lehrperson gar nicht antizipiert wurden (vgl. Van Ments 1985: 38). Aus diesem Grund ist es eben auch so wichtig, sich der Chancen und Risiken der Methode (s.h. Kapitel 5) bewusst zu sein, bevor man sich entscheidet diese im Unterricht zu verwenden.
Was sich im Vergleich zu den Zielen wesentlich besser antizipieren lässt, sind die Phasen, die die Lernenden während des Rollenspiels durchlaufen. Auch hier besteht selbstredend die Gefahr, dass sich diese durch eine unvorhergesehene Spielentwicklung verändern können. Jedoch hat die Lehrperson es hier stärker in der Hand, den Spielablauf zu steuern. So kann beispielsweise durch Rollenkarten, die je nach Bedarf in ihrer Rollenbeschreibung enger oder weiter gefasst sind, Einfluss genommen werden.
Professor Christina Brüning hat sich eingehender mit den Phasen des Rollenspiels als Unterrichtsmethode beschäftig, weshalb sich die nachfolgenden Ausführungen bezüglich der Phasen des Rollenspiels, stark an ihren Erkenntnissen orientieren.
Typischerweise sollte vor Beginn des Rollenspiels oder gar zu Beginn der Unterrichtsreihe (je nachdem an welcher Stelle der Reihe man das Rollenspiel einsetzen möchte) eine Abfrage des Vorausurteils stattfinden. Dabei sollen die Schüler*innen sich möglichst spontan zur Problemfrage der Stunde/Reihe positionieren. Es ist wichtig, dass dies geschieht bevor die Schüler*innen ihre Rollenkarten erhalten, sodass ihr Vorausurteil nicht durch etwaige Rollenerwartungen beeinflusst wird. Idealerweise wird das Vorausurteil auch in einer visuellen Form, wie beispielsweise einem Foto oder einem Tafelbild, festgehalten um im späteren Verlauf darauf zurückgreifen zu können (vgl. Brüning 2020: 241).
Brüning weist auch darauf hin, dass es sich in der Praxis bewährt [hat], die Lektüre der Rollenkarten bzw. weitere Recherchen zum Thema in einer vorhergehenden Hausaufgabe vorzunehmen, um in der Stunde selbst Lesezeiten einzusparen und allen Schüler*innen ausreichend Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Material zu geben (ebd.: 241).
Somit wird auch der Binnendifferenzierung Rechnung getragen, da es Schüler*innen unterschiedlich leicht oder schwer fällt, sich in Rollen hineinzuversetzen. Es kann so vermieden werden, dass ein*e Schüler*in sich durch eine allzu spontane Rollenübernahme überfordert fühlt, wodurch wiederum die Überforderung als möglicher Störfaktor zur Urteilsbildung ausgeschaltet werden kann.
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