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Hausarbeit, 2021
19 Seiten, Note: 1,0
Philosophie - Theoretische (Erkenntnis, Wissenschaft, Logik, Sprache)
1 Einleitung
2 Empirische Wissenschaften bei Wilhelm Windelband
2.1 Die Einteilung der empirischen Wissenschaften
2.2 Individualistische Auffassung von Werten
3 Die historische Kulturwissenschaft bei Heinrich Rickert
3.1 Gemeinsamkeiten bei Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert
3.2 Kritiken von Heinrich Rickert an Wilhelm Windelband
3.3 Erweiterungen von Heinrich Rickert
3.4 Mittelgebiete
3.5 Wert und Geltung
4 Kritiken an Rickerts Thesen
4.1 Kritik an den Zielen und Methoden
4.2 Kritik an der Wert/Wertung-Dichotomie
4.3 Kritik an der transzendentalen Lösung
4.4 Die Inkommensurabilität von Werten
5 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Die Südwestdeutsche Schule des Neukantianismus war um 1890 bis 1930 eine auf Werte orientierte Philosophie, die vor allem an den Universitäten in Heidelberg, Freiburg im Breisgau und Straßburg gelehrt wurde. Hauptvertreter waren Wilhelm Windelband (1848–1915) und sein Schüler Heinrich Rickert (1863–1936). Windelband gab den Anstoß mit einem Methodendualismus, indem er die empirischen Wissenschaften aufgrund der Methoden der Urteilsbildung in Naturwissenschaften und Geistes- bzw. Kulturwissenschaften einteilte. Rickert unterschied innerhalb der empirischen Wissenschaften in Naturwissenschaften und Kulturwissenschaften.
Ziel der Hausarbeit ist es, die von Heinrich Rickert 1898 zum ersten Mal vorgestellte und 1926 zum letzten Mal überarbeitete Schrift Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft im Zusammenhang mit den Thesen Wilhelm Windelbands darzustellen. Hierzu werden zunächst in Kapitel 2 die Thesen Windelbands zur Einteilung der empirischen Wissenschaften beschrieben. Kapitel 3 beinhaltet zunächst die Gemeinsamkeiten von Windelband und Rickert. Im Anschluss hieran erfolgt eine Beschreibung der von Rickert bei Windelband kritisch betrachteten Punkte. Im letzten Unterabschnitt werden die neuen Thesen Rickerts zur historischen Begriffsbildung behandelt. Nach der Darstellung einiger Kritiken zu Rickerts Thesen in Kapitel 4, wird die Arbeit in Kapitel 5 mit einer Zusammenfassung und einem Fazit geschlossen
Die Wissenschaftsdisziplinen teilt Windelband ein in rationale Wissenschaften, zu denen er die Mathematik und Philosophie zählt, und in Erfahrungswissenschaften, zu denen alle anderen Wissenschaften gehören (vgl. Panteos/Rojekt 2016, 75).
Windelband hält die aus der Historie bestehende Einteilung der Erfahrungswissenschaften in Natur- und Geisteswissenschaften für nicht glücklich. Der inhaltliche Bezug der Wissenschaftsdisziplinen zu Natur und Geist werde seiner Ansicht nach heute nicht mehr so sicher und selbstverständlich zur Klassifikation herangezogen werden. Auch die von Locke vorgeschlagene Einteilung – bezogen auf die Wahrnehmung – der äußeren Wahrnehmung für die körperliche Außenwelt, die Natur, und die innerliche Wahrnehmung für das Geistige zweifelt er an. Die Meinung, dass der Erkenntnisgewinn für die Geisteswissenschaften nur aus einer inneren Wahrnehmung besteht, teilt Windelband nicht. Erstens sieht er keine plausiblen Gründe, warum historische Erkenntnisse nur auf Introspektionen beruhen sollen, und zweitens bezweifelt er, dass Erkenntnisse aufgrund von Introspektionen tatsächlich als wissenschaftlich gelten können (vgl. Panteos/Rojekt 2016, 76).
Vor allem die Psychologie sieht er als Problem bei einer Zuordnung aus inhaltlicher und formaler Sicht. Die Psychologie als die Wissenschaft der Seele müsste somit die Grundlage der geistigen Wissenschaften sein, ihr Interesse und ihre Methoden aber sind die einer Naturwissenschaft. Die Psychologie sammelt Tatsachen mit dem Ziel, allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Die Methoden der Induktion und das Ziel, allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu finden, sind auch Methoden bspw. der Mechanik und der Chemie, aber die Inhalte sind die des Geistigen, des Seelenlebens, des Fühlens und des Wollens. Die Inhalte, mit der die Psychologie sich beschäftigt, sind Bestandteile der Geisteswissenschaften, die Methoden die der Naturwissenschaften (Panteos/Rojekt 2016, 76f).
Die Naturwissenschaften suchen nicht das Einzelne und Besondere, sondern das, was allen gemeinsam ist, und versuchen das Allgemeine, wie sich etwas immer verhält und welche Gesetzmäßigkeiten zugrunde liegen, zu finden. Das Interesse der Wissenschaftler*innen liegt nicht am einzelnen Objekt, das Objekt selbst hat keinen wissenschaftlichen Wert. Das Interesse liegt an ihm als Vertreter einer Gattung, die untersucht werden soll, und es sind die Merkmale von Bedeutung, die allen Objekten dieser Gattung gemeinsam sind (vgl. Panteos/Rojekt 2016, 80).
Die empirischen nichtnaturwissenschaftlichen Disziplinen, die als Geisteswissenschaften bezeichnet werden, wollen das einzelne, das besondere, zeitlich begrenzte Ereignis beschreiben. Hierzu gehören Personen, Taten, Völker, aber auch Sprachen, Religionen, Rechtsordnungen oder Kunstobjekte. Es interessiert das, was einmalig ist, dass etwas historisch ist. Die Interessen dieser Ereigniswissenschaften liegen auf dem, was einmal war, und diese Disziplinen können als historische Wissenschaften bezeichnet werden (vgl. Panteos/Rojekt 2016, 77).
Windelband führt für die Unterscheidung der beiden Varianten des wissenschaftlichen Denkens die Begriffe ‚nomothetisch‘, für die Suche des Allgemeinen und Gesetzmäßigen, und ‚idiographisch‘, für die Suche nach dem Einmaligen und Historischen, ein (Panteos/Rojekt 2016, 78). Hierbei handelt es sich um eine epistemologische Unterscheidung, an dem, was die Interessen der Wissenschaftsdisziplinen sind, die Unterscheidung beinhaltet keine inhaltliche Differenzierung. Es liegt also ein Methoden-Dualismus vor.
Windelband klassifiziert die Wissenschaften im Hinblick auf deren Absichten und Ziele. Aus der Einteilung leitet er drei Folgerungen ab. Erstens muss die Einteilung nicht mit gängigen Arbeitsteilungen zu den Wissenschaftsdisziplinen übereinstimmen, da die Einteilung nicht auf methodischen Überlegungen, sondern auf Erkenntnisinteressen begründet ist. Zweitens kann jeder beliebige Gegenstand sowohl naturwissenschaftlich als auch geschichtswissenschaftlich untersucht werden, da die Unterscheidung nomothetisch und idiographisch auf verschiedene Erkenntnisformen und nicht auf Inhalte begründet ist, und drittens ist die Unterscheidung relativ. In der Naturwissenschaft bspw. werden Organismen einerseits als Exemplar einer Gattung, einer Spezies angesehen und es wird nach Allgemeinem und nach Gesetzmäßigkeiten gesucht. Andererseits kann es sich auch um ein einzigartiges Exemplar handeln, das im Evolutionsprozess eine Besonderheit darstellt (vgl. Oakes 1990, 52).
In einer Hinsicht ist dieses Gegensatzpaar jedoch nicht relativ. Die Verfahren zur Erkenntnisgewinnung schließen sich gegenseitig aus, d. h., eine Untersuchung kann nicht gleichzeitig ein nomothetisches und ein idiographisches Erkenntnisinteresse zum Gegenstand haben, was nicht ausschließt, dass beide Interessenbereiche zum Gegenstand werden können. Beide Erkenntnisinteressen sind unabhängig und stehen nebeneinander, das Allgemeine und die Ereignisse bleiben inkommensurable Größen (vgl. Oakes 1990, 53).
Wilhelm Windelband vertritt in Geschichte und Naturwissenschaft die Auffassung, dass etwas nur dann einen Wert besitzen kann, wenn es einzigartig und besonders und in seiner Individualität unvergleichlich ist. Windelband entlehnt den Begriff der Werte des Individuellen aus der christlichen Theologie, dass der christlichen Vorstellung nach die Schöpfung, der Sündenfall und das Leben Christi einzigartig und mit nichts zu vergleichen sind (vgl. Oakes 1990, 50). Für ihn benötigen Werte einen eindeutigen, konkreten Bezug, nur darin liegt in seinen Augen das Interesse an Ereignissen und Erscheinungen. Sobald wir merken, dass etwas ein Fall unter vielen ist, verlieren wir das Interesse daran und es ist historisch nicht mehr interessant (vgl. Oakes 1990, 50).
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