Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit beschäftigt sich – in Anbetracht des hohen Integrationsgrades im europäischen Kontext – mit den Kooperationsgewinnen und Transaktionskosten, welche Liechtenstein zur Teilnahme am EWR bewegt haben. Eine Mehrheit von 55,8% aller Landesbürger*innen stimmten am 13. Dezember 1992 für die EWR-Teilnahme, obwohl die Schweiz als wichtigster Partner derselben Vorlage eine Woche zuvor mit 49,7% eine Absage erteilte.
Der Beitritt Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Jahr 1995 repräsentiert den wohl weitreichendsten Schritt im europäischen Integrationsprozess des Kleinstaats. Dieser bildet – ähnlich wie der aus dem Jahr 1923 stammende Zollanschlussvertrag mit der Schweiz – eine Abgabe wesentlicher Hoheitsrechte in den Bereichen Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik. Im Gegensatz zum Zollvertrag zeichnet sich der EWR durch seine supra-nationalen Institutionen aus, welche mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) den europäischen Binnenmarkt teilweise vervollständigt. Interessant scheint diesbezüglich der autonome Entscheidungsspielraum Liechtensteins, welcher bereits vor dem EWR-Beitritt 1995 durch eine Vielzahl bilateraler Verträge mit der Schweiz wesentlich eingeschränkt wurde.
In diesem Zusammenhang soll weiter klargestellt werden, dass die Abgabe von nationalen Hoheitsrechten an internationale Organisationen (bzw. Schweizer Behörden im Falle des Zollvertrags FL-CH) aufgrund struktur- und kostensparender Bestrebungen erfolgt ist. Das Nationalstaatensystem nach westphälischem Modell entspricht nicht mehr der heutigen Realität, wo doch Wirtschafts- oder Sicherheitspolitiken im Besonderen einer Koordination bedürfen. Die Formierung in gemeinsamen Institutionen kann die Aufgabe dieser Koordination damit sinnvoller wahrnehmen, um etwa Homogenität unter den (durch eine Union verbundenen) Staaten anzustreben, welche wiederum von effizienteren Entscheidungsprozessen profitieren können. Weiters können bestimmte Entwicklungen, etwa in den Bereichen Umwelt, Digitalisierung oder Finanzen, besser miteinander abgestimmt werden, obwohl die Veränderung bzw. Verhinderung von Entwicklungsprozessen dadurch nicht vollständig durchgesetzt werden können.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einführung
- II. Interdependenz-Ansatz
- III. Perspektive eines EWR-Anschlusses
- A. Transaktionskosten
- B. Kooperationsgewinne
- C. Souveränität
- IV. Beurteilung
- V. Schlussbemerkungen
- VI. Quellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Beitritt Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Jahr 1995, den wohl weitreichendsten Schritt in der europäischen Integration des Kleinstaates. Sie analysiert die Gründe für die EWR-Teilnahme, insbesondere im Hinblick auf die damit verbundenen Kooperationsgewinne und Transaktionskosten. Dabei werden die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen vor und nach dem Beitritt unter Berücksichtigung des Interdependenz-Ansatzes beleuchtet.
- Kooperationsgewinne und Transaktionskosten des EWR-Beitritts
- Interdependenz Liechtensteins und dessen Auswirkungen auf die Aussenpolitik
- Analyse der EWR-Teilnahme im Kontext des Interdependenz-Ansatzes von Joseph S. Nye
- Die Rolle von Souveränität und nationalen Hoheitsrechten im Interdependenz-Zeitalter
- Der Einfluss des EWR-Beitritts auf die liechtensteinische Politik und Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einführung
Die Einleitung stellt den EWR-Beitritt Liechtensteins 1995 als einen bedeutenden Schritt im europäischen Integrationsprozess des Kleinstaates dar. Sie erläutert den Zusammenhang mit früheren Abkommen wie dem Zollanschlussvertrag mit der Schweiz und hebt die Besonderheiten der supranationalen Institutionen des EWR hervor. Zudem wird die Abgabe von nationalen Hoheitsrechten im Kontext der Interdependenztheorie und des Wandels des Nationalstaatensystems nach dem westphälischen Modell diskutiert. Die Arbeit fokussiert auf die Kooperationsgewinne und Transaktionskosten, welche Liechtenstein zur EWR-Teilnahme bewogen haben. Die zentralen Forschungsfragen betreffen die Gründe für die EWR-Teilnahme, die damit verbundenen Kooperationsgewinne und die Reduzierung bestehender Transaktionskosten.
II. Interdependenz-Ansatz
Dieses Kapitel erläutert den Interdependenz-Ansatz von Joseph S. Nye, der die Bedeutung von zwischenstaatlichen Beziehungen und externen Einflüssen für die aussenpolitische Kooperation betont. Es wird argumentiert, dass Interdependenzen zu asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnissen führen, welche sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Staaten darstellen. Die Arbeit untersucht die Situation Liechtensteins als Kleinstaat mit begrenzten Kapazitäten und Ressourcen, der auf Kooperationen mit seinen Nachbarstaaten angewiesen ist. Die besondere Bedeutung des Prinzips „ein Land – eine Stimme“ für Kleinstaaten im Kontext des Multilateralismus wird hervorgehoben.
III. Perspektive eines EWR-Anschlusses
Dieses Kapitel befasst sich mit den spezifischen Herausforderungen und Chancen, die sich für Liechtenstein aus dem Beitritt zum EWR ergeben. Es analysiert die Abgabe von nationalen Hoheitsrechten und die damit verbundenen Transaktionskosten. Zudem werden die potenziellen Kooperationsgewinne und der Einfluss auf die liechtensteinische Souveränität beleuchtet. Der Interdependenz-Ansatz dient als analytisches Werkzeug, um die Auswirkungen des EWR-Beitritts auf die liechtensteinische Politik und Gesellschaft zu untersuchen.
Schlüsselwörter
EWR-Beitritt, Liechtenstein, Interdependenz, Kooperationsgewinne, Transaktionskosten, Souveränität, Kleinstaat, Aussenpolitik, europäische Integration, Multilateralismus, nationale Hoheitsrechte, supranationale Institutionen, Joseph S. Nye.
- Arbeit zitieren
- Florian Ramos (Autor:in), 2020, Transaktionskosten und Kooperationsgewinne des Beitritts Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1256300