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Hausarbeit, 2022
28 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Begriffserklärung
2.1 Soziale Bewegungen
2.2 Protest- undAktionsformen
2.3 (Protest-) Mobilisierung
3. Identitäre Bewegung Deutschland (IBD)
3.1 Entstehung der IBD
3.2 Ideologie
3.3 Netzwerke
4. TheoretischeAnnahmen des Ressourcenmobilisierungsansatzes (RMA)
4.1 Grundlagen desRessourcenmobilisierungsansatzes (RMA)
4.2 Protestbewegungen als „Bewegungsindustrie“
4.3 Motivierung und Mobilisierung -von Sympathisantinnen
5. Analyse öffentliches Auftreten der IBD
5.1 Protestaktionen
5.2 Massenmedien und soziale Netzwerke
5.3 Bewegungsorganisation
5.4 Gelegenheitsstrukturen
5.5 Ergebnis derAnalyse
6. Fazit
Literaturverzeichnis
„Wann bist du dabei?“ steht in großen Lettern neben dem Imagefilm der Identitären Bewegung auf der Internetseite derjungen Protestbewegung.
Auf Plattformen wie Youtube wirbt die Bewegung, welche der Szene der Neuen Rechten zugeordnet werden kann, mit provokanten Aktionen, wie dem Besteigen und Behängen des Brandenburger Tors, dem Chartern eines Bootes im Mittelmeerraum, um Geflüchtete und NGO-Schiffe zu stoppen, dem Ankleiden einer Statue von Maria Theresia mit einer riesigen Burka und dem Stürmen von Vorlesungen an Universitäten, welche Themen wie Migration und Asyl behandeln.
Der eingetragene Verein bekommt durch Aktionen wie diese ein hohes Maß an medialer Aufmerksamkeit.
Auffällig ist, dass die Identitäre Bewegung, anders als vergleichbare Protestbewegungen, besonders viel Arbeit in ihre Öffentlichkeitsarbeit auf sozialen Netzwerken investiert. Neben der Präsenz auf Youtube und dem stark in der Kritik stehenden Messenger Dienst Telegram betreibt die Bewegung auch eine eigene Internetseite, auf welcher Imagefilme, Videos von Aktionen und Veranstaltungen, sowie ein eigener Online-Shop mit Merchandise-Artikeln zu finden sind. Dabei verfolgt die Protestbewegung durchgängig ein jugendliches Auftreten.
Da die Identitäre Bewegungen trotz ihrer menschenfeindlichen, islamphobischen und rassistischen Ideologie hohe Zuschauerzahlen auf YouTube und anderen sozialen Netzwerken vorzuweisen hat, leitet sich folgende Fragstellung ab: Wie schafft es die identitäre Bewegung in Deutschland seit 2014 durch ihr öffentliches Auftreten Sympathisanten und Anhänger zu mobilisieren?
Zu Beginn steht die These, dass die Bewegung ihre Mobilisierung vor allem auf die junge Bevölkerung ohne Migrationshintergrund abzielt. Ihrjugendliches Auftreten und ihre kreativen und provokanten Protestaktionen sprechen eine Vielzahl junger deutsche Bürgerinnen an. Dabei spielt die öffentliche Arbeit der IBD eine tragende Rolle, da sie durch ihre Präsenz im Internet und das Betreiben einer eigenen Website hohe Zuschauerzahlen generieren können. Ferner steht die Vermutung, dass neben der Öffentlichkeitsarbeit der Bewegung auch Gelegenheitsstrukturen der BRD die Rekrutierung von Anhängerinnen vereinfacht haben könnten. Zu diesen Gelegenheitsstrukturen könnten beispielsweise die Flüchtlingskrise, islamische Terroranschläge in Europa und die Corona-Pandemie fallen.
Für die Bearbeitung meiner Fragestellung werde ich wie folgt vorgehen:
Zuerst erfolgt die Klärung von Begriffen, welche für meine Hausarbeit essentiell sind, wie soziale Bewegungen, Protestformen und Protestmobilisierung. Darauf folgt eine Skizzierung der Identitären Bewegung, wobei ich unter anderem auf die Entstehungsgeschichte der Bewegung, ihre Ideologie und Netzwerke eingehen werde.
In dem darauffolgenden Kapitel werden die theoretischen Annahmen meiner Hausarbeit beleuchtet. Hinsichtlich dessen werde ich mich mit dem Ressourcenmobilisierungsansatz auseinandersetzten, da dieser zu den renommiertesten Erklärungsansätze hinsichtlich der Entstehung, der zugrundeliegenden Dynamik und dem Erfolg von Protestbewegungen zählt. Bevor ich ein abschließendes Fazit verfasse, werde ich in meinem vorletzten Kapitel das öffentliche Auftreten der IBD analytisch begutachten und zu der Beantwortung meiner Fragestellung kommen.
Um die theoretische Tragweite der Arbeit nachvollziehen zu können, ist es zunächst wichtig, Definitionen von thematisch essentiellen Begriffen vorzunehmen.
Die definierten und fachlich wertvollen Begrifflichkeiten werden im Folgenden im Fokus stehen.
Als soziale Bewegungen werden in den Sozialwissenschaften Netzwerke von Gruppen bzw. Organisationen bezeichnet, welche sich auf eine kollektive Identität stützen (vgl. Rucht, 2017, S.ll).
Um als soziale Bewegung charakterisiert zu werden, wird ein gewisser Grad der Kontinuität des Protestgeschehens vorausgesetzt.
Ferner stellen soziale Bewegungen einen Anspruch an die Mitgestaltung des gesellschaftlichen Wandels und möchten auf die (vermeintliche) unangemessene Berücksichtigung politischer Interessenslager aufmerksam machen.
Soziale Bewegungen zielen folglich auf eine Veränderung hinsichtlich sozialer oder politischer Verhältnisse ab, welche vom Kollektiv als unzumutbar oder ungerecht beurteilt werden (vgl. Zwick, 1990, S. 25).
Mitglieder*innen von sozialen Bewegungen versuchen in der Öffentlichkeit durch unterschiedliche Protest- und Aktionsformen Botschaften und Visionen zu vermitteln, welche häufig eine politische Ausrichtung aufweisen (vgl. Roth, 2008, S. 14/15).
Protest- bzw. Aktionsformen sind das Instrument sozialer Bewegungen, um gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu generieren und ihre Botschaften bzw. ihre Forderungen öffentlich kundzutun.
Zu den bewährten Grundmustern gehören Protestformen, wie Kundgebungen, Märsche, Streiks, Resolutionen, Petitionen und Störaktionen (vgl. Rucht, 2017, S. 18).
Auch wenn diese Formen des Protestes als Kernelemente der Protestbewegungen bezeichnet werden können, haben sich durch die Modernisierung und Digitalisierung der Bewegungslandschaft eine Vielzahl von neuen Aktionsformen etabliert.
Beispielsweise führen soziale Bewegungen seit den letzten Jahren vermehrt Besetzungen von Plätzen oder Gebäuden, Mahnwachen, Boykotts oder schwere Sachbeschädigung durch (vgl. Rucht, 2017, S. 18).
Ferner ist zu beobachten, dass soziale Bewegungen häufig mehrere Protestformen zeitgleich praktizieren.
Die mediale Aufmerksamkeit von Protest- bzw. Aktionsformen sozialer Bewegungen variiert je nach Körpereinsatz, Symbolik, Ortswahl und Zeitpunkt (vgl. Rucht, 2017, S. 20).
Gemäß der zu behandelnden Fragestellung dieser Arbeit liegt der Begriff der Portestmobilisierung folgender thematisch spezifischer Definition zu Grunde:
Unter Protest-Mobilisierung wird im Kontext dieser Arbeit die erfolgreiche Generierung von Sympathisantinnen und Mitgliederinnen einer sozialen Bewegung verstanden.
Die Sympathisantinnen und Mitgliederinnen können beispielsweise durch öffentliche Protestaktionen, die Ideologie der Bewegung oder durch die jeweilige Protestkultur von der sozialen Bewegung überzeugt werden, welche zu einem gemeinsamen Handlungsrahmen der jeweiligen sozialen Bewegungen und ihrer Anhänger führt.
An dieser Stelle sei anzuführen, dass sich die Mobilisierungsform im Zuge der Digitalisierung stark gewandelt hat. Vor der Vernetzung von Individuen in sozialen Netzwerken wurden potenzielle Anhänger*innen über Kirchengemeinden, Gewerkschaften oder Freundeskreise angeworben (vgl. Baringhorst, 2017, S. 192). Seit den voranschreitenden Digitalisierungsprozessen haben sich die Rekrutierungsmanöver der Bewegungen in den digitalen Raum verschoben, da virtuell eine größere Masse von Menschen erreicht werden kann (vgl. Baringhorst, 2017, S. 192).
Da ein fundamentales Verständnis über die Entstehung der zugrundeliegenden Ideologie und der benutzen Aktionsformen der IBD unverzichtbar für das Verständnis des öffentlichen Auftretens der Bewegung ist, wird im Folgenden die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) genauer in Augenschein genommen.
Als Vorbild der IBD gilt die Génération identitair, eine Bewegung welche hauptsächlich in Frankreich aktiv ist und seit ihrem Erscheinen zahlreiche Ableger in anderen Ländern, wie Österreich, Italien, Schweden und Deutschland hervorgebracht hat.
Der organisatorische Ursprung des französischen Vorbilds befindet sich in der ehemaligen französischen Partei Unité radical. Diese scheiterte bei der Durchführung eines Attentats auf den damaligen französischen Präsidenten Jaques Chrirac in dem Jahr 2002. Infolgedessen ergriff der französische Staat Maßnahmen gegen die extremistische Partei und verbot diese in demselben Jahr (vgl. Speit, 2018, S. 45). Aufgrund des Verbots der Partei Unité radical gründeten Sympathisanten und ehemalige Parteimitglieder*innen die Bewegung Génération identitair in dem Jahr 2012 (vgl. Speit, 2018, S. 45).
Nach der Veröffentlichung des „Kriegserklärungs“- Videos der Génération identitair auf dem sozialen Netzwerk Youtube in dem Jahr 2012 etablierten sich auch im deutschen Raum die ersten Gruppierungen der Identitären Bewegung (vgl. Bruns, 2014, S. 68). Das französische Original-Video wurde mit deutschen Untertiteln unterlegt und auf sozialen Netzwerken, wie Youtube verbreitet, wo es auch 10 Jahre später noch zu finden ist. Das Video erfreute sich trotz der eindeutigen Beinhaltung nationalistischen Gedankenguts großer Beliebtheit.
Als Impuls für die spektakulären Aktionsformen der IBD gilt die Moscheebesetzung in Poitiers (Frankreich) in demselben Jahr (vgl. Bruns, 2014, S. 68). Inspiriert durch diese Aktion der „Mutterbewegung“ aus Frankreich starteten kleine Gruppen von Aktivistinnen mehrere Aktionen in Frankfurt am Main. Zu diesen Aktionen zählt beispielsweise das Stören einer Stadtbibliothek, welche eine Veranstaltung mit dem Thema Multikulturalismus veranstaltete. Mehrere Aktivistinnen mit Guy Fawkes und Scream-Masken störten die Veranstaltung mit lauter Hardbass Musik und dem Tragen von Schildern, auf welchen das Lambda Symbol, das Kürzel IBD und Parolen wie „Multikulti wegbassen“ geschrieben stand (vgl. Bruns, 2014, S. 68).
Nach diesen Aktionen erfolgte dann das erste offizielle Treffen der IBD am 01.12.12, bei welchen unter anderem Konzepte erarbeitet werden sollten, wie Aktionen und die reale Erscheinung derBewegung durchgeführt werden sollen (vgl. Bruns, 2014, S. 68).
Im Mai 2014 folgte dann die offizielle Gründung des Vereins „Identitäre Bewegung Deutschland e. V.“ bei dem AmtsgerichtPaderbom (vgl. Bücker, 2020, S. 337).
Führungsfigur ist seit dem Eintrag des Vereins Martin Sellner. Der 1989 in Wien geborene studierte Philosoph gilt als Kopf der IBD und veröffentlichte 2018 das Buch „Identitär! Geschichte eines Aufbruchs“, in welchem er die Geschichte, die Erfolge und die Motive der IBD aufzeigt (vgl. Bücker, 2020, S. 339).
Gemäß dem Namen der Identitären Bewegung Deutschlands möchte die Bewegung auf einen vermeintlichen Identitätsverlust des deutschen Volkes aufmerksam machen. Mit dieser Aussage bezieht sich die Bewegung auf die junge, deutsche Generation ohne Migrationshintergrund (vgl. Bruns, 2014, S. 56).
Die Weltvorstellung der Bewegung ist folglich von einer nationalistischen Denkweise geprägt, bei welcher die Nation, nach völkisch-kulturalistischer Definition, das höchste Gut ist, welches geschützt werden müsse.
An dieser Stelle sei anzuführen, dass die IBD ein homogenes Volk anstrebt, welches sich durch eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Bewusstsein der Zusammengehörigkeit auszeichnet. Menschen, welche „fremd“ sind und andere Kulturen sowie Sprachen in die deutsche Gesellschaft einfließen lassen, werden als Gefahr und Bedrohung des deutschen einheitlichen Volkes angesehen. Ferner werden Bürgerinnen mit einer politischen Gesinnung im linken Spektrum als Bedrohung und „Vaterlandslose“ angesehen, da diese ein fehlendes Bewusstsein der Zusammengehörigkeit des deutschen Volkes aufweisen (vgl. Bruns, 2014, S. 164).
Hier ist außerdem die Tatsache aufzugreifen, dass Angst, Krisen und Dekadenz wichtige Motive der IBD darstellen. Die Kultur sei, nach Auffassung der IBD, ein immerwährendes und unveränderbares Gut, welches idealerweise durch eine globale Apartheit der Menschheit geschützt werden könne.
Die Begriffe Kultur und Ethnie werden in dem Jargon der IBD und der Neuen Rechten im Allgemeinen defmitionsgemäß gleichgesetzt mit dem Begriff der „Rasse“ (vgl. Bruns, 2014,S. 165).
Die Ideologie der IBD kann folglich als ethnopluralistisch identifiziert werden.
Ethnopluralismus wird ferner als moderne Form des Rassismus bezeichnet und beinhaltet das Verständnis, dass das Aufeinandertreffen und die Kreuzung unterschiedlicher Kulturen die Ursache für globale Konflikte darstellen. Für die westliche und insbesondere die deutsche Kultur seien muslimische Einwander*innen die Hauptfeinde, welche es zu bekämpfen gelte (vgl. Bruns, 2014, S. 174).
Die Forderungen der IBD richten sich demnach gegen eine multi-, inter- oder transkulturelle und pluralistische Gesellschaftin derBundesrepublikDeutschland (vgl. Bruns, 2014, S. 175). Ferner spricht sich die IBD gegen Homosexualität, gegen Feminismus und für ein negatives Menschenbild aus (vgl. Bruns, 2014, S. 167-174).
In Anlehnung an die Forderungen der IBD ist anzuführen, dass die Bewegung eine „Remigration“ oder einen Stopp des „großen Austausch“ fordert. Mit diesen Forderungen ist schlicht und ergreifend der Wunsch nach nationaler Apartheit gemeint. Die „Fremden“ sollen des deutschen Staates verwiesen werden und das „richtige“ deutsche Volk soll sich in seinem Land wieder frei vonjeglicher Bedrohung entfalten können (vgl. IB Deutschland, 2022a). Angesichts der Regierungsform des deutschen Staates sieht die IBD den Parteienstaat, im Kontext des Identitätsverlustes, als Grund für die Spaltung des Volkes gesehen wird. Aus der Sicht der IBD sollten an der Spitze der Regierung Personen stehen, welche im Sinne des Wohls der Nation und des echten deutschen Volkes handeln. Zudem bedürfe es nach der Auffassung der IBD einer starken Exekutive, um Gefährdungen der deutschen Nation schnell und effizient entgegenwirken zu können (vgl. Bruns, 2014, S. 166).
Dass die Identitären Bewegungen in verschiedenen Ländern, wie Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich miteinander kooperieren und enge Verbindungen unter den jeweiligen Ablegern bestehen ist kein Geheimnis.
Dass die IBD Verbindungen zu anderen rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteuren in Deutschland aufweist, bedarfjedoch einer genaueren in Augenscheinnahme.
Somit besteht eine enge Verbindung zwischen der IBD und der rechtspopulistischen Partei AfD. Gleichwohl die AfD seit dem Beschluss des Bundesvorstands im Jahr 2017 jegliche Verbindungen zur IBD abstreitet, sind die Verflechtungen dieser beiden rechten Akteure nicht zu leugnen (vgl. Zeit online, 2017), da immer wieder Vorsitzende der Jungen Alternative auf Demonstrationen derIBD gesichtet werden (vgl. Baeck, 2018, S. 107).
Des Weiteren agieren Mitglieder*innen der IBD des Öfteren als Wahlhelfer*innen für die AfD. Auch den Bundestagsabgeordneten der AfD wird eine enge Verbindung zu der IBD nachgesagt, da mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten enge Kontakte in das Neue Rechte Milieu pflegen sollen. Mehrheitlich davon zu der IBD (vgl. Baeck, 2018, S. 112).
Diese enge Verzahnung der rechten Bewegung und der AfD bietet der IBD vor allem einen wichtigen Zugang zu finanziellen Ressourcen, geheimen Informationen und die Möglichkeit der Einflussnahme auf die politische Arbeit im Bundestag (vgl. Baeck, 2018, S. 112).
Ferner pflegen Mitglieder*innen der IBD Kontakte zur mittlerweile verbotenen Pro-Bewegung oder bieten ihre Arbeitskraft als Wahlhelfer*innen für die NPD an (vgl. Bruns, 2014, S. 71/72).
Neben der Verbindung zu politischen Akteuren ist an dieser Stelle auch die Überschneidung zu rechtsextremen und rechts-konservativen Medien anzuführen.
Die IBD verbreitet Artikel des Jugendmagazins „Blaue Narzisse“ und der Wochenzeitung „Jungen Freiheit“ (vgl. Bruns, 2014, S. 73). Von Politikwissenschaftler*innen werden diese Medien als rechtsextrem eingestuft.
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