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Hausarbeit, 2020
20 Seiten, Note: 1,0
1 Einleitung
2 Krankheitsbild Schlaganfall
2.1 Epidemiologie eines Schlaganfalls
2.2 Begriffsdefinition und Ursachen des Schlaganfalls
2.3 Therapie eines Schlaganfallpatienten
2.4 Versorgungssituation der Patienten
3 TEMPiS-Telemedizinisches Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung
3.1 Aufkommen von TEMPiS
3.2 Entwicklung von TEMPiS
4 Nutzen von TEMPiS
4.1 Für den Schlaganfallpatienten
4.2 Für das Gesundheitswesen
5 Zusammenfassung
6 Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Todesursachenstatistik weltweit
Abbildung 2: Anfänge von TEMPiS (von links: 2002, 2003 und 2015)
Abbildung 3: Netzwerk von TEMPiS
Abbildung 4: Anteil an Lysetherapien durch TEMPiS
Abbildung 5: Vergleich von TEMPiS-Kliniken und Krankenhäusern ohne Anbindung an das Netzwerk
Derzeit erkranken in Deutschland jährlich circa 250.000 Menschen an einem Schlaganfall (Redaktion Deutsches Ärzteblatt, 2019). Zudem ist er die häufigste Ursache für Pflegebedürftigkeit, sowie eine Behinderung im Erwachsenenalter und nimmt aufgrund des demografischen Wandels an Bedeutung zu (Schubert & Lalouschek, 2011). Erleidet ein Patient einen Schlaganfall kommt es in der Anfangsphase auf jede Minute an. Jedoch kann aufgrund personeller Engpässe der Ärzteschaft, vor allem in ländlichen Gebieten, eine umfassende medizinische Versorgung der Patienten nicht sichergestellt werden und stellt das Gesundheitswesen vor ein Problem. Nicht in jedem Krankenhaus stehen genügend Neurologen zur Verfügung, welche die Spezialisten auf dem Gebiet der Gehirnerkrankungen sind. Die Folge ist die Betreuung der Patienten von Ärzten aus anderen Fachrichtungen. Vor allem kleinere ländliche Krankenhäuser profitieren nicht in vollem Umfang von einer neurologischen Abteilung mit angrenzender Überwachungsstation (Stroke Unit). Aus solch einer Knappheit an Spezialisten vor Ort resultieren eine unzureichende Versorgungsqualität, sowie eine mangelhafte Therapie der Schlaganfallpatienten. Die Konsequenz eines falschen Behandlungsansatzes können gravierende Folgeschäden sein, wie beispielsweise dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen. Aus den Begleiterscheinungen des Schlaganfalls ergeben sich soziale und wirtschaftliche Probleme. Zum einen medizinische Behandlungen, welche mit einem gezielten Versorgungsprozess hätten umgangen werden können und eine Zunahme an Gesundheitskosten nach sich ziehen (Völkel, Hubert & Haberl, 2017). Zum anderen hat eine körperliche Beeinträchtigung enormen Einfluss auf das weitere Leben des Patienten und dessen Angehörige (Wolf & Nilsen, 2017).
Resultierend aus dem Versorgungsdefizit wurde 2003 das Telemedizinische Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung, auch TEMPiS genannt, gegründet. Mithilfe dieses Projekts sollen kleinere, ländliche Kliniken mit einer Knappheit an Ärzten in diesem Bereich unterstützt werden. TEMPiS bietet eine Onlinezuschaltung qualifizierten Personals direkt an das Krankenbett, welches sich nicht in unmittelbarer Nähe der Spezialisten befindet. Das bedeutet, dass Personal vor Ort wird von der Erhebung der Diagnose, über die Auswertung der Computertomographiebilder bis hin zur Auswahl einer gezielten Therapie begleitet. Dieses Verfahren soll sowohl für den Schlaganfallpatienten einen großen Nutzen darstellen als auch für das Gesundheitswesen (Völkel et al., 2017).
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie groß der Nutzen und die Möglichkeiten für die Schlaganfallpatienten und das Gesundheitswesen sind, welche sich aus TEMPiS ergeben. Nach einer kurzen Definition des Schlaganfalls und dessen Epidemiologe, werden die Ursachen, ebenso wie die Therapie näher erläutert. Anschließend wird die derzeitige Versorgungssituation der Patienten in Deutschland und das Aufkommen, als auch die Entwicklung von TEMPiS dargestellt. Mithilfe der Vorstellung von TEMPiS wird im darauffolgenden Kapitel der Nutzen für die Patienten und das Gesundheitswesen, welcher sich aus dem Projekt ergibt, aufgezeigt. Anhand der vorhergehenden Betrachtung der Umstände und Vorteile soll abschließend eine Schlussfolgerung verdeutlichen, wie groß der Nutzen und die Möglichkeiten für die jeweilige Personengruppe ist.
Damit eine umfassende Betrachtung erfolgen kann, ob TEMPiS einen großen Nutzen für die Patienten und das Gesundheitswesen darstellt, müssen zunächst die Epidemiologie des Schlaganfalls und die bisherigen Therapiemethoden, sowie die derzeitige Versorgungssituation der Patienten beleuchtet werden. Im Folgenden wird das Krankheitsbild Schlaganfall näher bestimmt. Bei einem Schlaganfall handelt es sich um eine plötzlich aufgetretene Mangeldurchblutung im Gehirn, wodurch es zu einer Minderversorgung an Sauerstoff, sowie Nährstoffen kommt und die Zellen Gefahr laufen abzusterben. Der Schlaganfall ist ein Krankheitsbild, welches in jeder Phase des Lebens auftreten kann und unabhängig des Alters ist. In den meisten Fällen sind jedoch ältere Menschen davon betroffen (Schubert & Lalouschek, 2011).
Um das Risiko einer Schlaganfallerkrankung bewerten zu können, werden nachfolgend einige Daten zum Vorkommen des Krankheitsbildes betrachtet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zählt der Schlaganfall zu den häufigsten Todesursachen sowohl weltweit als auch in Deutschland (Redaktion Statistisches Bundesamt, 2020a). Anhand der Abbildung 1 lässt sich erkennen, dass jährlich circa 5,75 Millionen Menschen auf der ganzen Welt betroffen sind und er an zweiter Stelle der häufigsten Ursachen, welche zum Tod führen, gehört (Redaktion Statistisches Bundesamt, 2020b).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Todesursachenstatistik weltweit (Redaktion Statistisches Bundesamt, 2020b)
In Deutschland sind derzeit rund 250.000 Menschen jährlich betroffen und 2019 circa 10.702 Menschen an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben (Redaktion Statistisches Bundesamt, 2020c). 40% der Betroffenen, welche den Schlaganfall überleben, haben andauernde Beeinträchtigungen im Alltag und benötigen Hilfe bei pflegerischen Tätigkeiten (Robert Koch-Institut, 2017). Zudem wurde ermittelt, dass 6.025 Betroffene in die Altersklasse ab 80 Jahren fallen und 2.275 zwischen 80-85 Jahre alt sind. Daran lässt sich verdeutlichen, dass vorwiegend ältere Generationen an einem Schlaganfall erkranken (Redaktion Statistisches Bundesamt, 2020d). Angesichts des demografischen Wandels, welcher mit einer Alterung der Bevölkerung einhergeht, wird die Anzahl an Schlaganfallpatienten die nächsten Jahre weiter steigen und zu einer Zunahme dieses Krankheitsbildes führen (Redaktion Deutsches Ärzteblatt, 2008). Laut einer Bevölkerungsvorausberechnung könnte die Zahl an Apoplexerkrankten pro 100.000 Einwohner von 2007 bis 2050 um 94% zunehmen (Redaktion Statistisches Bundesamt, 2020e).
Das Aufzeigen der epidemiologischen Daten liefert einen Anhaltspunkt welcher Versorgungsbedarf infolge eines Schlaganfalls, sowie einer raschen demografischen Alterszunahme künftig auf das Gesundheitswesen zukommt und an welchen Stellen innerhalb des Behandlungsprozesses etwas verändert oder optimiert werden könnte. In diesem Zusammenhang ist es zunächst wichtig zu differenzieren, welche Art von Schlaganfall vorliegt, um die Therapie darauf anpassen zu können.
Für den Begriff Schlaganfall werden synonym in der deutschen und englischen Sprache verschiedene Fachwörter verwendet. Dazu zählen beispielsweise Insult, Hirnschlag, Apoplex oder Stroke. Er kann in verschiedenen Formen vorliegen, als auch unterschiedliche Ursachen und Folgen haben. Diese sind abhängig von Ort und Ausmaß, sowie der Gehirnregion, welche betroffen ist. Hierbei wird zwischen drei Auslösern differenziert, wobei nachfolgend lediglich auf die beiden Hauptursachen eines Schlaganfalls eingegangen werden soll (Schubert & Lalouschek, 2011).
Der ischämische Schlaganfall oder auch Hirninfarkt entsteht durch einen sogenannten Verschluss des Gefäßes, welcher aufgrund eines Blutgerinnsels ausgelöst wurde. Das Gerinnsel bildet sich zunächst an einer anderen Stelle des Körpers (z.B. im Herzen), wird anschließend durch die Blutbahnen ins Gehirn gespült und verstopft dort ein Gefäß, welches den akuten Hirnschlag auslöst (Paulus, Reimers & Steinhoff, 2000). Bei einer längeren Unterversorgung des Gehirnareals sterben Zellen ab und führen entweder vorübergehend oder dauerhaft zu körperlichen Beeinträchtigungen. Eine Minderdurchblutung des Gehirns ist in 80- 85% aller Fälle der Auslöser und stellt somit die häufigste Form des Schlaganfalls dar (Robert Koch-Institut, 2018). Die zweithäufigste Form ist der hämorrhagische Schlaganfall oder Hirnblutung (15%). Hierbei liegt der wesentliche Unterschied zum ischämischen Typ in der Entstehung des Hirnschlags. Er wird durch eine Blutung im Gehirn verursacht, welche infolge eines geplatzten Gefäßes aufgetreten ist. Die Blutung breitet sich in benachbarte Regionen des Gehirns aus und führt dort zu einer Schädigung (Schubert & Lalouschek, 2011).
Ausschlaggebend für die Zuordnung der Symptome ist die betroffene Region im Gehirn. Sie reichen von Sprach- und Sehstörungen, zu Lähmungserscheinungen oder Gefühlsstörungen einer Körperhälfte. Ob die Symptome dauerhafter oder vorübergehender Natur sind und wie viele Nervenzellen verloren gehen, ist abhängig von der Dauer des Gefäßverschlusses. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, schnell zu handeln und medizinische Versorgung zu erhalten. Bei diesem Krankheitsbild gilt der Leitsatz „Zeit ist Hirn“ (Eschenfelder, Zeller & Stingele, 2006). Zum momentanen Zeitpunkt gibt es unterschiedliche Ansätze zur Behandlung eines Schlaganfalls, welche im Nachfolgenden näher betrachtet werden.
Treten plötzlich Symptome egal welcher Art auf, gilt es sofort zu handeln. Hierbei ist es vorerst nicht vordergründig ob ein ischämischer oder hämorrhagischer Insult vorliegt. Beide haben eine Parallele und das sind die neurologischen Anzeichen in der Akutphase. Einen ersten Hinweis können plötzlich auftretende Sprachstörungen, Halbseitenlähmungen oder heftige Kopfschmerzen, sowie Gleichgewichtsprobleme liefern. In diesem Fall ist es wichtig, bereits vor der Einweisung in ein nahegelegenes Krankenhaus Maßnahmen zu ergreifen. Ein sofortiges Rufen des Notarztes durch die Angehörigen und eine schnelle Einweisung in ein Krankenhaus sind elementar. Auf dem Weg dorthin wird vonseiten des Rettungsdienstes ein sogenannter FAST (face-, arms-, speech-, time-Test) durchgeführt. Der klinische Test und die damit verbundenen Fragen liefern eine genaue Beurteilung sowie Einordnung, ob ein Schlaganfall vorliegt. Patienten werden beispielsweise aufgefordert zu Lächeln, die Arme vorzuhalten oder einen einfachen Satz zu äußern. Werden in diesem Zusammenhang eine verwaschene Sprache, ein hängender Mundwinkel oder ähnliche Symptome des Patienten ermittelt ist der Verdacht eines Schlaganfalls bestätigt und die Aufnahme im Krankenhaus wird schneller durchlaufen (Brinkmeier, 2020a). In der Klinik wird zunächst eine gründliche Untersuchung des Betroffenen durchgeführt. Ergibt sich daraus ein Hinweis auf einen akuten Hirnschlag können weitere Maßnahmen, wie beispielsweise eine Computertomographie (CT) des Kopfes oder Blutabnahmen, eingeleitet werden. Mittels des CT erfolgt eine Differenzierung, welche Art von Schlaganfall vorliegt (Küpper, Heinrich, Müller, Feil & Kellert, 2019).
Ist die Diagnose sichergestellt, hängt die weitere Behandlung davon ab, ob der Apoplex durch eine Blutung oder einen Verschluss entstanden ist. Bei einem hämorrhagischen Insult ist die Therapiewahl etwas einfacher, da in jedem Fall eine zügige Indikationsstellung hinsichtlich einer Operation erfolgen muss, welche die Blutung im Gehirn stillt (Diener, 2004). Infolge eines ischämischen Hirnschlages (Verschluss), auf welchen nachfolgend ausschließlich eingegangen werden soll, steht die kontrollierte Gabe von blutverdünnenden Medikamenten im Vordergrund. Durch die sogenannte Thrombolyse oder Lysetherapie können Verschlüsse (Blutgerinnsel) der Blutgefäße im Gehirn aufgelöst werden. Neben der Medikamentengabe besteht außerdem die Möglichkeit mittels eines Katheter-Verfahrens die Verstopfung des Blutgefäßes direkt am Ort des Geschehens zu beseitigen. Diese mechanische Methode wird in der Fachsprache auch als Thrombektomie oder Rekanalisation bezeichnet und führt in vielen, auch schweren Fällen zum Erfolg. Aufgetretene Begleiterscheinungen können vermieden bzw. reduziert und das Überleben des Patienten gesteigert werden (Küpper et al., 2019).
Allerdings spielt bei diesen Verfahren die Zeit eine wichtige Rolle, da die Chance einer vollständigen Auflösung des Blutgerinnsels innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach dem Beginn der Symptome am größten ist (Küpper et al., 2019). Der Spruch „Time is Brain“ wird häufig in Zusammenhang mit dem Krankheitsbild gebracht und verdeutlicht, dass vor allem in der Anfangsphase des Schlaganfalls jede Minute zählt und es sich hierbei um einen akuten Notfall handelt. Je schneller eine gezielte Behandlung des Patienten stattfindet, desto weniger Gewebe stirbt ab und umso wahrscheinlicher sind seine Hei- lungs- bzw. Überlebenschancen. Ein mögliches Auftreten von andauernden Folgeerscheinungen kann mithilfe einer effizienten Versorgung reduziert werden (Schäbitz & Brinkmeier, 2017).
Jedoch kann die zuvor genannte Thrombolyse, als auch die Rekanalisation nur bei gründlich ausgewählten Fällen und unter Einhaltung einer engen Zeitspanne zur Anwendung kommen. In Bayern erhielten 2018 von 34.032 Schlaganfallpatienten lediglich 15,6% eine Lysetherapie, was keine gute Prognose darstellt (Misselwitz et al., 2020). Ausschließlich bei einer schnellen Einweisung in ein Krankenhaus kann eine Lysetherapie auf einer dafür speziell eingerichteten Station erfolgen und zu einer guten Prognose für den Patienten führen (Schäbitz & Brinkmeier, 2017).
Zu den gängigen Therapieverfahren und ein Eckpfeiler in der Behandlung der Patienten mit einem Apoplex gehören spezialisierte Einrichtungen oder auch Stroke Units. Die Stationen wurden in den 1990er Jahren gegründet, um die Versorgungssituation von Patienten mit Schlaganfall zu verbessern. Sie ermöglichen eine gezielte Behandlung, welche den ganzen Tag, also kontinuierlich, in Anspruch genommen werden kann. In den ersten Tagen nach dem Schlaganfall werden die Patienten auf Stroke Units von einer interdisziplinären Gruppe an Spezialisten betreut. Es finden sowohl eine kontinuierliche Beobachtung der Vitalparameter und ein sofortiges Handeln bei auftretenden Komplikationen durch die Ärzteschaft, als auch eine umfassende Zusammenarbeit zwischen den Therapeuten und Pflegekräften statt (Völkel et al., 2017). Dieses Konzept führt zu einer Verbesserung des anfänglichen Allgemeinzustandes des Betroffenen und hat sich in vielen großen Kliniken seit Jahren etabliert. Zwar gibt es mittlerweile deutschlandweit 333 Krankenhäuser mit einer Stroke Unit, dennoch herrschen in einigen Teilen des Landes Versorgungsdefizite in diesem Bereich (Brinkmeier, 2020b). Vor allem auf dem Land bestehen im Vergleich zu städtischen Gebieten eine Mangelversorgung dieser Patientengruppe und damit verbunden eine unzufriedenstellende Behandlungsqualität. Diese ist zurückzuführen auf die Abnahme an ärztlichen Experten in ländlichen Regionen und wurde verstärkt durch den Aufbau von Stroke Units in großen Kliniken (Völkel et al., 2017).
Erleiden Patienten einen Schlaganfall ist es wichtig, schnell Zugang zu so einer spezialisierten Station, den dazugehörigen Ärzten und einer Lysetherapie zu erhalten. Eine rasche Aufnahme und Versorgung auf einer Stroke Unit verbessert die Aussichten auf eine Heilung des Patienten. Doch nicht alleine die Voraussetzungen zur Behandlung und das Einrichten solcher Stationen sind wichtig, sondern auch die gute Erreichbarkeit durch den Patienten (Völkel et al., 2017). Einer der Hauptursachen, dass Patienten nicht von einer Lyse profitieren können, ist das verspätete Eintreffen in einem Krankenhaus. Vorwiegend in ländlichen, strukturschwachen Gebieten ist die nächstmögliche Klinik viele Kilometer vom Wohnort entfernt (Audebert Heinrich J. et al., 2005).
Bleibende körperliche Beeinträchtigungen der Schlaganfallpatienten, welche unter anderem mit einer unzureichenden Behandlungsqualität verbunden sind, bedürfen einer Veränderung des Versorgungsprozesses. Trotz einer Ausweitung der Lysetherapie auf einen Zeitraum von 4,5 Stunden erhalten Patienten in ländlichen, medizinisch unterversorgten Regionen keine umfassende Therapie, da es in kleineren Krankenhäusern an neurologischen Abteilungen, sowie Experten mangelt. Patienten müssen zum einen in umliegende größere Kliniken mit Anschluss an eine Stroke Unit gebracht werden, wodurch ein enormer Zeitverlust entsteht. Zum anderen werden sie von Ärzten aus anderen Fachabteilungen behandelt und profitieren nicht von der Betreuung auf einer speziellen Station oder einer Thrombolyse. Das hat Auswirkungen auf die Prognose des Betroffenen und es kommt zu einer ungleichen Versorgung innerhalb der Bevölkerung (Völkel et al., 2017).
An diesem Punkt des Ungleichgewichts in der Versorgung von Schlaganfallpatienten setzt die Telemedizin an. Um jedem Menschen mit einem Hirnschlag, unabhängig des Wohnortes, die gleiche Behandlung zu ermöglichen, wurde das Telemedizinische Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung in Süd-Ost-Bayern gegründet. Das 2003 ins Leben gerufene Pilotprojekt war das Erste seiner Art in Deutschland und verfolgt eine optimale, flächendeckende Versorgung von Menschen mit einem Hirnschlag, welche den Zugang zu einer Stroke Unit und einer Lysetherapie beinhaltet (Fischer & Krämer, 2016). Zu diesem Zweck haben sich im Bundesland Bayern Kliniken zusammengetan. Zwölf kleinere Krankenhäuser (Bad Tölz, Straubing, Rosenheim, Dachau, Ebersberg, Freising, Cham, Eggenfelden, Burglengenfeld, Mühldorf, Passing und Kehlheim), ohne eine spezielle neurologische Fachabteilung, waren anfangs an die beiden Zentren für Schlaganfälle in München Harlaching und der Universitätsklinik Regensburg angebunden (siehe Abbildung 2) (Redaktion Telemedizinisches Netzwerk zur integrierten Schlaganfallversorgung, 2020a). Beide Zentren beschäftigen neurologische Spezialisten, deren Hauptaufgabenfeld sich auf die Behandlung des Schlaganfalls konzentriert (Au- debert Heinrich J. et al., 2005).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anfänge von TEMPiS (von links: 2002, 2003 und 2015) (Fischer & Krämer, 2016)
Jede Kooperationsklinik wurde um eine lokale Schlaganfall-Schwerpunkt-Station erweitert und das an der Behandlung beteiligte Personal vor Ort umfassend geschult. Dabei sind sowohl die Ärzteschaft als auch die Pflegekräfte und Physiotherapeuten involviert. Die regelmäßigen Schulungen zählen neben der Etablierung der spezialisierten Abteilungen und der Qualitätssicherung zu den wichtigen Komponenten des TEMPiS-Netz- werkes (Redaktion Telemedizinisches Netzwerk zur integrierten Schlaganfallversorgung, 2020a).
Rund um die Uhr kann eine telemedizinische Beratung durch die Spezialisten aus den Schlaganfallzentren zur Verfügung gestellt werden (Telekonsil). Das bedeutet, dass ein neurologischer Experte via Videokonferenz direkt zum Patientenbett geschalten wird und dadurch von Anfang an, sozusagen live, am Behandlungsprozess teilhaben kann (Völkel et al., 2017). Der Experte begleitet den Arzt vor Ort, welcher meist aus einer anderen Fachdisziplin kommt, bei der neurologischen Untersuchung des Schlaganfallpatienten und steht ihm beratend zur Seite. Nachfolgend können unverzüglich die Bilder einer Computertomographie an den Spezialisten übermittelt und durch diesen befundet werden. An dieser Stelle findet die Entscheidung statt, welche Art von Schlaganfall vorliegt. Infolge eines ischämischen Hirnschlags wird abgewogen, ob eine Lysetherapie für den Patienten geeignet ist oder Ausschlusskriterien vorliegen. Die gemeinsame Beurteilung begünstigt eine rasche Festlegung der Therapie, welche auf den Patienten genau angepasst ist (Breuer & Schwab, 2017). Jene beinhaltet die exakt dosierte Medikamentengabe einer Thrombolyse, welche für einen unerfahrenen Arzt ein Problem darstellen kann. Ebenso ist bei auftretender Notwendigkeit eine Verlegung in ein nächstgelegenes Krankenhaus mit einer neurologischen Abteilung möglich (Redaktion Telemedizinisches Netzwerk zur integrierten Schlaganfallversorgung, 2020a).
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