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Seminararbeit, 2021
20 Seiten, Note: 1,3
Didaktik für das Fach Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft
1. Einleitung
2. Aktuelle Studien
3. Prävention 3.1 Das grundlegende Unterrichtsprinzip: Wortschatzarbeit 3.2 Die Lehrersprache
4. Intervention 4.1 Vorbereitung einer sprachtherapeutischen Unterrichts-stunde 4.2 Elaborationstraining 4.2.1 Lemmaebene 4.2.2 Lexemebene 4.3 Wortabruf 4.4 Rituale
5. Resümee
6. Quellenverzeichnis
7. Anhang
„Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt“
(Wilhelm von Humboldt)
In Deutschland sind etwa 54000 Kinder von einer nicht altersgemäßen Sprachentwicklung betroffen1, was zur Folge hat, dass sie in der Schule und im sozialen Alltag nur schwer und teilweise gar keinen Anschluss finden können, oder im schlimmsten Fall an psychischen Störungen leiden. Aus diesem Grund ist es wichtig, Kinder mit einer solchen Störung so zu fördern, dass sie ein unbeschwertes und normales Leben führen können, damit auch sie nach dem oben genannten Zitat von Wilhelm von Humboldt leben können. Die Sprachentwicklung eines Kindes vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen, die miteinander eng verknüpft und abhängig voneinander sind. Die Fähigkeiten, miteinander zu kommunizieren, grammatisch richtig zu sprechen und Zusammenhänge zu verstehen, basiert hauptsächlich auf einem fundierten mentalen Lexikon. Aus diesem Grund beschäftige ich mich in dieser Arbeit ausschließlich mit der semantisch- lexikalischen Ebene.
Im Rahmen meiner Arbeit möchte ich anhand aktueller Studien in Erfahrung bringen, wie notwendig eine Förderung der Sprache ist. Zudem möchte ich mich mit dem semantisch- lexikalischen Bereich beschäftigen und herausfinden, wie ich diese Ebene im Unterricht so fördern kann, damit sich alle Kinder gemäß ihres Sprachstandes weiterentwickeln können. Dazu möchte ich zudem Praxisbeispiele einbeziehen. Anhand geeigneter Fachliteratur möchte ich einen sprachheilpädagogischen Unterricht darstellen, der sich zum Ziel macht, den Wortschatz aufzubauen und zu fördern. In unserem Seminar sind wir oft auf das Thema der Diagnostik eingegangen, weshalb ich in dieser Arbeit lediglich Fördermaßnahmen und Methoden vorstellen möchte. Dennoch ist mir bewusst, dass man ausreichend diagnostizieren muss, um festzustellen, ob ein Kind Sprachschwierigkeiten aufweist, um so darauf zu reagieren, wie es für das Kind am besten ist.
Im Folgenden werden zunächst zwei aktuelle Studien und deren Ergebnisse vorgestellt. Anschließend wird die Wortschatzarbeit als ein Grundlegendes Unterrichtsprinzip präsentiert, bevor interventionale Methoden, inklusive möglicher Unterrichtsideen, dargestellt werden, die auf eine Förderung der semantisch lexikalischer Ebene abzielen.
Um herauszufinden, ob es überhaupt notwendig ist, sich über die Förderung der Sprachfähigkeit zu informieren, sollte man sich aktuelle Studien zu diesem Thema anschauen.
Die Barmer untersuchte in Thüringen im Jahr 2015 viele Kinder im Alter von fünf bis vierzehn Jahren und stellte fest, dass elf Prozent dieser Kinder Auffälligkeiten im Bezug auf die Sprachentwicklung aufweisen (Lispeln, kein altersgemäßer Wortschatz, Aussprachprobleme). Im Jahr 2011 waren nur neun Prozent aller Kinder betroffen, was einen Anstieg von 2 Prozent ausmacht und in einem so kurzen Zeitabstand schon recht viel scheint. Die Sprachentwicklung wurde auch in allen anderen Bundesländern untersucht und es ist festzustellen, dass diese Defizite keine regionalen Ursprünge aufweisen. In Sachsen betrug die Zahl der Jungen mit einer sprachlichen Auffälligkeit rund vierzehn Prozent; bei Mädchen hingegen sind nur zehn Prozent betroffen.2 Dies lässt darauf hinweisen, dass Jungen generell häufiger von einer Sprachentwicklungsstörung betroffen sind, wie man auch der Abbildung 1 im Anhang entnehmen kann.
Prof. Dr. Bettina Janke von der pädagogischen Hochschule Heidelberg und Prof. Dr. Christian W. Glück von der Universität Leipzig untersuchten in ihrem Forschungsprojekt Kisses-Probula unter anderem, welchen Einfluss Sprachentwicklungsstörungen auf den Erwerb der Lese- und Schreibfähigkeit, als auch des schulischen Selbstkonzeptes ausüben. Des Weiteren sollte untersucht werden, wie die sozialemotionale Entwicklung der Grundschulkinder mit einem besonderen sprachlichen Förderbedarf aussieht. Diese Fragen wurden in einer quantitativen Studie mit 94 Grundschulkindern, die sprachliche Defizite aufweisen, in einem Zeitraum von zwei Jahren (2011 - 2014), durchgeführt. Um festzustellen, auf welchem sprachlichen Stand die Kinder sind, wie schnell bestimmte Fähigkeiten erworben werden, und wie die Kinder in der Klasse sozial eingebunden sind, wurden zu Schulbeginn und zum Ende der ersten und zweiten Klasse standardisierte und normierte Testverfahren eingesetzt. Neben diesen wurden auch Interviews durchgeführt, wodurch die sozialemotionale Entwicklung, sowie das schulische Selbstkonzept beobachtet werden können. Zusätzlich haben Eltern und Lehrkräfte stets Fragebögen ausgefüllt. Die Untersuchungen zeigten, dass sich die Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung in allen getesteten Anforderungen verbesserten, jedoch nicht das altersentsprechende Niveau erreichen konnten. Im Bereich der Wortschatzentwicklung ist festzustellen, dass die Fähigkeiten der meisten Kinder ungefähr zwei Jahre hinter denen liegen, die keine Auffälligkeiten im Bereich der Sprachentwicklung aufweisen. Auffällig im Bereich des Schriftspracherwerbs war, dass 26 Prozent der Kinder Schwierigkeiten in der phonologischen Bewusstheit, wie auch der visuellen Aufmerksamkeit hatten. Auch die Rechtschreibfähigkeit liegt bei 75 Prozent der Kinder unter dem Durchschnitt. Es ist also insgesamt beobachtbar, dass die Kinder am Ende der zweiten Klasse schlechter Lesen und Schreiben können, als diejenigen, die keine Probleme in der Sprachentwicklung aufweisen. Zum Ende der ersten und zweiten Klasse ist festzustellen, dass viele der Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung Defizite im Bereich des schulischen Selbstkonzeptes aufweisen, weniger motiviert sind und schnell aufgeben, wenn eine Aufgabe zu schwer scheint. Wichtig für soziale Beziehungen sind Emotionen; den untersuchten Kindern jedoch fehlt teilweise ein Verständnis für diese, weshalb es für sie schwierig ist, Anschluss in der Klasse zu finden und sich sozial und emotional zu binden.3
Die Folgen einer nicht erkannten, beziehungsweise unbehandelten Sprachentwicklungsstörung können sehr unterschiedlich sein. Einerseits können Lernstörungen durch grammatische, oder den Wortschatz und die Aussprache betreffende Defizite hervorgerufen werden, welche die Kinder und Jugendliche bis zum Erwachsenenalter begleiten und beeinflussen. Andererseits können zahlreiche nichtsprachliche Folgen auftreten, wie zum Beispiel sozialemotionale, oder psychische Störungen, welche auch als Sekundärsymptome bezeichnet werden. Kinder könnten sich zurückziehen, aggressiv oder frustriert werden und zunehmend Kommunikationssituationen vermeiden.4 Mit einer Sprachheiltherapie kann den meisten Kindern jedoch geholfen werden, ihre Grammatik und Aussprache zu verbessern und den Wortschatz zu erweitern. So ist es ihnen auch möglich, ein ziemlich normales Leben zu führen und in ihrer Jugend und als Erwachsener nicht mehr beeinträchtigt zu sein. Aus diesem Grund werden im Folgenden viele Möglichkeiten vorgestellt, die in der Grundschule eingesetzt werden können.
Um das Ziel, Kindern zu einem umfangreichen mentalen Lexikon zu verhelfen, erreichen zu können sollte die Arbeit mit dem Wortschatz zu einem grundlegenden Unterrichtsprinzip gemacht werden, sodass die Arbeit mit Begriffen für die Schülerinnen und Schüler zum Alltag wird. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn der Umgang mit der semantisch- lexikalischen Ebene täglich in den Unterricht integriert wird.
Es gibt eine Vielzahl von Übungen, die in jedem Unterrichtsfach durchgeführt werden können. Vor allem das Arbeiten mit Wortfeldern kann helfen, das Ziel des umfangreichen Lexikons zu erreichen. Ein Wortfeld beschreibt semantisch ähnliche Wörter, die zu einer Gruppe zusammengeführt werden können. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass die Verknüpfung zwischen den verschiedenen Begriffen im Gehirn sehr leicht funktioniert, sobald man ein Wortfeld sehr häufig verwendet.5 So kann zum Beispiel eine Projektarbeit zum Thema der Jahreszeiten dazu beitragen, dass Begriffe wie zum Beispiel „Winter“, „Sommer“, „Monate“, „Schnee“ oder „Sonne“ häufig verwendet, miteinander in Beziehung gesetzt werden und so eine Verknüpfung im Gehirn stattfinden kann. Vor allem die Themen des Sachunterrichtes bieten sich an, fächerverbindend zu unterrichten. So kann man beispielsweise zum Thema „Wald“ im Deutschunterricht eine spannende Geschichte schreiben, im Werkunterricht die verschiedenen Holzarten behandeln, oder im Kunstunterricht die Bewohner des Waldes zeichnen. Dies bietet den Vorteil, dass Kinder, die einen kleineren Wortschatz besitzen, die Begriffe des jeweiligen Themas oft wiederholen und somit ins Langzeitgedächtnis überführt werden können.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten, Wörter miteinander zu vernetzen, welche man zum Beispiel in Freiarbeitsphasen einsetzen könnte. Hier bieten sich Sortierspiele an, bei denen Begriffe nach Kriterien geordnet werden können, wie zum Beispiel der Farbe, Form oder Wortart. Die Kinder erhalten unterschiedliche Bilder, die in jeweils auf dem Boden liegende Reifen sortiert werden sollen. Auch das bekannte Memory eignet sich hervorragend, um zu kategorisieren. Hierbei gibt es auch die Möglichkeit, zu differenzieren, indem man nach verschiedenen Kategorien nach unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad spielen kann.6 Weitere allgemeine Übungen könnten zu Beispiel sein, dass die Schülerinnen und Schüler versuchen, Begriffe zu definieren, umschreiben, oder Synonyme finden. Kindern fällt es auch leichter, wenn sie zu den bestimmten Wörtern einen Bezug aufbauen können, zum Beispiel durch ihre Sinne.7 Den Begriff der Zitrone können sich die Kinder besser merken, wenn sie diese auch fühlen oder schmecken können. So werden zudem noch weitere Wörter wie zum Beispiel „sauer“ oder „gelb“ miteinander verknüpft. Des Weiteren hilft es Kindern auch, zu Kategorisieren und zum Beispiel Hyperonyme („Obst“), bzw. Hyponyme („Zitrone“) miteinander zu verbinden. Auch Rollenspiele und das freie Spielen sollten in der Grundschule durchgeführt werden. Nur durch das viele Sprechen gelingt es den Kindern, ihren Wortschatz weiter zu festigen und neue Wörter dazuzugewinnen. Hierbei könnte ein Rollenspiel zu einem Oberthema stattfinden, wie zum Beispiel Rittertum. Dazu können die Kinder sich kreativ ausleben und bestimmte zuvor gehörte Begriffe verwenden. Durch das aktive auseinandersetzen mit diesen und den dazugehörigen Gefühlen und Emotionen fällt es ihnen leichter, die Begriffe „Ritterschlag“ oder „Knecht“ zu verknüpfen und anschließend im Langzeitgedächtnis zu speichern.
Wenn man mit den Kindern eine Wortschatzarbeit durchführen möchte, ist es auch wichtig, die Interessen zu beachten.8 Würde man mit den Kindern das Thema der Tierwelt behandeln und auch mit Ihnen in den Zoo gehen, so würden sie ihren Wortschatz womöglich eher vergrößern als wenn man mit ihnen über den neusten Stand der Mode reden würde. Neben den individuellen Bedürfnissen ist es auch von Vorteil, wenn die Kinder handelnd Begriffe erwerben. So sollte man zum Beispiel im Sachunterricht zum Thema „Wasserkreislauf“ diesen nicht nur durchsprechen, sondern auch Experimente zum Verdunsten oder Kondensieren durchführen.
In einem Unterricht, der das Ziel verfolgt, sprachheilpädagogisch zu unterrichten, spielt die Lehrersprache eine sehr wichtige Rolle, da durch „die Sprache und das Kommunikationsverhalten des Lehrers präventiv die Grundbedingungen für erfolgreiches Unterrichten“9 gesichert werden.
Es ist kein Geheimnis, dass die Lehrperson für viele Schülerinnen und Schüler ein Vorbild ist. Demzufolge wird auch die Lehrsprache von ihnen aufgenommen und nachgeeifert.10 Eine perfekte Lehrsprache zeichnet sich durch kurze und klare Sätze aus, die von jedem Kind verstanden werden können. Die Lehrperson muss darauf achten, dass sie deutlich und sehr verständlich spricht. Wichtig ist auch, dass sie bestimmte Äußerungen oder einzelne Wörter wiederholt. Es ist auch wichtig, dass Pausen gesetzt werden, um den Kindern Zeit zu gewährleisten die Äußerungen für sich zu sortieren und gegebenenfalls darauf reagieren können. Aus der eigenen Schulzeit ist in Erinnerung geblieben, dass die Lehrperson im Unterricht sehr viel spricht. Um einen Unterricht zu führen, der die Sprache der Kinder fördern soll, ist dies natürlich nicht von Vorteil. Daher muss darauf geachtet werden, dass Lehrerinnen und Lehrer weniger sprechen und mehr Impulse in Form von offenen Fragen geben, anstatt auf geschlossenen, oder rhetorischen Fragen zu beruhen. Um speziell dazu beizutragen, den Wortschatz der Kinder zu erweitern, sollte darauf geachtet werden, dass man immer, wenn neue oder sehr wichtige Begriffe genannt, bzw. beigebracht werden sollen, die Aufmerksamkeit vollkommen bei der Lehrperson liegt. Es ist zudem wichtig, den Begriff in den Mittelpunkt zu stellen und ihn zum Beispiel etwas lauter oder mit einer besonderen Betonung zu begleiten, damit die Kinder merken, dass dieser Begriff wichtig ist. Wenn ein neues Wort in einem sehr komplexen Satz mit möglicherweise noch weiteren neuen Wörtern eingebunden ist, fällt es den Kindern schwerer, die Begriffe herauszufiltern und sich zu merken. Daher sollte die Lehrperson darauf achten, dass neue Wörter in einem einfach strukturierten Satz eingebaut werden. Eine weitere Methode, Wörter zu vertiefen, bzw. dazu beizutragen, dass diese im Langzeitgedächtnis verinnerlicht werden besteht in der Wiederholung.11
[...]
1 vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Kinder mit spezifischer Sprachentwicklungsstörung: Prospektive Längsschnittstudie bei unterschiedlichen Bildungsangeboten - Kisses-Probula (Verbundvorhaben)“ (o.J.)
2 vgl. BARMER: „Immer mehr Kinder in Thüringen wegen Sprachstörungen in Behandlung“ (12.01.2017).
3 vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Kinder mit spezifischer Sprachentwicklungsstörung: Prospektive Längsschnittstudie bei unterschiedlichen Bildungsangeboten - Kisses- Probula (Verbundvorhaben)“ (o.J.).
4 vgl. Thiel M. et al. (2013) S.87.
5 vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München: „Wortschatzförderung im Unterricht“ (27.06.2016).
6 vgl. Reber K. & Schönauer-Schneider W. (2020) S. 58.
7 vgl. Thiel M. et al. (2013) S.174 f.
8 vgl. Reber K. & Schönauer-Schneider W. (2009) S. 101.
9 vgl. Reber K. & Schönauer-Schneider W. (2009) S. 44.
10 vgl. Basler J. (2019).
11 Vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (27.06.2016).