Der Energiesektor hat im Vergleich zu anderen wirtschaftlichen Bereichen eine späte Vereinheitlichung auf europäischer Ebene erfahren. Erst in den 1990er Jahren gelang es der Kommission einen Energiebinnenmarkt in Europa durch das erste Binnenmarktpaket zu etablieren. Seitdem wurden viele unionsrechtliche Vorgaben für den Energiebinnenmarkt eingeführt. Dementsprechend entstanden durch diese eine Vielzahl an Veränderungen.
Das eine solche Änderung auch Konsequenzen mit sich bringen kann, zeigt sich am Beispiel des dritten Binnenmarktpakets. Denn mit der Einführung des Pakets versuchte die Kommission auch im Energiesektor eine administrative Regulierung in den Mitgliedstaaten voranzutreiben. Durch dieses Konzept möchte die Kommission die Selbstständigkeit der Regulierungsbehörde erreichen. Nach diesem Modell soll der nationale Gesetzgeber lediglich die ihm vorgegebenen Richtlinien in das nationale Gesetz umsetzen und keine weiteren Regeln in diesem Bereich festlegen.
Wie sich später genauer in Kapitel C zeigen wird, steht dieses Konzept nicht in Einklang mit der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Regulierung. Deshalb reichte die Kommission im Jahr 2018 eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Die Kommission ist dabei der Ansicht, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen den Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 6 Buchstabe a und b der Richtlinie 2009/72/EG und Artikel 41 Abs.1 Buchstabe a und Absatz 6 Buchstabe a und b der Richtlinie 2009/73/EG verstößt.10 Da Artikel 41 der Richtlinie 2009/73/EG dem Artikel 37 der Richtlinie 2009/72/EG entspricht, wird in dieser Seminararbeit nur auf den möglichen Verstoß gegen die Richtlinie 2009/72/EG eingegangen.
Um bewerten zu können, ob der von der Kommission hervorgebrachte Punkt einen Verstoß darstellt, wird in dieser Arbeit zunächst auf den unionsrechtlichen Rahmen der Elektrizitätsrichtlinie eingegangen. Anschließend wird gezeigt, wie die Bundesrepublik Deutschland die Vorgaben der Richtlinie in ihr nationales Recht umgesetzt hat. In Kapitel D werden als erstes die Argumente der Kommission, weshalb nach deren Ansicht ein Verstoß vorliegt, dargestellt. Im Anschluss werden ausgewählte Argumente aufgezählt, welche im nachfolgenden Kapitel im Rahmen einer eigenen Würdigung bewertet werden. Zum Schluss werden die wesentlichen Erkenntnisse der gesamten Arbeit genannt und ein Ausblick über mögliche Konsequenzen bei einer erfolgreichen Klage gegeben.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Unionsrechtlicher Rahmen für die Energiepolitik in der EU seit dem zweiten Binnenmarktpaket
- C. Rechtliche Ausgestaltung in der Bundesrepublik Deutschland
- D. Darstellung der Rechtssache C-718/18
- I. Vorbringen der Kommission
- II. Erläuterung der Argumente
- 1. Wörtliche Auslegung
- 2. Systematische Auslegung
- 3. Teleologische Auslegung
- 4. Verfahrensautonomie
- 5. Grundsatz der Demokratie
- 6. Umsetzung im Telekommunikationssektor
- E. Eigene Würdigung
- F. Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert die rechtlichen Vorgaben im Energiesektor aus der Perspektive des Europarechts. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Regulierungspolitik gegen die Vorgaben der EU-Richtlinien verstößt. Die Arbeit beleuchtet den unionsrechtlichen Rahmen für die Energiepolitik und untersucht die rechtliche Umsetzung in Deutschland.
- Entwicklung des europäischen Energiebinnenmarkts
- Rechtliche Vorgaben im Energiebereich
- Regulierungsansätze in Deutschland
- Die Rechtssache C-718/18: Eine Auseinandersetzung mit der Regulierungsbehörde
- Mögliche Konsequenzen und Perspektiven für die zukünftige Regulierung im Energiesektor
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext des Themas dar und erläutert den Hintergrund der Rechtssache C-718/18. Das zweite Kapitel beleuchtet den unionsrechtlichen Rahmen für die Energiepolitik in der EU, insbesondere seit dem zweiten Binnenmarktpaket. Kapitel C beleuchtet die rechtliche Ausgestaltung im Energiesektor in der Bundesrepublik Deutschland. Kapitel D analysiert die Rechtssache C-718/18 und präsentiert die Argumente der Kommission. Das fünfte Kapitel bietet eine eigene Würdigung der Argumente und das sechste Kapitel enthält ein Fazit und Ausblick auf mögliche Folgen der Klage.
Schlüsselwörter
Die Seminararbeit befasst sich mit zentralen Themen des Europarechts im Energiesektor, darunter Regulierung, Energiebinnenmarkt, Richtlinie 2009/72/EG, Regulierungsbehörden, vertikal integrierte Unternehmen, Verfahren des Europäischen Gerichtshofs, sowie die rechtliche Einordnung der deutschen Regulierungspolitik im europäischen Kontext.
- Arbeit zitieren
- Samantha-Jo Hörner (Autor:in), 2021, Die normierende Regulierung im Energiesektor auf dem Prüfstand des Europarechts, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1252959