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Hausarbeit, 2022
21 Seiten, Note: 1,3
Soziologie - Soziales System, Sozialstruktur, Klasse, Schichtung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Luhmanns Systemtheorie - ein kurzer Überblick
2.1 Typen sozialer Systeme, Funktionssysteme und Autopoiesis
2.2 Kommunikation, strukturelle Kopplung, Irritation und Codes
3 Die Funktionssysteme Politik, Bildung und Wirtschaft
3.1 Spezifika und Codes
3.2 Bestehende strukturelle Kopplungen in historischer Begründung und die Entwicklung des Berufsbildungssystems
4 Der politische Sonderweg in Schleswig-Holstein
4.1 Systemtheoretische Betrachtung des Beispiels
4.2 Chancen und Risiken dieses Sonderwegs
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abbildung 1 „Schnittmenge Berufsbildungssystem“
Tabelle 1 „Drei Funktionssysteme und ihre Spezifika“
Tabelle 2 „Das Berufsbildungssystem: Funktion, Codes, Medium“
Luhmanns Systemtheorie mag für viele ein abstraktes und theoretisches Konstrukt sein - sie ist jedoch aus soziologischer Perspektive auf viele aktuelle Themen anwendbar und kann dort ihre bestechend klare Analyse bestehender sozialer Tatsachen zeigen. Die „Präferenz Luhmanns für die enthumanisierte Seite der Form System/Umwelt, die als System bezeichnet wird“ (Hillebrandt 2018, S. 49) mag befremdlich wirken, ist aber nach Luhmann logisch, wenn das soziale System in seiner Emergenz als eine eigene Realitätsebene betrachtet wird, als eine „Soziologie [als] Wissenschaft der Sozialität“ (ebd.). Mit Luhmann ist folglich eine werturteilsfreie, soziologisch-analytische Betrachtung sozialer Tatsachen möglich - und dieser klare Blick soll in dieser Arbeit als verständnisfördernd auf das ,Funktionsgemenge‘ der berufsschulischen Bildung dienen.
Mit dem Blick auf den Terminus der strukturellen Kopplung’ als Instrument der Erfassung des Verhältnisses verschiedener Funktionsbereiche sollen in dieser Hausarbeit die Kommunikationsmöglichkeiten der sozialen Teilbereiche der Politik, Bildung und Wirtschaft betrachtet werden. Dies wird illustriert am Beispiel der berufsschulischen Bildung in Schleswig-Holstein, welche seit 2021 von der Politik dem Bildungsministerium entzogen und dem Wirtschaftsministerium zugeordnet wurde. Dafür wird in dieser Hausarbeit nur die deutsche berufsschulische Bildung betrachtet. Durch ihre Ausdifferenzierung, die weltweit fast einmalige Duale Ausbildung und ihre historisch gewachsene Mischform aus PolitikBildung-Wirtschaft wird sie als höchst erkenntnisreich für eine Betrachtung aus Luhmanns systemtheoretische Perspektive unter dem Aspekt der strukturellen Kopplung gesehen.
In Kapitel 2 werden inhaltlich einleitend kurz allgemeine Charakteristika der Systemtheorie Luhmanns umrissen und in den Unterkapiteln 2.1 und 2.2 weiter auf die hier fokussierten selbstreferentiellen Systeme und deren Kommunikationsmöglichkeiten verengt. In Kapitel 3 werden die drei betrachteten Funktionssysteme Politik, Bildung und Wirtschaft sowie deren Spezifika und bestehender struktureller Kopplungen beschrieben. In Kapitel 4 wird das gewählte Beispiel Schleswig-Holstein beschrieben und systemtheoretisch analysiert, und in Kapitel 5 wird das Fazit dieser Ausarbeitung gezogen.
Die Perspektive der Systemtheorie hat seine Ursprünge in der Biologie und will die wechselseitigen Relationen von einzelnen Elementen in einer Ganzheit (System) erfassen. Dabei grenzt sich jedes System eindeutig von seiner Umwelt ab (v. Bertalanffy 1951 und 1956, zitiert nach Kneer und Nassehi 2000, S. 20ff.). Die Anwendung der systemtheoretischen Perspektive auf die Soziologie will das soziale Verhalten Einzelner aus dem jeweiligen Systemzusammenhang erklären. Nach Jahraus, Nassehi et al. ist Luhmanns Theorie, „ein spektakulärer Neuanfang“ und als ein Versuch gedacht, „das zu benennen, was tatsächlich beobachtbar ist: das Unterscheiden“ (2012, S. 41).
Parsons‘ traditionalistischer, stark rezipierter und wegweisender Ansatz der strukturell-funktionalen Systemtheorie, hier als Kontrasttheorie gewählt, stellt in seiner normativ geprägten Perspektive noch die Frage, welche Funktionen erfüllt sein müssen, damit das System erhalten bleibt. Die Struktur steuert die sozialen Handlungsprozesse (Funktion), der Bestand sozialer Systeme steht im Mittelpunkt von Parsons‘ Analyse, und über die Sozialisation sollen die dafür notwendigen Werte und Normen internalisiert werden. Die einzelnen, objektivierten Menschen werden dabei der subjektivierten Gesellschaft untergeordnet, ganz in Durkheim’scher Tradition.
Luhmann entwickelt diese Theorie radikal weiter und wechselt unter Beibehaltung des Parsons’schen Gedankens der funktionalen Differenzierung das Primat in seiner funktional-strukturellen Systemtheorie: Funktion wird der Struktur vorgeordnet. Damit umgeht Luhmann das normative Element und lenkt die Perspektive darauf, welche Funktionen Systeme erfüllen, wobei sich Systeme wiederum an soziale Veränderungen/Erfordernisse anpassen können, um die Funktion aufrechtzuerhalten. So kann Luhmann Konstitution und Wandel von Systemen und Strukturen funktional analysieren (Kneer und Nassehi 2000, S. 33ff.). Luhmann ersetzt weiterhin, v. Bertalanffy folgend, die traditionelle Leitdifferenz von „ Ganzem und Teilen durch die Differenz von System und Umwelt “, mit einer paradigmatischen Veränderung von offenen vs. geschlossenen Systemen zu selbstreferentiellen Systemen (1985, S. 22ff., Hervorh.i.O.). Luhmann betont dabei, dass seine Systemtheorie einen deutlichen Realitätsbezug hat und weiterhin und auch deswegen als „Theorie selbstreferentieller Systeme anzulegen“ sei (ebd., S. 30f.). Systeme konstituieren sich nach ihm durch eine systemidentitäre (und nicht kausal-lineare) Abgrenzung zu ihrer systemrelati- ven und doch auch systemrelevanten Umwelt, deren strukturellen Gegebenheiten immer auch das System beeinflussen. Durch diese System-Umwelt-Differenz entstehen viele neue Perspektiven auf die Gesellschaft als Ganzes (als Differenz von System und Umwelt), wobei sich „jedes System [...] in der Differenz zu seiner Umwelt [stabilisiert] und [...] sich damit eine jeweils eigene Vorstellung des Ganzen [schafft]“ (Jahraus et al. 2012, S. 43). Die funktional-strukturelle Ausdifferenzierung sozialer Teilsysteme und deren Selbstreferentialität wird folgend weiter erläutert und so der Blickwinkel von den allgemeinen systemtheoretischen Annahmen Luhmanns auf die hier interessierenden Teilaspekte von selbstreferentiellen Funktionssystemen (2.1) und die Ermöglichung von Kommunikation durch strukturelle Kopplung zwischen diesen verengt (2.2).
Soziale Systeme sind nach Luhmann ein „sehr spätes Produkt der Evolution“ (2017, S. 89), mit den Unterebenen Interaktion, Organisation und Gesellschaft. Alle drei Teilsysteme haben ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz: Interaktionen definiert Luhmann als „einfache Sozialsysteme unter Anwesenden“ auf mikrosozialer Ebene, welche durch gesellschaftliche Strukturvorgaben geprägt sind. Sie sind „Sozialsysteme par excellence“, deren Themen und Rollenvorgaben soziokulturell vorgegeben und durch wechselseitige Erwartungen geprägt sind. Eine gewisse Flüchtigkeit von Interaktionen ist normal und sinnvoll und Kommunikation ist das konstituierende Element (2017, S. 172ff). Organisationen entstehen nicht natürlich beim Zusammentreffen von Menschen, sondern werden mit einem Ziel und stark restriktiv organisiert, um Verhaltenserwartungen zu Mitgliedschaft in Relation zu setzen und zu formalisieren. Kooperation mit Nichtanwesenden ist durch Bildung von Teilsystemen möglich, und Entscheidungen gelten als systemkonstituierend. Organisationssysteme sind durch ihre ausformulierten Regeln sehr klar umrissene Sozialsysteme (Luhmann 2017, S. 184ff.). Gesellschaft definiert Luhmann als das „jeweils umfassende Sozialsystem“, welches somit Interaktionen und Organisationen inkludiert, der „Sozialhorizont aller Kommunikation, der die aktuellen und möglichen Teilnehmer zusammenschließt“ (ebd., S. 194). Durch den Einschluss aller kommunikativen Möglichkeiten inkl. möglicher Verhaltensformen sind die Systemgrenzen, die Koordination des Möglichen, unsicher. Die systemkonstituierende Einheit ist sinnhaftes Handeln und Erleben (Luhmann 2017, S. 194ff.). Zusätzlich zu der Ebenenperspektive ist ein weiterer Blickwinkel, und zwar auf die Funktionssysteme, Teil von Luhmanns Gesellschaftssystem. Funktion, einer der Schlüsselbegriffe Luhmanns, ist für ihn der maßgebliche Grund für die Bildung oder Entstehung eines Systems. Diese so ausdifferenzierten Funktionsund gesellschaftlichen Teilsysteme haben jedes seine systemimmanente Logik, eine operative Geschlossenheit, welche in der systemidentitären Abgrenzung zur Umwelt begründet ist, und eine Selbstreferentialität, die Autopoiesis. Diesen für jedes System notwendigen Begriff der ,Selbsterzeugung“ (Altgriechisch) entlieh Luhmann von dem Biologen Maturana (2015) und passte ihn an den soziologischen Bezugsrahmen der sozialen und psychologischen Systeme an, um zu verdeutlichen, dass sich diese operational-geschlossen und fortlaufend selbst reproduzieren. Dabei sind autopoietische Systeme streng an ihre systemspezifischen Operationen gebunden, die die Elemente, aus denen sie bestehen, aus bereits bestehenden Elementen reproduzieren. Durch fortlaufende Verknüpfung von Elementen oder auch Neuanschlüsse können die systemspezifischen Strukturen funktionell verändert oder aufrechterhalten werden. Auto- poietische Systeme sind also operativ geschlossen und konstituieren sich durch eine System-Umwelt-Differenz, welche systemimmanente, komplexitätsreduzierende Selektionsprozesse durchführt. Die Systeme verfügen aber gleichzeitig über eine gewisse Strukturflexibilität bzgl. möglicher Umweltveränderungen, so dass sie weiterhin die von ihnen gebotene Funktion ausüben können. Dafür ist eine Form von Kommunikation mit der Umwelt notwendig, ohne die SystemUmwelt-Grenze für diese zu öffnen. Wie ist nach Luhmann die in der Gesellschaft mit ihren Teilsystemen doch notwendige Kommunikation zwischen den unterschiedlichen, autopoietischen und operativ geschlossenen Funktionssystemen möglich? Dies wird im folgenden Unterkapitel versucht zu beantworten.
Kommunikation ist nach Luhmann der „basale Prozess sozialer Systeme“, das „Prozessieren von Selektion“ (1985, S. 192) und „die Operation, durch die soziale Systeme und mithin Gesellschaft sich konstituieren“ (2002b, S. 16). Da Systeme sich aus Luhmanns Perspektive nur in Differenz zur Umwelt konstituieren können, nehmen sie mittels selektierender, komplexitätsreduzierender Prozesse nur bestimmte Informationen aus der Kommunikation mit der jeweils systemspezifischen Umwelt auf und verwerten sie systemimmanent bzw. passen ihre Handlungsstrukturen ggf. an. Kommunikation ist damit „ nur als selbstreferentieller Prozeß möglich “ (ebd., S. 198, Hervorh.i.O.). Vergangene Erfahrungen mit anderen Systemen und die damit entstehenden Erwartungen an diese, die Antizipation von Sinn, beeinflussen die selbstreferentiellen Handlungssysteme, „es muß Zusatzsinn aufgenommen werden, um den Übergang [...] von Handlung zu Handlung zu ermöglichen“ (ebd., S. 605). Soziale Systeme stellen somit autopoietische (Sinn-)Zusammenhänge von Kommunikationen dar, die durch selektive Bezugnahme auf fremdreferentielle Impulse intern angepasst werden. Um der Selbstreferentialität Bedeutung zu geben, ist aus Luhmanns Sicht trotz der vermuteten systemischen Geschlossenheit eine Offenheit gegenüber der Umwelt notwendig, jedoch immer bei gleichzeitiger Reproduktion und Aufrechterhaltung systemspezifischer Abgrenzungen zu anderen Systemen (System-Umwelt-Differenz). Dadurch, dass allerdings zwischen System und Umwelt keine kausal-lineare Verknüpfung bestehen kann und Systeme ihre interne Organisation nur selbst umstellen können, kann durch eine äußere Einwirkung auf ein System keine berechenbare Reaktion hervorgerufen werden. Dies gilt vor allem, weil die Kommunikationscodes je System variieren, ein codespezifisches Verständigungsproblem zwischen selbstreferentiell geschlossenen, autopoietischen Systemen besteht. Um eine Kommunikation mit anderen Systemen überhaupt etablieren zu können, werden diese also beobachtet und deren erwartete Aktionen aufgrund von Erfahrungswerten antizipiert.
Das Konstrukt strukturelle Kopplung will diese Prozesse von Systemen zur Se- lektion/Komplexitätsreduktion von Umweltinformationen sowie zur Beobach- tung/Irritation durch systemexterne Umwelt und damit zur (Re-)Strukturierung systemimmanenter Strukturen erfassen. Dabei werden die „medial ermöglichten Beziehungen von Systemen zu ihren [...] Systemumwelten“ (Krause 1996, S. 124) beschrieben. Das Konzept der strukturellen Kopplung als Reaktion „auf die Außenwelt [.], ohne direkt mit ihr verbunden zu sein“ (Reese-Schäfer 2005, S. 15) ist damit maßgeblich für die Erfassung oder die Analyse des Verhältnisses verschiedener Funktionssysteme untereinander und gleichzeitig die Voraussetzung für die Bildung eines autopoietischen Systems innerhalb einer Umwelt. Damit bezeichnet die strukturelle Kopplung einen zugrundeliegenden, kontinuierlichen Zusammenhang zwischen Systemen, der die im Hintergrund existierenden Voraussetzungen für intersystemische Kommunikation bezeichnet. Systeme beobachten über diese strukturelle Kopplung andere Systeme und haben Erwartungen an diese. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, z.B. durch veränderte Operationen des anderen Systems, entstehen Irritationen. Aus diesen werden Informationen gewonnen, die systemintern zur Umstrukturierung genutzt werden, um auf die neuen Informationen, auf ein neues Problem, reagieren zu können. Systeme, die nicht strukturell gekoppelt sind und somit weder beobachten noch sich irritieren lassen, können nicht weiterbestehen. Eine Irritation ist immer nur zeitweilig und bezeichnet, nach Krause, systemisch wahrgenommenes „Rauschen“, welches noch nicht informationell in systemeigene „Codes“ transferiert werden konnte (1996, S. 114). Trotzdem sorgen sowohl die (permanente) strukturelle Kopplung als auch die (punktuelle) Irritation dafür, dass unterschiedliche Systeme ähnliche Strukturen ausbilden, folglich eine gewisse Systemkompatibilität entsteht.
Wenn die gekoppelten Systeme ,Rezeptoren‘ entwickeln und diese kontinuierlich genutzt werden, so entsteht die Möglichkeit der geordneten Irritation eines Systems. Durch gezielte, externe Impulse eines Umweltsystems kann ein auto- poietisches System mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einer gewünschten oder planbaren Reaktion/Anpassung der systeminternen Handlungsstrukturen gebracht werden. Dafür ist aber eine lange ,Kommunikationshistorie‘ notwendig, damit die strukturelle Kopplung sich so manifestiert, das andere System so weitestgehend kennengelernt und eingeschätzt werden kann, dass die Wahrscheinlichkeit planbarer Reaktionen steigen könnte und damit eine geordnete Irritation möglicher wird.
Neben der zur Systemerhaltung notwendigen Information ist ein weiterer Aspekt der strukturellen Kopplung die Selektion. Wie oben schon dargestellt, verhindert die nur selektive Aufnahme von Informationen die Reizüberflutung eines Systems durch Komplexitätsreduktion. Etablierte Kopplungen sind „hochselektiv. Etwas ist eingeschlossen, und etwas anderes ist ausgeschlossen“ (Luhmann 2009, S. 121). Durch zur Verfügung stehende „hochselektive patterns [...] kann das System auf Irritationen [...] reagieren, das heißt sie als Information verstehen und die Struktur entsprechend anpassen oder Operationen entsprechende einsetzen, um die Strukturen zu transformieren.“ (ebd., Hervorh.i.O.).
Codes sorgen dafür, dass jedes System seine eigene, identifizierende Sprache besitzt. „Ein Code schafft und dirigiert zugleich die Entscheidungsfreiheit des Systems“ (Luhmann 2002b, S. 88). Um ein System funktionsfähig zu machen, um eine Differenz zur Umwelt zu erzeugen und damit Entscheidungen zu ermöglichen, ist ein zweiseitiger Code nötig (ebd.). Wenn Umwelt-Eindrücke auf ein System treffen, werden sie nur als systemrelevant selegiert, also aufgenommen, wenn der Code sie erkennt, weil sie ihn beeinflussen könnten. Die anderen, Code-irrelevanten, Informationen werden ignoriert. Das „Primat des eigenen Mediums“ (Luhmann 2002a, S. 112) verhindert außerdem, dass systemfremde Medien als dominierend wahrgenommen werden. Je nach System besteht dementsprechend ein Code, eine eigene Systemsprache, die das System von der systemrelativen Umwelt abgrenzt und die die Möglichkeiten systemübergreifender Kommunikation einschränkt. Die binären Codes wären quasi die 6 Funktionssysteme, da durch sie spezifische, ereignishafte und damit nur temporär existierende Kommunikation stattfindet (Hillebrandt 2018, S. 52, Fußnote 15).
Mit dem Begriff der Interpenetration verdeutlicht Luhmann noch die Exklusivität der strukturellen Kopplungen zwischen einzelnen Systemen: „ Interpenetration liegt entsprechend dann vor [...], wenn also beide Systeme sich wechselseitig dadurch ermöglichen, daß sie in das jeweils andere ihre vorkonstitutierende Eigenkomplexität einbringen“, folglich eine reziprok beeinflussende Strukturbildung der beteiligten Systeme (Luhmann 1985, S. 290, Hervorh.i.O.).
Die Möglichkeit struktureller Kopplungen samt wahrscheinlicher geordneter Irritation wird nun am Beispiel der drei hier fokussierten Funktionssysteme Politik, Bildung und Wirtschaft aufgezeigt. Auch werden die jeweiligen Systemspezifika und Codes kurz dargestellt.
Als in dieser Arbeit interessierende und bezüglich ihrer strukturellen Kopplung näher betrachteten Teilsysteme werden hier die Systeme der Politik (mit der Funktion der Ermöglichung kollektiv bindender Entscheidungen), Wirtschaft (mit der Funktion der Minderung von Knappheit durch Steigerung derselben) und Bildung (mit ihrer Funktion von Erziehung und Wissensvermittlung) (Krause 1996, S. 100f.) beschrieben. Das Wirtschaftssystem wird folgend schwerpunktmäßig auf seine Funktion als Beschäftigungssystem hin betrachtet. Diese drei Teilsysteme sind miteinander verwoben und sollen füreinander verschiedene Funktionen erfüllen: Das Bildungssystem soll für das Beschäftigungssystem qualifizieren und das Politiksystem legitimisieren. Das Politiksystem soll das Bildungssystem finanzieren und steuern. Das Wirtschaftssystem soll das Politiksystem finanzieren, welches das Wirtschaftssystem wiederum steuern soll, und das Wirtschaftssystem soll über sein Beschäftigungssystem Qualifikationen aus dem Bildungssystem honorieren.
Nun schreibt Luhmann aber auch, dass nicht nur „das Verhältnis etwa von Wirtschaft und Politik oder von Politik und Erziehung ein gesellschaftsstrukturelles Problem“ sei, sondern auch innerhalb dieser Organisationssysteme noch eine Ausdifferenzierung stattfinden müsse (1975, S. 16). Und da zu diesen Ausdifferenzierungen „gehört, daß Außenbindungen abgebaut und in sehr spezifische strukturelle Kopplungen transformiert werden“ (Luhmann 2002b, S. 18), ist die Komplexität, die Besonderheit des Konstrukts des beruflichen Bildungssystems zu erahnen, in welchem ganze drei Organisationssysteme ein geordnetes Zusammenspiel versuchen, obwohl deren drei Funktionsaufgaben, Eigenarten und Codes, wie folgend (3.1) dargestellt wird, inhaltlich stark divergieren. In 3.2 werden die zwischen den Teilsystemen historisch entstandenen und nach wie vor bestehenden strukturellen Kopplungen und damit bisherige (geordnete) Irritationsversuche aufgezeigt.
Zur einführenden Übersicht der systemischen Unterschiede steht die folgende Tabelle 1 „Drei Funktionssysteme und ihre Spezifika“. Hier wird deutlich, dass sich nicht nur die verschiedenen Funktionen, sondern auch die verwendeten Codes und Medien die hier betrachteten Teilsysteme fundamental voneinander unterscheiden.
Tabelle 1 „Drei Funktionssysteme und ihre Spezifika“ (eigene Darstellung nach Reese-Schäfer 2005, S. 92)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Funktion der Politik ist nach Luhmann „das Bereithalten der Kapazität zu kollektiv bindendem Entscheiden“ (2002b, S. 84). Kollektive Bindung ist definiert als eine „Systemdifferenz, die den Entscheidenden selbst einschließt“ (ebd., S. 85), also eine moderne Form der Politik, in der die Entscheidungen sie selbst miteinschließt. Damit ist es logisch, dass das system-ausdifferenzierende Kommunikationsmedium der Politik Macht ist: „Macht [...] ist die Quintessenz von Politik schlechthin.“ (Luhmann 2002b, S. 75). Im politischen System besteht der zweiseitige Code aus Regierung (Machtüberlegenheit) <-> Opposition (Machtunterlegenheit), wobei die erste vorgezogen wird (ebd.).
[...]
Medien / Kommunikation - Theorien, Modelle, Begriffe
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