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Akademische Arbeit, 2022
35 Seiten, Note: 1,0
1 Einleitung
2 Biografie - Maria Montessori
3 Aspekte der Konzentrationsförderung nach Montessori
3.1 Konzentration – Die Fähigkeit, dort zu sein, wo man ist.
3.2 „Lass mich in Ruhe“ – der freie Wille des Kindes als Weg zur Konzentration
4 Vorbereitete Umgebung
4.1 Der Raum
4.2 Das Material:
4.3 Der Pädagoge
5 Das Ziel der Freiarbeit – „Mir geht ein Licht auf!“
5.1 Der Begriff Freiarbeit
6 Verlaufsform der konzentrierten Arbeit
6.1 Phase der Vorbereitung
6.2 Phase der großen Arbeit
6.3 Phase des Ausklangs
6.4 Wirkung der täglich konzentrierten Arbeit
7 Praxis
7.1 Praxiseinrichtung - Montessori Campus XX
7.2 Tagesablauf
8 Die vorbereitete Umgebung
8.1 Die Räumlichkeiten
8.2 Das Material
8.3 Der Pädagoge
9 Die Freiarbeit
9.1 Wahrnehmung und Beobachtung
10 Auswertung der Beobachtungsbögen
10.1 Beobachtungsbogen 1
10.2 Beobachtungsbogen 2
10.3 Beobachtungsbogen 3
10.4 Beobachtungsbogen 4
10.5 Beobachtungsbogen 5
10.6 Beobachtungsbogen 6
11 Fazit
12 Literatur- und Quellenverzeichnis
13 Anlagen
„Nicht das Kind sollte sich der Umgebung anpassen,
sondern wir sollten die Umgebung dem Kind anpassen.“1
Diese Aussage entsprang der Reformpädagogin Maria Montessori und ist heute noch genauso aktuell, wie zu ihren Lebzeiten. Die Montessori Pädagogik entstand wie viele weitere Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Zeiten der „reformpädagogischen Bewegung“. Die Grundlage der reformpädagogischen Bewegung bildete eine neue Sichtweise auf das Kind und die daraus resultierende Forderung nach einer kindzentrierten Erziehung.
Im dritten Fachsemester der Erzieherausbildung haben wir im Lernfeld zwei die Montessori Pädagogik ausführlich behandelt. Nach dem Abschluss der Thematik war ich von der Theorie überzeugt. Jedoch hegte ich noch einige Zweifel, wie die Umsetzung im Grundschulbereich gelingen kann, da ich selber in meiner gesamten Schulzeit frontal Unterricht wurde, bis hin zur Universitäts- und Ausbildungszeit. Ich wollte mein theoretisches Wissen praktisch umsetzen, die Arbeitsmaterialien, die von Maria Montessori entwickelt wurden, kennenlernen und von ausgebildeten Montessori - Pädagogen2 lernen. Und somit ergab sich die Möglichkeit an dem Montessori Campus XX im Grundschulbereich mein Praxissemester zu gestalten.
In der vorliegenden Facharbeit soll herausgestellt werden, inwiefern die Schulpraxis mit den pädagogischen Vorstellungen von Maria Montessori übereinstimmen, inwieweit die Schüler in der Freiarbeit in eine konzentrierte Arbeit finden und welche kritischen Aspekte dabei zu beachten sind.
Maria Montessori gehört zu den berühmtesten Pädagogen unserer Zeit. Sie erblickte 1870 in dem kleinen italienischen Ort Chiaravalle die Welt. Um ihrer Tochter eine gute Schulbildung zu ermöglichen, zog die Familie nach Rom, wo Maria zunächst eine naturwissenschaftlich geprägte Schule besuchte. Damals war dies eine Seltenheit, denn es war üblich, dass der Weg einer Frau entweder als Hausfrau, Mutter, Erzieherin oder Lehrerin vorbestimmt war. Der erfolgreiche Schulabschluss ermöglichte ihr ein Hochschulstudium, welchem sie in den Fächern Biologie und Mathematik nachging. Im Alter von zwanzig Jahren wuchs der innere Wunsch Ärztin zu werden.
Zur damaligen Zeit wurden Frauen jedoch höchstens als Gasthörer zugelassen, so war das Medizinstudium nur Männern vorbehalten. Maria Montessori ließ sich davon nicht beirren. 1890 gelang es ihr das Studium in Rom aufzunehmen und sechs Jahre später promovierte sie als erste Frau Italiens zur Ärztin3. Nach ihrem erfolgreichen Hochschulabschluss arbeitete sie als Assistentin in der Klinik für Psychiatrie und half dem Professor, Studenten für die Untersuchung von psychisch Kranken auszubilden. Unter anderem galt ihre besondere Aufmerksamkeit allen modernen Studien zum anormalen4 Kind. Maria erkannte, dass zur Heilung dieser Kinder auch Erziehung notwendig war. Doch zwischen Medizinern und Lehrern gab es zu der Zeit eine strikte Trennung, sowohl in ihrer sozialen Arbeit, als auch in ihrer wissenschaftlichen Arbeit gab es keine Überschneidung in beiden Fachbereichen. 1898 nutze Maria den pädagogischen Kongress in Turin und trug Fragen aus der Medizin in die Pädagogik. Somit verlagerte sich ihr Schwerpunkt nach und nach auf die Entwicklung pädagogischer Methoden zur Förderung von Kindern mit Beeinträchtigungen5. Ein bedeutenderer Unterschied zu anderen Ärzten, die in der Irrenanstalt arbeiteten war, dass sie Ihre Arbeit unter moralischen Gesichtspunkten und nicht unter psychologischen betrachtete. So errichtete sie ein Institut, wo sie sechzig Kinder aus der kalten und kahlen Irrenanstalt unterbrachte, sowie fünfzig Kinder von öffentlichen Schulen, die als unbändig oder unterentwickelt abgewiesen wurden. Ihr erstes Ziel galt der Ausstattung des Institutes mit interessanten und anziehenden Dingen. So ermutigte Sie die Kinder dazu, sich frei im Institut zu bewegen und alles auszuprobieren. Maria Montessori schreibt selbst: „Mein Moment war immer dann gekommen, wenn die Aufmerksamkeit eines Kindes tatsächlich erregt wurde.“ 6 Nach etwa zwei Jahren gab sie die Leitung ihres Institutes „Scuola Magistrale Ortofrencia“ auf und widmete sich an der Universität in Rom dem Studium der Pädagogik, der Experimentalpsychologie und der Anthropologie, in der sie eine wesentliche Grundlage der Pädagogik sah. 1906 bot sich Maria eine große Gelegenheit. Sie sollte die Planung und Leitung der Kindertagesstätten im armen Arbeiterviertel von San Lorenzo in Rom übernehmen. Jedes noch nicht schulpflichtige Kind im Alter von drei bis sechs Jahren, sollte in einer Art Schule, die in einem Haus mit Sozialwohnungen untergebracht war, versorgt werden. Dieser besondere Schultyp erhielt den Namen „Casa die Bambini“ (Kinderhaus)7. In dieser Zeit macht Maria Montessori eine entscheidende Beobachtung, die zum Schlüsselerlebnis ihrer Pädagogik führte. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie der Auffassung gewesen, dass die kindliche Aufmerksamkeit leicht ablenkbar und rastlos in der Zuwendung von einem Material zum nächsten Material sei.
Sie beobachtete ein etwa dreijähriges Mädchen, das sich tief versunken mit einem Einsatzzylinderblock beschäftigte, indem es die kleinen Holzzylinder herauszog und wieder an ihre Stelle steckte. „Der Ausdruck des Mädchens zeugte von so intensiver Aufmerksamkeit, dass er für mich eine außerordentliche Offenbarung war. [...] Zu Anfang beobachtete ich die Kleine, ohne sie zu stören, und begann zu zählen, wie oft sie die Übung wiederholte, aber dann als ich sah, dass sie sehr lange damit fortfuhr, nahm ich das Stühlchen, auf dem sie saß und stellte Stühlchen und Mädchen auf den Tisch; die Kleine sammelte schnell ihr Steckspiel auf, stellte den Holzblock auf die Armlehnen des kleinen Sessels, legte sich die Zylinder in den Schoß und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Da forderte ich alle Kinder auf zu singen; sie sangen, aber das Mädchen fuhr unbeirrt fort, seine Übung zu wiederholen, auch nachdem das kurze Lied beendet war. Ich hatte 44 Übungen gezählt. Und als es endlich aufhörte, tat es dies unabhängig von den Anreizen der Umgebung, die es hätten stören können; und das Mädchen schaute zufrieden um sich, als erwachte es aus einem erholsamen Schlaf.“8 Maria Montessori vergleicht ihre Entdeckung mit der Entstehung eines Kristalls. So als hätte sich in einer gesättigten Lösung ein Kristallisationspunkt gebildet, um den sich dann die gesamte chaotische und unbeständige Masse zur Bildung eines wunderbaren Kristalls vereint. Sie beschreibt dieses Phänomen später als Polarisation der Aufmerksamkeit. So als würde sich bei dem Mädchen, ähnlich wie bei dem Kristall, alles Unorganisierte und Unbeständige im Bewusstsein des Kindes zu einer inneren Schöpfung organisieren9.
Das Phänomen der Polarisation der Aufmerksamkeit charakterisiert die tiefe Versunkenheit eines Kindes bei der intensiven Beschäftigung mit einem Gegenstand. Eine Form von Welt- und Selbstvergessenheit erfasst dabei den ganzen Menschen; es ist ein Zusammenspiel von Hand, Herz und Geist. Maria Montessori erforschte fortan die Bedingungen für die Wiederholbarkeit dieses Phänomens in Elternhaus, Kindergarten und Schule. Dabei erkannte sie die Wichtigkeit der Vorbereiteten Umgebung mit ihren sorgsam ausgesuchten Arbeitsmaterialien und den Prinzipien der Bewegungs-, Zeit- und Entscheidungsfreiheit, sowie dem geschulten/veränderten Verhalten der Pädagogen.10
Konzentration beschreibt die bewusste Steigerung der Aufmerksamkeit und ihre Bindung an ein vorgegebenes Ziel11. In der pädagogischen Psychologie wird die Konzentration als Zustand konzipiert, den es zu erreichen gilt, um anspruchsvolle kognitive Leistungen zu ermöglichen12. Negative Faktoren, wie mangelhaftes Interesse, ablenkende Umgebungsreize und eine Reizüberflutung können die Konzentration senken und stören. Des Weiteren können Symptome, wie Schlafmangel, Hunger und physische – sowie psychische Beeinträchtigungen, die Konzentration negativ beeinflussen13. Folgende Merkmale spiegeln die von Maria Montessori entdeckte Polarisation der Aufmerksamkeit wider: Unser Körper verbindet sich mit unserem Geist, die Wahrnehmung der Zeit gerät in Vergessenheit und es entwickelt sich eine gewisse innere Zeitlosigkeit. Es herrscht eine Balance zwischen Herausforderung und Können. Wir spüren einen intrinsischen Impuls, der uns antreibt, die bevorstehende Arbeit zu bewältigen. Heute ist dieser Zustand unter dem Begriff „Flow“ weitverbreitet. Als Vater der „Flow-Forschung“ gilt der Psychologe und Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi.14
„Nur ein selbsttätiges Kind, welches den freien Willen hat seinen eignen Impulsen nachzugehen, findet den Weg zur Konzentration.“15
Die wichtigste Erziehungsaufgabe besteht darin, das Kind zu selbsttätigen Handeln hinzuführen, damit es lernt seinen eigenen Willen zu beherrschen. Ein Kind das stets gelenkt wurde und nie gelernt hat alleine etwas zu tun und seinen eignen Willen zu beherrschen, erkennt man im Erwachsenen wieder, der sich lenken lässt und die Anlehnung Anderer benötigt.
Um ein positives Selbstbild entwickeln zu können, muss dem Kind erlaubt sein, jede mögliche Form selbstgewählter Anstrengung in seine Aktivitäten einzubringen. Denn seinen Selbstwert erfahren zu dürfen, heißt Mut, Zuversicht und Vertrauen zu sich selbst und zur Lebens- und Weltbewältigung zu stabilisieren.16
Ein wichtiger Punkt zum Erlangen der Selbsttätigkeit ist die vorbereitete Umgebung, die das Kind zum selbstständigen Handeln einlädt. Diese besteht nach Maria Montessori aus drei Elementen: dem Pädagogen, dem Raum und dem Material.
Da sich auch die Bedürfnisse eines Kindes ändern und individuell sind, ist die vorbereitete Umgebung nichts Starres oder Gleichbleibendes, was immer und überall Identische ist, sondern etwas im höchsten Maße Flexibles und Unterschiedliches, das Einfühlungsvermögen, weitreichende Kenntnisse und Fantasie der Pädagogen erfordert. „Die vorbereitete Umgebung ist also der physische und psychische Raum, in dem das Kind die entscheidenden Schritte seines seelischen und geistigen Wachstums vollzieht. Sie ist der zentrale Ort und der psychosoziale Rahmen, in dem der Aufbau von Geist und Charakter gelingen kann.“17
In einem Klassenraum finden sich verschiedene Stühle und Tische wieder, die sich der Form des kindlichen Körpers anpassen. Der Lernraum ist so vorbereitet, dass sich das Kind darin möglichst selbstständig bewegen kann. Die Umgebung sollte hell, freundlich und einladend sein, es sollte eine Harmonie der Linien und Farben, herrschen, die eine Einfachheit der Möbel voraussetzt.18 Klare Strukturen und Ordnung helfen dem Kind, sich im Raum zurecht zu finden. Alle Gegenstände haben ihren festen Platz. Der Raum bietet reichlich Platz und Möglichkeiten für Bewegung und fordert das Kind zum Tätigsein auf, denn Maria Montessori versteht die Bewegung als unmittelbaren Ausdruck des geistigen und spontanen Lebens des Kindes. Die Bewegung nimmt in diesem Sinne einen großen Raum in der Lebensrealität und den Bedürfnissen des Kindes ein. Wird die Bewegung vernachlässigt, so kann das Kind sein sensomotorisches und intellektuelles Potential nicht in vollem Maße nutzen und entfalten.19
Neben der Größe des Raumes hängen an den Wänden entlang Bilder, mit freundlichen Familienszenen oder Bilder mit Gegenständen aus der Natur, die Tiere und Pflanzen darstellen, sowie geschichtliche oder biblische Motive, die es zulassen jeden Tag ausgetauscht zu werden. In den offenen Regalen oder Schränken liegt ein sorgfältig ausgesuchtes Angebot an Arbeitsmaterialien, die in fünf Bereiche eingeteilt sind: Mathematik, Sprache, Sinnesmaterial, kosmische Erziehung und Übung des täglichen Lebens.20
Maria Montessori hat in der Zeit, in der sie ihr Institut gründete Material entwickelt, welches das Kind in seinen Lernschritten optimal unterstützen soll. Das Material ist in Form, Farbe und Beschaffenheit so konstruiert, dass sich jedes Kind angesprochen fühlen kann. Es ist stets makellos, vollständig und strukturiert. Durch das Auseinandersetzen mit dem Material, schult das Kind seine Sinne.21 „Es ist nichts im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war.“ 22 Jedes Material beinhaltet die Möglichkeit unterschiedlicher Schwierigkeitsabstufungen, so kann die Beschäftigungsspanne optimal ausgereizt werden. Jede Schwierigkeitsstufe ist in einem Lernschritt isoliert, sodass eine Reizüberflutung vermieden wird. Zudem ist das Material nur einmal in der Gruppe vorhanden, was eine Sozialerziehung der Kinder ermöglicht. Es müssen Absprachen getroffen und eingehalten werden. Das Kind muss sich in Geduld und Kooperation üben. Damit das Kind in seiner Selbstständigkeit und -tätigkeit geschult wird, beinhalten viele Materialien eine Fehlerkontrolle, dass bedeutet, das Kind kann seine Ergebnisse selbstständig überprüfen kann, ohne auf die Kontrolle eines Erwachsenen angewiesen zu sein. Fehler zeigen dem Kind an, wie weit eine Tätigkeit schon beherrscht wird und sie helfen die eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Wichtig ist dabei, dass dem Kind vermittelt wird, dass jeder Mensch Fehler macht, ob Kind oder Erwachsen. So soll es die Fähigkeit erlernen, Fehler als sachlichen Hinweis auf seine Fähigkeiten und Schwächen einzuordnen23. Der Umgang mit dem Material muss jedoch erst erlernt und geschult werden. Das Kind muss zunächst bei einem Arbeitsmaterial die Arbeitstechnik vermittelt bekommen. Montessori nennt dies „Lektion“ oder „Darbietung“. Jede unbekannte Übung wird von dem Pädagogen dargeboten, damit das Kind die konkrete Anwendung versteht. Dabei ist die genaue Handhabung des Materials wichtig. Ob eine Darbietung in Einzel- oder Gruppenlektionen erfolgt, hängt gewöhnlich von der Länge der Darbietung ab.
Die Einführung eines Materials bedarf Ruhe und Zeit, denn die Art und Weise, wie der Pädagoge selbst arbeitet, wird die Art und Weise sein, wie die Kinder später damit arbeiten.24
Unter Pädagogen versteht Maria Montessori jene Personen, die einen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes hat. Sie spricht ebenfalls vom „Diener des Geistes“, dessen Aufgabe es ist, das Kind dazu zu bringen, von sich aus handeln zu wollen und zu denken, nicht jedoch sein Diener zu sein. Es bedeutet, das Kind dazu anzuleiten, seine Ziele durch Eigentätigkeit zu erreichen. Der Pädagoge muss passiv werden, damit das Kind aktiv werden kann. Dem Kind soll nur dann geholfen werden, wenn das Bedürfnis von Hilfe gefordert wird. Die Pädagogin ist das dynamische Bindeglied zwischen dem Kind und dem Material. Das Kind braucht zudem einem Menschen der ihm Orientierung bietet, sowohl im praktischen Tun, wie im geistigen Leben. Eltern und Pädagogen führen die Kinder in eine Werteordnung ein, teils durch ihre Ausstrahlung, teils durch die Regeln, die sie aufstellen und für deren Einhaltung und Umsetzung sie verantwortlich sind. Ein Kind spürt schnell ob jemand die verlangte Werteordnung selber „lebt“ oder nur von anderen verlangt.25
Neben den Pädagogen gehören ebenfalls die Kindergruppe und die Struktur der Einrichtung zur personellen Vorbereitung. Ideal ist eine Einrichtung, die von der Kleinkindgemeinschaft über das Kinderhaus, Grundschule und Oberschule bis zur Oberstufe nach einem gemeinsamen Konzept arbeitet. Den Kindern wird damit ermöglicht, dass sie von einer Entwicklungsstufe in die nächste übergeht. Die Kindergruppe sollte immer altersgemischt sein, die Mischung entspricht den Entwicklungsstufen und hat minimal drei Jahrgänge. Die Jüngeren lernen in dieser Gruppe von den älteren Kindern, die dadurch wiederum ihr Wissen festigen.26
„Es ist nicht wichtig zu welcher Klasse man gehört, ob es die erste, die zweite oder die dritte Gruppe ist, sondern die Tatsache ist wichtig, daß sie voneinander lernen und dabei wachsen und sich entwickeln.“27
Das Ziel der Freiarbeit ist es, das Kind zu einer konzentrierten Arbeit zu führen, indem es sich auf eine Tätigkeit mit Herz, Kopf und Geist einlässt.28 „ In der konzentrierten Arbeit erwirbt das Kind nicht nur Kenntnisse, sondern es stärkt auch sein Selbstbewusstsein, schafft sich Zugänge zur Bewältigung der Wirklichkeit und erwirbt soziale Kompetenzen. Durch die Gewöhnung an konzentrierte Arbeit trainiert das Kind Ausdauer, Zielstrebigkeit, Zuverlässigkeit und Anstrengungsbereitschaft. Die Wirkung der entstehenden „Polarisation der Aufmerksamkeit“ ist weitestgehend umfangreicher, als die bloße Konzentration eines Kindes, um zu einem Arbeitsergebnis zukommen.“ 29
„Denn der Wert liegt nicht in der Arbeit an sich, sondern in der Arbeit als Mittel zum Aufbau des inneren Menschen.“30
Maria Montessori wich in ihren damals gegründeten Kindergärten und Schulen von den damals sehr strikten Formen des Klassenunterrichtes ab. Sie selbst verwendete das Wort „Freiarbeit“ nicht, sondern sprach in ihren Aufzeichnungen und Vorträgen von „der freien Wahl der Arbeit“ oder von den „Lektionen“. Der Begriff „Freiarbeit“ bürgerte sich ab 1950 als Gegensatz zum „gebundenen Unterricht“ ein, da es erforderlich wurde einen Begriff für die Arbeitsstunden zu finden, in denen das Kind die Möglichkeit hatte, sich seine Arbeit frei zu wählen. Die Freiarbeit sollte ungestört über einen langen Zeitraum am Tag angeboten werden. Die Zeit der großen Arbeit braucht Orientierung und Vorbereitung, das darf nicht durch andere Angebote gestört werden. Ein Zeitraum von drei zusammenhängenden Stunden ist dafür Ideal. Während dieser Zeit können Kinder einen eigenen Rhythmus entwickeln, sich selbst Pausen nehmen, bei anderen schauen, sich in die eigene Arbeit vertiefen.31
„Die Seele, die nicht mehr das Gefühl für ihre eigenen Bedürfnisse hat, ist auf derselben gefährlichen Bahn wie der Körper, der nicht mehr im Stande ist, den Hunger und das Schlafbedürfnis zu spüren.“32
Maria Montessori beobachtet in ihren weiteren Forschungen zur „Polarisation der Aufmerksamkeit“, dass sich beim Zustandekommen der Konzentration der Arbeitszyklus der Kinder in drei Phasen einteilen lässt. Die Verlaufsform wird dabei als ein geschlossener Arbeitszyklus beschrieben. Die erste Phase ist die „der Vorbereitung“, die zweite Phase die „der großen Arbeit“, die mit einem Gegenstand der äußeren Welt im Zusammenhang steht und die letzte Phase benennt sie als Phase „des Ausklangs“, die sich nur im Inneren abspielt und die dem Kinde Klarheit und Freude verschafft.33
Bevor ein Kind eine große Arbeit findet und konzentriert arbeitet, geht gewöhnlich eine Phase der Unruhe voraus. In dieser Phase ist das Kind auf der Suche nach einer Arbeit, dabei beginnt es vielleicht eine Aufgabe, unterbricht sie aber bald wieder, bis es etwas gefunden hat, was seine Begeisterung weckt. Das Motiv für die Suche liegt im Kind selbst und folgt seiner inneren Stimme. Die innere Bereitschaft tendiert dahin, die Dinge im Außen kennenzulernen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und näher zu untersuchen.34 Sobald das Kind eine Arbeit für sich gefunden hat, sucht es sich die Materialien zusammen und bereitet seinen Platz vor. Mit dieser Handlung stellt sich das Kind innerlich auf seine bevorstehende Arbeit ein. Ordnet das Kind seine Umgebung, so ist diese nach außen gerichtete Aktivität ein Zeichen für die beginnende innere Ordnung.35 In diesem Moment offenbart es uns auch, was es für seine existenzielle Entwicklung braucht.36 Der Pädagoge lässt dem Kind die Zeit und Ruhe, die es benötigt. Es werden lediglich die Kinder gelenkt, die Hilfe benötigen um sich überhaupt zu entscheiden. Da die Arbeitszyklen der Kinder verschieden lang sind und sich somit die Phasen der Arbeitssuche und der konzentrierten Arbeit überschneiden, muss die Pädagogin dafür sorgen, dass die Ruhe in der Klasse erhalten bleibt.37 Mischt sich jemand anderes in die Arbeit ein, so zerstört er den Prozess und unterbricht die Arbeit, was dazu führen kann, dass das Kind die Arbeit nicht weiterführt.
[...]
1 Becker, Ingeborg (Hrsg.): Maria Montessori. Wie Kinder zu Konzentration und Stile finden, Freiburg: 1998, S. 20.
2 Aufgrund der Lesbarkeit werde ich in der vorliegenden Arbeit ausschließlich die männliche Form des Pädagogen, Schüler etc. verwenden.
3 Vgl. HPV Montessori: Maria Montessori. Wer war sie und was hat sie berühmt gemacht, in HPV Montessori von 2020, https://hpv-montessori.de/kurse/maria-montessori.html, Stand: 22.02.2022.
4 Bezeichnung für ein geistig unterentwickeltes Kind
5 Vgl. Ludwig, Harald (Hrsg.): Grundgedanke der Montessori Pädagogik. Quelltexte und Praxisberichte, Freiburg: 2017, S. 16 f.
6 a.a.O., S. 20.
7 Vgl. a.a.O., S. 22.
8 Oswald, Paul (Hrsg.): Maria Montessori. Schule des Kindes, Freiburg: 1996, S. 69 ff.
9 Vgl. Ludwig (Hrsg.) 2017, S. 84 f.
10 Vgl. Stein, Barbara: Theorie und Praxis der Montessori-Grundschule, Freiburg: 1998, S. 64.
11 Vgl. Dr. Wolf, Doris: Den Geist stärken. Konzentration lernen - wie Sie Ihre Konzentrationsfähigkeit steigern und trainieren. Hilfe bei Konzentrationsschwächen, in: Psychotipps vom 26.06.2020, https://www.psychotipps.com/konzentration.html, Stand: 11.12.2021.
12 Vgl. Spektrum Akademischer Verlag (2020): Lexikon der Psychologie. Konzentration, https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/konzentration/8189, Stand 11.12.2021.
13 Vgl. Stangl, W. (2020): Konzentration. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik, https://lexikon.stangl.eu/541/konzentration, Stand 28.12.2021.
14 Vgl. Stangl, W. (2021): Flow. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik, https://lexikon.stangl.eu/303/flow#Csikszentmihalyi, Stand 29.12.2021.
15 Becker, Ingeborg (Hrsg.): Maria Montessori. Wie Kinder zu Konzentration und Stile finden, Freiburg: 1998, S. 70.
16 Vgl. Montessori, Maria: Die Macht der Schwachen, Freiburg: 1989, S. 39 ff.
17 Montessori Bayern Landesverband (2020): Die vorbereitete Umgebung, https://www.montessoribayern.de/landesverband/paedagogik/m-paedagogik-die-bereiche/die-vorbereitete-umgebung, Stand: 28.12.2021.
18 Vgl. Ludwig (Hrsg.) 2017, S.117.
19 Montessori Schule Landshut Geisenhausen (2000): Vorbereitete Umgebung, https://schule.montessori-landshut.de/montessori-paedagogik/vorbereitete-umgebung/, Stand: 29.12.2021.
20 Vgl. Ludwig (Hrsg.) 2017, S.115.
21 Vgl. Montessori Schule Landshut Geisenhausen (2020): Vorbereitete Umgebung: https://schule.montessori-landshut.de/montessori-paedagogik/vorbereitete-umgebung/, Stand: 29.12.2021.
22 ebd.
23 Vgl. Stein, Barbara: Theorie und Praxis der Montessori-Grundschule, Freiburg bei Breisgau: 1998, S. 89 f.
24 Vgl. Stein 1998, S. 93.
25 Vgl. Stein, Barbara: Theorie und Praxis der Montessori – Grundschule, Freiburg: 1998, S. 28 – 29.
26 Vgl. Stein 1998, S.50 ff.
27 Oswald, Paul (Hrsg.): Maria Montessori. Schule des Kindes, Freiburg: 1996, S.87.
28 Vgl. Stein 1998, S. 63.
29 Stein 1998, S. 64.
30 Oswald, Paul (Hrsg.): Maria Montessori. Schule des Kindes, Freiburg: 1996, S.170.
31 Vgl. Stein 1998, S. 55.
32 Becker, Ingeborg (Hrsg.): Maria Montessori. Wie Kinder zu Konzentration und Stile finden, Freiburg: 1998, S. 40.
33 Vgl. Holstiege, Hildegard: Modell Montessori, Freiburg: 1977/1994, S. 165.
34 Vgl. Holstiege 1977/1994, S. 166.
35 Vgl. Stein 1998, S. 68.
36 Vgl. Oswald, Paul (Hrsg.): Grundgedanke der Montessori – Pädagogik, Freiburg: 1967, S 87.
37 Vgl. Stein 1998, S. 68.