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Seminararbeit, 2021
16 Seiten
Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht
1 Vorwort
2 Begriffsbestimmung „Handelsregister“ und seine Rechtsgrundlagen
3 Aufbau des Handelsregisters
4 Inhalt des Handelsregisters
5 Die Funktionen des Handelsregisters
5.1 Informations,- Publizitäts- und Schutzfunktion
5.2 Kontrollfunktion
5.3 Beweisfunktion
6 Die Rechtsprechung zu den Funktionen des Handelsregisters
6.1 Darstellung des BGH-Urteils vom 01. Dezember 1975 - „Rosinentheoriefall“
6.2 Ergebnis des BGH-Urteils vom 01. Dezember 1975 - „Rosinentheoriefall“
6.3 Bedeutung des Handelsregisters anhand des BGH-Urteils vom 01.Dezember 1975
7 Fazit
8 Literaturverzeichnis
9 Sonstige Verzeichnisse
Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung des Handelsregisters im deutschen Recht. Die Notwendigkeit eines Registers dieser Art lässt sich bereits auf die früheren Handelsstädten zurückführen. Den geschichtlichen Wurzeln nach sind die Interessen aller Beteiligten im Handelsrecht schutzwürdig. Eine eigenständige, gesetzliche Grundlage hierfür zu schaffen war von hoher Relevanz. Die Anfänge dessen sind im Jahr 1900 durch das ADHGB entstanden, welches vergleichsweise ein Handelsregister in seiner aktuellen Form vorsah. Es handelte sich hierbei um Publizitätsvorschriften, die in heutiger Fassung in den §§ 8ff. HGB wiederzufinden sind. Veröffentlichungen von relevanten Tatsachen, die bestimmte, rechtsschaffende Voraussetzungen erfüllen, sind im Handelsrecht als Sonderprivatrecht der Kaufleute, ein wesentlicher Bestandteil. Der genauen Bedeutung gilt es im Folgenden auf den Grund zu gehen.
Die Einführung in die Thematik erfolgt zunächst durch einen deskriptiven Teil. Beginnend mit einer allgemeinen Begriffsbestimmung und den dem Handelsregister zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen, weiter mit dem Aufbau des Handelsregisters über dessen Inhalt zu den Funktionen. Hierbei werden die einzelnen Funktionen so ausgearbeitet, dass eine Auflistung derer zustande kommt. Dabei ist bereits die Bedeutung des Handelsregisters in seinen Grundzügen abzuleiten. Um diese weiter auszuführen und einen geeigneten Praxistransfer herzustellen, wird von dem Autor das BGH-Urteil vom 01. Dezember 1975 zum „Rosinentheoriefall“ herangezogen. Nach der Darstellung des Sachverhalts folgt das Ergebnis des BGH-Urteils in kurzer Veranschaulichung. Um dieses vollumfänglich nachvollziehen zu können, folgt das Ergebnis noch einmal im Gutachterstil.
Im Fazit werden die einzelnen Funktionen und deren Bedeutung in komprimierter Form zusammengefasst. Fortführend wird das Ziel der bereits unter Punkt 2 erwähnten EU- Richtlinien erklärt, um abschließend auf die Problematik eines einheitlichen europaweiten Handelsregisters einzugehen.
Das Handelsregister gilt als ein öffentliches Register, welches Auskunft über „bestimmte für den Rechtsverkehr wesentliche privatrechtliche Rechtstatsachen und Rechtsverhält- nisse auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts gibt.“1 Als gesetzliche Grund- läge stehen hierbei die §§ 8 - 16 HGB (Handelsgesetzbuch) im Mittelpunkt, ergänzt durch die prozessualen Bestimmungen der §§ 378 bis 399 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) und konkretisiert über die HVR (Handelsregisterverordnung).2 Auch dazu zählen Richtlinien der EU, wie zum Beispiel die Richtlinie 89I666 EWG des Europäischen Rates, sowie die Richtlinie 2012I17IEU des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates, die auf eine Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern abzielen.
Der Aufbau des Handelsregisters wird durch die Handelsregisterverordnung geregelt.3 Das Handelsregister wird gemäß § 3 HRV in zwei Abteilungen gegliedert In Abteilung A („HRA“) werden grundsätzlich die Einzelkaufleute und die Personenhandelsgesellschaften, wie oHG und KG, sowie die Unternehmen öffentlicher Körperschaften geführt. In Abteilung B („HRB“) die Kapitalgesellschaften, wie GmbH und AG, sowie die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG).„Für jeden Kaufmann wird dabei ein gesondertes Registerblatt geführt.“4 Dies enthält eine fortlaufend vergebene Handelsregisternummer gemäß § 13 Abs. 1 HRV und wird zu den Dokumenten, die der Einsicht unterliegen, in einem Registerordner aufgenommen, § 9 Abs. 1 HRV. „Nicht der Einsicht unterliegende Dokumente werden zu den Registerakten genommen.“5 Seit dem 01.01.2007 ist das Handelsregister als solches elektronisch zu führen, § 8 Abs. 1 HGB, § 7 HRV.
Auch über den Inhalt des Handelsregisters gibt die HRV Auskunft. Beim Inhalt des Handelsregisters wird zwischen eintragungsfähigen Tatsachen und nicht eintragungsfähigen Tatsachen unterschieden. Innerhalb der eintragungsfähigen Rechtstatsachen existieren eintragungspflichtige, also per Gesetz zur Eintragung verpflichtend und nicht eintragungspflichtige Tatsachen. Folglich ist im Einzelfall die Einordnung dieser den Gesetzen wie dem HGB, GmbHG oder dem AktG zu entnehmen. Die Rechtsprechung lässt jedoch auch ohne genannte Eintragungspflicht solche Tatsachen zur Eintragung zu, die der Sicherheit im Rechtsverkehr dienen.6 Eintragungspflichtig und somit für das Handelsregister inhaltlich von Bedeutung ist beispielsweise die Firma und Ort der Handelsniederlassung nach § 29 HGB oder die Eintragung einer GmbH (§§ 7 ff. GmbHG). Bei nicht eintragungspflichtigen Tatsachen handelt es sich meist um solche, die eine konstitutive Wirkung besitzen, also um Tatsachen, die erst mit Handelsregistereintragung wirksam werden (dies wird im Folgenden unter Punkt 5.1 näher erläutert). Nicht eintragungsfähige Tatsachen sind jene, die oben genannte Merkmale nicht aufweisen. Folglich also weder per Gesetz ausdrücklich zur Eintragung verpflichtend sind, noch im Rechtsverkehr eine Sicherheit aufweisen.7 Dies hat zur Folge, dass das Handelsregister seine Übersicht behält und „Dritte vor einer ausufernden Publizitätswirkung des Handelsregisters geschützt wer- den.“8 Ein Beispiel hierfür ist die Erteilung einer Handlungsvollmacht.
Die Funktionen des Handelsregisters erfüllen gemeinsam den Grundsatz der Transparenz. „Ein Rechtsverkehr, der auf Schnelligkeit angewiesen ist und in dem traditionell der Handschlag genauso viel zählt, wie ein schriftlicher Vertrag, bedarf der Fixierung und Offenlegung bestimmter Tatsachen, um die Rechtschaffenheit der Beteiligten zu gewähr- leisten.“9
Dieser und weitere Gründe zeigen auf, das dem Handelsregister eine bedeutende Rolle im Handelsrecht zugeschrieben werden kann und eine richtige Führung dessen zum Schutz aller Beteiligten gewährleistet sein muss.
Einer der Funktionen, die das Handelsregister aufweist, ist die Informations- und Publizitätsfunktion. Bestimmte Sachverhalte sind zu erfassen, beispielsweise die Eintragung oder Löschung der Prokura, bekanntzumachen und jedermann zur Verfügung zu stellen. „Durch die Eintragung im Handelsregister werden nach außen wirkende Rechtsverhältnisse [...] in rechtserheblicher Weise publiziert.“10 Bei der Publizität von Rechtstatsachen wird zwischen konstitutiven Wirkungen und deklaratorischen Wirkungen unterschieden. Beispielweise wird der Erwerb der Kaufmannseigenschaft nach § 2 HGB erst mit Eintragung ins Handelsregister wirksam, also konstitutiv.11 Deklaratorische, also lediglich rechtsbezeugende Eintragungen, bei denen die Wirkung nicht von der Eintragung ins Handelsregister abhängig ist, ist beispielweise die Erteilung der Prokura nach § 48 HGB.12
Hieran anknüpfend ist die Schutzfunktion, die aus der Publizitätsfunktion des Handelsregisters im Sinne des § 15 Abs. 1 und 3 HGB hervorgeht. Hierbei ist zwischen der negativen Publizität gemäß Abs. 1 und der positiven Publizität nach Abs. 3 zu unterscheiden. Die negative Publizität betrachtet das Schweigen des Handelsregisters, welches bedeutet, dass ein Kaufmann, in dessen Angelegenheiten eine Tatsache im Handelsregister einzutragen war, aber nicht eingetragen wurde, diese Tatsache nur dann einem Dritten entgegenhalten kann, wenn er beweist, dass der Dritte die einzutragende Tatsache kannte, § 15 Abs. 1 HGB.
Die positive Publizität hingegen verweist auf das Reden des Handelsregisters und schützt das Vertrauen auf die Richtigkeit einer bekanntgemachten Tatsache. Folglich kann bei einer unrichtigen, aber bekanntgemachten Tatsache sich ein Dritter auf diese berufen, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kannte. Die Informations- und Publizitätsfunktion allein führt bereits schon ein hohen Standard in das deutsche Rechtssystem ein, welche alle Teilnehmer, auch Privatpersonen, am Rechtsverkehr schützt.13
Als eine weitere Funktion gilt die Kontrollfunktion der weisungsunabhängigen registerführenden Gerichte. Diesen steht sowohl ein formelles Prüfungsrecht zu, als auch ein materielles Prüfungsrecht.
Da das Handelsregister im deutschen Recht öffentlichen Glauben genießt, ist es von großer Bedeutung, dass eingetragene und bekanntgemachte Rechtstatsachen auch der Wahrheit entsprechen. Die registerführenden Gerichte sind folglich berechtigt und verpflichtet, jedwede Eintragungsvoraussetzungen in formeller Hinsicht zu prüfen, um ein „ordnungsgemäßes Verfahren zu gewährleisten.“14
Das materielle Prüfungsrecht beginnt zunächst bei einer allgemeinen Plausibilitätsprüfung der angemeldeten Rechtstatsachen. Sollten diese schlüssig dargestellt und glaubwürdig gemacht worden sein, so hat das Registergericht die Prüfung zu beenden und die Eintragung vorzunehmen.15 Sollte es jedoch Grund zur Annahme für sachliche Unrichtigkeiten oder rechtliche Bedenken geben, sind weitere Ermittlungen seitens des Registergerichts vorzunehmen.16 „So hat das Gericht zum Beispiel vor der Eintragung etwaige zugrunde liegende Gesellschafterbeschlüsse auf Nichtigkeitsgründe hin zu untersuchen.“17, sollte es Grund zur Annahme geben, dass diese unzutreffend sind. Diese Kontrollfunktion dient zum Einen dem Zweck, ein vollumfängliches richtiges Register zu erschaffen, zum Anderen „leistet die Prüfung des Registergerichts vielfach eine Rechtskontrolle in der Art einer Rechtsaufsichtsbehörde.“18
Die genannte Richtigkeitskontrolle wird unterstützt durch die Mitteilungspflicht der Notare, Gerichte und der Staatsanwaltschaften, sowie der Polizei- und Gemeindebehörden im Sinne des § 379 Abs. 1 FamFG. Dadurch sind die genannten Organe dazu verpflichtet, unrichtige, unvollständige oder unterlassene Anmeldungen an das Registergericht weiterzugeben. Absatz 2 regelt ähnliche Pflichten für Finanzbehörden, § 379 Abs. 2 FamFG. Die Kontrollfunktion führt den hohen Standard des Handelsregisters im deutschen Recht fort. Sie schützt vor Identitätsdiebstahl und Identitätsbetrug.19
Auf dieser Basis ist eine Beweisfunktion der eingetragenen und bekanntgemachten Rechtstatsachen in das Handelsregister abzuleiten. Sie ist dadurch gegeben, dass aus dem Handelsregister gefertigte Ausdrucke so wie Abschriften (§ 9 Abs. 4 HGB), als Beweismittel in einem Prozess dienen können. Bei Vorlage dieser Ausdrucke und Abschriften kann die Beweiskraft hinreichend sein, dass das Handelsregister bezüglich der im Streit befindlichen Tatsache einen bestimmten Inhalt hat (Beweis des ersten Anscheines).20
Ob diese sowohl eine formelle als auch eine materielle Beweiskraft zugeschrieben bekommen, ist erstens aus der bereits genannten Kontrollfunktion des Handelsregisters zu erwarten, zweitens aber hat der Gesetzgeber aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes der aus § 26 FamFG hervorgeht, die „Übereinstimmung von Registereintragung und der wahren Rechtslage als Normalfall gewollt. Maßstab für die Richtigkeit des Handelsregisters ist aus diesen Gründen nicht die Anmeldung, sondern die Wirklichkeit.“21
Hiermit wird verdeutlicht, dass die Vertrauensfunktion des Handelsregisters von Übereinstimmung von Eintragung und Anmeldung bis hin zum Vertrauen des Rechtsverkehrs im Allgemeinen reicht. „Dieser soll auf die im Handelsregister niedergelegten Tatsachen und Rechtsverhältnisse vertrauen können.“22
Auch die Rechtsprechung unterstützt die Vertrauens- und Schutzfunktion des Handelsregisters durch ihre Entscheidung.23 Zur Verdeutlichung wird das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01. Dezember 1975 zum „Rosinentheoriefall“ herangezogen. Der „Rosinentheoriefall“ beschäftigt sich mit der Problematik, sich bezüglich einer Streitsache einmal auf die wahren Verhältnisse zu stützen und an anderer Stelle auf die Lage, wie sie das Handelsregister aufweist. Im Folgenden wird die Klägerin mit „V“ bezeichnet, sowie der Beklagte mit „K2“.
Bei dem Beklagten handelt es sich um einen von zwei persönlich haftenden Gesellschaftern einer KG (K1 und K2), die nach dem Gesellschaftsvertrag und dem Inhalt des Han- delsregisters nur gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt waren. Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH, die als persönlich haftende Gesellschafterin einer KG fungiert.
[...]
1 Ko-HGB, Oetker/Preuß § 8 Rdn. 2.
2 Oetker, HandelsR S. 46 Rdn. 9 und 10.
3 Verordnung über die Führung des Handelsregisters (Handelsregisterverordnung - HRV) v. 12.08.1937, zuletzt geändert durch Gesetz v. 18.07.2017.
4 Breithaupt/ Ottersbach, Kompendium Gesellschaftsrecht, Rdn. 147.
5 Beck'scheKo-GesellschaftsrechtI Henssler/ Strohn, § 8 Rdn.
6 Beck'scheKo-Gesellschaftsrecht/ Henssler/Strohn, § 8 Rdn. 5.
7 Beck'scheKo-Gesellschaftsrecht/ Henssler/ Strohn, § 8 Rdn. 5.
8 Beck'scheKo-Gesellschaftsrecht/ Henssler/ Strohn, § 8 Rdn. 6.
9 Kramm, Handelsregistergericht, Juristische Universitätsschriften Bd. 21, Berlin, 1998, S. 20.
10 Ko-HGB, Oetker/Preuß,§ 8 Rdn. 40.
11 Ko-HGB, Oetker/Preuß, § 8 Rdn. 54.
12 MüKo-HGB/& A™ A § 1 Rdn. 6.
13 Ries, ZIP 2013, 866 (869).
14 MüKo-HGB/Krafka, 5. Aufl. 2021, HGB § 8 Rdn. 68.
15 MüKo-HGB/ Krafka, 5. Aufl. 2021, HGB § 8 Rdn. 73.
16 MüKo-HGB/ Krafka, 5. Aufl. 2021, HGB § 8 Rdn. 73.
17 MüKo-HGBIKrafka, 5. Aufl. 2021, HGB § 8 Rdn. 10.
18 Klepsch, Prüfungsrecht und Prüfungspflicht der Registergerichte, 2002, S. 62.
19 Ries, ZIP 2013, 866 (869).
20 GroßKo-HGB/ Staub, § 8 Rdn. 123.
21 Oetker, HandelsR, S. 51 Rdn. 26.
22 Oetker, HandelsR, S. 51 Rdn. 26.
23 BGH, Urt. v. l.Dezember 1975 - II ZR 62/75.