Das vorliegende Scientific Essay soll die Zusammensetzung und die Herkunft der hohen Schmerzensgeld- und Schadensersatzbeträge ermitteln. Hierzu wird ein historischer Einblick auf die exemplary damages und punitive damages verschafft. Nach einer Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und den Funktionen des Strafschadensersatzes in den USA, erfolgt die Darstellung eines der bekanntesten Fälle von punitive damages.
Abschließend soll, auf der Grundlage des angeeigneten Wissens, darauf eingegangen werden welche kritischen Aspekte das Rechtsinstitut der punitive damages mit sich bringt.
Inhalt
1 Einleitung.
2 Punitve damages.
2.1 Ursprung und Entwicklung.
2.2 Voraussetzungen.
2.3 Funktionen.
3 Fallbeispiel: McDonald’s Coffee Spill Case.
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
7,5 Millionen Dollar für eine gebrochene Hüfte in einem Walmart, 640.000 Dollar für einen überhitzten McDonald’s Kaffee oder eine Frau, die in einem Möbelgeschäft über Ihren Sohn stolperte, sich den Knöchel brach und dafür mit 780.000 Dollar entschädigt wurde. Wie kommt es, dass Schmerzensgeld und Schadensersatz in den Vereinigten Staaten von Amerika sofort mit immens hohen Summen in Verbindung gebracht wird.
Die US-amerikanische Rechtsprechung im „common law“ basiert vor allem auf dem „case law“ (Fallrecht). Während sich die Gerichte dabei oftmals weniger an den Gesetzen, sondern vielmehr an vergleichbaren Präzedenzfällen von vorhergehenden Delikten orientieren, beruht die deutsche Rechtsprechung auf festgeschriebenen Gesetzen und Verordnungen. Maßgeblich für die Bestimmung vom Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. seiner Höhe ist der § 253 BGB. Hierbei ist die individuelle Summe des Schmerzensgeldes immer Ergebnis einer richterlichen Würdigung sämtlicher Umstände, jedoch kann sich ein Richter an Schmerzensgeldtabellen und Schmerzensgeldkatalogen orientieren. Da sich das deutsche Recht auf das Ausgleichsprinzip und das amerikanische auf den Strafschadensersatz konzentriert wird in dieser Arbeit kein Vergleich dargestellt.
Das vorliegende Scientific Essay soll die Zusammensetzung und die Herkunft der hohen Schmerzensgeld- und Schadensersatzbeträge ermitteln. Hierzu wird ein historischer Einblick auf die exemplary damages und punitive damages verschafft. Nach einer Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und den Funktionen des Strafschadensersatzes in den USA, erfolgt die Darstellung eines der bekanntesten Fälle von punitive damages.
Abschließend soll, auf der Grundlage des angeeigneten Wissens, darauf eingegangen werden welche kritischen Aspekte das Rechtsinstitut der punitive damages mit sich bringt.
2Punitve damages
Im anglo-amerikanischen Rechtsraum ist es seit über 200 Jahren möglich bei zivilem Unrecht neben den compensatory damages, die primär dem Schadensausgleich dienen, ein Sanktionselement hinzuzufügen.1 Die Rede ist vom Rechtsinstitut der punitive damages, im deutschen „Strafschadensersatz“. Ein Zuspruch von hohen Schadensersatzbeträgen kann im Zivilverfahren dem Opfer einer deliktischen Handlung mit vorsätzlichem, rücksichtslosem Verhalten des Angeklagten besonders bei immateriellen Schäden, seelischem Schmerz und Verletzung der Ehre gewährt werden. Punitive damages setzen da an, wo compensatory damages nicht mehr ausreichend sind.2
2.1 Ursprung und Entwicklung
Erste vergleichbare Gesetze für Zahlungen mit doppeltem oder mehrfachem Schadensersatz (double / multiple damages) gab es bereits im Jahr 1275 in England. Mitte des 18. Jahrhunderts publizierte John Wilkes im Vorfeld zur Erklärung der amerikanischen Unabhängigkeit eine Kritik gegenüber dem damaligen Regime. Infolgedessen veranlasste die Regierung einen Durchsuchungs- und Haftbefehl „gegen unbekannt“, durchsuchte Wilkes Haus und verhaftete ihn. Aufgrund des Hausfriedensbruchs erhielt der Kläger einen Gesamtbetrag von 1000 Pfund, welcher als Schadensersatz deutlich über den real entstandenen Schaden hinaus ging, die sogenannten „exemplary damages“. Um die im Vergleich zu den Unannehmlichkeiten hohe Summe zu begründen wurde das erste Mal eine Abgrenzung zwischen der Kompensation des Schadens und einer Straf- und Abschreckungsfunktion vorgenommen. Diese wird bei vorsätzlichem Schaden, sowohl bei Privatpersonen als auch gegenüber dem Staats auferlegt.3 Das anglo-amerikanische Deliktrecht entwickelte sich erst später als Zusammenhänge zwischen Schadenswiedergutmachung und Bestrafung erkannt wurden. Der US Supreme Court, der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschied im Jahr 1851 die Straf- und Abschreckfunktion bei punitive damages hervorzuheben, da es bis dahin Unstimmigkeiten bei der Zuordnung von Schadensersatz zwischen punitive damages und compensatory damages gab. Im Jahr 1996 scheiterte der Versuch eine bundeseinheitliche Regelung zu finden, weshalb ein unterschiedliches Verständnis von punitive damages vorliegt und diese ebenfalls nicht in allen Bundesstaaten gleichermaßen anerkannt sind.4 Beispielsweise ist der Strafschadensersatz in Louisiana, Massachusetts, Washington und New Hampshire nur erlaubt, sofern er gesetzlich festgelegt ist. Nebraska lehnte punitive damages generell ab.5
2.2 Voraussetzungen
Der Antrag auf die Gewährung von Strafschadensersatz in den USA ist nur in speziellen Fällen möglich. Um diese einfordern zu können, muss der Geschädigte einen deliktischen Haftungsanspruch zwecks unrechtmäßigen Handelns geltend machen.6 Dabei hat das Rechtsinstitut der punitive damages keine eigenständige Berechtigung, da es an einen haftungsbegründeten Tatbestand anknüpft – Sie sind akzessorisch.7 In einigen Fällen wird Schadensersatz eingeräumt, obwohl trotz eines haftungsbegründeten Vorfalls kein Schaden entstanden ist. Dies ist der Fall, wenn ein Verstoß gegen das Gesetz vorliegt, hierbei werden symbolische Schäden als hinreichend angesehen, um Schadensersatz zu legitimieren.
Ein zusätzliches Merkmal für die Verhängung von Strafschadensersatz ist das Eintreten erschwerender Umstände durch außerordentlich verwerfliches Verhalten des Schädigers. Dabei erklärte das Restatement 2nd of Torts im amerikanischen Recht, welches Grundlinien der Rechtsprechung aufführt, dass punitive damages ausschließlich bei verwerflichem, zielgerichtetem oder gewinnorientiertem Verhalten im Bewusstsein des Beklagten gewährt werden. Erforderlich ist ein Unwerturteil, da eine grobe Fahrlässigkeit nicht ausreichend ist.8 Das Delikt muss absichtlich (deliberate), rücksichtslos (reckless), böswillig (malicious) sein. Auch wenn die genannten Voraussetzungen zutreffen hängt der Zuspruch von punitive damages in den USA vom Einzelfall ab. Denn solange das Verfahren vor einer Jury stattfindet liegt die Entscheidung im Ermessen der Geschworenen.9 Unterstützend für das Urteil bestehen für den Kläger Vermutungsregeln, die den Nachweis des Delikts vereinfachen.10
2.3 Funktionen
Punitive damages haben für den Kläger wie auch für die Gesellschaft zahlreiche Funktionen, über die Jahre hat sich die Rechtsprechung dafür in den Bundesstaaten verschieden ausgeprägt.11 Diese lassen sich in vier Hauptfunktionen aufteilen, welche eine unterschiedliche Gewichtung je nach Bundesland besitzen: Abschreckungs- Bestrafungs-, Rechtsdurchsetzungs-, Ausgleichsfunktion.
In 43 Bundesstaaten sind punitive damages ausschließlich mit einer Straf- und Abschreckungsfunktion versehen. In 38 Bundesstaaten hat die Straffunktion den höchsten Stellenwert und dient als Genugtuung und Ersatz für die Privatrache. Zivilrechtliche Strafen dienen dem innergemeinschaftlichen Frieden und symbolisieren die Missbilligung der Gesellschaft gegenüber dem Handeln des Schädigers. Dabei soll ebenfalls in Betracht gezogen werden, welchen Schaden der Beklagte über den des Opfers auch anderen zugefügt hat. Die hohen Beträge von punitive damages lassen sich vor allem auf die Abschreckungsfunktion zurückführen. Damit soll ein Exempel statuiert werden, welches eine generalpräventive Rolle einnimmt, die der gesamten Gesellschaft gegenüber als Warnung dient. Ein bedeutender Wert wird der Produkthaftung zugesprochen, die verhindern soll, dass Unternehmen fehlerhafte Ware auf den Markt bringen. Zum anderen wird ein spezialpräventives Ziel verfolgt, dass die Gesellschaft vor potenziellen Tätern oder Wiederholungstätern schützen soll.12
Die Funktion der Rechtsdurchsetzung steht in enger Beziehung mit der Straf- und Abschreckungsfunktion, wird jedoch oftmals als eigenständiges Element erfasst. Es soll ein Anreiz geschaffen werden die Rolle des privaten Staatsanwalts, als Unterstützung des ausgelasteten Staates, einzunehmen. Die private Rechtsverfolgung wird im Gegenzug mit hohen Beträgen entschädigt.13
Die Ausgleichsfunktion von punitive damages bezieht sich vorwiegend auf die entstandenen Kosten, die nicht ausreichend mittels compensatory damages gedeckt werden. Ein reiner Kompensationsgedanke immaterieller Schäden wurde im Hinblick auf punitive damages von den meisten Supreme Courts, einschließlich des U.S. Supreme Courts abgelehnt. Dies wird damit begründet, dass die Kompensation immaterieller Schäden weitestgehend von compensatory damages ersetzt wurde. Zu den Ausnahmen zählen Michigan und Connecticut, die punitive damages ausschließlich bei immateriellen Schäden gewähren. Die Kompensation bezieht sich in diesen Bundesstaaten einerseits auf die Verletzung der Gefühle. Die Gesamtsumme hängt davon ab wie verwerflich das Delikt ist. Andererseits sollen Rechtsverfolgungskosten wie Anwalts- und Gerichtskosten ausgeglichen werden, da diese im amerikanischen Recht nicht von der unterliegenden Partei gezahlt werden.14
[...]
1 Vgl. Küster, Michelle Strafschadensersatz, 2010, s. 140
2 Vgl. Riedel, Eva-Maria Strafschadensersatz, 2016, s. 2 f.
3 Vgl. Riedel, Eva-Maria Strafschadensersatz, 2016, s. 5-7
4 Vgl. Küster, Michelle Strafschadensersatz, 2010, s. 140 f.
5 Vgl. Klode, Michael, Punitive Damages, 2009, 1767
6 Vgl. Küster, Michelle Strafschadensersatz, 2010, s. 143
7 Vgl. Müller, Peter Punitive Damages, 2000, s. 8
8 Vgl. Küster, Michelle Strafschadensersatz, 2010, s. 143f.
9 Vgl. Riedel, Eva-Maria Strafschadensersatz, 2016, s. 3f.
10 Vgl. Küster, Michelle Strafschadensersatz, 2010, s. 144
11 Vgl. Owen, David G., Punitive Damages Overview, 1994, s. 373
12 Vgl. Riedel, Eva-Maria Strafschadensersatz, 2016, s. 21-24
13 Vgl. Brockmeier, Dirk, Punitive Damages, 1999, s. 18 f.
14 Vgl. Riedel, Eva-Maria Strafschadensersatz, 2016, s. 25
- Quote paper
- Lars Vieten (Author), 2020, Punitive Damages. Hohe Schmerzensgeldzahlungen in den USA. Warum ist das so?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1246152