Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Briefwechsel zwischen Albrecht Achilles und seiner Ehefrau, Anna von Brandenburg, den das Ehepaar in den Jahren 1474/75 führte. Dabei werden insbesondere die darin durchgängig vorkommenden Derbheiten und Obszönitäten untersucht, um herauszufinden, ob es sich hierbei um einen heute nicht mehr ganz nachvollziehbaren spätmittelalterlichen Humor gehandelt haben könnte.
Die Beschäftigung mit Privatbriefen hilft, einen direkten Einblick in die sonst eher verschlossene mittelalterliche Gefühls- und Gedankenwelt zu gewinnen. Auch im Hinblick auf die immer populärer werdende Geschlechter- und Frauengeschichte bietet dieser Briefwechsel neue Perspektiven auf höfische Eheverhältnisse.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historischer Kontext
2.1 Albrecht Achilles und Anna von Brandenburg
2.2 Frauen und Ehe im spätmittelalterlichen Hochadel
3. Der Briefwechsel zwischen Anna und Albrecht
3.1 Chronologie und Umfang
3.2 Formale Analyse
3.2.1 Briefform
3.2.2 Anrede
3.2.3 Briefschluss
3.3 Inhaltliche Analyse
3.3.1 Emotionalität und Sorge
3.3.2 Obszönität und Derbheit in Albrechts Briefen
3.3.3 Humor in Annas Briefen
3.4 Einordnung in die Forschungsdiskussion
4. Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen
Sekundärliteratur
1. Einleitung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Briefwechsel zwischen Albrecht Achilles (1414–1486) und seiner Ehefrau, Anna von Brandenburg (1437–1512), den das Ehepaar in den Jahren 1474/75 führte. Dabei sollen insbesondere die darin durchgängig vorkommenden Derbheiten und Obszönitäten untersucht werden, um herauszufinden, ob es sich hierbei um einen heute nicht mehr ganz nachvollziehbaren spätmittelalterlichen Humor gehandelt haben könnte.
Die Beschäftigung mit Privatbriefen hilft, einen direkten Einblick in die sonst eher verschlossene mittelalterliche Gefühls- und Gedankenwelt zu gewinnen. Auch im Hinblick auf die immer populärer werdende Geschlechter- und Frauengeschichte, bietet dieser Briefwechsel neue Perspektiven auf höfische Eheverhältnisse.
Bei der Bewertung der ausgetauschten Obszönitäten in den Briefen des Kurfürstenpaares ist die Forschung bisher zu zwei gegenläufigen Positionen gelangt: Während Peter Moraw Albrechts obszöne Bemerkungen als Indiz für einen organisierten Harem und eine de-facto Polygamie des Kurfürsten sieht,1 geht Cordula Nolte davon aus, dass es sich dabei lediglich um derbe Witze ohne reale Grundlage handeln musste.2
Die Quellenbasis der vorliegenden Arbeit wurde 1899 von Georg Steinhausen ediert.3 Eine allerdings nicht alle Schreiben umfassende Übersetzung wurde 2003 von Klaus Arnold publiziert.4 Die Originalbriefe befinden sich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, BPH, Rep. 27 T2 3.5
Zuerst soll der historische Kontext des Briefwechsels kurz erläutert werden, um die Rahmenbedingungen für die Korrespondenz zu verstehen. Darauffolgend soll eine Analyse des Briefwechsels unter besonderer Beachtung der Obszönitäten durchgeführt werden: Zuerst werden kurz der Umfang und die Chronologie dargestellt, um dann die Schreiben unter formalen und inhaltlichen Aspekten zu untersuchen. Abschließend werden die Ergebnisse der Quelleninterpretation in die laufende Forschungskontroverse eingeordnet, um am Schluss ein Fazit zu ziehen.
2. Historischer Kontext
2.1 Albrecht Achilles und Anna von Brandenburg
Albrecht Achilles wurde 1414 als Sohn des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg geboren und übernahm nach dem Tod seines Vaters zunächst das Fürstentum Ansbach, bis er im Jahr 1470 durch den Verzicht seines Bruder Friedrich II. die Markgrafschaft Brandenburg und damit die Kurfürstenwürde erwarb.6 Albrecht heiratete in erster Ehe Margarete von Baden, die allerdings bereits 1457 in jungem Alter starb. Ein Jahr später nahm der bereits 44-jährige Albrecht die damals 21-jährige Anna von Sachsen zur Frau, mit der er insgesamt dreizehn Kinder zeugte, wobei die Geburten in sehr kurzen Intervallen erfolgten. Anna überlebte ihren Ehemann nach dessen Tod im Jahr 1486 noch um 26 Jahre.7
2.2 Frauen und Ehe im spätmittelalterlichen Hochadel
In der mittelalterlichen Adelsgesellschaft nahm die Ehe die zentrale politische, soziale und wirtschaftliche Funktion ein, da durch sie die Leitlinie der „Erhaltung und Erhöhung des Stammes und Namens“8 verwirklicht werden konnte. Essentiell dafür war auf der einen Seite eine standesgemäße Heirat, um das adelige Herrscherblut, das sich über viele Generationen mit Herrscherqualität anreichern konnte, nicht durch das Vermischen mit weniger adeligem Blut zu verdünnen.9 Auf der anderen Seite war es für den Fortbestand der Dynastie entscheidend, dass mindestens ein (männlicher) Nachfolger gezeugt wurde. In dieser Hinsicht war die Fruchtbarkeit – und somit auch das Alter – der Ehefrau für eine adelige Heirat von wichtiger Bedeutung. Um die hohe Kindersterblichkeit auszugleichen und das Überleben eines Erben sicherzustellen, waren die meisten Ehen deshalb sehr kinderreich.10
Bei Betrachtung dieser beiden Hauptkriterien11 entspricht die Ehe zwischen Albrecht und Anna den spätmittelalterlichen Konventionen. Von einer Liebesheirat kann deswegen nicht gesprochen werden: Auch wenn von der Kirche die Konsensehe vorgeschrieben wurde, waren Angehörige des mittelalterlichen Adels einem strikten Rollenzwang ausgesetzt, dem sich insbesondere die Frau nur schwer entziehen konnte.12 Zwar konnte der Bräutigam bei einer zweiten Ehe seine Partnerin freier aussuchen, sollte er wie Albrecht zu diesem Zeitpunkt bereits das neue Familienoberhaupt sein, dennoch musste er sich an den machtpolitischen Interessen der Dynastie orientieren.13
In der Ehe stand die Frau unter der Vormundschaft ihres Ehemannes, der sowohl durch die Ehevogtei sämtliche Güter verwaltete,14 als auch mittels seiner Muntgewalt auf Gehorsam und Solidarität seiner Frau ihm gegenüber bestehen konnte.15 Um diesen Gehorsam einzufordern, griffen Ehemänner durchaus auch zu drastischen Maßnahmen, wie Inhaftierung oder körperlichen Strafen.16 Eine Ehefrau war dementsprechend an „bestimmte Rollen- und Verhaltenserwartungen“17 gebunden, um als gute Gattin zu gelten. Zudem war ihre eigene Zufriedenheit in der Vorstellung des spätmittelalterlichen Frauendiskurses nur dann garantiert, wenn sie ihrem Ehemann gehorsam diente.18 Der Anteil an persönlichen sowie politischen Handlungsspielräumen, über die eine hochadlige Frau verfügen konnte, hing also wesentlich vom Grad an Unabhängigkeit ab, der ihr vom Ehemann gewährt wurde.19
Dieses Abhängigkeitsverhältnis zeigte sich auch in der ehelichen Sexualität: Weder der Mann noch die Frau konnten ihrem Ehepartner Geschlechtsverkehr ausschlagen, selbst an kirchlichen Feier- und Fastentagen, an denen der Akt untersagt war.20 Das christliche Gebot der gegenseitigen ehelichen Pflichterfüllung führte dazu, dass besonders „der Ehemann […] über den weiblichen Körper verfügen konnte“21. Fürsten nahmen dementsprechend normalerweise in ihrer Ehe den aktiveren Teil ein.22 Für sie war es selbstverständlich, sexuelle Wünsche eindeutig zu äußern, ohne eine Diskussion über das Thema zuzulassen, während für Frauen Keuschheit als Idealbild propagiert wurde.23
Eine ähnliche Doppelmoral herrschte bei der gesellschaftlichen Akzeptanz von Ehebruch.24 Außereheliche Verhältnisse von Männern waren im Adel weitgehend geduldet und sogar üblich. Ebenfalls galt die Vaterschaft von Bastarden als kein großer Makel. Adelige Herren griffen zur Befriedigung der eigenen Lust dabei häufig auf abhängige Frauen zurück. Der Ehebruch der Frau hingegen wurde als deutlich schlimmer bewertet und hatte weitreichende Konsequenzen zur Folge.
Zu guter Letzt soll hier noch in Kürze auf die Lebensverhältnisse im hochadeligem Frauenzimmer eingegangen werden. Am spätmittelalterlichem Hof herrschte eine strikte Geschlechtertrennung: Der Frauenhof war vom Männerhof räumlich und personell getrennt.25 Männlicher Zugang zum Frauenzimmer wurde streng reglementiert und begrenzt, lediglich der Fürst hatte jederzeit Zutritt und verbrachte große Teile seiner Freizeit darin.26 Auch Albrecht von Brandenburg legte in seiner Residenz Ansbach die eigenen Räumlichkeiten in unmittelbare Nähe zum Frauenzimmer, was ihm den Zugang erleichterte.27 Die personelle Zusammensetzung des Frauenzimmers bildeten im Kern adlige Jungfrauen, die der Fürstin ständig Gesellschaft zu leisten hatten. Daneben dienten Narren und Närrinnen sowie Zwerge und Zwerginnen der Unterhaltung.28 Neben der Erholung und Entspannung des Fürsten, diente das Frauenzimmer auch zu bestimmten Stunden als „Gesellschaftszimmer“29, sowie als Ort der repräsentativen Inszenierung vor der Außenwelt.30
[...]
1 Vgl. Moraw, Peter: Der Harem des Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach (†1486), in: Jan Hierschbiegel/Werner Paravicini (Hgg.): Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Stuttgart 2000, S. 439–448.
2 Vgl. Nolte, Cordula: Verbalerotische Kommunikation, gut schwenck oder: Worüber lachte man bei Hofe? Einige Thesen zum Briefwechsel des Kurfürstenpaares Albrecht und Anna von Brandenburg-Ansbach 1474/75, in: ebd. S. 449–461.
3 Steinhausen, Georg (Hrsg.): Deutsche Privatbriefe des Mittelalters, Bd. 1: Fürsten und Magnaten, Edle und Ritter (Denkmäler der deutschen Kulturgeschichte, Abteilung 1), Berlin 1899, S. 126–148.
4 Arnold, Klaus (Hrsg.): In Liebe und Zorn. Briefe aus dem Mittelalter, Ostfildern 2003, S. 132–141.
5 Vgl. Nolte: Kommunikation, S. 449, Anm. 1.
6 Vgl. Guttenberg, Erich Freiherr von: Albrecht Achilles, in: Neue Deutsche Biographie 1, Berlin 1953, S. 161–163.
7 Vgl. Fendrich, Ilona: Die Beziehung von Fürstin und Fürst: zum hochadeligen Ehealltag im 15. Jahrhundert, in: Jörg Rogge (Hrsg.): Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten hochadeliger Frauen im Mittelalter (Mittelalter-Forschungen, Bd. 15), Ostfildern 2003, S. 93–137, hier S. 111f.
8 Spieß, Karl-Heinz: Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts, 2Stuttgart 2015, S. 532.
9 Vgl. Spieß, Karl-Heinz: Dynastische Identitäten durch Genealogie, in: Ludger Grenzmann/Udo Friedrich/Franz Rexroth (Hgg.): Geschichtsentwürfe und Identitätsbildung am Übergang zur Neuzeit, Bd. 2: Soziale Gruppen und Identitätspraktiken (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaft zu Göttingen, NF 41,2), Berlin 2018, S. 3–26, hier S. 5.
10 Vgl. Spieß: Familie, S. 538.
11 Neben den sozialen und biologischen Aspekten für die Auswahl eines Ehepartners spielten noch juristische, materielle, politische oder endogame Erwägungen eine Rolle, vgl. dazu ebd. S. 36–82.
12 Vgl. Rogge, Jörg: Gefängnis, Flucht und Liebeszauber. Ursachen und Verlaufsformen von Geschlechterkonflikten im hohen Adel des deutschen Reiches im späten Mittelalter, in: Zeitschrift für historische Forschung 28, 2001, S. 487–511, hier S. 487–489, S. 491.; vgl. Spieß, Familie, S. 454–462, S. 534.
13 Vgl. Fendrich: Beziehung, S. 99f.
14 Vgl. Spieß: Familie, S. 175.
15 Vgl. ebd. S. 472f.
16 Vgl. Rogge: Gefängnis, S. 496, S. 510. Die Inhaftierung war dabei wohl die häufigste Methode, um Gehorsam zu erzwingen.
17 Ebd. S. 488.
18 Vgl. Fendrich: Beziehung, S. 102.
19 Vgl. ebd. S. 105f.
20 Vgl. Nolte, Cordula: Frauen und Männer in der Gesellschaft des Mittelalters (Geschichte kompakt), Darmstadt 2011, S. 61.
21 Fendrich: Beziehung, S. 106f.
22 Vgl. Rogge: Gefängnis, S. 509.
23 Vgl. Fendrich: Beziehung, S. 107.
24 Vgl. zum Folgenden Nolte: Frauen, S. 61, S. 116; Fendrich: Beziehung, S. 109.
25 Vgl. Nolte, Cordula: Familie, Hof und Herrschaft. Das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440-1530), Ostfildern 2005, S. 221f.
26 Vgl. Nolte: Frauen, S. 130-132; Nolte: Familie, S. 226.
27 Vgl. Nolte: Familie, S. 231f.
28 Vgl. ebd. S. 222f.
29 Ebd. S. 227.
30 Vgl. ebd. S. 226f.