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Hausarbeit, 2022
19 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Die „humanitäre Intervention“
2.1. Definition des Begriffes
2.2. Legitimationsgrundlage im internationalen Völkerrecht?
2.3. Interventionsdilemma: Das Versagen der UN in Ruanda und Srebrenica
3. Die Humanitäre Intervention im Kosovo-Krieg
3.1. Der Kosovo-Konflikt
3.2. Operation Allied Force
3.3. Der humanitäre Krieg?
4. Fazit
Literaturverzeichnis
„Das Bündnis war zu diesem Schritt gezwungen, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“, so der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder über die humanitäre Intervention im Kosovo-Konflikt 1999.
Die Operation Allied Force der NATO stellt der erste militärische Kampfeinsatz des Militärbündnisses außerhalb des Bündnisfall dar und fungiert bis heute als Präzedenzfall in der Diskussion über die Legitimität von humanitären Interventionen.
Die NATO-Operation erfolgte unter der Legitimationsgrundlage, eine humanitäre Katastrophe und die ethnische Säuberung der kosovoalbanischen Bevölkerung zu verhindern, doch stellt gleichzeitig selbst ein Bruch des Völkerrechts dar, denn sie erfolgte ohne UN-Mandat. Diese Tatsache nahm das Militärbündnis an und folgte einem 78-tätigen Luftkrieg gegen das ehemalige Jugoslawien, um die Konfliktparteien zu einem Waffenstillstand zu bewegen.
Somit erwies sich die Operation Allied Force der NATO nicht nur als eine Intervention in die inneren Angelegenheiten eines Staates, sondern ebenfalls als ein Krieg. Ein Krieg, der aus humanitären Gründen erfolgte, doch auf der anderen Seite selbst Opfer forderte.
Die Frage danach, inwiefern ein Krieg aus humanitären Gründen zu legitimieren ist und inwiefern die Operation Allied Force der NATO überhaupt als humanitär einzustufen ist, stellt eine bis heute kontroverse und vieldiskutierte Fragestellung dar.
Die vorliegende Hausarbeit thematisiert die humanitäre Intervention der NATO im Kosovo-Krieg, so auch die Frage danach, inwiefern diese als humanitär einzustufen ist.
Die Hausarbeit lässt sich in drei Kapitel gliedern. Das erste Kapitel handelt von einer theoretischen Grundlage der humanitären Interventionen, mit der Definition des Begriffes sowie der Einordnung im internationalen Völkerrecht. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Kontextualisierung der völkerrechtlichen Diskurse sowie eine anschließende Auseinandersetzung mit dem Interventionsdilemma der UN vor dem Hintergrund der Völkermorde in Srebrenica und Ruanda, welche die Haltung der westlichen Mächte auf humanitären Interventionen, vor der Intervention im Kosovo-Krieg, veranschaulichen.
Das dritte Kapitel handelt von der humanitären Intervention im Kosovo-Krieg im Jahre 1999. Zunächst folgt eine Thematisierung des Kosovo-Konflikts sowie der Bestimmungsgründe dieses Konflikts, um zu verdeutlichen, inwiefern ein Eingreifen der westlichen Mächte nur eine Frage der Zeit war. Darauf aufbauend wird die Operation Allied Force der NATO sowie ihre Legitimationsgründen thematisiert. Anschließend folgt eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen humanitären Gegebenheiten NATO-Intervention. In Anbetracht der Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel, folgt anschließend im dritten Kapitel ein abschließendes Fazit.
Mit dem Begriff der Humanitären Intervention, werden zwei zunächst konträre Konzepte miteinander verknüpft. Der Begriff humanitär, welcher üblicherweise im Kontext von bestimmten Hilfsorganisationen, welche sich aus ihrem Menschlichkeit dazu berufen fühlen Hilfsbedürftigen zu helfen, verwendet wird und der Begriff der Intervention, welcher zunächst in dem Kontext der internationalen Politik verwendet wird und die „Einflussnahme auf einen Staat, bis hin zur Einmischung auf dessen inneren oder äußeren Angelegenheiten“ (Münkler & Malowitz 2008, S. 7) beschreibt (vgl. ebd.).
F. Klose formuliert hierbei drei Kernelemente der Humanitären Intervention; die grenzüberschreitende Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates, die überwiegenden humanitären Zwecke und der Zwangscharakter des Engagements (vgl. Klose 2016, S. 8). Die Adressaten einer Humanitären Intervention belaufen sich hierbei nicht nur auf einzelne notbedürftige Menschen, sondern um ein Kollektiv, also um viele Menschen, bis hin zu ganzen Bevölkerungen (vgl. Meggle 2004, S. 36). Darauf aufbauend lässt sich der Begriff der Humanitären Intervention, aus einer sehr generalisierten Perspektive, als jegliche Einflussnahme auf die inneren Angelegenheiten eines Staates, aus humanitären Beweggründen definieren (vgl. Münkler & Malowitz 2008, S. 7).
Jedoch würde diese Definition alle Formen dieser Einflussnahme auf die humanitären Gegebenheiten eines Staates beinhalten, während sich die meisten Autoren auf den Einsatz militärischer Mittel innerhalb der humanitären Interventionen beschränken und diese dabei klar von anderen humanitären Hilfsformen abgrenzen (vgl. Klose 2016, S. 9). In der folgenden Auseinandersetzung wird diesem Paradigma der humanitären militärischen Intervention gefolgt.
Eine geeignete Definition dieser liefert J. L. Holzgrefe, der die Humanitären Intervention als „die Androhung oder Anwendung von Gewalt über Staatsgrenzen hinweg durch einen Staat (oder eine Gruppe von Staaten) mit dem Ziel, weit verbreitete und schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte von Personen, die keine eigenen Bürger sind, zu verhindern oder zu beenden, ohne die Erlaubnis des Staates, in dessen Hoheitsgebiet Gewalt angewendet wird“ (Holzgrefe & Keohane 2016, S. 18) definiert.
Im Rahmen der Humanitären Interventionen der NATO oder anderen militärischen Organisationen lässt sich die Begriffsbedeutung der Humanitären Interventionen noch enger fassen, da sich diese viel mehr auf militärische Kampfeinsätze innerhalb eines Staates, also auf Krieg bezieht und sich damit von humanitären militärischen Interventionen im Rahmen von beispielsweise Naturkatastrophen und der Versorgung der Bürger*innen dieses Landes, hervorhebt (vgl. Meggle 2004, S. 38).
Eine Debatte, die besonders mit der humanitären Intervention im Kosovo an Präsenz zugenommen hat, stellt die Frage danach dar, inwiefern humanitäre Interventionen im internationalen Völkerrecht legitimiert sind. Tatsächlich ist die Zulässigkeit der Humanitären Interventionen im Völkerrecht äußert umstritten, was sich nicht zuletzt daraus ergibt, dass die Praxis der Humanitären Interventionen im Spannungsverhältnis zu dem Gewalt- und Interventionsverbot der UN-Charta steht (vgl. Ankenbrand 2003, S. 132).
Artikel 2 (4) der UN-Charta besagt folgendes:
„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“
Jedoch sind es genau diese Elemente, auf welche die internationalen Beziehungen aufbauen (vgl. ebd.). Ohne ein Gewalts- und Interventionsverbot innerhalb der internationalen Gemeinschaft, wäre das internationale System sowie der interstaatliche Dialog durch eine ständige Bedrohung des Friedens gekennzeichnet (vgl. Oeder 2008, S. 27).
Eine weitere Hürde innerhalb der völkerrechtlichen Legitimationsgrundlage von Humanitären Interventionen stellt der Art. 51 der UN-Charta dar, welches den Mitgliedsstaaten den Einsatz von militärischen Mitteln einzig aus dem Beweggrund der „individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ (UN-Charta, Art. 51) gewährt. Diese Art der Selbstverteidigung findet im Rahmen der humanitären Interventionen, welche gemäß der Definition von J. L. Holzgrefe erfolgt, um die Verletzung Menschenrechte an Bürger*innen zu verhindern, welche „keine eigenen Bürger[*innen]“ (Holzgrefe & Keohane 2016, S. 18) sind, nicht statt.
Jedoch ist es genau der Begriff der Menschenrechte, welcher die Debatte um die Zulässigkeit von humanitären Interventionen seit den 1990ern Jahren bedeutsam prägte und das Verhältnis zwischen der Menschenrechtsnorm und des Souveranitätsprinzip einschneidend änderte (vgl. Debiel, Gode & Niemann 2009, S. 54).
Interventionen stellen kein Phänomen der Transnationalität dar und resultieren ebenfalls nicht aus der Zunahme der internationalen Beziehungen, jedoch vollzog in diesem Zusammenhang ein Wandel in den Legitimierungsmustern dieser Interventionen (vgl. ebd.). So wurden Interventionen während des kalten Krieges nicht mit einem Rückgriff auf die Menschenrechte und der hilfsbedürftigen Bürger*innen, welche vor Verletzungen dieser Menschenrechte bewahrt werden müssen, legitimiert, sondern aus anderen Beweggründen, wie das Recht auf Selbstverteidigung. Exemplarisch hierzu, die vietnamesische Intervention in Kambodscha 1978 (vgl. ebd.). Somit erfolgte in den Legitimationsgründen der humanitären Interventionen ein Paradigmenwechsel der intervenierenden Staaten mit dem Anbruch der 1990er Jahre. Damit einhergehend erfolgte ebenfalls eine Art der erweiterten Auslegung des Völkerrechts, beziehungsweise des Art. 39 und des Rechts auf Einsatz von militärischen Mittel bei der Bedrohung des Weltfriedens. Als Bedrohung des Weltfriedens stellten sich von nun an auch beispielweise die systematische Missachtung von Menschenrechten oder die Demokratiesicherung dar (vgl. Oeder 2008, S. 29). Somit erfolgte eine neue Auslegung des Völkerrechts sowie ein Wandel der Begriffsbedeutung, der in der UN-Charta beschriebenen Friedensbedrohung.
Dieser Wandel lässt sich an verschiedenen Resolutionen der UN innerhalb der 1990er Jahre exemplarisch belegen. So wurden die Resolutionen zum Nordirak oder dem ehemaligen Jugoslawien noch im Jahre 1991, mit der Bedrohung des Friedens angesichts einbrechender Flüchtlingsströmen und der davon ausgehenden Destabilisierung der Nachbarstaaten legitimiert (vgl. ebd.), während bereits im Jahr 1992 die Resolution 794, angesichts der bedrohlichen Lage der somalischen Zivilbevölkerung mit dem Rückgriff auf die schweren Menschenrechtsverletzungen und dem „Ausmaß der menschlichen Tragödie“ (Münkler & Malowitz 2008, S. 13) legitimiert wurde (vgl. ebd.). Hieran lässt sich das grundlegende Umdenken in den Legitimierungsgründen des Einschreitens in den inneren Angelegenheiten eines Staates und der Bedeutungswandel der internationalen Friedensbedrohung mit dem Anbruch der 1990er Jahre feststellen.
Trotz allem müssen humanitäre Interventionen stets von dem Sicherheitsrat und allen ständigen Mitgliedern der UN genehmigt werden, welche feststellen, „ob ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt“ (UN-Charta, Art. 39) sowie die zutreffenden Maßnahmen beschließt (vgl. ebd.). Erfolgt dies nicht, würde die Intervention gegen das Völkerrecht verstoßen.
Jedoch erfolgte nah wieder ein Umbruch der öffentlichen Meinungen und der westlichen Regierungen bezüglich der humanitären Interventionen, welcher insbesondere aus Vorkommnissen in dem Bürgerkrieg in Somalia und der Verwicklung von UN-Soldaten in Kampfhandlungen zwischen den Bürgerkriegsmilizen resultierte (vgl. Münkler & Malowitz 2008, S. 14). Die gefallenen Soldaten demonstrierten der Öffentlichkeit welche Gefahren mit einer Intervention in einem Kriegsgebiet einhergehen und wie risikobehaftet diese Handlungen für die westlichen Staaten wären, was zu einem erneuten Paradigmenwechsel der Regierungen, in Anbetracht von humanitären Interventionen, führte.
Dieser Paradigmenwechsel zeichnete sich besonders in dem Agieren der UN, in den Bürgerkriegen in Ruanda und Bosnien ab (vgl. ebd. S. 15). Im April 1994 führte der Bürgerkrieg in Ruanda zwischen den Hutus und Tutsi zu Massenmorden und -vertreibungen an der Tutsi-Bevölkerung (vgl. Endemann 1997, S. 272f.). Trotz des Wissens über den Völkermord an der Tutsi-Bevölkerung Ruandas, entschloss sich die UN gegen eine humanitäre Intervention in Ruanda.
Die Resolution, in der die Auswirkungen des Krieges in Ruanda als eine Bedrohung für den internationalen Friedens und der Sicherheit eingestuft wurde und somit die Voraussetzungen für eine Intervention geschaffen wurde, erfolgte erst, nachdem sich Frankreich selbst dazu bereiterklärte, Soldaten in das Kriegsgebiet zu entsenden (vgl. Münkler & Manklowitz 2008, S. 15). In dem Bürgerkrieg in Ruanda starben hunderttausende Zivilisten, was wiederum erneute Empörung in der Öffentlichkeit auslöste, als das Ausmaß des Völkermords und seinen Verbrechen gegen die Menschlichkeit öffentlich gemacht wurden. Damit zeichnete sich das zentrale Interventionsdilemma der UN ab, in der die Staaten in dem Spannungsverhältnis der Gefahr des „moralischen Gesichtsverlustes“ (ebd.) und des „politischen Gewichtsverlust“ (ebd.), resultierend aus verlustreichen militärischen Eingreifens, standen (vgl. ebd.).
Die Antwort auf dieses Interventionsdilemma seitens der UN verdeutlichte ihr Agieren im Bosnienkonflikt und dem Völkermord von Srebrenica im Juli 1995. Die fehlende Entschlossenheit der UN über ein militärisches Einschreiten in dem Bosnienkonflikt und die „Unparteilichkeit und Neutralität“ (Galtung 2004, S. 206) der UN, folgte eine „ethnischen Säuberung“ (Pape 1997, S. 214) der Bosniaken und dem Massaker an 8000 Menschen, innerhalb der UN-Schutzzone Srebrenica unter der Anwesenheit von UN-Blauhelmsoldaten (vgl. Simon 2005, S. 131).
Das Massaker von Srebrenica wird als das schlimmste Kriegsverbrechen innerhalb Europas seit dem zweiten Weltkrieg geahndet (Mappes-Niediek, 2020).
Der Völkermord an den Tutsi und der Völkermord von Srebrenica können als die folgenschwersten Misserfolge der UN und als Versagen der internationalen Völkergemeinschaft bezeichnet werden (vgl. Klose 2016, S. 2). In den darauffolgenden Jahren wurde weiterhin auf den Einsatz von humanitären Interventionen in der internationalen Konfliktbeseitigung und der Wahrung der Menschenrechte verzichtet.
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