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Hausarbeit (Hauptseminar), 2022
15 Seiten, Note: 2,0
Geschichte Europas - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung
1. Einleitung
2. Die preußischen Reformen
2.1 Ausgangslage
2.2 Die Reformen
2.3 Reaktionen seitens des Adels und Auswirkungen
3. Fazit
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
Die Revolution von 1848/49 und die Gründung des Kaiserreichs zog für viele Adlige schwerwiegende Veränderungen mit ihrem Adelsstand und ihrer Relevanz in den Belangen des Deutschen Reiches mit sich. Doch schon vorher bahnten sich in Preußen Reformbewegungen an. In den Jahren nach den napoleonischen Kriegen stand Preußen beinahe vor dem Ende seiner Existenz.
In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich mich mit den Veränderungen in der Zeit von 1806, also dem Ende der napoleonischen Kriege, bis ca. 1815 beschäftigen und habe mir dafür die Frage gestellt, wie der alteingesessene Adel auf die Reformen reagiert hat und inwiefern sich diese Reformen letztlich auf den Adel ausgewirkt haben. Diese Hausarbeit konzentriert sich vor allem auf den preußischen Adel, da das zu umfangreich wäre, sich mit dem deutschen Adel insgesamt auseinanderzusetzen.1 Beim preußischem Adel handelt es sich vorwiegend um die meist in Ostelbien angesessenen Junker, da diese die Führungsschicht des preußischen Adels ausmachten.2
Um die Gründe für die Reformen zu verdeutlichen, werde ich kurz auf die damals gegenwärtige Lage in Preußen eingehen, bevor ich die Reformen näher erläutern werde. Im letzten Part meines Hauptteils werde ich mich dann näher mit den Folgen für den preußischen Adel beschäftigen, die die Reformen mit sich brachten. Im Fazit werde ich schließlich auf die Beantwortung meiner Leitfrage zurückkommen.
Als Hauptquellen dienen mir hier die Reformen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlassen wurden sowie die Schriften von Friedrich Ludwig August von der Marwitz.3 Dieser war ein preußischer General und Politiker, der dem altpreußischen Adel angehörte und ein vehementer Gegner der Reformen von Stein und Hardenberg war.4 Der Forschungsstand zu diesen und zu preußischem Adel im Allgemeinen ist in der Geschichtswissenschaft recht ausführlich und umfangreich aufgearbeitet worden. Ich werde mich in dieser Arbeit vor allem auf Marion Gray5 und Gunter Heinickel6 beziehen.
Allgemein sei zu sagen, dass Adel in Deutschland zu Beginn des 19 Jh. insgesamt noch eine Sonderstellung gegenüber dem einfachen Volk hatte, was vornehmlich mit dem noch allgemein vorherrschenden Ständesystem zusammenhängt, durch welches der Adel gewisse Sonderrechte und -privilegien inne- hatte.7 Schon durch die Unruhen in Frankreich, die in Folge der Französischen Revolution entstanden und der dort bereits vorgenommen Abschaffung der Adelsvorrechte, kam es in Preußen auch zu solchen. Die Sonderstellung des Adels wurde zum Ende des 18, Jahrhunderts allerdings mit dem Allgemeinen Landrecht weiter verstärkt.8 Schon der erste Paragraph des Neunten Teils des ALR bestätigt den Adelsstand noch einmal als den ersten Stand:
§1 . Dem Adel, als dem ersten Stande im Staate, liegt, nach seiner Bestimmung, die Vertheidigung des Staats, so wie die Unterstützung der äußern Würde und innern Verfassung desselben, hauptsächlich ob.9
Dies steht widersprüchlich zu den Veränderungen, die in Frankreich auf den Adel zukamen und ihn in seiner Position geschwächt haben. Dennoch war der Wunsch nach Reformen in der Bevölkerung groß und mit dem Krieg gegen Napoleon geriet dieser auch wieder in den Fokus.
Preußen geriet in den Jahren 1806/1807 in eine Staats- und Gesellschaftskrise, da man in den napoleonischen Kriegen schwere Verluste hatte hinnehmen müssen. Nach zwei verlorenen Schlachten wurde im Juli 1807 der Tilsiter Frieden geschlossen und Preußen wurde nicht nur mit Reparationszahlungen10 belangt, sondern verlor auch ungefähr die Hälfte seines ursprünglichen Territoriums.11 Doch nicht nur der Verlust der preußischen Gebiete stellte den Staat vor ein Problem:
In the province of East Prussia alone, damage to buildings and other properties amounted to 75 million Thaler. Twenty-two percent of the horses and twenty-seven percent of the cattle of that province were lost. 12
Wie man hier beispielhaft an nur einer Provinz Preußens sehen kann, waren auch die wirtschaftlichen Verluste immens. Man hatte infolge des Krieges nicht nur Reparationszahlungen zu leisten, sondern musste auch noch mit den eigenen wirtschaftlichen Verlusten zurechtkommen. Preußen musste sich seine Schwächen also eingestehen und sich selber reformieren, um seine Stellung als Großmacht trotz der Niederlage halten zu können.
Problematisch war hier für den Adel besonders, dass die Niederlage im Krieg gleichzusetzen war mit einer Niederlage des Adels. Die Führungsriege des Militärs und auch des Staates bestand traditionell aus Adligen und somit wurden diese auch für den verlorenen Krieg verantwortlich gemacht.13 Dies lag auch vor allem am Umgang des Militärs mit der Niederlage im Krieg gegen Napoleon. So kam es zu überstürzten Rückzücken ohne Leitung durch höhere Kommandoebenen, [...] [und der] kampflose [n] Übergabe der Festungen.14 Daher kam es eben dazu, dass die breite Masse nicht nur den Glauben an den preußischen Staat, seine Repräsentanten und Führungstruppen15 verloren hätte, sondern auch davon ausging, dass die preußische Monarchie für „immer“ untergangen [war].16
Insgesamt stand Preußen nun also sowohl vor einem wirtschaftlichen Fiasko, als auch vor einer Gesellschaft, die nach Änderungen verlangte. In Form der preußischen Reformen sollten diese nun auf den Weg gebracht werden.
Für die Reformen waren vor allem Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein17 und dessen Nachfolger Karl August von Hardenberg18 verantwortlich, die der Kommission vorstanden, die neben einigen anderen Aufgaben auch für die Reformvorschläge verantwortlich war.19 Zusätzlich dazu kam auch noch das Provinzialministerium, welches ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Reformierung des preußischen Staates spielte.20
Für die Reformation Preußens war es unumgänglich auch den Adel zu reformieren, da dieser insgesamt eine zu wichtige Rolle einnahm im preußischen Staat einnahm, was vor allem an der grundsätzlichen damaligen Verknüpfung von Adel und Führung lag. Dies konnte in der damaligen Lage allerdings nicht weiter beibehalten werden.21 Vom Stein forderte beispielsweise, dass Adlige keinen erleichterten Zugang [...] zu höheren Ämter- und Offiziersstellen, eventuell auch die Zugehörigkeit zum eximierten Gerichtstand [haben sollten].22
Eine der grundlegendsten und wichtigsten Reformen, die nicht nur den Adel, sondern die allgemeine Bevölkerung Preußens betraf, war die Abschaffung der Ständeordnung.
Die Bauern wurden mit dem „ Edict, den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigenthums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend “ vom 09. Oktober 1807, aus ihrer bis dato gemeinhin gottgewollt bezeichneten Lehnknechtschaft befreit. Somit waren sie nicht mehr verpflichtet den adligen Gutsbesitzern untertänig zu sein. Gleichzeitig gab das Edikt auch Bauern und allgemein allen Bürgern das Recht, „adligen“ Grundbesitz zu erwerben. Andersherum galt das natürlich genauso. Adligen war es nun ebenfalls erlaubt, ohne Nachteile bürgerliche Geschäfte zu betreiben.23
Mit dem Oktoberedikt kam es auch zu einer Jagdreform. Bürgerlichen wurde es nicht nur erlaubt adlige Güter zu erwerben sondern diese auch ohne jede Einschränkung oder Subvention gutsherrlicher Vorrechte24 zu nutzen. Das bedeutet dementsprechend auch, dass es bürgerlichen Gutsbesitzern erlaubt war, auf die Jagd zu gehen.
[...]
1 Dies hängt vor allem mit dem ,Flickenteppich‘ zusammen, aus dem das spätere Deutsche Kaiserreich zu diesem Zeitpunkt noch besteht.
2 Spenkuch, Hartwin: Das preußische Herrenhaus. Adel und Bürgertum in der ersten Kammer des Landtags 1854-1918. Düsseldorf 1998. S. 18.
3 Marwitz, Friedrich August Ludwig von der: Aus dem Nachlasse Friedrich August Ludwigs von der Marwitz auf Friedersdorf, Königlich preußischen General Lieutenants a.D. Erster Band. Lebensbeschreibung. Berlin 1852.
4 Born, Karl Erich: Marwitz, Ludwig von der. In: Neue Deutsche Biographie 16. 1990. S. 318-320. Online verfügbar unter: https://www.deutsche-biogra- phie.de/pnd118578472.html#ndbcontent (zuletzt eingesehen am 31.03.2022)
5 Gray, Marion W.: Prussia in Transition: Society and Politics under the Stein Reform Ministry of 1808. Philadelphia 1986.
6 Heinickel, Gunter: Adelsreformideen in Preußen. Zwischen bürokratischem Absolutismus und demokratisierendem Konstitutionalismus (1806-1854). Berlin, München, Boston 2014.
7 Braun, Rudolf: Konzeptionelle Bemerkungen zum Obenbleiben: Adel im 19. Jahrhundert. In: Wehler, Hans-Ulrich: Europäischer Adel 1750-1950. Göttingen 1990. S.88-89.
8 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten vom 01.06.1794. Zweyter Theil. Neunter Titel. §34 bis §50. Online verfügbar unter https://opinioiuris.de/quelle/1623#Neunter Titel. Von den Pflichten und Rechten des Adelstandes (zuletzt eingesehen am 30.03.2022)
9 Ebd. §1.
10 Diese Reparationszahlungen beliefen sich auf ungefähr 120 Millionen Francs. s.h.: Gray: Prussia in Transition. S. 122.
11 Heinickel: Adelsreformationsideen in Preußen. S. 65-66.
12 Gray: Prussia in Transition. S. 45-46.
13 Heinickel: Adelsreformationsideen in Preußen. S. 67 sowie S.73.
14 Ebd. S. 65.
15 Ebd.
16 Ebd. S 65f.
17 Vom Stein war schon im 18 Jhd. im preußischen Staatsdienst tätig und sollte nach der Kriegsniederlage eigentlich Finanz- und Innenminister werden, lehnte dies aber ab und wurde aus dem Staatsdienst entlassen. Nach dem Tilsiter Frieden wurde er als leitender Minister wieder eingestellt. Siehe hierzu: Stern, Alfred: Stein, Karl Freiherr vom und zum. In: Allgemeine deutsche Biographie. Bd. 35. Leipzig 1893. S. 614-641.
18 Gleichzeitig war Hardenberg auch vom Steins Vorgänger, wurde aber auf Verlangen Napoleons aus dieser Position entlassen und verfasste daraufhin im September 1807 die Rigaer Denkschrift. In dieser konkretisierte Hardenberg die Umbildung Preußens. Siehe hierzu: Sy- bel, Heinrich von: Hardenberg, Carl August Fürst von. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 10. 1879. S. 572-590.
19 Heinickel: Adelsreformationsideen in Preußen S. 83.
20 Ebd. S. 84.
21 Ebd. S. 107ff.
22 Ebd. S. 111.
23 Schrader, Karl August: Agraria der Preußischen Monarchie, das ist: Zusammenstellung aller für sämmtliche königlich preußischen Lande über Land; Kultur, gutsherrliche und bäuerliche Verhältnisse ergangenen und gegenwärtig bestehenden, und andere den Landbewohnern und Grundbesitzer zunächst angehenden Gesetze und Verordnungen. Magdeburg 1824. S. 1. Online verfügbar unter: https://babel.hathit- rust.org/cgi/pt?id=mdp.39015065180013&view=1up&seq=12&skin=2021 (zuletzt eingesehen am 21.03.2022).
24 Heinickel: Adelsreformationsideen in Preußen. S. 114.