Diese Arbeit beschäftigt sich mit einem wichtigen Teilphänomen der „otonomi daerah“ – der neuen „regionalen Autonomie“ – Indonesiens, nämlich mit der Neugründung von Verwaltungseinheiten, die in den Jahren seit Ende der Soeharto-Herrschaft förmlich auszuufern schien. Den Fokus meiner Analyse lege ich auf die jeweiligen Ursachen und Beweggründe für diese Prozesse.
Dabei soll ein bisher noch etwas vernachlässigter Ansatz, der über die offiziell vorherrschenden politischen, administrativen und ökonomischen Erklärungsansätze hinausgehen möchte und vor allem nach sprachlichen, kulturellen, ethnischen, religiösen und historischen Faktoren hinter der Gründung neuer administrativer Einheiten sucht, weiterverfolgt und kritisch hinterfragt werden. Anhand dreier Fallstudien, die sich mit entsprechenden Entwicklungen in den Regionen Banyumas, Tapanuli und Sulawesi Selatan (Sulsel) beschäftigen, sollen dazu die jeweiligen offiziellen Begründungsansätze der lokalen Politiker den Meinungsäußerungen aus der Bevölkerung, die sich z. B. in Internet-Foren finden, gegenübergestellt werden.
„Bhinneka Tunggal Ika“ – „Einheit in der Vielfalt“ – schon aus dem Staatsmotto Indonesiens wird einer der Grundkonflikte des größten in einer Nation zusammengefassten Inselarchipels der Erde ersichtlich: Es herrscht ein Widerspruch zwischen der natürlichen Heterogenität des Landes und seinem Anspruch, einen stabilen Einheitsstaat zu bilden. Weiterhin stellt sich die Frage nach der geeigneten Verwaltungsform für ein derartiges Land. Diese Frage wurde von den meisten der bisherigen Machthaber eindeutig beantwortet: Indonesien verfügt über eine lange zentralistische Tradition. Zwischenzeitliche Bemühungen, das Land zu dezentralisieren, wurden zumeist nur halbherzig durchgeführt und blieben im Ansatz stecken.
Der Sturz des Soeharto-Regimes im Jahre 1998 und die folgende Demokratisierung des Landes bildeten jedoch die bisher wohl größte Zäsur in der Geschichte des unabhängigen Indonesiens. Mehr als acht Jahre nach dem Sturz Soehartos scheint es, dass sich das Land von seinen autoritären Fesseln gelöst und sich ein stabiles demokratisches Regierungssystem etabliert hat. Dies machte auch eine umfangreiche Reform der Administration notwendig. Durch einen umfassenden Macht- und Finanztransfer auf die lokalen Verwaltungen sollte der heterogenen Landesnatur Rechnung getragen und gleichzeitig ein Auseinanderbrechen des indonesischen Nationalstaats verhindert werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Klärung zentraler Begriffe
- 2.1. Dezentralisierung
- 2.1.1. Administrative Dezentralisierung
- 2.1.2. Fiskalische Dezentralisierung
- 2.1.3. Politische Dezentralisierung
- 2.1.4. Kulturelle Dezentralisierung
- 2.2. Regionale Autonomie
- 2.3. Föderalismus
- 2.1. Dezentralisierung
- 3. Zur Entstehung des zentralistischen Staatsaufbaus in Indonesien
- 3.1. Natürliche Gegebenheiten
- 3.2. Vorkoloniale Königreiche und ihr Staatsaufbau
- 3.3. Die Etablierung des Zentralismus unter der niederländischen Kolonialherrschaft
- 3.4. Zentralismus und Dezentralisierung im unabhängigen Indonesien bis 1998
- 3.4.1. Die Formierung des indonesischen Staates und die Absage an den Föderalismus
- 3.4.2. Dezentralisierungsbemühungen und Rezentralisierung bis 1965
- 3.4.3. Die zunehmende Zentralisierung in der Soeharto-Ära
- 3.5. Zusammenfassung
- 4. Dezentralisierung und Regionale Autonomie seit 1998
- 4.1. Demokratisierung und erste Dezentralisierungsmaßnahmen unter Habibie
- 4.2. Die neuen Gesetze zur Dezentralisierung
- 4.2.1. Das Gesetz 22/1999 zur Regionalregierung
- 4.2.2. Das Gesetz 25/1999 über den Finanzausgleich zwischen der Zentralregierung und den Regionen
- 4.2.3. Das Gesetz 32/2004 zur regionalen Regierungsausübung
- 4.3. Die Implementation der neuen Gesetze
- 4.4. Zusammenfassende Bewertung der bisherigen Dezentralisierungsmaßnahmen seit 1998
- 5. Fallstudie 1: Dezentralisierungsprozesse am Beispiel von Banyumas
- 5.1. Geographische Angaben
- 5.2. Geschichtliche Daten
- 5.3. Kulturelle Besonderheiten
- 5.4. Der Banyumas-Dialekt und sein Status
- 5.5. Die Bemühungen um eine eigenständige Provinz Banyumas
- 5.6. Stimmen aus der Bevölkerung zur angestrebten Provinzgründung
- 5.7. Fazit
- 6. Fallstudie 2: Dezentralisierungsprozesse am Beispiel von Tapanuli
- 6.1. Geographische Angaben
- 6.2. Ethnische und religiöse Zusammensetzung
- 6.3. Die Bemühungen um eine eigenständige Provinz Tapanuli
- 6.4. Argumente der Befürworter einer Provinzgründung
- 6.5. Argumente der Gegner
- 6.6. Fazit
- 7. Fallstudie 3: Dezentralisierungsprozesse am Beispiel von Sulawesi Selatan
- 7.1 Geographische Angaben
- 7.2 Dezentralisierung in Sulawesi Selatan: Eine Chronologie der bisherigen Ereignisse
- 7.3. Mamasas langer Weg zum eigenen kabupaten
- 7.3.1. Der Fall ATM
- 7.4. Luwu: Bisherige Dezentralisierungsprozesse und geschichtlicher Überblick
- 7.4.1. Gewaltsame Konflikte und aktuelle Dezentralisierungsprozesse
- 7.4.2. Die Pläne zur Gründung einer eigenständigen Provinz Luwu Raya
- 7.4.3. Stimmen aus der Bevölkerung zur angestrebten Provinzgründung
- 7.5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Neugründung von Verwaltungseinheiten in Indonesien seit 1998 als Folge der politischen Entwicklungen und der Dezentralisierung. Der Fokus liegt auf den Ursachen und Beweggründen dieser Prozesse, unter Einbezug sprachlicher, kultureller, ethnischer, religiöser und historischer Faktoren.
- Analyse der Dezentralisierungsprozesse in Indonesien nach dem Sturz des Soeharto-Regimes.
- Untersuchung der Beweggründe für die Gründung neuer Verwaltungseinheiten (pemekaran/pembentukan).
- Vergleich verschiedener Fallstudien aus unterschiedlichen Regionen Indonesiens (Banyumas, Tapanuli, Sulawesi Selatan).
- Gegenüberstellung offizieller Begründungen mit den Meinungen der Bevölkerung.
- Bewertung der Auswirkungen der Dezentralisierung auf die politische und soziale Stabilität Indonesiens.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beschreibt den zentralen Konflikt zwischen der Heterogenität Indonesiens und dem Bestreben nach einem stabilen Einheitsstaat, sowie die lange zentralistische Tradition des Landes. Kapitel 2 klärt die zentralen Begriffe Dezentralisierung, regionale Autonomie und Föderalismus. Kapitel 3 beleuchtet die Entstehung des zentralistischen Staatsaufbaus in Indonesien von vorkolonialer Zeit bis 1998. Kapitel 4 behandelt die Dezentralisierung und regionale Autonomie seit 1998, inklusive der relevanten Gesetze. Die Kapitel 5, 6 und 7 präsentieren Fallstudien zu Dezentralisierungsprozessen in Banyumas, Tapanuli und Sulawesi Selatan, jeweils mit geographischen, historischen und kulturellen Hinweisen und Meinungen der Bevölkerung.
Schlüsselwörter
Regionale Autonomie, Dezentralisierung, Indonesien, Pemekaran, Pembentukan, Fallstudien, Banyumas, Tapanuli, Sulawesi Selatan, Zentralismus, Demokratisierung, Post-Soeharto-Ära, Ethnizität, Kultur, Sprache, Religion, politische Entwicklungen.
- Arbeit zitieren
- Frank Lutz (Autor:in), 2007, Regionale Autonomie als Folge politischer Entwicklungen in Indonesien seit 1998, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/124394