Die Arbeit überprüft, inwiefern die Situation nordkoreanischer Auslandsarbeiter als Zwangsarbeit bezeichnet werden kann. Als Basis dient der Zwangsarbeitsbegriff der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Untersuchung stütz sich auf vornehmlich englisch- und russischsprachige Studien und Berichterstattungen. Aufgrund der langen Tradition und des Status als Hauptaufnahmeland wird sich hier auf Arbeitsmigranten in Russland konzentriert. Zunächst wird eine Einführung über die Definition von Zwangsarbeit laut ILO gegeben. Danach bleibt die Untersuchung der Situation, Rekrutierung und Motivation nordkoreanischer Arbeitsmigranten in Russland, bevor eine Diskussion über die Anwendbarkeit des Zwangsarbeitsbegriffes geführt werden kann. Abschließend soll ein Fazit gezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Begriff der Zwangsarbeit
3 Nordkoreanischer Arbeitsmigranten in Russland
3.1 Situation
3.2 Rekrutierung
3.3 Motivation
4 Anwendbarkeit des Zwangsarbeitsbegriffs
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„Korea und Russland sind Nachbarlander, und ihre Beziehungen zeichnen sich durch traditio- nelle Freundschaft aus und blicken auf eine lange Geschichte zuruck.“ (Jong-Il 2019: 5).
Diese Aussage Kim Jong-Ils, in einem Interview, aus dem Jahr 2001, mit der russischen Nach- richtenagentur ITAR-TASS, lasst sich mit einem Blick auf die Entsendung von Arbeitsmigran- ten aus der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) nach Russland bestatigen. Der Ein- satz von nordkoreanischen Arbeitsmigranten auf dem Territorium der Russischen Federation ist seit Jahrzehenten ein wichtiger Bestandteil der bilateralen Beziehungen beider Lander (vgl. Troyakova 2017: 81; Zabrovskaya 2014: 71). Russland speilt als eines der Hauptziellander eine wichtige Rolle bei der Aufnahme solcher Migranten (vgl. Hilpert & Krumbein 2015: 2; Lankov 2020: 206).
In den letzten siebzig Jahren haben sich nordkoreanische Staatsburger fast ununterbrochen in der Sowjetunion (UdSSR) und spater in Russland zum Zwecke des Gelderwerbs aufgehalten. Bereits 1946, noch bevor die DVRK als Staat proklamiert war, kamen die ersten Arbeitsmig- ranten aus dem nerdlichen Teil der koreanischen Halbinsel, um in der sowjetischen Fischin- dustrie zu arbeiten (vgl. Lankov 2020: 206). So begann die Geschichte der nordkoreanisch- russischen Arbeitsmigration, welche zahlenmaBig im Jahr 2015 ihren Hohepunkt fand (vgl. Gyupchanova 2018: 202; Lankov 2020: 206).
In den letzten Jahren geriet das Thema in den Fokus der Offentlichkeit. In Medien (vgl. Higgins 2017; O'Reilly 2017), Politik (vgl. US-Department of State 2019: 393) und Wissenschaft (vgl. Hilpert & Krumbein 2015: 2; Gyupchanova 2018) hauften sich Berichte uber „slaves“ (Meliuus 2017) und „forced labour“ (Blom & Brandse 2018) in Bezug auf nordkoreanische Arbeiter in Russland. In diesem Kontext werden solche Arbeiter als Opfer eines repressiven Regimes dar- gestellt, welche gegen ihren Willen zur modernen Sklaverei im Ausland gezwungen werden. Vorliegendes Papier uberpruft inwiefern die Situation nordkoreanischer Auslandsarbeiter als Zwangsarbeit bezeichnet werden kann. Als Basis dient der Zwangsarbeitsbegriff der Internati- onalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Untersuchung stutz sich auf vornehmlich englisch- und russischsprachige Studien und Berichterstattungen. Aufgrund der langen Tradition und dem Status als Hauptaufnahmeland wird sich hier auf Arbeitsmigranten in Russland konzentriert. Zunachst wird eine Einfuhrung uber die Definition von Zwangsarbeit laut ILO gegeben. Da- nach bleibt die Untersuchung der Situation, Rekrutierung und Motivation nordkoreanischer Ar- beitsmigranten in Russland, bevor eine Diskussion uber die Anwendbarkeit des Zwangsarbeits- begriffes gefuhrt werden kann. AbschlieBend soll ein Fazit gezogen werden.
2. Der Begriff der Zwangsarbeit
Um den Status nordkoreanischer Arbeiter in Russland auf Zwangsarbeit zu uberprufen, muss sich zunachst mit der Definition der Zwangsarbeit befasst werden.
Die erste weithin international anerkannte Definition von Zwangsarbeit findet sich im Uberein- kommen Nr. 29 der ILO. Dort heiBt es:
„Als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne des Ubereinkommens gilt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Anordnung irgendeiner Strafe verlangt wird und fur die sie sich nicht freiwillig zur Verfugung gestellt hat“ (ILO 1930).
AuBerdem konnen verschiedene Indikatoren herangezogen werden, um Zwangsarbeit zu erken- nen. Hierzu zahlen z. B. physische Fixierung am Arbeitsort, Erzwungene Verschuldung, Ein- schrankungen der Bewegungsfreiheit, Vorenthaltung von Lohnen oder Ausweispapieren (vgl. ILO 2005: 6). Somit stellt Zwangsarbeit eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte und eine Einschrankung der menschlichen Freiheit dar, ahnlich wie Sklaverei, sklavenahnliche Verhaltnisse, Schuldknechtschaft oder Leibeigenschaft (vgl. ebd.: 5).
Die ILO unterscheidet aber auch ausdrucklich zwischen Zwangsarbeit und schlechten Arbeits- bedingungen:
„Forced labour cannot be equated simply with low wages or poor working conditions. Nor does it cover situations of pure economic necessity, as when a worker feels unable to leave a job because of the real or perceived absence of employment alternatives.” (ebd.).
1957 wurde ein Ubereinkommen zur Abschaffung der Zwangsarbeit geschlossen, das von 174 Staaten ratifiziert wurde (vgl. WD 2021: 10).
Aufgefuhrte Kriterien werden als MaBstab verwendet, um die Situation nordkoreanischer Aus- landsarbeiter in Russland zu untersuchen.
3. Nordkoreanische Arbeitsmigranten in Russland
3.1 Situation
Die nordkoreanische Arbeitsmigration in die UdSSR bzw. nach Russland lasst sich in drei Pha- sen einteilen.
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