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Hausarbeit, 2019
25 Seiten, Note: 1,0
Einleitung
1 .Jugendkriminalität
2.Intensivtäter
2.1. Die Gruppe der „Intensivtäter“
2.2. Der Begriff „Intensivtäter“
2.3. Problematik des Begriffes
2.4. Persistenz und Abbruch
3. Umgang mit „Intensivtätern“
3.1 .Abbrüche fördern
3.2. Frühe Prävention
3.3.Strafrechtliche Maßnahmen
3.4.Intensivtäterprogramme
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Im Sommer 2018 habe ich mein Praxissemester bei der Kontakt- und Beratungsstelle für junge Menschen in Not (KuB), die sich um wohnungslose Jugendliche und Heranwachsende kümmert, absolviert. Diese jungen Menschen haben so vielfältige und komplexe Problemlagen, stammen oft aus disfunktionalen Familien, haben eine regelrechte „Karriere“ in der Jugendhilfe hinter sich, haben viel Gewalt (als Opfer und Täter) erfahren, Konsum von Alkohol und Drogen ist oft ein Thema - und eben auch ausuferndes delinquentes Verhalten. Für die KuB steht hier im Focus, wie man diesen jungen Menschen helfen kann, ihr Leben zu sortieren, ihre Defizite auszugleichen und ihre Stärken zur Geltung zu bringen.
Als ich mich, einem flüchtigen Interesse folgend, vor einer Weile mit dem Begriff „Intensivtäter“ beschäftigte, stellte ich überrascht fest, dass ich ja einige, auf die diese Bezeichnung zutrifft, im Praktikum kennengelernt hatte. Ich fand es erstaunlich, wie schwer es mir fiel, diesen negativ behafteten Begriff, der auch eine gewisse Hoffnungslosigkeit transportiert, auf diese jungen Menschen anzuwenden, mit denen ich so vertrauensvoll gearbeitet habe. Bei näherer Beschäftigung damit wurde mir klar, dass dieser Begriff eben nicht für eine sozialarbeiterische Sichtweise geeignet ist.
Was im Praktikum sehr auffällig war, war auch, wie sehr diese jungen Leute mit Stigmatisierungen zu kämpfen haben. Viele von ihnen sind schon oft, von verschiedenen Instanzen wie Schule, Jugendhilfe, Polizei und Justiz in die Schublade der „schweren Fälle“ gesteckt worden, und da sie aus eigener Kraft dort kaum herauskommen, richten sie sich dort eben ein und verschaffen sich Anerkennung durch Gewalt oder besonders gewagtes (kriminelles) Verhalten. Es war für mich sehr spannend, mich auf theoretischer Ebene mit diesem Phänomen der Jugendkriminalität, die sich auf wenige Täter konzentriert, zu beschäftigen. Erschreckend fand ich, wie wenig von dem, was die meisten Menschen zu wissen glauben, durch kriminologische Forschung überhaupt bestätigt wird.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Begriff der jugendlichen „Intensivtäter“. Es wird erläutert, welche Gruppe von Tätern damit überhaupt gemeint ist und woher der Begriff bzw. seine Definitionen stammen. Es folgt eine Problematisierung des Begriffs, die vor allem seine Zweckmäßigkeit in Frage stellt. Im Anschluss wird erörtert, wie dem Phänomen präventiv entgegengewirkt werden kann, und wie Soziale Arbeit und Justiz mit „Intensivtätern“ verfahren könnten bzw. es tun. Besonders die Rolle von Akteuren der sozialen Arbeit wird hierbei beleuchtet.
„Clan-Mitglied auf der Flucht: Um einer Polizeikontrolle zu entgehen, raste ein Intensivtäter aus Berlin-Neukölln los und fuhr dabei einen Beamten an. Jetzt fahndet die Polizei nach Omar F.l“ (B.Z. 2018)
So oder so ähnlich werden die sogenannten „Intensivtäter1 “ häufig in den Medien präsentiert: Junge Menschen, in aller Regel männlich, die viele, besonders rücksichtslose und brutale Straftaten begehen, häufig Mitglieder sogenannter „Clans“, meist mit Migrationshintergrund aus Nordafrika oder dem Nahen Osten. Das Bild, das gezeichnet wird, ist deutlich: Diese jungen Menschen sind für die Gesellschaft verloren, haben ihre „kriminelle Karriere“ schon als Kind begonnen und kennen kein gesellschaftskonformes Verhalten. Omar F., Nidal R. - hoffnungslose Fälle, die man eigentlich nur noch abschieben oder einsperren kann. Gleichzeitig wird, zumindest in der Boulevardpresse, der Begriff „Intensivtäter“ meist nicht weiter erklärt. Offenbar geht man davon aus, die Leserschaft wüsste schon Bescheid, wer diese „Intensivtäter“ sind.
Doch so einfach ist es gar nicht, über „Intensivtäter“ Bescheid zu wissen. Während die hessische Polizei je nach Arbeitsbereich mit verschiedenen Definitionen arbeitet (vgl. Koch- Arzberger und Bott 2008, S. 21-24), ist in Berlin eine einheitliche Definition erarbeitet worden (vgl. Der Polizeipräsident in Berlin, S. 146). Und so unterscheidet es sich von Bundesland zu Bundesland, wer als „Intensivtäter“ gilt. Die zugrundeliegenden Kriterien sind in aller Regel gleich: Anzahl der Straftaten in einem bestimmten Zeitraum, Schwere der Straftaten, Prognose. Trotzdem ist ein „Intensivtäter“ in Berlin nicht zwingend auch einer in Niedersachsen.
In dieser Arbeit soll nun herausgearbeitet werden, welches Phänomen hinter dem Begriffe jugendliche „Intensivtäter“ steckt. Wen bezeichnet der Begriff? Wer sind diese jungen Leute, was tun sie - und vor allem: Wie kann die Gesellschaft und insbesondere die Soziale Arbeit diesem Phänomen entgegenwirken? Dazu soll zuerst einmal das zugrundeliegende Feld der Jugendkriminalität beleuchtet werden, um herauszustellen, worin sich diese „besonderen“ Täter von den anderen unterscheiden. Im Folgenden sollen Begrifflich- keiten und ihre Problematik, sowie die soziodemografischen Merkmale der Gruppe „Intensivtäter“ untersucht werden, um anschließend Ansatzpunkte für den Umgang mit diesen und die Prävention herauszuarbeiten.
„Jugendkriminalität als altersspezifisches und alterstypisches Phänomen ist eher selten ein Hinweis auf (erhebliche) Erziehungs- oder sonstige Defizite, sondern hat viel mit den Reifungsprozessen zu tun, die im Jugendalter bewältigt werden müssen." (Steffen 2009, S. 85)
Wiebke Steffen fasst hier treffend einen der Kernpunkte des Phänomens Jugendkriminalität zusammen. Demnach ist delinquentes Verhalten im Jugendalter keineswegs ungewöhnlich, sondern eher der Normalfall. Fachwissenschaftler*innen bezeichnen dies als „Ubiquität“ von lat. ubique: überall. Klaus Boers berichtet aus der Längsschnittstudie „Kriminalität in der modernen Stadt: „Am deutlichsten zeigt sich die Ubiquität der Jugenddelinquenz in den sogenannten Lebensprävalenzraten. So berichten in Duisburg bereits zwischen dem 13. und 17. Lebensjahr 71% der Jungen und 53% der Mädchen, zumindest ein Delikt begangen zu haben [...].“ (Boers 2009, S. 45)
Ein weiteres Kennzeichnen von Kriminalität/Delinquenz bei Jugendlichen ist die Spontanbewährung. Damit ist gemeint, dass Menschen aufhören, kriminelle Taten zu begehen, ohne dass es eine formelle Kontrollintervention gegeben hätte. Letzteres schließt Interventionen durch Familie, Schule und Gleichaltrige nicht aus (vgl. ebd., S. 46). So wie es offenbar normal ist, eine oder mehrere Straftaten zu verüben, so ist es offenbar ebenfalls normal, nach nur ein oder zwei Straftaten wieder damit aufzuhören (vgl. ebd., S. 46).
Wie sieht es nun aus mit der im öffentlichen Diskurs immer wieder geäußerten Ansicht, Jugendliche würden Jahr für Jahr krimineller, oder mindestens würden die Gewalttaten brutaler? Im Hellfeld lässt sich dies leicht feststellen, indem man in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sieht. Dort gibt es tatsächlich Schwankungen, was natürlich immer wieder auch einen Anstieg der mutmaßlichen Straftaten Jugendlicher bedeutet. Über mehrere Jahrzehnte betrachtet glichen sich die Schwankungen aber wieder aus, so Boers und Walburg. Bei den schweren Gewalttaten gäbe es aber tatsächlich vor allem in den 1990er Jahren die gravierenden Anstiege, die in den Medien thematisiert wurden (vgl. Boers und Walburg 2007, S. 80-90). Aber:
„Ob eine Auseinandersetzung als Rauferei oder kriminelle Gewalt gilt, hat mit dem Zeitgeist zu tun. Ob eine Straftat angezeigt wird, ist bestimmt von subjektiven Faktoren wie Scham, Furcht und der Fähigkeit, sich zu verständigen. Und wie intensiv die Polizei und wen sie als tatverdächtig ermittelt, ist politischen Vorgaben und behördlichen Routinen unterworfen.“ (Dollinger und Schmidt-Semisch 2018, S. 69)
Die Schwankungen in den PKS dürften also vor allem auf Änderungen im Anzeigeverhalten in der Bevölkerung zurückgehen. Dazu kommen Straftaten, die nicht bemerkt werden, oder bei denen kein Tatverdächtiger ermittelt werden kann. Diese werden mit Dunkelfeldstudien erfasst, die regelmäßig zu dem Ergebnis kämen, dass Masse und Art kriminellen Verhaltens Jugendlicher im Durchschnitt über die Jahre etwa gleich bleibt, so Boers und Walburg weiter (vgl. Boers und Walburg 2007, S. 80).
Die Ergebnisse verschiedener Längsschnittstudien, deren älteste mit Menschen des Geburtsjahres 1945 arbeitet2, ließen, so Wiebke Steffen, den Schluss zu, dass die Existenz eines „harten Kerns“ innerhalb der Jugendlichen, ebenfalls ein über die Jahre gleich bleibendes Phänomen sei. Demnach seien zwischen 6 und 10% der Täter für ca. 40 bis 60% der Straftaten verantwortlich (vgl. Steffen 2009, S. 89-91). Auffällig ist hierbei, dass diese Gruppe besonders im Bereich der Gewalttaten aktiv ist:
„Beispielsweise hatten im Jahr 2004 die 15-jährigen Duisburger mit fünf und mehr Gewaltdelikten über die Hälfte aller Delikte (ohne Internet-Raubkopien) sowie fast 90% aller Gewaltdelikte berichtet. Sie waren gleichwohl keine spezialisierten Gewalttäter. Denn die Gewaltdelikte machten innerhalb ihres gesamten Deliktspektrums nur einen Anteil von knapp 30% aus.“ (Boers 2009, S. 53)
Dass hier von einer Gruppe die Rede ist, soll nicht den Eindruck erwecken, es handele sich tatsächlich um eine homogene Gruppe. Dieser Eindruck hält näherer Betrachtung nicht stand. Zwar fasst Claudius Ohder die Ergebnisse zweier Studien3 zusammen und stellt fest, dass es auffällige Gemeinsamkeiten gibt: So seien fast alle als Intensivtäter geführten Personen männlich, ca. 65% zeigten in der Schule auffälliges Verhalten, viele hätten einen Migrationshintergrund, oft stammten sie aus sozial schwachen Familien mit „struktureller Labilität“ und die Wohnsitze der entsprechenden Personen konzentrierten sich auf bestimmte Stadtteile (vgl. Ohder 2009, S. 18-27). Dennoch sind diese Gemeinsamkeiten eher als Überschneidungen zu sehen, als als Merkmal einer homogenen, von außen identifizierbaren Gruppe. Zusammenfassend lässt sich sagen:
„Bei den intensiv und dauerhaft auffälligen jungen Menschen häufen sich Risikofaktoren, während Schutzfaktoren bei ihnen entweder gänzlich fehlen oder nicht zeitgerecht zur Verfügung stehen - diese Konstellation kann als der .gemeinsame Nenner1[] junger Intensiv- und Mehrfachtäter gelten.“ (Steffen 2009, S. 86)
Das Phänomen, das mit dem Begriff „Intensivtäter“ gemeint ist, nämlich, dass eine kleiner Anteil Täter für einen großen Anteil Straftaten verantwortlich ist, ergibt aber noch keine klare Definition. Da „Intensivtäter“ ein Begriff aus der praktischen Polizeiarbeit ist, gibt es diese Definitionen nur dort, wo es spezielle Programme oder Dienstanweisungen für diesen Tätertypus gibt. Kriterien für die Einstufung als Intensivtäter sind in aller Regel die Intensität sowie die Schwere der begangenen Straftaten, in einigen Ländern auch eine negative Sozialprognose. Beispielhaft seien hier zwei Definitionen aufgeführt. Die Polizei in Schleswig-Holstein nutzt eine recht knappe Definition:
„Als Intensivtäter werden diejenigen jugendlichen Tatverdächtigen gefasst, denen in den letzten 12 Monaten entweder mindestens fünf Straftaten oder zwei Gewalttaten zur Last gelegt wurden.“ (Periodischer Sicherheitsbericht Schleswig-Holstein, 1994-2003, zitiert nach:Koch-Arzberger und Bott 2008, S. 5)
In Berlin hingegen wurden bei Einführung der Täterorientierten Ermittlungsarbeit (TOE) 1995 differenzierte Definitionen ausgearbeitet:
„Intensivtäter/innen (IT) sind Personen, die verdächtig sind,
- eine den Rechtsfrieden besonders störende Straftat herausragender Art - insbesondere aus dem Bereich der Raub- und Rohheitsdelikte - begangen zu haben oder
- innerhalb eines Jahres in mindestens fünf Fällen den Rechtsfrieden besonders störende Straftaten begangen zu haben oder
- innerhalb eines Jahres in mindestens zehn Fällen Straftaten von einigem Gewicht begangen zu haben und
- bei denen die Gefahr einer sich verfestigenden kriminellen Karriere besteht.“ (Der Polizeipräsidentin Berlin, S. 146)
Im TOE-Programm wird zusätzlich noch mit den Begriffen des „Schwellentäters“ und des „Kiezorientierten Mehrfachtäters“ gearbeitet.
Der auffälligste Unterschied ist, dass in Schleswig-Holstein grundsätzlich nur Jugendliche als Intensivtäter bezeichnet werden. Auch sonst wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass ein erheblicher Teil derer, die in einem der Länder als Intensivtäter geführt werden, im jeweils anderen Land nicht in dieser Statistik bzw. diesen Programmen auftauchen würden. Weitere Kriterien für die Definition des „Intensivtäters“ könnten sein: Die Erwartung einer „kriminellen Karriere“, erste Straftaten in besonders jungem Alter, bestimmte Persönlichkeitseigenschaften oder Merkmale des sozialen Umfelds oder der momentanen Lebenssituation (vgl. Steffen 2009, S. 86-87).
Neben der nicht einheitlichen Verwendung des Begriffs „Intensivtäter“ birgt die unkritische Verwendung weitere Probleme. Zum einen ist nach deutschem Recht jemand, der bislang nicht vor Gericht stand, sondern lediglich bei der Polizei auffällig wurde, kein „Täter“ sondern ein „Tatverdächtiger“. Es müsste bei dem benannten Personenkreis also grundsätzlich die Rede von Intensivtatverdächtigen sein. Als Zuschreibung birgt die Bezeichnung als „Intensivtäter“ eine hohe Gefahr der Stigmatisierung. Junge Menschen, die einmal in diese Kategorie fallen, werden es aller Voraussicht nach schwer haben, dieses Label wieder loszuwerden. Es besteht die Gefahr, dass sie besonders durch die Kategorisierung als „Intensivtäter“ auch Täter bleiben. Dadurch, dass der Begriff meist durch Anzahl, Schwere und Dichte der Straftaten definiert wird, geraten andere Komponenten in den Hintergrund.
„Der Begriff des Intensivtäters reduziert die Problematik auf das Legalverhalten junger Menschen. (...) Dies verleitet dazu, Interventionen stärker an den Symptomen als an den Ursachen kriminellen Verhaltens auszurichten.“ (Naplava 2018, S. 339)
Nun ist es auch eine vorrangige Aufgabe der Polizei, Straftaten zu verfolgen, während die Prävention in dem Sinne, junge Menschen vor der Begehung von Straftaten zu schützen, nur zum Teil Polizeiaufgabe ist. Daher ist dieser Aspekt des Begriffes „Intensivtäter“ vor allem dort zu kritisieren, wo man den Begriff unkritisch in andere Bereiche übernimmt. Oder, wie Heinz Cornel es formuliert:
„Für die Sozialpädagogik, Jugendhilfe und Sozialpolitik kommt die Identifizierung von sogenannten Intensivtätern zu spät um präventiv sozialpädagogisch in den Zusammenhängen von Familie, Schule und sozialem Umfeld tätig zu werden und für die Judikative kommt sie zu früh und bleibt prognostisch unsicher, wenn es darum geht Rechtsnachteile zuzuschreiben.“ (Cornel 2009, S. 142)
In den polizeilichen Definitionen des Begriffes „Intensivtäter“ spielt die Intensität des kriminellen Verhaltens innerhalb eines begrenzten Zeitraums eine zentrale Rolle. Die in der öffentlichen Meinung vielfach vorherrschende Vorstellung, diese jugendlichen Intensivtäter würden sicher weiterhin kriminelles Verhalten zeigen, wird von den Definitionen kaum erfasst. Nun zeigt sich in Studien zwar, dass ein Großteil der erwachsenen Intensivtäter bereits im Jugendalter kriminelles Verhalten gezeigt hat (vgl. Bannenberg und Jehle 2011, S. 428-429), der Umkehrschluss, dass Jugendliche mit hoher Intensität delinquenten Verhaltens mit hoher Wahrscheinlichkeit bis ins Erwachsenenalter kriminell bleiben, hält der neueren Forschung nicht stand. Vielmehr decken Studien eine Vielzahl von Verlaufsformen „krimineller Karrieren auf.
„Diese verschiedenen Verlaufsformen sprechen gegen die Annahme, dass eine strafrechtliche Auffälligkeit über einen längeren Zeitraum bzw. mit relativ vielen Delikten ein zwingendes Argument dafür ist, dass von einer Verfestigung einer kriminellen Karriere auszugehen ist, die nur mit besonderen Maßnahmen gestoppt werden kann.“ (Naplava 2018, S. 342)
Und andersherum finden besonders persistente Täter, die aber nicht die „erforderliche“ Intensität (in Anzahl und/oder Schwere der Taten) aufweisen, bspw. Menschen, die über Jahre regelmäßig Ladendiebstähle begehen, in aller Regel keine Berücksichtigung in den „Intensivtäter“-Programmen.
Es zeigt sich, dass auch bei Jugendlichen, die besonders viele und schwere Straftaten begehen, früher oder später ein Abbruch des delinquenten Verhaltens erfolgt. So sei der Anteil der Intensivtäter an der jeweiligen Altersgruppe schon in der Jugend mit steigendem Alter rückläufig, vor allem aber ließe sich beobachten, dass spätestens in der Zeit zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr die jährlichen Delikte deutlich zurückgingen (vgl. Boers 2009, S. 76).
„Die neuere empirische Befundlage der internationalen kriminologischen Verlaufsforschung spricht auch bei persistenten Intensivtätern für einen (generellen) Trend zum Abbruch des Delinquenzverlaufs. [...]
In konzeptioneller Hinsicht spricht demnach einiges dafür, vorrangig nicht von einer lang andauernden Persistenz, sondern von einem generellen Abbruchsprozess auszugehen.“ (ebd., S. 76)
Dabei ist „Abbruch“ nicht zwingend als sofortiges Einstellen jeglichen kriminellen Verhaltens zu verstehen, sondern als „Prozess einer allmählichen Verringerung delinquenten Verhaltens“ (ebd., S. 66).
Klaus Schumann interpretiert die Daten seiner Bremer Verlaufsstudie4 dahingehend, dass es vor allem der Übergang von einer Lebensphase in eine andere ist, der den Abbruch krimineller „Karrieren“ begünstigt. Oft sind diese Übergänge auch davon gekennzeichnet, dass die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen gelöst wird.
„Solche Gruppen, .Cliquen' oder .Gangs' Jugendlicher lösen sich ohnehin oft mit dem Übergang in das Erwachsensein und der damit verbundenen Übernahme entsprechender gesellschaftlicher Rollen (in Familie, Erwerbsleben etc.) auf. Dies markiert zugleich oft auch das Ende der Jugendphase. Ausstieg erfolgt auch, wenn mit steigendem Lebensalter ein höherer beruflicher und sozialer Status erreicht wird, der durch strafbare Handlungen gefährdet wäre. [...] Maßgeblich ist schließlich auch der Rückzug in die Privatsphäre einer Partnerschaft.“ (Schumann 2018, S. 274)
Wenn es also vor allem Stabilität und gesellschaftliche Normen des Erwachsen-Seins sind, die Abbrüche fördern, so liegt es auf der Hand, dass harte (jugend)strafrechtliche Interventionen nicht das Mittel der Wahl sind, um diese Abbrüche herbeizuführen. Es scheint, dass sie vielmehr kontraproduktiv sind, wenn das Ziel sein sollte, die Täter zu einem gesellschaftskonformen Leben zu bewegen:
„Die Untersuchungen belegen, dass sich eingriffsintensive Interventionsmaßnahmen desintegrierend auf den weiteren Lebensverlauf eines Menschen auswirken können, indem sie im Sinne von Sampson und Laub zur Kumulation von Benachteiligungen im Lebensverlauf beitragen.“ (Dollinger und Schabdach 2013, S. 137)
Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit eine Definition des „Intensivtäters“, die ohne Bezug auf die Einschätzung einer Persistenz auskommt, überhaupt eine Tätergruppe bezeichnet, die besonderer Anstrengungen seitens des Staates bedarf.
[...]
1 Da es sich bei den sogenannten „Intensivtätern“ zum größten Teil um junge Männer handelt, wird in dieser Arbeit auf die weibliche Form des Begriffs „Täter“ verzichtet.
2 Philadelphia Birth Cohort Study
3 „Intensivtäter in Berlin“, Teil I und II, 2006 und 2007
4 „Lebensverlauf und Delinquenz in der Jugendphase“, 1998
Jura - Strafprozessrecht, Kriminologie, Strafvollzug
Diplomarbeit, 108 Seiten
Ausarbeitung, 15 Seiten
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