Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Hausarbeit, 2022
14 Seiten, Note: 1,3
INHALTSVERZEICHNIS
QUELLENVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Targeted killing
2.1 Definition
2.2 Beispiele für targeted killing
2.2.1 Gezielte Tötung von politischen Führern - Scheich Ahmed Yassin/Abd al-Aziz al Rantisi
2.2.2 Gezielte Tötung von Zivilisten: Iyad Da‘du/Ahmad al-Kasas/Hani Yusef al-Sufi
3. Internationales Recht
3.1 Das Recht auf Selbstverteidigung
3.1.1 Der bewaffnete Angriff
3.1.2 Die Anwendungskriterien
3.1.3 Das Verhältnis von Art. 51 UN-Charta zu Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta
3.2 Schutz der Zivilbevölkerung - Unterscheidung Kombattant und Zivilist
3.3 Das Recht auf Leben
3.4 Das Recht auf einen fairen Gerichtsprozess
4. Fazit
Bücher
Alkatib, Ibrahim, Pragmatismus und Jihad, eine politische Biographie des „palästinensischen Muslimbruders“ Scheich Ahmad Yasin (1936-2004) Erfurt 2020, verfügbar unter: https://www.db-thueringen.de/receive/dbt_mods_00040689 (zitiert: Alkatib, Ibrahim, Pragmatismus und Jihad)
Dougherty, Bemard/Quénivet, Noelle, Has the Armed Conflict in Iraq shown once more the Growing Dissension regarding the Definition of a Legitimate Target? What and Who Can be Lawfully Targeted? In: Humanitäres Völkerrecht, Informationsschriften, Jahrgang 16, Heft 4, 2003, DRK-Service, S. 188-196 (zitiert: Dougherty/Quénivet, armed conflict in Iraq)
Franck, Thomas M., Terrorism and the Right of Self-Defense, American Journal of International Law 2001, veröffentlicht durch Cambridge University Press am 27. Februar 2017 (zitiert: Franck, Terrorism and the Right of Self-Defense)
Herdegen, Matthias, Völkerrecht, Grundrisse des Rechts, 20. Auflage 2021, C.H. Beck, (zitiert: Her de gen, Völkerrecht)
Hobe, Stephan (Hrsg. Otto Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Auflage, Narr Francke Attempto Verlag 2014 (zitiert: Hobe, Einführung in das Völkerrecht)
Ipsen, Knut (Hrsg. Volker Epping u. Wolff Heintschel von Heinegg), Völkerrecht, 7. Auflage, C.H. Beck 2018 (zitiert: Ipsen, Völkerrecht)
Krishnan, Armin, Gezielte Tötung, Die Zukunft des Krieges, 1. Auflage, Matthes & Seitz Berlin 2012(zitiert: Krishnan, Gezielte Tötung)
Nowak, Manfred, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Kehl am Rhein, 1989 (zitiert: Nowak, UNO-Pakt)
Richter, Christian. Preemptive Self-Defense, Die Vereinbarkeit des Konzepts der Preemptive Self-Defense mit dem Völkerrecht, Schriften zum Völkerrecht, Band 222, Duncker & Humblot, November 2016 (zitiert: Richter, Preemptive Self-Defense)
Simma, Bruno/Mosler, Hermann, The Charter of the United Nations: a commentary, Vol. 1, 2. Ed., Oxfort University Press 2002 (zitiert: Simma/Mosler, The Charter of the United Nations, commentary)
Von Arnauld, Andreas, Völkerrecht, 4. Ausgabe, Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg 2019 (zitiert: Von Arnauld, Völkerrecht)
The Washington Post, Senior Islamic State commander said to be killed by U.S. commandos in a raid, 15. März 2016, aufgerufen am 25.02.2022, verfügbar unter: https :// www.washing- tonpost.com/news/checkpoint/wp/2016/03/25/top-islamic-state-commander-killed-penta- gon-official-says/ (zitiert: Washington Post, 15. März 2016)
Spiegel.de, Attentat auf Scheich Jassin, Scharons Raketen zerfetzen die letzte Hoffnung, 22.03.2004, aufgerufen am 25.02.2022, verfügbar unter: https://www.spiegel.de/politik/aus- land/attentat-auf-scheich-jassin-scharons-raketen-zerfetzen-die-letzte-hoffnung-a- 291880.html (zitiert: Spiegel.de, Attentat auf Scheich Jassin)
Amnesty.org, Israel and the occupied territories, State Assassinations and Other Unlawful Killings, aufgerufen am 25.02.2022, verfügbar unter:
https://www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2021/06/mdel50052001en.pdf (zitiert: Amnesty.org, Israel and the occupied territories)
Spiegel.de, Recht auf Selbstverteidigung, Was sagt Artikel 51 der Uno-Charta?, aufgerufen am 28.02.2022, verfügbar unter:
https://www.spiegel.de/politik/ausland/recht-auf-selbstverteidigung-was-sagt-artikel-51- der-uno-charta-a-1 198879.html (zitiert: Spiegel.de, Recht auf Selbstverteidigung)
Winkler, Willi, Die gezielte Tötung des Heinz Krug, in Süddeutsche, 22. Januar 2018, verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/geheimdienste-gezielte-toetung- 1.3835879 , aufgerufen am 26.02.2022 (zitiert: Winkler, die gezielte Tötung des Heinz Krug)
Online veröffentlicht
Bausback, Winfried, Terrorismusabwehr durch gezielte Tötungen? - Assassination als Mittel des (deutschen) demokratischen Rechtsstaates?, NVwZ 2005,418 (zitiert: Bausback, Terrorismusabwehr durch gezielte Tötung?)
Rudolf, Peter/Schaller, Christian, Targeted Killing, Zur völkerrechtlichen, ethischen und strategischen Problematik gezielten Tötens in der Terrorismus- und Aufstandsbekämpfung, aufgerufen am 27.02.2022, verfügbar unter: https://www.swp-berlin.org/publications/pro- ducts/studien/2012_S01_rdf_slr.pdf (zitiert: Rudolf/Schaller, Targeted Killing)
P. von dem Knesebeck, Soldaten, Guerilleros, Terroristen, Kapitel 4 - Ius ad bellum und ius post bellum, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2014, aufgerufen am 27.02.2022, verfügbar unter: https://link.springer.com/content/pdf710.1007%2F978-3-658-05152-5_4.pdf . (zitiert: von dem Knesebeck, Ius ad bellum und ius post bellum)
Solomon, Solon, The Great Oxymoron: Jus in Bello Violations as Legitimate Non-Forcible Measures of Self-Defense: The Post-Disengagement Israeli Measures towards Gaza as a Case Study, Oxford University 2010, aufgerufen am 28.02.2022, doi: 10.1093 (zitiert: Solomon, The Great Oxymoron)
Gezielte Tötungen werden schon seit geraumer Zeit von konventionellen Streitkräften eingesetzt. In den letzten Jahren hat ihr Einsatz jedoch zugenommen, insbesondere im Rahmen amerikanischer Operationen zur Terrorismusbekämpfung in Übersee.
Mit dem Ereignis am 11. September 20011 wurden targeted killings vermehrt zum gebräuchlichen Mittel, um Terroristen auszuschalten. Doch sie sind nicht erst ab 2001 aufgekommen. Auch im Kalten Krieg wurden zahlreiche gezielte Attentate auf verschiedene Personen, beispielsweise Politiker, ausgeübt.2 Die ,Lizenz zum Töten‘ umspannte die ganze Welt. Nach dem Ende des Kalten Krieges beruhigte sich die Situation, wenn auch nicht für lange.
Spätestens seit dem Auftritt des Terrorismus als Feind der Zivilgesellschaft wurden die staatlich sanktionierten Tötungen von Menschen wieder gebräuchlich. Der Pionier des targeted killing ist Israel, gefolgt von den USA, nach dem Geschehen des 11. September 2001. Letztere benutzen vermehrt bewaffnete Drohnen, um Verdächtige aus der Feme zu töten.
Eine der spektakulärsten gezielten Tötungen seitens der Israeli, stellte die Ermordung des religiösen Führers der palästinischen Hamas, Scheich Yassin dar.3 Diese Tötung trug zu einer Verschärfung des palästinensisch-israelischen Konflikt bei. Allerdings fanden neben den gezielten Tötungen auf Mitglieder von politischen und militanten islamischen Bewegungen auch Angriffe auf Palästinenser statt, die in keinem Zusammenhang mit Aufständen oder Demonstrationen stehen. Dazu gehören gezielte Anschläge auf palästinensische Wohngegenden, Tötungen aus Fahrlässigkeit, ziellose Schießereien und rücksichtsloses Auslöschen von Menschenleben.
Die nachfolgende Arbeit beschäftigt sich mit dem targeted killing am Beispiel Israels. Zum einen ist Israel der Vorreiter dieser Methode zur Terroristenbekämpfung und zum anderen treten die gezielten Tötungen durch Israel vermehrt auf und sind durch enorme Brutalität sowie die Rücksichtslosigkeit auf die Zivilbevölkerung gekennzeichnet.
Zunächst wird auf das targeted killing im Allgemeinen eingegangen, in dem es kurz definiert wird und anhand zwei Fallstudien zur gezielten Tötung aufgezeigt wird. Diese Fallstudien beinhalten Tötungen von politischen Führern sowie von der palästinischen Zivilbevölkerung.
Daraufhin werden verschiedene völkerrechtlich Aspekte des targeted killing erläutert. Hier stellt sich die Frage, ob gezielte Tötungen aus völkerrechtlichen Erwägungen akzeptiert werden können oder nicht.
Targeted killing, oder auch gezielte Tötung, wird oftmals im Zusammenhang mit Terrorismus und Terrorismusbekämpfting verwendet und diskutiert. Allerdings beschreibt der Begriff ein breiteres Spektrum von Maßnahmen, das auch tödliche Gewalt gegen Personen umfasst, die nicht Eds Terroristen gelten. Zunächst wird in diesem Kapitel der Begriff des tEirgeted killing erläutert und daraufhin mit zwei Beispielen aufgezeigt, dass targeted killing nicht nur gegen Terroristen zum Einsatz kommt, sondern oftmals auch politische Führer und Zivilisten trifft.
In den letzten Jahren hat der Begriff des targeted killing an Popularität gewonnen. Dies scheint insbesondere auf die israelische Politik des targeted killings während der zweiten Intifada, die im September 2000 begann, und auf die Verwendung dieser Praxis durch die US-Regierung in ihrem Kampf gegen den Terrorismus, zurückzuführen zu sein.4
Im Allgemeinen wird targeted killing als die absichtliche, vorsätzliche Anwendung tödlicher Gewalt gegen eine Person verstanden, die sich nicht im Gewahrsam derjenigen befindet, die sie töten wollen. Targeted killing umfasst nur tödliche Gewaltakte, die gegen Menschen gerichtet sind; insbesondere die Tötungen von nicht-staatlichen Personen und Staatsbeamten. Am häufigsten wird der Begriff jedoch für tödliche Gewalt, die gegen nichtstaatliche Akteure eingesetzt wird, die angeblich in den Terrorismus verwickelt sind, verwendet.5 Targeted killing ist eine geplante, tödliche Gewalt. Am paradigmatischsten beschreibt es sich als die Tötung einer Person, die auf der Grundlage eines Entscheidungsprozesses zur Tötung ausgewählt wurde. Die Tötung dieser Person wird demnach geplant und, sobald es die Situation erlaubt, ausgeführt.
Eine viel diskutierte gezielte Tötung war die des Scheichs Ahmed Yassin. Er war ein religiöser Hamasführer und ist bei einem israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt am 22. März 2004 getötet worden.6 Israelische Kampfhubschrauber beschossen den Wagen des gelähmten Scheichs7 mit Raketen, als dieser nach dem Besuch einer Moschee aus dem Rollstuhl in sein Auto gehoben werden sollte. Sieben seiner Anhänger wurden ebenfalls getötet, weitere 17 Menschen wurden verletzt, darunter zwei Söhne des Scheichs.8 Unter den Toten sind auch drei Leibwächter Yassins gewesen. Ariel Sharon9, der Auftraggeber dieser gezielten Tötung, bekam seitens der israelischen Regierung viele Glückwünsche für seine „mutige Tat“.10 Yassin galt als die Seele der Hamas. Er war eine zentrale Figur im unerbittlichen Kampf radikaler Palästinenser gegen Israel und ein fester Bestandteil des fatalen Kreislaufs der Gewalt im Nahen Osten.11
In den siebziger Jahren gründete Yassin die "Mudschama-el-Islami" und rekrutierte junge und motivierte Aktivisten für seine Bewegung. Anfang der achtziger Jahre, in der Ausrichtung der islamischen Revolution, gründete er die militante Organisation "Mudsch el Mudschaheddin" (Ruhm und Kämpfer des Islam). Sein Nachfolger, Abd al- Aziz al Rantisi, wurde am 17. April 2004 von israelischen Streitkräften getötet.
Iyad Da'du war Besitzer eines kleinen Landens in Rafah und wurde am 17. Dezember 2000 von israelischen Soldaten in Rafah erschossen. Rafah liegt im Gazastreifen, einige Meter von der israelischen Grenze entfernt. Er befand sich vor seinem Geschäft, als das Feuer auf ihn eröffnet wurde. Die Soldaten befanden sich hinter der Grenze. Als Da'du am Boden lag, kam ihn Ahmad al-Kasas, 38 Jahre alt, zur Hilfe. Auch er wurde ebenfalls erschossen. Augenzeugen berichteten, dass die Schießerei eine halbe Stunde gedauert habe. In Rafah kam es zuvor schon häufig zu Schießereien israelischer Soldaten auf die Zivilbevölkerung. So stand zum Beispiel Hani Yusef al-Sufi, 15 Jahre alt, mit fünf Freunden in einer Gasse, als über ihren Kopf in einer Mauer eine Granate einschlug. Alle sechs wurden verletzt, Hani starb.12
Nachdem das targeted killing anhand der Definition und der Fallstudien aufgezeigt wurde, wird fortfolgend auf das Recht auf Selbstverteidigung, das Recht auf Leben und das Recht auf einen fairen Prozess hinsichtlich des targeted killing eingegangen.
Im Zusammenhang mit gezielten Tötungen reicht Selbstverteidigung als alleinige Rechtfertigung für die Anwendung tödlicher Gewalt gegen eine bestimmte Person nicht aus.13 Im Völkerrecht gibt es eine inhärente Dichotomie, d.h. das Jus ad bellum bezieht sich auf das Recht, das die Auslösung zwischenstaatlicher Gewelltanwendung regelt,14 während das humanitäre Völkerrecht bestimmt, wie Geweilt während der Feindseligkeiten eingesetzt wird.15 Wenn die Schwelle der Feindseligkeiten nicht ausreicht, um als bewaffneter Konflikt eingestuft zu werden, gilt für die tödliche Gewaltanwendung das humanitäre Völkerrecht.16 Das bedeutet, dass die Selbstverteidigung nach Artikel 51 UN-Charta dazu dienen kann, die extraterritoriale Anwendung von Gewalt auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates zu rechtfertigen, aber die tatsächliche tödliche Gewalt gegen den Einzelnen muss nach den rechtlichen Regelungen des humanitären Völkerrechts beurteilt werden.17 Die Behauptung, dass die zwischenstaatlichenjus ad bellum-Grundsätze der Selbstverteidigung auf die tödliche Gewaltanwendung gegen eine Einzelperson anwendbar sind, führt zu einer Vermischung der beiden Rechtssysteme.18
Trotz des in der UN-Charta enthaltenen Gewaltverbot, wird den Staaten dennoch in Art. 51 S. 1 UN-Charta ein Selbstverteidigungsrecht gewährt. Es wird ausdrücklich hervorgehoben, dass das Selbstverteidigungsrecht nur eingreift, falls ein bewaffneter Konflikt vorliegt. Als ein bewaffneter Angriff gelten zweifelsfrei Beschießungen oder Bombardierungen des Hoheitsgebietes eines Staates durch die Streitkräfte eines anderen Staates, Blockaden von Häfen oder Küsten eines Staates durch die Streitkräfte eines anderen Staates sowie ein direkter Angriff eines Staates durch die Land-, See- oder Luftstreitkräfte bzw. See- und Luftflotten eines anderen Staates.19
Ob der Art. 51 auch die präventive Selbstverteidigung einschließt, stellt eine umstrittene Frage dar. Vor allem Israel und die USA behaupten, dass die UN-Charta auch die Selbstverteidigung gewähre, wenn ein unmittelbar drohender Angriff bevorstehe. Insbesondere nach dem 11. September 2001 betonen die USA dieses Recht. Sie wollen damit ihre Bürger schützen und die Terroristen liquidieren bevor sie die Zivilbevölkerung angreifen.20
Im Falle einer präventiven Verteidigung liegt die Bedingung des bewaffneten Angriffs nicht mehr vor. Dies bedeutet, dass die „Verteidigung“ stattfindet, bevor überhaupt das Recht auf Selbstverteidigung anwendbar ist.21 Eine Vielzahl von Rechtswissenschaftler in Israel und den USA befürworten diese Interpretation, was hauptsächlich mit der Tatsache begründet wird, dass neben dem Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 ein gewohnheitsrechtliches Selbstverteidigungsrecht bestehe.22 Hingegen lehnen die meisten europäischen Rechtsexperten sowie die Mehrheit der Staatengemeinschaft diese Auslegung ab,23 da eine zu große Gefahr besteht, dass Art. 51 ausgehöhlt wird. Jeder denkbar geplante Anschlag könnte so der Anlass für unilaterale Maßnahmen, ohne jegliche Stellungnahme des Sicherheitsrates bzw. der Staatengemeinschaft, werden. Außerdem bestehen in den meisten Fällen keinerlei objektive Kriterien, mit denen sich ein bevorstehender Angriff prüfen ließe. Der Präventivschlag gemäß Art. 51 S. 1 UN-Charta ist aus rechtlicher Sicht eindeutig abzulehnen. Die Voraussetzung eines bewaffneten Angriffs lässt keinen Spielraum für Präventivschläge.
Dies zeigen die vielen unschuldigen zivilen Opfer, die bei Angriffen auf vermutliche Terroristen sterben, ebenso wie das Fehlen objektiver Kriterien, mit denen sich ein bevorstehender Anschlag feststellen lassen soll. So zeigen die in Punkt 2.2 aufgeführten Fallbeispiele über die Tötungen von Zivilisten, dass eine zu weite Auslegung des Selbstverteidigungsrechts einen Missbrauch dieses Rechts zur Folge haben kann. Es werden nicht mehr nur mutmaßliche Terroristen zu Opfern, sondern auch unschuldige Zivilsten.
Die Selbstverteidigung ist nur dann zulässig, wenn sie unmittelbar nach dem bewaffneten Angriff erfolgt sowie das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.24 Das Kriterium der Unmittelbarkeit bedeutet allerdings nicht, dass sich unverzüglich nach einem Terroranschlag die Selbstverteidigungsmaßnahmen anschließen müssen.25 Der Zeitraum, um militärische Aktionen vorzubereiten oder lange Wegstrecken zurückzulegen, beeinträchtigen die Anforderungen ein die Unmittelbarkeit nicht. Im Falle von vielen gezielten Tötungen Israels ist dieses Kriterium allerdings nicht erfüllt. Oftmals erfolgt die Verteidigung gegen Terroristen erst Jahre nach einem Anschlag. Thomas M. Franck führt an, dass deutsche Rechtswissenschaftler hervorheben würden, dass nur gegen den Angreifer selbst das Recht der Selbstverteidigung geltend ist. Im Fedie der meisten politischen oder militanten Führer ist dies nicht der Fall, da sie nicht selbst die Terroranschläge ausführen, sondern lediglich die Auftraggeber sind bzw. zu einem Kampf für ihre Religion aufrufen. Israel sowie die USA berufen sich allerdings auf die Resolutionen des Sicherheitsrates, unter anderem Resolution 1368. Hier ruft der Sicherheitsrat die Staatengemeinschaft auf gegen die vorzugehen, die den Terrorismus unterstützen.26
[...]
1 Die Terroranschläge am 11. September 2001 waren vier koordinierte Flugzeugentführungen mit nachfolgenden Selbstmordattentaten auf symbolträchtige zivile und militärische Gebäude in den Vereinigten Staaten von Amerika.
2 Winkler, die gezielte Tötung des Heinz Krug.
3 Spiegel.de, Attentat auf Scheich Jassin.
4 Alkatib, Pragmatismus und Jihad, S. 178.
5 Krishnan, Gezielte Tötung, S. 10.
6 Alkatib, Pragmatismus und Jihad, S. 187.
7 Er zog sich in seiner Jugend eine Fraktur im Halswirbelbereich zu; s. Alkatib, Pragmatismus und Jihad, S. 33.
8 Alkatib, Pragmatismus und Jihad, S. 187.
9 Ariel Sharon war ein israelischer Politiker und General.
10 Spiegel.de, Attentat auf Scheich Jassin.
11 Ebd.
12 Amnesty.org, Israel and the occupied territories, S. 26-27.
13 Rudolf/Schaller, Targeted Killing, S. 17.
14 von dem Knesebeck, Ius ad bellum und ius post bellum, S. 120.
15 Bundesministerium der Verteidigung, Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, Zentrale Dienstvorschrift, A-2141/1.
16 Bundesministerium der Verteidigung, Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, Zentrale Dienstvorschrift, A-2141/1, S. 24.
17 Spiegel.de, Recht auf Selbstverteidigung.
18 Solomon, The Great Oxymoron S. 513.
19 VonArnauld, Völkerrecht, S. 690.
20 Richter, Preemptive Self-Defense, S. 105ff.
21 Ebd., S. 157.
22 Richter, Preemptive Self-Defense, S. 74ff.
23 Ebd., S. 14 lfif.
24 Bausback, Terrorismusabwehr durch gezielte Tötung?, 419.
25 Ebd.
26 Franck, Terrorism and the Right of Self-Defense, S. 839-843.