Die Mythologie der Inka umfasst eine Vielzahl von Legenden und Geschichten, die den Glauben und die Lebensweise der Inka symbolisieren und erklären. Eine dieser Legenden rankt sich um den sagenumwobenen Goldschatz der Inkas. Kaum jemand hat noch nicht von ihm gehört. Die Inka waren nur ein Stamm von vielen, bevor sie begannen, ihre Nachbarn zu erobern und zu assimilieren. Gold und Silber erhielten sie dadurch in großen Mengen. Diese sollen, der Legende zufolge, unterhalb der peruanischen Stadt Cuzco, dem Herzen des Inka-Reiches, gelagert worden sein. Eine Art verborgene Stadt entstand. Als die Spanier das Reich eroberten, fanden sie bereits zahlreiche Schätze in den Häusern der Einwohner. Ein Großteil des Goldschatzes konnte jedoch bis heute nicht aufgefunden werden. In ihrer Erzählung "El tesoro de los Incas – leyenda histórica", die 1865 in dem Band "Sueños y realidades" erschien, greift die argentinische Autorin und Journalistin Juana Manuela Gorriti diese Legende auf. Auf einer geografisch und historisch fundierten Basis erschafft sie durch fantastische Elemente eine Art Parallelwelt, durch welche die Legende erneut zum Leben erweckt wird. Diese Verschmelzung aus Realität und Fantasie lässt den/die Leser*in in eine völlig neue Welt eintauchen, in der die Grenzen zwischen realer Wahrnehmung und Traum verschwimmen.
Nachdem zu Beginn der Arbeit das reale Leben der Inkas und einige Fakten zum Goldschatz erläutert werden, wird die Handlung der Erzählung historisch eingeordnet. Um im Vorweg eine Basis für die folgende Analyse zu schaffen, werden im Anschluss das Konzept der Kultur, insbesondere der Herrschaft, und das Konzept der literarischen Fantastik anhand der Modelle von Renate Lachmann und Tzvetan Todorov thematisiert. Auf dieser Grundlage erfolgt in Kapitel 5 die detaillierte Analyse der gesamten Erzählung, in der insbesondere auf die Darstellung der Ambivalenz zwischen indigener Kultur und fantastischer Legende eingegangen werden soll.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Reich der Inkas
3. Einordnung der Legende in die historischen Hintergrunde
4. Begriffserklarungen
4.1 Konzept der Kultur
4.2 Konzept der Fantastik von Renate Lachmann
4.3 Konzept der Fantastik von Tzvetan Todorov
5. Analyse El tesoro de los Incas - leyenda historica
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Mythologie de Inka umfasst eine Vielzahl von Legenden und Geschichten, die den Glauben und die Lebensweise der Inkas symbolisieren und erklaren. Eine dieser Legenden rankt sich um den sagenumwobenen Goldschatz der Inkas. Kaum jemand hat noch nicht von ihm gehort. Die Inka waren nur ein Stamm von vielen, bevor sie begannen, ihre Nachbarn zu erobern und zu assimilieren. Gold und Silber erhielten sie dadurch in groBen Mengen. Diese sollen, der Legende zufolge, unterhalb der peruanischen Stadt Cuzco, dem Herzen des Inka-Reiches, gelagert worden sein. Eine Art verborgene Stadt entstand. Als die Spanier das Reich eroberten, fanden sie bereits zahlreiche Schatze in den Hausern der Einwohner. Ein GroBteil des Goldschatzes konnte jedoch bis heute nicht aufgefunden werden. In ihrer Erzahlung El tesoro de los Incas - leyenda historica, die 1865 in dem Band Suenos y realidades erschien, greift die argentinische Autorin und Journalistin Juana Manuela Gorriti diese Legende auf. Auf einer geografisch und historisch fundierten Basis erschafft sie durch fantastische Elemente eine Art Parallelwelt, durch welche die Legende erneut zum Leben erweckt wird. Diese Verschmelzung aus Realitat und Fantasie lasst den/die Leser*in in eine vollig neue Welt eintauchen, in der die Grenzen zwischen realer Wahrnehmung und Traum verschwimmen.
Nachdem zu Beginn der Arbeit das reale Leben der Inkas und einige Fakten zum Goldschatz erlautert werden (2.), wird die Handlung der Erzahlung historisch eingeordnet (3.). Um im Vorweg eine Basis fur die folgende Analyse zu schaffen, werden im Anschluss das Konzept der Kultur (4.1), insbesondere der Herrschaft, und das Konzept der literarischen Fantastik (4.2 und 4.3) anhand der Modelle von Renate Lachmann und Tzvetan Todorov thematisiert. Auf dieser Grundlage erfolgt in Kapitel 5 die detaillierte Analyse der gesamten Erzahlung, in der insbesondere auf die Darstellung der Ambivalenz zwischen indigener Kultur und fantastischer Legende eingegangen werden soll.
2. Das Reich der Inkas
Da es nur wenige schriftliche Uberlieferungen gibt, besteht der GroBteil der bekannten Fakten aus Mythen und Legenden, die sich nicht nur um die Entstehung dieses Volkes ranken, sondern auch Gegebenheiten und Ereignisse aus ihrem taglichen Leben darstellen. Die Inkas waren ein indigenes Volk, welches zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert im heutigen Peru lebte. Zeitweise reichte ihr Imperium von Ecuador bis nach Chile und Argentinien und war somit fast so groB wie das Romische Reich. Trotz der schwierigen Umweltbedingungen erschufen sie ein zweckvolles Handelssystem aus StraBen, Wegen und Bracken und wurden so sehr wohlhabend. Cuzco stellte dabei das administrative, politische und militarische Zentrum ihres Reiches dar. Gold nutzten sie nicht nur als Zahlungsmittel, sondern vor allem, um daraus Kunst- und Kultgegenstande herzustellen. Es hatte fur sie weniger materiellen, als ideellen Wert, denn sie nutzten es uberwiegend, um die Ehrerbietung gegenuber Vater Sonne und GroBmutter Mond auszudrucken. Durch Kampfe und Besetzung der umliegenden Gebiete konnten die Inkas ihre Macht und vor allem ihren Reichtum stetig vergroBern. Die offizielle Sprache war Quechua, aber es wurden unzahlige weitere indigene Sprachen gesprochen. Die Inkas waren ein polytheistisches Volk. In den Anden besaB jeder Stamm seine eigene Tradition, die auf seiner Herkunft von einem heiligen Stern oder Tier beruhte. Allen gemeinsam war, dass sie Sonne und Mond verehrten. In diesem Kontext nannten die Inkas sich selbst die Sohne der Sonne. Deshalb wurde der Sonnenkult zum zentralen Bestandteil ihrer Kultur, die sie uberall in ihrem Reich in geweihten Tempeln auslebten. Das hochste Heiligtum des Reichs war der Sonnentempel in Cuzco, der wahrend der Conquista zerstort wurde. Das Innere des Tempels soll mit unschatzbaren Gutern gefullt gewesen sein. Der Zutritt war jedoch allen, die nicht Inkas waren, verwehrt.1 Wahrend vieler Jahrhunderte kursierten Geruchte uber das Vorhandensein und das AusmaB eines unendlichen Schatzes. Unklar bleibt jedoch, ob dabei nur von materiellen Reichtumern gesprochen wird oder auch von geistigen. Neben den Gold- und Silberfunden wurde die Existenz des materiellen Schatzes auch durch offizielle Dokumente belegt, da die Beute worden war.2
3. Einordnung der Legende in die historischen Hintergrunde
Gold in seinen verschiedenen Formen war eines der zentralen Motive beim Kontakt zwischen den Spaniern und Indigenen wahrend der Eroberung und Kolonisierung von Uberseegebieten. Rucksichtslos eroberten sie unzahlige Gebiete und zwangen den Uberlebenden ihr westliches System auf. Der Untergang des Reichs der Inka begann, als die Spanier es unter Francisco Pizarro eroberten und besetzten. Spanien war damals von den Burgerkriegen, und schweren Epidemien stark geschwacht. Gierig nach Ruhm und Gold metzelten sie 1532 die indigene Bevolkerung nieder. Die Spanier als fuhrende Kriegsnation, mit der am weitesten entwickelten Waffentechnik, hatten ein leichtes Spiel gegen die Krieger der Inka, die nur Waffen aus Holz und Rustungen aus Leder zu bieten hatten. Die auffindbaren Reichtumer brachten sie in ihren Besitz. Ein GroBteil des erwarteten Goldes konnte jedoch niemals aufgefunden werden. Der hingerichtete Herrscher Atahuallpa wurde 1533 durch Manco Qhapaq II ersetzt, da er mit den Eroberern kooperierte. Wenige Jahre spater wandte er sich jedoch gegen die Spanier und begann die besetzte Stadt Cuzco zu belagern. Der Ruckeroberungsversuch misslang jedoch und alle Beteiligten wurden hingerichtet. Dennoch wurde der Widerstand gegen die Unterdruckermacht weiter fortgesetzt.3 Die Kurzgeschichte El tesoro de los Incas kann nicht eindeutig historisch eingeordnet werden. Sie scheint jedoch in der spaten Kolonialzeit, kurz nach der Conquista stattzufinden. In diesem Roman gibt es Intendanten, die im Zuge der bourbonischen Reformen das alte System der regidores ablosten. Da die ersten sieben Intendanten erst 1784 ernannt wurden, muss die Handlung von El tesoro de los Incas am Ende des 18. Jahrhunderts stattfinden, nach 1781, als Tupac Amaru II. hingerichtet wurde. Spanische Eroberer und unterdruckte Inkas stehen sich in der Gesellschaft Cuzcos gegenuber. Nur zu deutlich werden die Unterschiede im Vergleich der Protagonisten: Die stark ausgepragte Identitat und Kultur der Inkas stehen gegen die endlos scheinende Gier nach Gold der Spanier. Eindeutig angegeben ist, dass der Spanier Diego de Maldonado in den letzten Jahren der Herrschaft von Carlos III. fur diesen die Zolle in Cuzco eintreiben soll.4
4. Begriffserklarungen
Um eine folgerichtige Analyse der vorliegenden Erzahlung durchfuhren zu konnen, mussen im Vorweg einige der dazu verwendeten Konzepte und Modelle erlautert werden.
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1 vgl. Inka World (o.D.): Die Geschichte der Inkas, online unter: https://inka-world.com/die- geschichte-der-inkas/, (letzter Zugriff: 09.01.2022)
2 vgl. Gentile Lafaille: El tesoro de los Incas: Entrono sociopohtico y proyeccion historica de una creencia de conquista, in: Arqueolog^a y Sociedad, N°21, 2010, S. 66
3 vgl. Inka World (o.D.): Die Geschichte der Inkas, online unter: https://inka-world.com/die- geschichte-der-inkas/ (letzter Zugriff: 09.01.2022)
4 vgl. Ward, Thomas: “El inca^smo del Inca Garcilaso en la narrativa corta de Juana Manuela Gorriti”, in: Revista de Critica Literaria Latinoamericana, Ano 44, No. 88 (2do semestre de 2018), S.