Das Thema dieser Arbeit wird der Fall der Li Yan sein, ein Rechtsvergleich zum Haustyrannen-Fall. Der Li Yan-Fall bewegt nicht nur den Leser, sondern ist auch von der rechtlichen Perspektive sehr interessant. So wird eine Frau, die aus Not heraus handelt zum Tode verurteilt. Dieses Urteil ist nicht nur undenkbar für deutsche Gerichte, sondern stößt vor allem auch auf Empörung.
Mit dieser Thematik soll ein Eindruck über das chinesische Strafrecht verschafft werden. Auch wenn dieses in diesem Rahmen nur einseitig betrachtet werden kann, soll der Fokus auf dem chinesischen Tötungsdelikt, Notwehr und Notstand und die Todesstrafe liegen.
Der Fall der Li Yan war in den Medien sehr präsent und sorgte dabei für Kritik am chinesischen Rechtssystem. Dies sorgte dafür, dass Li Yans Urteil „Todesstrafe“ in „Todesstrafe auf Bewährung“, und damit auf eine lebenslange Haft geändert wurde. Aufgrund der Problematik der häuslichen Gewalt in diesem Fall wurde daraufhin ein Gesetz erlassen, zum Schutz vor häuslicher Gewalt.
Damit das chinesische Recht greifbarer wird soll mit einem Fall aus dem deutschen Recht verglichen werden, dem Haustyrannen-Fall.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Strafrecht in China
2.1 Der Fall der Li Yan
2.1.1 Urteil: Todesstrafe
2.1.2 Notwehrproblematik
2.2 Haustyrannen-Fall: Ein Vergleich zum Deutschen Strafrecht
3. Gesetz über Häusliche Gewalt in China
4. Schlusswort
1. Einleitung
Das Thema dieser Arbeit wird der Fall der Li Yan sein, ein Rechtsvergleich zum Haustyrannen-Fall. Der Li Yan-Fall bewegt nicht nur den Leser, sondern ist auch von der rechtlichen Perspektive sehr interessant. So wird eine Frau, die aus Not heraus handelt zum Tode verurteilt. Dieses Urteil ist nicht nur undenkbar für deutsche Gerichte, sondern stößt vor allem auch auf Empörung.
Mit dieser Thematik soll ein Eindruck über das chinesische Strafrecht verschafft werden. Auch wenn dieses in diesem Rahmen nur einseitig betrachtet werden kann, soll der Fokus auf dem chinesischen Tötungsdelikt, Notwehr und Notstand und die Todesstrafe liegen.
Der Fall der Li Yan war in den Medien sehr präsent und sorgte dabei für Kritik am chinesischen Rechtssystem. Dies sorgte dafür, dass Li Yans Urteil „Todesstrafe“ in „Todesstrafe auf Bewährung“, und damit auf eine lebenslange Haft geändert wurde. Aufgrund der Problematik der häuslichen Gewalt in diesem Fall wurde daraufhin ein Gesetz erlassen, zum Schutz vor häuslicher Gewalt.
Damit das chinesische Recht greifbarer wird soll mit einem Fall aus dem deutschen Recht verglichen werden, dem Haustyrannen -Fall.
Zunächst soll es eine Einführung in das chinesische Strafrecht geben. Hierbei erfolgt ein historischer Abriss, gefolgt vom Aufbau des chinesischen Strafgesetzbuches. Der Schwerpunkt dieser Arbeit bildet der Fall der Li Yan. Nachdem der Fall vorgestellt wurde, wird das Urteil der Todesstrafe erläutert. Dabei kommt es zu einer kurzen geschichtlichen Darstellung und im Anschluss wird die Todesstrafe rechtlich eingeordnet. Im darauffolgenden Kapitel soll die Problematik der Notwehr und des Notstandes erläutert werden und ob Li Yan einen Verteidigungsgrund hatte. Nach Abschluss des Schwerpunkts erfolgt der Rechtsvergleich. Hierzu wird zunächst der Haustyrannen-Fall vorgestellt und besprochen. Folglich werden beide Fälle miteinander verglichen. Abschließend wird kurz das neue Gesetz zur häuslichen Gewalt dargestellt. Ein Schlusswort rundet diese wissenschaftliche Arbeit ab.
2. Strafrecht in China
Wird die Geschichte des chinesischen Strafrechts betrachtet, so sind einige Parallelen zum heutigen Strafrecht in China erkennbar. Das kaiserliche Recht war vor allem konfuzianisch geprägt und dies spielt auch heute noch im chinesischen Recht eine wichtige Rolle.
Nach der Gründung der Volksrepublik China wurde das gesamte Recht der Republik China durch das Allgemeine Programm der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes außer Kraft gesetzt, somit auch das Strafrecht.1 Politische und gesellschaftliche Wirren im Staatsapparat sorgten dafür, dass die Ausbildung eines wirkungsvollen Strafrechtssystem verhindert wurden.2 Fünf Jahre dauerte die Phase, in denen gesetzliche Grundlagen für den neuen Staat geschaffen wurden. Erst durch Maos Tod konnte 1979 eine Strafprozessordnung und ein neues Strafgesetz erlassen werden.3 Das Strafgesetzbuch vom 01. Juli 1979 gilt bis heute, jedoch mit einigen zahlreichen Änderungen. So wurde beispielsweise 1997 aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Veränderungen das Gesetz angepasst. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Strafgesetzbuch erweitert, von 192 auf 452 Paragrafen.4 Die Gesetzgeber wollten vor allem Raum für das Verbot der Analogie schaffen, da vor 1997 Analogien zu Lasten des Täters ausdrücklich zugelassen wurden.5
Das chinesische Strafgesetzbuch wurde in zwei Teile eingeteilt. Der erste Teil besteht aus insgesamt fünf Kapitel und der zweite Teil aus elf Kapitel; die Kapitel sind wiederum in Abschnitte gegliedert, ähnlich wie im deutschen Strafgesetzbuch. Die Artikel 1 bis 101 behandeln den Allgemeinen Teil. Dabei hält das chinesische Strafrecht u.a. fest was eine Straftat ist, wer strafbar ist, wann ein schuldhaftes Handeln vorliegt, wer Täter und Teilnehmer ist und welche Bestrafungen möglich sind. Ebenfalls wird in einem Kapitel die Todesstrafe konkret vorgestellt, und wann diese verhängt werden darf. Im zweiten Teil, dem Besonderen Teil, werden die spezifischen Deliktstypen gegliedert und genauer definiert.6 So wird im Besonderen Teil u.a. die Nationale Sicherheit, Öffentliche Sicherheit, Diebstahl, Raub und Betrug erläutert. Kapitel vier des zweiten Teils widmet sich den Straftaten gegenüber Zivilisten. Hierbei werden z.B. Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung und Entführung erfasst.7
Seit 1997 spielt auch das Wirtschaftsstrafrecht eine erhebliche Rolle im chinesischen Strafgesetzbuch. Die Regelungen sind wesentlich detaillierter als im deutschen Strafrecht und zielen auf Verhaltensweisen ab, die als erheblich sozial- und wirtschaftsschädigend eingestuft werden.8 Auch Umweltrecht und Betäubungsmittelrecht werden seit 1997 im chinesischen Strafgesetzbuch geregelt.
Im Folgenden soll der Fall der Li Yan dargestellt und kritisch untersucht werden. Hierbei liegt der Fokus auf dem Tötungsdelikt und der verhängten Todesstrafe, sowie der Frage, ob Li Yan aus Notwehr heraus gehandelt hat.
2.1 Der Fall der Li Yan
Der Fall der Li Yan liegt mittlerweile sieben Jahre zurück. Im Jahr 2010 erschlug Li Yan ihren Ehemann. Sie wurde gemäß den Medien jahrelang von ihrem Ehemann physisch, psychisch und sexuell missbraucht. So schlug dieser die Verurteilte mehrfach, drückte glimmende Zigaretten an ihrem Körper aus und schnitt ihr einen Finger ab. Außerdem musste sie an kalten Tagen und Nächten draußen auf dem Balkon verweilen. Nachdem das Opfer Li Yan mit einem Gewehr bedrohte, erschlug sie ihren Ehemann kurzerhand. Anschließend zerteilte sie den Körper des Opfers in Einzelteile und kochte diese, um danach die gekochte Körpermasse in den Abfluss zu schütten. Daraufhin gestand die Li Yan ihre Tat dem Nachbarn und bat diesen die Polizei davon in Kenntnis zu setzen.
Ein Gericht in der Provinz Sichuan verurteilte Li Yan im August 2011 wegen vorsätzlicher Tötung zum Tode. Eine Berufung scheiterte, das Oberste Volksgericht in Peking bestätigte das Urteil. Obwohl es im chinesischen Strafrecht möglich ist das Strafmaß zu reduzieren, wenn ein familiärer Konflikt eine Gewalttat auslöst, befand das Gericht im ersten Verfahren die Beweise für nicht ausreichend.
Das Urteil stieß bei chinesischen Straf- und Menschenrechtlern auf Empörung. Laut den vorliegenden Medien meldete Li Yan die Gewalttaten ihres Ehemannes bei der Polizei, dem Nachbarschaftskomitee und auch der für häusliche Gewalt zuständigen Regierungsorganisation ACWF, dem nationalen chinesischen Frauenverband. Li Yan wurde von allen Behörden abgewiesen; die Polizei ließ sie wissen, häusliche Gewalt sei eine familiäre Angelegenheit. Anwälte forderten deshalb die Herabsetzung des Strafmaßes. Ebenfalls wurden im Rahmen einer Petition ca. 80 000 Unterschriften gesammelt, in der die Behörden aufgefordert wurden, die Todesstrafe zu verhindern. Daraufhin wurde das Urteil von „Todesstrafe“ in „Todesstrafe auf Bewährung“ umgewandelt.9
2.1.1 Urteil: Todesstrafe
China erfasst die Todesstrafe im Strafgesetzbuch und definiert genau, wann eine solche Bestrafung in Betracht kommt. Die Todesstrafe hat in China eine lange historische Tradition. Schon in der frühen Rechtsphilosophie wurde das Prinzip „ein Leben für ein Leben“10 angewandt und gehörte in China zu den klassischen „Fünf Bestrafungen“.11 Im heutigen China hat sich lediglich die Todesstrafe durchgesetzt und ergänzt andere Bestrafungen, z.B. die Freiheitsstrafe.
Mehr als 50 Straftatbestände werden in China mit dem Tode geahndet.12 Dabei werden nicht nur Straftaten erfasst, bei denen Gewalt gegenüber einem anderen Menschen angewandt wurde, sondern auch z.B. Drogendelikte, Verrat von Staatsgeheimnissen, Sachbeschädigung und Diebstahl.
Strafprozesse, in denen die Todesstrafe ausgesprochen wurde, werden in erster Instanz vor den Mittleren Volksgerichten geführt.13 Anschließend hat der Verurteilte die Möglichkeit gegen das Urteil Rechtsmittel vor dem Oberen Volksgericht einzulegen. Sollte der Betroffene diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen, wird das Urteil dennoch durch eine zweite Instanz geprüft.14 Sofern die zweite Instanz das Urteil bestätigt, wird die Todesstrafe nach kurzer Zeit vollzogen. Eine Ausnahme bilden dabei unter 18-jährige und schwangere Frauen – bei diesen Personengruppen darf die Todesstrafe nicht vollzogen werden.15 Für alle anderen gelten die zugelassenen Tötungsformen Todesspritze oder Schuss in den Hinterkopf.16
Die Todesstrafe, als eine Form von Bestrafung, ist in Artikel 33 Nr. 5 chinesisches Strafgesetzbuch geregelt. Weitere Bestrafung sind lebenslange Haft, Haftstrafe von mindestens zwei Monaten und höchstens fünfzehn Jahren, Haftstrafe von mindestens einem Tag und höchstens 60 Tagen und Geldstrafe. Die Todesstrafe soll dabei die höchste Form der Bestrafung sein und lediglich bei äußerst schwerwiegenden Deliktshandlungen verhängt werden.17 Sofern die sofortige Vollstreckung der Todesstrafe als nicht notwendig erachtet wird kann eine zweijährige Aussetzung der Vollstreckung des Todesurteils ausgesprochen werden.18 Es besteht auch die Möglichkeit, die Todesstrafe auf Bewährung auszusprechen. Dies kann jedoch nur vom höchsten Volksgericht geprüft, entschieden und genehmigt werden.19 Wegen guter Führung kann die Todesstrafe auf Bewährung in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt werden; Ausnahmen gestatten auch eine Haft von mindestens 15 und höchstens 20 Jahren.20
Die Todesstrafe spielt vor allem dann eine Rolle, wenn ein Mensch von einem anderen Menschen getötet wurde.21 Dabei unterscheidet das chinesische Strafrecht zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tötung. In Artikel 233 chinesisches Strafgesetzbuch heißt es, wer den Tod eines anderen Menschen fahrlässig verursacht wird zu einer Haftstrafe von mindestens drei und höchstens sieben Jahren verurteilt. Bei milderen Umständen wird eine Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren verhängt. Anhand des Beispielfalls kann nun untersucht werden, ob eine fahrlässige Tötung vorliegt. Hierbei muss sich an das deutsche Strafgesetzbuch orientiert werden, da keine Möglichkeit besteht einen Kommentar zum chinesischen Strafgesetzbuch heranzuziehen. Im deutschen Strafrecht ist die fahrlässige Tötung dann strafbar, wenn mit mangelnder Umsicht und Sorgfalt gehandelt wurde, und ohne Vorsatz.22 Auch wenn eine Beurteilung aus der Ferne schwierig ist, kann aus den Zeitungsartikeln entnommen werden, dass Li Yan mit höchster Wahrscheinlichkeit vorsätzlich handelte, also mit den Tatbestandsmerkmalen „Wissen“ und „Wollen“.23 Aus diesem Grund scheidet eine Verurteilung wegen Fahrlässiger Tötung gem. Artikel 233 chinesisches Strafgesetzbuch aus. So entschied auch das chinesische Volksgericht.
In Betracht kommt daher die vorsätzliche Tötung. Artikel 232 chinesisches Strafgesetzbuch besagt, dass wer vorsätzlich einen anderen Menschen tötet, wird zum Tode, zur lebenslangen Haftstrafe oder zu einer Gefängnisstrafe von mindestens zehn Jahren verurteilt. Wenn mildere Umstände vorliegen, kann die Haftstrafe mindestens drei und höchstens zehn Jahre betragen. Die Verurteilte Li Yan hat ihren Ehemann vorsätzlich getötet. Das Gericht schloss mildere Umstände aus, und nahm eine äußerst schwerwiegende Tat an. Daher wurde Li Yan zum Tode verurteilt. Es stellt sich jedoch die Frage, warum mildere Umstände ausgeschlossen wurden. Li Yan wurde mehrfach von ihrem Ehemann misshandelt. Als dieser sie wieder bedrohte, wehrte sich Li Yan und tötete ihn. Das anschließende Kochen des toten Körpers lässt gewiss die Tat grausamer erscheinen, jedoch muss die Tathandlung mit anderen Tötungen verglichen werden. So kann die Tat der Li Yan nicht mit einer Tötung aus Habgier oder niederen Beweggründen gleichgesetzt werden. Die Todesstrafe erscheint also nicht verhältnismäßig.
Um das Urteil der chinesischen Gerichte nachvollziehen zu können, soll im Folgenden untersucht werden, warum möglicherweise keine Notwehr oder Notstand in Betracht kam.
2.1.2 Notwehrproblematik
Obwohl die Todesstrafe eine mögliche Bestrafung ist, lässt das chinesische Strafrecht auch einen milderen Strafrahmen zu. Vor allem muss hierbei untersucht werden, ob nicht ein Fall der Notwehr oder Notstand in Betracht kommt. In diesem Fall könnte Li Yans Straftat gerechtfertigt sein und möglicherweise könnte sie auch schuldfrei gehandelt haben.
Schon im Tang-Kodex wurden Notwehrregelungen und notwehrähnliche Elemente aufgenommen.24 So war dann Notwehr gegeben, wenn auf eine zweifelsfrei strafbare und nicht zu rechtfertigende Handlung reagiert wurde, indem der Betroffene ebenfalls eine strafbare Handlung vollzieht, um sich zu schützen.25 In der traditionellen chinesischen Strafjustiz führte dies allerdings nicht zu einer Straffreiheit, sondern lediglich zu einer Milderung des Strafmaßes. Allerdings sah der Tang-Kodex vor, die Strafe nicht zu mildern, wenn bei der Verteidigung ein Mensch zu Tode kommt.26 Es bestand eine Ausweichpflicht, wenn die einzige Möglichkeit zur Abwehr die Tötung eines Menschenlebens ist.
Ebenfalls problematisch war die Notwehr bei familiärer Nothilfe. So galt die Notwehr nur für Söhne und Enkel in der Verteidigung ihrer Eltern und Großeltern. Andere Optionen wurden nicht aufgeführt. Somit war das Notwehrrecht im Tang-Kodex sehr eingeschränkt. Zwar war die Notwehr als normatives Rechtsprinzip in der traditionellen chinesischen Rechtsordnung erkennbar, jedoch nicht als ein allgemeines Notwehrrecht.27
Nach der Gründung der Volksrepublik China hat sich das Strafrecht in China stark verändert. So war die Notwehr im Strafgesetzbuch in der früheren Volksrepublik China nicht geregelt.28 Es ist jedoch anzunehmen, dass strafmildernde oder strafbefreiende Rechtfertigungsgründe und auch die Notwehr Teil der Strafrechtspraxis waren.29 Erst mit Maos Tod fand eine komplette Überarbeitung des Strafgesetzbuches statt. Dabei wurde nun die Notwehr ins Gesetz aufgenommen und ist im Artikel 20 des chinesischen Strafgesetzbuches geregelt. Mit dem Notstand wurde zusätzlich ein zweiter Erlaubnistatbestand im Artikel 21 geschaffen.
Ein zentrales Merkmal der Notwehr ist das Vorliegen eines gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs. Jedoch gibt es keine eindeutigen Abgrenzungen, wann eine Notwehrhandlung gerechtfertigt ist. Das Notwehrrecht ist lediglich auf ein bestimmtes Maß der Verteidigung beschränkt. Dies ist dann der Fall, wenn die Notwehrhandlung offenkundig überschritten wurde.30 Etwas anderes gilt, wenn der Angriff eine besonders schwerwiegende Gefährdung darstellt.31
Damit auch die Notwehrhandlung gerechtfertigt ist muss zunächst eine Notwehrlage vorliegen. Der Angriff muss rechtswidrig und gegenwärtig sein. Ein Angriff bezeichnet eine Handlung, die in den geschützten Raum eines Rechtsinteresses eindringt und einen Schaden verursacht.32 Rechtswidrig ist der Angriff dann, wenn die Rechtsordnung missbilligt wurde.33 Problematisch ist, dass dem Gesetz nicht entnommen werden kann, welche Art von Missbilligung gemeint ist. Es könnte angenommen werden, dass die Handlung unrechtmäßig und unmoralisch sein müsste.34 Zudem muss die Notwehrhandlung stets gegenwärtig sein. Gegenwärtigkeit liegt dann vor, wenn die Tat „gerade in Gange“ ist (正在进行 zhèng zài jìnxíng ).
Ein zusätzliches Kriterium ist die Objektivität. Die Notwehrlage muss objektiv vorliegen, d.h. dass die Notwehrlage nicht aus der Warte des Angegriffenen festgestellt wird, sondern die Perspektive eines objektiven Beobachters heranzuziehen ist, um eine Notwehrlage zu bestimmen.35
Die Notwehrhandlung darf die gebotenen Grenzen nicht überschreiten. Ein subjektives Rechtfertigungselement in Form des Verteidigungswillen muss vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn eine zielgerichtete Verteidigungshandlung erkennbar ist und die Verteidigung Hauptmotiv des Täters ist.36 Fraglich ist, wie solche Grenzen aussehen und ob nicht gegebenenfalls eine Notwehrprovokation vorliegt.
Problematisch ist die Beurteilung der Notwehr innerhalb von Familien. Der Rechtswissenschaftler Chen Xinglang vertritt jedoch die Meinung, dass Fälle, in denen ein eigenes Familienmitglied durch die ausgeübte Notwehr zu Tode kommt nicht anders zu behandeln sei, als reguläre Notwehrfälle.37
Es stellt sich nun die Frage, ob Li Yan aus Notwehr heraus handelte. Zunächst muss geprüft werden, ob ein Angriff vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn Li Yans Ehemann in den geschützten Raum eines Rechtsinteresses eingedrungen ist und diesen geschädigt hätte. Als geschütztes Rechtsinteresse kommt das Recht auf körperliche Unversehrtheit in Betracht. Der Angriff muss dabei nicht zwangsläufig eine Gewalttat, im Sinne eines Schlags etc. sein, eine ernsthafte Drohung reicht dabei aus. Hierbei ist es irrelevant, ob die Drohung tatsächlich ernst gemeint war. Sowohl für Li Yan als auch für Außenstehende ist eine Ernsthaftigkeit in der Drohung erkennbar. Somit ist ein Angriff in Form einer Drohung gegeben. Weiterhin muss der Angriff rechtswidrig sein. Rechtswidrig ist die Tat dann, wenn der Angegriffene die Tathandlung nicht zu dulden braucht. Li Yan muss die Drohung des Ehemannes nicht dulden. Eine ernstzunehmende Drohung ist stets rechtswidrig. Zudem müsste der Angriff gegenwärtig sein. Gegenwärtig ist der Angriff, wenn die Tat „gerade in Gange“ ist. Dies bedeutet, dass die Tat unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert. In diesem Fall findet der Angriff gerade statt. Somit ist der Angriff auch gegenwärtig. Nach deutschem Recht müsste die Notwehrhandlung der Li Yan geeignet, erforderlich und geboten sein. Die Notwehrhandlung ist dann geeignet, wenn der Angriff abgewehrt werden konnte oder die drohende Rechtsgutsverletzung verringert wurde.38 Die Drohung an sich konnte nicht abgewendet werden, aber eine Verletzung Li Yans Unversehrtheit konnte verhindert werden. Die Handlung war geeignet. Fraglich ist jedoch, ob die Notwehrhandlung auch erforderlich war. Hierfür müsste die Abwehr das mildeste der zur Abwehr des Angriffs gleichermaßen geeigneten Mittel darstellen.39 Grundsätzlich darf der Angreifer aber das Mittel anwenden, welches den Angriff mit Sicherheit beendet. Li Yan erschlug ihren Ehemann. Diese Notwehrhandlung ist mit Sicherheit effektiv, jedoch nicht zwangsläufig das mildeste Mittel. Aus den Berichten geht nicht hervor, ob Li Yan andere Möglichkeiten der Verteidigung hatte, jedoch hätte ein bewusstlos schlagen ebenfalls ausgereicht, um das Ziel der Verteidigung zu erreichen. Daher ist die Notwehrhandlung nicht erforderlich und führt zu seinem Missverhältnis zum drohenden Schaden.40 Notwehr gem. Art. 20 chinesisches Strafgesetzbuch kommt daher nicht in Betracht.
Neben des Notwehr-Paragrafen ist ebenso der Notstand zu betrachten. Eine Notstandslage wird dann angenommen, wenn eine gegenwärtige Gefahr besteht.41 Diese Gefahr muss dabei nicht rechtswidrig sein, so zumindest der Wortlaut des Artikel 21 chinesisches Strafgesetzbuch. Die Notstandshandlung muss dabei den Zweck der Gefahrenabwehr verfolgen. Das bedeutet, dass die Gefahrenabwehr die einzige Möglichkeit war. Die rechtliche Folge des Notstandes ist, dass der Täter keine rechtliche Verantwortung zu tragen hat; sofern Notstandexzess in Betracht kommt, erfolgt eine mildere Bestrafung.42
Es ist nun zu prüfen, ob der Notstand in Betracht kommt. Hierfür müsste eine gegenwärtige Gefahr bevorstehen. Gegenwärtig ist eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.43 Der Ehemann drohte Li Yan sie mit einem Gewehr zu erschießen. Ein schädigendes Ereignis, und zwar die Schädigung Li Yans körperlicher Unversehrtheit, steht unmittelbar bevor. Ob es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder nicht, kann unberücksichtigt bleiben. Somit liegt der Tatbestand des Notstandes vor. Es ist lediglich zu prüfen, ob ein Notstandsexzess vorliegt. Ein Exzess ist dann anzunehmen, wenn es eine andere Möglichkeit gab, die genauso geeignet war, um die gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Mit Sicherheit hätte Li Yan ihren Ehemann beiseitestoßen und fliehen können. Li Yan hätte auch ihren Ehemann „nur“ verletzen oder bewusstlos schlagen können, anstatt gleich zu töten. Die Frage, die hier jedoch bestehen bleibt, ist, inwieweit Li Yan diese Handlungen vor der bevorstehenden Gefahr geschützt hätte. Daher sollte auch als Abwendungsmöglichkeit die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe in Betracht kommen. Li Yan versuchte mehrfach Hilfe in Anspruch zu nehmen, doch sie wurde von allen Einrichtungen abgewiesen. Es ist an dieser Stelle schwierig ein Urteil zu fällen, da die Medienberichte ungenau sind. Sollte Li Yans Hilfesuche tatsächlich vergebens gewesen sein, so stünde ihr ein Freispruch zu. Sofern jedoch ein Notstandexzess angenommen wird, gelten zumindest mildere Umstände und der Strafrahmen ließe in diesem Fall nicht die Todesstrafe zu.44
Im Folgenden soll ein Vergleich zum deutschen Recht geschaffen werden. Dabei soll der Haustyrannen-Fall untersucht und beurteilt werden.
2.2 Haustyrannen-Fall: Ein Vergleich zum Deutschen Strafrecht
In der deutschen Rechtsprechung gibt es zu dem Fall der Li Yan ein Pendant, und zwar den Haustyrannen-Fall. Die Verurteilte E erschoss 2001 ihren schlafenden Ehemann F. F war der E gegenüber sehr gewalttätig, so dass die E keinen anderen Ausweg sah, als ihren Ehemann zu töten. U.a. trat F häufig auf die am Boden liegende E mit Springerstiefeln ein und erlitt dadurch eine Nierenquetschung. Ebenfalls stieß F den Kopf der E mehrfach gegen eine Zimmerwand, bis zur Bewusstlosigkeit. Die E suchte ein Frauenhaus auf, kehrte jedoch nach wenigen Wochen zu ihrem Ehemann zurück, da dieser versprach sich zu bessern. Daraufhin bedrohte er die E, sollte sie sich jemals von ihm trennen oder ihn anzeigen, dass er seine Freunde aus dem Gefängnis heraus beauftragen würde, ihr etwas anzutun. E nahm diese Drohung ernst. Als sie beim Aufräumen auf einen von F illegalen achtschüssigen Revolver „Double Action“ der Marke Aminius, Kaliber 22 Magnum, nebst Munition, stieß, entschied sich E nach einiger Bedenkzeit, dass es die einzige Lösung sei, ihren Ehemann zu erschießen. Sie betrat das Schlafzimmer, in dem F gerade schlief, und feuerte aus einer Entfernung von ca. 60 cm den Inhalt der gesamten Trommel des achtschüssigen Revolvers in Sekundenschnelle auf ihren Ehemann ab. Zwei Geschosse trafen und führten umgehend zu seinem Tod.45 Das Landesgericht hat E wegen des heimtückisch begangenen Mordes an ihrem Ehemann für schuldig gesprochen, jedoch wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände eine neunjährige Freiheitsstrafe verhängt.46
Das Urteil des Landesgerichts soll im weiteren Verlauf untersucht werden. Hierfür wird vor allem Notwehr und Notstand geprüft.
Zunächst kann unproblematisch der heimtückische Mord angenommen werden. Wer heimtückisch handelt, nutzt die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung aus.47 Der Ehemann F hatte seine Arglosigkeit „mit in den Schlaf genommen“.48 Dies nutzte die E aus, um F zu erschießen. Es ist jedoch fraglich, ob die Handlung rechtswidrig war. Zunächst kommt die Notwehr gem. § 32 I, II StGB in Betracht. Hierbei ist eine Notwehrlage erforderlich. Es müsste ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff vorliegen, der geschützte Interessen oder Rechtsgüter beeinträchtigen. Unter einem Angriff wird jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlicher geschützter Güter oder Interessen verstanden.49 Wie schon im Fall der Li Yan, ist auch hier das geschützte Gut die körperliche Unversehrtheit der E. Ein Angriff kann daher bejaht werden. Doch hier ist die Gegenwärtigkeit problematisch, da der Angriff nicht unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert.50 Im vorliegenden Fall legte sich der Ehemann schlafen. Zu diesem Zeitpunkt ging keine Gefahr von ihm aus. Ein gegenwärtiger Angriff liegt demnach nicht vor, und die Notwehr scheidet aus.
Doch es könnte ein rechtfertigender Notstand gem. § 34 StGB in Betracht kommen. Die Annahme eines rechtfertigenden Notstands setzt eine Interessenabwägung voraus.51 Dabei muss das geschützte Interesse, das beeinträchtigte wesentlich überwiegen. In diesem Fall ist jedoch sowohl das geschützte Interesse als auch das beeinträchtigte Interesse das Leben, dass das höchste Rechtsgut ist. Eine Abwägung von „Leben gegen Leben“ ist nicht gerechtfertigt.52 Der rechtfertigende Notstand scheidet aus.
Es kann jedoch der entschuldigende Notstand geprüft werden, § 35 I, II StGB. Liegt der Umstand des entschuldigenden Notstands oder ein unvermeidbarer Irrtum vor käme ein Freispruch in Betracht. Eine gegenwärtige Gefahr liegt vor, da hier von einer „Dauergefahr“ gesprochen werden kann.53 Auch ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Gefahr hoch. Der Ehemann F hätte jederzeit wieder die E misshandeln können. Zur Vermeidung eines weiteren Schadens war daher sofortiges Handeln geboten. Fraglich ist nun, ob die Tat anders als durch die Notstandstat abwendbar war oder ob die Tathandlung das einzig geeignete Mittel gewesen ist. Als Abwendungsmöglichkeiten kommen hier die Inanspruchnahme behördlicher Hilfen oder der Hilfe karitativer Einrichtungen in Betracht.54 Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass E sich in ein Frauenhaus begeben hatte, jedoch verließ sie das Frauenhaus und ging auch nicht zur Polizei. Sofern diese Mittel nicht ausgeschöpft wurden, ist die Gefahr eines „Haustyrannen“ anders abwendbar als durch eine Tötung.55 Es könnte jedoch sein, dass E bei der Begehung der Tat irrige Umstände angenommen hatte, gem. § 35 II StGB. Die E glaubte ihre Situation sei ausweglos und die einzige Lösung sei, ihren Ehemann zu töten. Sie glaubte, dass die behördliche Hilfe ihr nicht wirklich helfen könne. Dabei ist es wichtig zu prüfen, ob der Irrtum nach § 35 II StGB vermeidbar gewesen wäre. Nachdem E den Revolver gefunden hatte, wog sie ihre Situation ab und dachte über ihren Entschluss, ihren Ehemann zu töten, nach. Erst nachdem sie zu dem Ergebnis kam, es gebe keine andere Möglichkeit erschoss sie ihren Ehemann F. Hier ist es ebenfalls fraglich, wie der Fall beurteilt werden kann. Wird der Irrtum verneint wird die Strafe nach §§ 35 II 2, 49 I Nr. 1 StGB zumindest gemildert. E könnte jedoch auch einen Freispruch erhalten, wenn der Irrtum bejaht wird. Dafür spricht zumindest, dass die Angst der E nicht unbegründet war, denn nur zwei der acht Schüsse trafen F, obwohl sie aus kürzester Entfernung schoss.56 Dies spräche für einen Freispruch der Angeklagten.
Beide Fälle haben gewisse Gemeinsamkeiten. So leben beide Verurteilten in einer gewaltverherrlichenden Beziehung und waren Opfer von häuslicher Gewalt. Die Betroffenen reagieren auf, die von ihren Ehemännern ausgeführten, Gewalttaten und töten diese.
Auffällig ist hierbei, dass es sich bei dem Haustyrannen-Fall um Mord handelt und damit schwerwiegender ist als „nur“ Totschlag. Im Fall der Li Yan triff lediglich Totschlag zu, und wird nach dem chinesischen Strafrecht wesentlich härter bestraft als nach dem deutschen Strafrecht. Während die E im Haustyrannen-Fall maximal neun Jahre Haft droht, wurde Li Yan zunächst zum Tode verurteilt. Erst nachdem vermehrt Anwälte die Herabsetzung des Strafmaßes forderten und im Rahmen einer Petition 80.000 Unterschriften gesammelt wurden, hieß das neue Urteil für Li Yan „Todesstrafe auf Bewährung“.57 Es sollte auch berücksichtigt werden, dass sich Li Yan im Anschluss der Polizei stellte. Dies kann ebenfalls ein Milderungsgrund sein.
3. Gesetz über Häusliche Gewalt in China
Der Fall der Li Yan veranlasste China ein „lange überfälliges“ Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt zu beschließen.58 Das neue Gesetz mit insgesamt 38 Paragrafen trat am 1. März 2017 in Kraft.
Die Anerkennung häuslicher Gewalt als Straftatbestand war keineswegs leicht, dabei besagt die Statistik, dass es zu häuslicher Gewalt in mehr als 30 Prozent von den insgesamt 270 Millionen chinesischen Familien kommt.59 In den meisten Fällen geht die Gewalt von Männern aus und führt jährlich zu fast 100.000 Scheidungen.
Nach dem neuen Gesetz wurden gerichtliche Schutzzonen für Opfer geklärt, in die Täter nicht eindringen dürfen. Damit ist Gewalt in der Familie nun offiziell ein Verbrechen. Der Straftatbestand ist erfüllt, wenn einem Opfer körperliches, seelisches oder auch wirtschaftliches Leid zugefügt wird.60 Erfasst wurden nicht nur verheiratete Paare, sondern auch „Ehen ohne Trauschein“.61
Obwohl im selben Zeitraum viele NGOs und Frauenberatungszentren von der Regierung geschlossen wurden, ist das Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt dennoch ein Fortschritt.
4. Schlusswort
In der vorliegenden Arbeit wird deutlich, dass zwei strafrechtliche Fälle sehr unterschiedlich vom Gericht entschieden werden, obwohl sich beide Fälle sehr ähneln. Während Li Yan das Delikt des Totschlags verwirklichte, ermordete E ihren Ehemann. Das Urteil der E lautete neun Jahre Haft, das vom Gericht noch einmal überprüft wurde. Währenddessen erhielt Li Yan erst die Todesstrafe, die im Nachhinein in eine lebenslange Haft geändert wurde.
Ziel dieser Arbeit war es einen Eindruck über das chinesische Strafrecht zu verschaffen. Schwierig war vor allem die Auslegung der chinesischen Gesetze. Dies lag nicht nur an mangelnder Sprachkenntnis, sondern auch am spezifischen Hintergrundwissen im chinesischen Strafrecht. So wäre eine Kommentierung zu den entsprechenden Paragrafen hilfreich gewesen. Dennoch ist ein grober Überblick gelungen, auch wenn die Auslegung der Rechtsnormen oftmals anhand der deutschen Rechtswissenschaft erfolgte.
Aufgrund der erworbenen Erkenntnis wäre es dem Gericht möglich gewesen in beiden Fällen anders zu entscheiden. Sofern ein Notstandsexzess angenommen wird, gelten im Fall der Li Yan mildere Umstände. Die könnten von einer lebenslangen Haft reichen, bis hin nur wenige Jahre im Gefängnis. Jedoch sollte die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe berücksichtigt werden. In diesem Fall ist der Staat nicht seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen und Li Yan stünde ein Freispruch zu. Ähnliches gilt auch für die E. Die E erhielt neun Jahre Haft. Jedoch wurde vom Gericht nicht der entschuldigende Notstand geprüft. Obwohl E keine behördliche Hilfe in Anspruch genommen hatte, liegt dennoch ein Irrtum nach § 35 II StGB vor, der nicht vermeidbar war. Dies würde im Urteil ebenfalls zu einem Freispruch führen.
Abschließend ist zu sagen, dass die Straftaten der Verurteilten lediglich eine Reaktion auf vorangegangene Gewalttaten ihrer Ehemänner sind. Es zeigt vor allem auf, dass der Staat nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, um den eigentlichen Opfern zu helfen. Dies ist vor allem deutlich am Fall der Li Yan zu erkennen.
Literaturverzeichnis
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Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen. C. H. Beck, 2017.
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Joecks, Wolfgang/ Miebach, Klaus: Münchener Kommentar zum StGB – Band 1. C. H. Beck, 2017.
Joecks, Wolfgang/ Miebach, Klaus: Münchener Kommentar zum StGB – Band 4. C. H. Beck, 2012.
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Sprick, Daniel: Die Grenzen der Notwehr im Strafrecht der Volksrepublik China. Nomos, 2016.
Wessels, Johannes/ Beulke, Werner/ Satzger, Helmus: Strafrecht Allgemeiner Teil. C. F. Müller, 2016.
[...]
1 Die Volksrepublik China wurde am 01. Oktober 1949 gegründet.
2 Vgl. Hilgendorf (2010), S. 116.
3 Mao Zedong (1893 – 1976) war als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas, als Vorsitzender der Zentralen Volksregierung, sowie als Staatspräsident der Volksrepublik China der führende Politiker der Volksrepublik im 20. Jahrhundert.
4 Vgl. Hilgendorf (2010), S. 116.
5 Ein Analogieverbot besteht insb. im Strafrecht. Danach ist es einem Richter verboten, eine nicht strafbare Handlung zu verurteilen, auch wenn er diese als strafwürdig ansieht oder diese einer anderen Strafnorm ähnelt, jedoch nicht ganz mit dieser übereinstimmt. Dieses Verbot gilt auch für Gesetzeslücken.
6 BT des chinesischen StGB: Art. 102 – 452.
7 Vgl. Art. 232 – 262 chinesisches StGB.
8 Vgl. Hilgendorf (2010), S. 118.
9 Die Zusammenfassung erfolgte anhand The Telegraph (2015) und Spiegel Online (2013).
10 Vgl. Lu/ Miethe (2007), S. 24.
11 Zu den „Fünf Bestrafungen“ gehörten 墨 (dem Täter wurde das Gesicht tätowiert), 劓 (dem Täter wurde die Nase abgeschnitten, ohne Anästhesie), 刖 (der linke oder rechte Fuß wurde amputiert), 宫 (männlichen Tätern wurde das Geschlechtsorgan entfernt) und 大辟 (Todesstrafe, z.B. durch Vierteilung des Körpers).
12 Vgl. Amnesty International (2015), S. 2.
13 Vgl. Lu/ Miethe (2007), S. 89.
14 Vgl. Lu/ Miethe (2007), S. 89, 90.
15 Vgl. Art. 49 chinesisches StGB.
16 Vgl. Lu/ Miethe (2007), S. 114, 115.
17 Vgl. Art. 48 I chinesisches StGB.
18 Vgl. Art. 48 I chinesisches StGB.
19 Vgl. Art. 48 II chinesisches StGB.
20 Vgl. Art. 50 chinesisches StGB.
21 Wie schon oben erwähnt wurde wird die Todesstrafe auch für andere Delikte verhängt, jedoch soll hier der Fokus auf Tötungsdelikte liegen.
22 Vgl. MüKo StGB/ Hardtung (2012), § 222, Rn 2.
23 Vgl. MüKo StGB/ Joecks (2017), § 16 Rn 13.
24 Tang-Kodex ist das älteste, vollständig überlieferte Gesetzbuch der chinesischen Rechtsgeschichte.
25 Vgl. Sprick (2016), S. 52.
26 Vgl. Sprick (2016), S. 74.
27 Vgl. Sprick (2016), S. 88.
28 Als die frühere Volksrepublik China wird die Zeit von der Gründung der VRC (1949) bis Ende der Kulturrevolution (1976) erfasst.
29 Vgl. Sprick (2016), S. 183.
30 Vgl. Art. 20 II chinesisches StGB.
31 Vgl. Art. 20 III chinesisches StGB.
32 Vgl. Sprick (2016), S. 299.
33 Vgl. Sprick (2016), S. 303.
34 Vgl. Sprick (2016), S. 303.
35 Vgl. Sprick (2016), S. 310.
36 Vgl. Art. 20 II chinesisches StGB.
37 Vgl. Sprick (206), S. 320, 321.
38 Vgl. Wessels/Beulke/Satzger AT (2016), Rn. 335.
39 Vgl. MüKo StGB/ Erb (2017), §32 Rn 36.
40 Vgl. Wessels/Beulke/Satzger AT (2016), Rn. 343.
41 Vgl. Sprick (2016), S. 276.
42 Vgl. Sprick (2016), S. 276.
43 Vgl. MüKo StGB/ Erb (2017), § 34 Rn 60.
44 Vgl. Art. 21 II chinesisches StGB.
45 Die Zusammenfassung erfolgte anhand des BGH – Urteils vom 25.03.2003 (1 StR 483/02), NJW 2003, 2464 ff.
46 Vgl. BGH – Urteil vom 25.03.2003 (1 StR 483/02), NJW 2003, 2464.
47 Vgl. MüKo StGB/ Schneider (2012), § 211 Rn 174.
48 Vgl. MüKo StGB/ Schneider (2012), § 211 Rn 186.
49 Vgl. MüKo StGB/ Erb (2017), §32 Rn 35.
50 Vgl. MüKo StGB/ Erb (2017), §32 Rn 36.
51 Vgl. Fischer (2017), § 34 Rn. 12.
52 Vgl. Fischer (2017), § 34 Rn 14.
53 Vgl. BGH – Urteil vom 25.03.2003 (1 StR 483/02), NJW 2003, 2466. Dauergefahr liegt vor, wenn ein länger andauernder gefahrdrohender Zustand jederzeit in einen Schaden umschlagen kann.
54 Vgl. BGH – Urteil vom 25.03.2003 (1 StR 483/02), NJW 2003, 2467.
55 Vgl. BGH – Urteil vom 25.03.2003 (1 StR 483/02), NJW 2003, 2467.
56 Vgl. BGH – Urteil vom 25.03.2003 (1 StR 483/02), NJW 2003, 2448.
57 Vgl. Langer (2013).
58 Vgl. Erling (2016).
59 Erling (2016).
60 Vgl. Erling (2016).
61 Vgl. Erling (2016).
- Arbeit zitieren
- Joan Villwock (Autor:in), 2017, Der Fall der Li Yan. Ein Rechtsvergleich zum Haustyrannen-Fall, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1243005