Die GmbH gehört zu den häufigsten Gesellschaftsformen in Deutschland. Mit Inkrafttreten des MoMiG wurde die Gesellschafterliste zu einem der wichtigsten Dokumente im GmbH-Recht. Zu verdanken hat sie dies insbesondere der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 GmbHG) und der Rechtsscheinwirkung (§ 16 Abs. 3 GmbHG). Hinzu trat nach Umsetzung der vierten EU-Geldwäscherichtlinie die Mitteilungsfiktion zum neu geschaffenen Transparenzregister. Diese drei Funktionen, die der GmbH-Gesellschafterliste besondere Bedeutung zukommen lassen, werden in einem ersten Teil der Arbeit repetiert. Im Schwerpunkt beleuchtet diese Arbeit sodann aktuelle Herausforderungen der Rechtsprechung und GmbH-Praxis mit besonderem Fokus auf die zwangsweise Einziehung von Gesellschaftsanteilen.
Gliederung
A. Einleitung
B. Die Bedeutung der GmbH Gesellschafterliste
I. Legitimationswirkung, 16 Abs. 1 GmbHG
II. Rechtsscheinwirkung, § 16 Abs. 3 GmbHG
III. Mitteilungsfiktion, § 20 Abs. 2 GwG
C. Aktuelle Anwendungsprobleme in der Praxis
I. Interessen der Gesellschaft
1. Probleme bei der vorsorglichen Mehrfacheinziehung
2. Möglichkeit der vorsorglichen Mehrfacheinziehung
II. Interessen des betroffenen Gesellschafters
1. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage
a) Aktivlegitimation eines aus der Gesellschafterliste gestrichenen Gesellschafters
b) Beginn der Anfechtungsfrist bei fehlender Satzungsregelung und Nichtteilnahme des Betroffenen an der Gesellschafterversammlung
c) Notwendigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes
2. Einstweiliger Rechtsschutz
a) Rechtsschutz im Vorfeld der Gesellschafterversammlung
b) Rechtsschutz vor Listeneinreichung
aa) Verfügungsanspruch
bb) Verfügungsgrund
(1) Anforderungen an die Glaubhaftmachung nach dem OLG München
(2) Bewertung der Ausführungen des OLG München
cc) Minderinvasive Alternativen
dd) Folgenorientierte Gesamtabwägung
c) Rechtsschutz nach Listeneinreichung
D. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
Die GmbH gehört zu den häufigsten Gesellschaftsformen in Deutschland.12 Mit Inkrafttreten des MoMiG3 wurde die Gesellschafterliste zu einem der wichtigsten Dokumente im GmbH-Recht.4 Zu verdanken hat sie dies insbesondere der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 GmbHG) und der Rechtsscheinwirkung (§ 16 Abs. 3 GmbHG). Hinzu trat nach Umsetzung der vierten EU-Geldwäscherichtlinie die Mitteilungsfiktion zum neu geschaffenen Transparenzregister.5 Daraufhin sah sich die Rechtsprechung mit neuen Fragen konfrontiert. Aktuell haben die Gerichte vermehrt Fragen im Zusammenhang mit der zwangsweisen Einziehung von Geschäftsanteilen (§ 34 GmbHG) zu beantworten, und das, obwohl diese Norm seit über 125 Jahren unverändert6 besteht. Die jüngste Judikatur bietet daher Anlass, zunächst allgemein die Bedeutung der Gesellschafterliste herauszustellen, um im Anschluss Anwendungsprobleme bei der zwangsweisen Anteilseinziehung zu diskutieren.
B. Die Bedeutung der GmbH Gesellschafterliste
Sinn und Zweck der Gesellschafterliste ist die Schaffung von Rechtssicherheit7 durch transparente Anteilsstrukturen,8 um einerseits klare Verhältnisse zu schaffen und andererseits Geldwäsche zu bekämpfen9. Daraus ergeben sich die folgenden drei Rechtswirkungen:
I. Legitimationswirkung, 16 Abs. 1 GmbHG
Die dem Aktienregister nachempfundene10 formelle Legitimationswirkung regelt das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft. Sie begründet die unwiderlegliche Vermutung,11 dass nur der in der Gesellschafterliste als Gesellschafter Eingetragene von der Gesellschaft als Gesellschafter behandelt werden muss (positive Legitimationswirkung), wohingegen der Nichteingetragene nicht als Gesellschafter zu behandeln ist (negative Legitimationswirkung).12 Letzteres gilt selbst dann, wenn ihm die Geschäftsanteile materiell rechtlich zustehen und die Gesellschaft davon Kenntnis hat.13 So hat nur der eingetragene Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft Pflichten14 und Rechte, insbesondere das Recht auf Ladung, Teilnahme und Abstimmung zur Gesellschafterversammlung.15 Werden diese Rechte wesentlich verletzt, sind sämtliche Beschlüsse analog § 241 Nr. 1 AktG nichtig.16
Angesichts des großen Missbrauchspotentials gilt die Legitimationswirkung nicht ausnahmslos. So entfällt die Legitimationswirkung bei Nichteinhaltung gesetzlicher Mindestanforderungen, beispielsweise bei Listeneinreichung durch eine unzuständige Person.17 Zudem muss die Einreichung der Gesellschafterliste dem Berechtigten zurechenbar sein, Vgl. § 40 Abs. 1 S. 2 GmbHG.18 Damit entfällt die Legitimationswirkung etwa durch eine erzwungene Mittelung oder durch Einreichung einer gefälschten Liste,19 sofern dieser Mangel durch Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte nicht geheilt wird.20 Schließlich gilt der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).21 Diese Ausnahme ist etwa einschlägig, wenn eine veränderte Gesellschafterliste entgegen gerichtlicher Anordnung eingereicht wurde.22
II. Rechtsscheinwirkung, § 16 Abs. 3 GmbHG
Wie die Rechtsscheinwirkung des Grundbuchs schützt auch die GmbH-Gesellschafterliste das Vertrauen gutgläubiger Dritter.23 Liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GmbHG vor, wird der Erwerber vollwertiger Gesellschafter nach § 16 Abs. 1 GmbHG.24
Jedoch ist der Rechtsschein der Gesellschafterliste nicht deckungsgleich mit dem des Grundbuchs. Erstens wird die Gesellschafterliste nicht Inhalt des Handelsregisters, sodass das Registergericht kein materielles Prüfungsrecht besitzt.25 Zweitens enthält die Gesellschafterliste keine Angaben über etwaige Belastungen.26 So ist der gutgläubige lastenfreie Erwerb mangels Eintragungsfähigkeit nicht möglich.27 Drittens setzt § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG voraus, dass die Liste entweder innerhalb der ersten drei Jahre ab Eintragung fehlerhaft und dies dem Eingetragenen zurechenbar ist oder der Fehler länger als drei Jahre besteht. Kommt es aber innerhalb der ersten drei Jahre materiell-rechtlich zu einer Änderung der Geschäftsanteile, ohne dass die Gesellschafterliste verändert wird, weist sie keine dreijährige Unrichtigkeit auf. Folglich ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen. Zudem wird der Erwerber die Zurechenbarkeit eines Fehlers nicht ohne Weiteres erkennen können.
III. Mitteilungsfiktion, § 20 Abs. 2 GwG
Seit 2017 sieht das Geldwäschegesetz ein Transparenzregister vor.28 Zu diesem müssen im Geldwäschegesetz näher bezeichnete Gesellschaften und Vereinigungen den wirtschaftlich Berechtigten (§ 3 Abs. 2 GwG) melden. Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht kann mit Bußgeld bis zu einer Million Euro geahndet werden, Vgl. § 56 Abs. 2, 3 GwG. Um dies zu vermeiden, nutzen GmbHs die Privilegierung des § 20 Abs. 2 GwG. Demnach gilt die Mitteilungspflicht als erfüllt, wenn sich die Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten aus Dokumenten ergeben, die elektronisch aus dem Handelsregister abrufbar sind. Diese Anforderungen erfüllen jedenfalls Gesellschafterlisten (§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 4), die seit dem 01.01.200729 beim Registergericht einzureichen sind. Für zuvor in Papierform eingereichte Gesellschafterlisten gilt die Fiktion des § 20 Abs. 2 GWG nicht.
Da § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG eine Einreichungspflicht erst nach Veränderung in der Person der Gesellschafter oder seiner Beteiligung postuliert, war bis zuletzt unklar, ob eine neue Gesellschafterliste auch ohne einen solchen Anlass eingereicht werden darf.30 Dazu hat das OLG Düsseldorf kürzlich entschieden, dass die Einreichung allein zum Zweck der Mitteilungsfiktion zulässig sei.31 Eine Vereinheitlichung der Gesellschafterlisten ist im Interesse transparenter Gesellschafterlisten begrüßenswert.32
Jedoch entfällt die Mitteilungsfiktion im Zuge der Aufwertung des Transparenzregisters vom Auffang- zum Vollregister33 durch das Transparenz- und Finanzinformationsgesetz Geldwäsche zum 01. August 2021.34
C. Aktuelle Anwendungsprobleme in der Praxis
Probleme mit der Gesellschafterliste entstehen, wenn weder die Satzung noch das subsidiäre Regelungssystem des GmbH-Gesetzes eine Frage eindeutig beantworten können. Die Konstellation der Zwangseinziehung ist aktuell besonders streitträchtig. Durch sie werden die Geschäftsanteile des Betroffenen und damit seine Mitgliedschaftsrechte vernichtet. Folglich stehen sich die Interessen des betroffenen Gesellschafters und die Interessen der übrigen Gesellschafter (weiter bezeichnet als Interesse der Gesellschaft) regelmäßig gegenüber. Im Folgenden werden die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten sowie deren Probleme aus der aktuellen Rechtsprechung beleuchtet.
I. Interessen der Gesellschaft
Die Gesellschaft will sich in der Regel zügig von dem Gesellschafter trennen. Dies kann sie insbesondere durch Einziehungsbeschluss auf der Gesellschafterversammlung tun, sofern dies in der Satzung vorgesehen ist, § 34 GmbHG. Ungeachtet der materiellen Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses35 wachsen die eingezogenen Geschäftsanteile den verbleibenden Gesellschaftern anteilig an.36 Folglich ist gem. § 40 Abs. 1 GmbHG eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen.
1. Probleme bei der vorsorglichen Mehrfacheinziehung
Bestehen Zweifel an der Wirksamkeit des ersten Einziehungsbeschlusses, kann die Gesellschaft verleitet sein, vorsorglich weitere (rechtsbeständigere) Beschlüsse zu fassen. Problematisch ist das, weil der Listengesellschafter zur Gesellschafterversammlung geladen werden muss; die Gesellschaft aber durch den ersten Einziehungsbeschluss eine Veränderung in der Beteiligung des Gesellschafters herbeiführt, die zum unverzüglichen Einreichen einer neuen Liste verpflichtet (§ 40 Abs. 1 GmbHG), welche den betroffenen Gesellschafter nicht mehr ausweist.
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1 Studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht von XX an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
2 Statistisches Bundesamt: Rechtliche Einheiten nach zusammengefassten Rechtsformen im Berichtsjahr 2019, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Unternehmensregister/Tabellen/unternehmen-rechtsformen-wz08.html (Stand: 7.12.2020).
3 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGB1. I 2008, S. 2026.
4 Vgl. Römermann, GmbHR 2015, 1214, 1216; Bayer, Lutter/Hommelhoff, § 40, Rn. 1; Heidinger, MüKo GmbHG, § 40, Rn. 7.
5 Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vom 23.06.2017, BGBl. I 2017, S. 1822.
6 Kleindiek, GmbHR 2017, 815, 815.
7 BGH, GmbHR 2019, 335; Bayer , in Lutter/Hommelhoff, § 16, Rn. 5.
8 RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140 vom 25.07.2007, S. 37.
9 RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 37; Seibt, Scholz, § 16 Rn. 4; Heidinger, MüKo GmbHG, 16 Rn. 13.
10 RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 37.
11 OLG Brandenburg, GmbHR 2020, 98 Rn. 33; BGH, GmbHR 2019, 335; Bayer, Lutter/Hommelhoff, § 16, Rn. 35; Heidinger, MüKo GmbHG, § 16, Rn. 14; Lieder / Becker, GmbHR 2019, 441, 441.
12 Vgl. RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 37.
13 OLG Frankfurt, GmbHR 2017, 868, 870; Vgl. Heckschen, NZG 2019, 1097, 1097.
14 Bayer, Lutter/Hommelhoff, § 40 Rn. 39.
15 Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, Rn. 332; D.Mayer, MittBayNot 2014, 24, 27.
16 BGHZ 36, 207, 211.
17 Bayer, in: Liber amicorum für M. Winter, 2011, S. 9, 30; Löbbe, GmbHR 2016, 141, 147.
18 Lieder/Becker, GmbHR 2019, 441, 443.
19 Bayer, Lutter Hommelhoff, § 16, Rn. 20.
20 Bayer, Lutter/Hommelhoff, § 16, Rn. 11.
21 BGH, ZIP 2019, 1521, Rn. 42; Lieder, ZGR 2016, 760, 775.
22 BGH, ZIP 2019, 1521, Rn. 42; OLG Frankfurt, Urt. v. 16. Juli 2019 – 5 U 84/18; Miller, ZIP 2020, 62.
23 RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 38.
24 Verse, Henssler/Strohn, § 16, Rn 91.
25 BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - II ZB 17/10, Rn. 10; KG, Beschluss vom 18.12.2019 – 22 W 91/18, Rn. 11; OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 823, 825; BGHZ 199, 270, 276; Ismail, ZJS 2020, 412, 418.
26 RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 39.
27 OLG München, ZIP 2011, 612, 614.
28 Vgl. BGBl. I 2017, 1822 ff.
29 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10. November 2006, BGBl. I 2006, S. 2555.
30 Miller, BWNotZ, 2020, 90, 91 f.
31 OLG Düsseldorf vom 15.05.2020 - I-3 Wx 70/19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2020 – I-3 Wx 28/19, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2020 – I-3 Wx 57/20;
32 Vgl. BT-Drucks. 18/11928, S. 29; Freier, notar 2018, 292; Miller, NJW 2018, 2518.
33 RegE MoMiG, BT-Drs. 19/28164, S. 2, 108.
34 RegE MoMiG, BT-Drs. 19/28164, S. 27.
35 Vgl. BGH v. 20.11.2018 – II ZR 12/17, Rn. 25; Lieder/Becker, GmbHR 2019, S. 505.
36 Kleindiek, Lutter/Hommelhoff, § 34, Rn. 3.