Ziel vorliegender Arbeit ist es, in drei Erzählungen der Dietrichepik, 'Rosengarten', 'Laurin' und 'Eckenlied', Formen der Gewaltregulierung zu beschreiben und zu untersuchen. Der Versuch, anhand der Texte eine veritable Ordnung der Gewalt zu beschreiben, basiert dabei auf einer Modellvorstellung. So lässt sich Gewalt im ritterlichen Kampf sowohl als Dominations- als auch als Güterverhandlung verstehen. Die Kräfte der Gegner richten sich im Sinne gegenseitiger Überbietungsansprüche einerseits auf sich selbst: In geradezu spiegelbildlicher Anordnung macht der eine, was der andere auch tut. Er schlägt zu und fängt dann den kommenden Schlag ab. Es lässt sich hier also von einer Oszillation der Schläge, aber auch von einer gewissen Reziprozität zwischen den Gewaltparteien sprechen. Diese Reziprozität ist jedoch nicht von unbegrenzter Dauer, denn grundsätzlich ist das Handeln der Kontrahenten auf ein systematisches ′Mehr′ im "Geben und Nehmen" gerichtet: Wer mehr Schläge ohne Schaden einstecken kann und gleichzeitig auch mehr Schläge austeilt, hat gute Chancen, seine Ansprüche letztlich durchzusetzen. Der Übergang von Reziprozität in Areziprozität steht also zu erwarten: Einer führt den letzten Schlag, der nicht beantwortet werden kann.
Dennoch geht es im Kampf, so wie er sich etwa im ritterlichen Turnier darstellt, auch immer um ein „begehrtes Drittes“, das sich wiederum nur durch die Dominanz über den Gegner erreichen lässt. Dieses Objekt der Begierde ist grundsätzlich ein knappes und unteilbares Gut, sei es eine schöne vrouwe, ein goldener Ring oder eine wunderbare Waffe. Im Handlungsmodus der Gewalt verhandeln die Kontrahenten ihre gleichzeitigen Verfügungsansprüche auf dieses Gut. Gewalt stellt sich somit doppelt dar: Sie ist sowohl eine Dominations- als auch eine Güterverhandlung.
Der Autor versucht, diese agonalen Beziehungen in den genannten Texten weiter zu untersuchen und näher zu beschreiben. Gleichzeitig macht er Angebote für eine Klassifikation agonaler Basiskonfigurationen. Anhand ausgesuchter Konflikt-Szenen dreier Erzählungen aus dem Korpus der Dietrichepik werden zudem Formen der Gewaltregulierung aufgezeigt und unter folgenden Gesichtspunkten analysiert: Unter welchen Voraussetzungen, in welchem institutionellen Kontext und vor allem durch wen gelingt im Einzelnen Gewaltregulierung? Die abschließenden Untersuchungen problematisieren die Frage nach einer eventuellen "Verdichtung" regulierender Mechanismen im narrativen Raum.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Inhalt und narrativer Aufbau der Erzählungen
- 'Rosengarten A'
- 'Laurin D'
- 'Eckenlied E2'
- Zu einer Ordnung der Gewalt – Theoretische Vorüberlegungen
- Ein Vorschlag für drei Basiskonfigurationen der Gewalt
- Wenn zwei sich streiten - Der intervenierende Tertius
- Versuch einer Schematisierung
- Textuntersuchungen
- 'Rosengarten A'
- Regulierung durch Beschränkung: Die Kämpfe vor Worms
- Regulierung durch "Zufall": Sabîns Botenfahrt nach Bern
- Regulierung durch Scheingewalt: Ilsâns Ausritt aus dem Kloster
- 'Laurin D'
- Das Scheitern der Kompensation: Gewalt in Laurîns Rosengarten
- Gewalt im dunklen Raum: Die Schlacht im Degenberc
- 'Eckenlied E2'
- Egge in Gripiar: Der Held zwischen Ausfahrt und Aussendung
- Worum kämpfen – warum kämpfen? Egge gegen Dietrich
- Gewalt um die Frau. Der Kampf zwischen Dietrich und Vasolt
- Zusammenfassung
- Inkohärenzen und Paradoxien: Die Rolle der Dame in der Gewalt
- Kriemhilt im 'Rosengarten A'
- Sîmhilte im 'Laurin D'
- Seburk und die Waldfrau im 'Eckenlied E₂'
- Rache versus Strafgewalt – Die Rationalisierung der Gewalt
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Formen der Gewaltregulierung in der Dietrichepik, anhand der Texte 'Rosengarten A', 'Laurin D' und 'Eckenlied E2'. Das Hauptziel ist die Analyse der verschiedenen Mechanismen, die zur Beendung gewaltsamer Konflikte beitragen. Dabei werden die Rollen der beteiligten Figuren und der institutionelle Kontext berücksichtigt.
- Gewaltdarstellung in der Dietrichepik
- Mechanismen der Gewaltregulierung
- Rolle des intervenierenden Tertius
- Verhandlungsaspekte von Gewalt
- Die Bedeutung von weiblichen Figuren im Kontext von Gewalt
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung präsentiert einen exemplarischen Konflikt aus dem Laurin, in dem der Eingriff Dritter einen gewaltsamen Konflikt zwischen Dietrich und Dietleip beendet. Dieser Eingriff wird als graduelle Gewaltregulierung interpretiert, die die Arbeit als Untersuchungsgegenstand einführt. Es wird die Frage nach der Klassifizierung agonaler Basiskonfigurationen und der Rolle des 'Objekts der Begierde' aufgeworfen, sowie die Analyse von Gewaltregulierung in ausgewählten Szenen aus 'Rosengarten A', 'Laurin D' und 'Eckenlied E2'.
Inhalt und narrativer Aufbau der Erzählungen: Dieses Kapitel bietet eine knappe Zusammenfassung des Inhalts und der narrativen Struktur der drei ausgewählten Texte ('Rosengarten A', 'Laurin D', 'Eckenlied E2') aus der Dietrichepik. Es liefert einen Überblick über die Handlungsstränge und die jeweiligen Protagonisten, um das Verständnis der folgenden Analysen zu erleichtern. Die Kapitel beschreiben die jeweiligen Erzählstrukturen und identifizieren wichtige Motive für die spätere Analyse der Gewaltdarstellung.
Zu einer Ordnung der Gewalt – Theoretische Vorüberlegungen: Dieses Kapitel entwickelt theoretische Überlegungen zur Ordnung von Gewalt. Es skizziert einen Vorschlag für drei Basiskonfigurationen von Gewalt, die Rolle eines intervenierenden Dritten bei Konflikten und eine mögliche Schematisierung der Gewaltdynamiken. Hier werden grundlegende Konzepte etabliert, die für die Analyse der konkreten Textstellen in den folgenden Kapiteln unerlässlich sind. Es wird eine theoretische Grundlage für die Interpretation der dargestellten Gewaltdynamiken gelegt, indem verschiedene Konzepte von Gewalt vorgestellt und miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Textuntersuchungen: Dieses Kapitel präsentiert detaillierte Analysen von ausgewählten Konfliktszenen in 'Rosengarten A', 'Laurin D' und 'Eckenlied E2'. Es untersucht die verschiedenen Formen der Gewaltregulierung in diesen Szenen und analysiert die Rollen der beteiligten Figuren. Jede Textstelle wird im Kontext der vorher entwickelten theoretischen Konzepte interpretiert und mit Beispielen belegt. Die Analyse konzentriert sich auf die Art und Weise, wie Gewalt dargestellt wird und wie sie innerhalb der Erzählungen reguliert oder eskaliert.
Zusammenfassung: Dieses Kapitel bietet eine zusammenfassende Betrachtung der Rolle der weiblichen Figuren in den drei untersuchten Texten im Kontext von Gewalt. Es untersucht die Inkonsistenzen und Paradoxien in ihrer Darstellung und analysiert den Unterschied zwischen Rache und Strafgewalt als Mechanismen der Gewalt-Rationalisierung. Es fasst die Ergebnisse der vorhergehenden Analysen zusammen und zieht Schlussfolgerungen aus den ermittelten Gewaltregulierungsmechanismen, und analysiert die jeweiligen Zusammenhänge und Hintergründe der unterschiedlichen Darstellung von Gewalt und Konfliktlösung.
Schlüsselwörter
Dietrichepik, Gewaltregulierung, Konfliktlösung, intervenierender Tertius, 'Rosengarten A', 'Laurin D', 'Eckenlied E2', aginale Konfigurationen, Rolle der Frau, Rache, Strafgewalt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Gewaltregulierung in der Dietrichepik
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Gewaltregulierung in drei Texten der Dietrichepik: "Rosengarten A", "Laurin D" und "Eckenlied E2". Sie untersucht die Mechanismen, die zur Beendigung gewaltsamer Konflikte beitragen, die Rollen der beteiligten Figuren und den institutionellen Kontext.
Welche Texte werden untersucht?
Die Analyse konzentriert sich auf drei ausgewählte Texte der Dietrichepik: "Rosengarten A", "Laurin D" und "Eckenlied E2". Diese Texte bieten vielfältige Beispiele für gewaltsame Konflikte und deren Auflösung.
Welche Aspekte der Gewaltdarstellung werden untersucht?
Die Arbeit untersucht verschiedene Aspekte der Gewaltdarstellung, darunter die Mechanismen der Gewaltregulierung, die Rolle eines intervenierenden Dritten (Tertius), Verhandlungsaspekte von Gewalt und die Bedeutung weiblicher Figuren im Kontext von Gewalt.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in Einleitung, Inhalts- und Erzählstrukturanalyse der drei Texte, theoretische Vorüberlegungen zur Ordnung von Gewalt, detaillierte Textanalysen der ausgewählten Szenen, eine Zusammenfassung mit Fokus auf die Rolle der Frau und Schlussbemerkungen. Ein Inhaltsverzeichnis und Schlüsselwörter erleichtern die Orientierung.
Welche theoretischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit entwickelt ein Modell von drei Basiskonfigurationen von Gewalt und analysiert die Rolle eines intervenierenden Dritten. Diese theoretischen Überlegungen bilden die Grundlage für die Interpretation der konkreten Textstellen.
Welche Rolle spielen weibliche Figuren in der Analyse?
Die Rolle der weiblichen Figuren (Kriemhilt, Sîmhilte, Seburk und die Waldfrau) wird im Kontext von Gewalt untersucht. Die Arbeit analysiert Inkonsistenzen und Paradoxien in ihrer Darstellung und deren Bedeutung für die Gewaltdynamik.
Wie werden die Konflikte in den Texten gelöst?
Die Arbeit analysiert verschiedene Formen der Gewaltregulierung, wie z.B. Beschränkung, Zufall, Scheingewalt, Kompensation und die Intervention Dritter. Sie untersucht, wie diese Mechanismen zur Beendigung gewaltsamer Konflikte beitragen.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit fasst die Ergebnisse der Analysen zusammen und zieht Schlussfolgerungen zu den Gewaltregulierungsmechanismen in den untersuchten Texten der Dietrichepik. Sie beleuchtet die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Formen der Konfliktlösung und den dargestellten Gewaltdynamiken.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Dietrichepik, Gewaltregulierung, Konfliktlösung, intervenierender Tertius, "Rosengarten A", "Laurin D", "Eckenlied E2", aginale Konfigurationen, Rolle der Frau, Rache, Strafgewalt.
- Quote paper
- Frank Roßmann (Author), 2002, Die Ordnung der Gewalt - Formen der Gewaltregulierung in der Dietrichepik: Laurin, Rosengarten, Eckenlied, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/12202