Die Wissenssoziologie legt zugrunde, dass die Wirklichkeit sozial konstruiert ist und beschäftigt sich damit, wie diese Wirklichkeit konstruiert wird (vgl. [Berger: 1997], S. 1). Die Literaturwissenschaft betrachtet diese sozial konstruierte Wirklichkeit als faktische Wirklichkeit und unterscheidet dazu die fiktionale Wirklichkeit. Die zuletzt genannte ist die Wirklichkeit, die in Texten als wirklich erscheint, obwohl sie Teil einer nichtwirklichen Welt ist. Sie hat aber prinzipiell keine feste Beziehung zur sozial konstruierten Wirklichkeit. Sowohl in der Wissenssoziologie als auch in der Literatur werden Wirklichkeiten konstruiert. Die Frage, wie diese Konstruktion jeweils erfolgt, ist Mittelpunkt der Literaturwissenschaft und der Wissenssoziologie.
Die Aussage, dass die fiktionale Wirklichkeit prinzipiell keine feste Beziehung zur sozial konstruierten faktischen Wirklichkeit hat, stelle ich hier in Frage. Ich behaupte, dass zumindest in der Science-Fiction-Literatur im engeren Sinne zwischen diesen beiden Wirklichkeiten sehr wohl ein Bezug besteht. Beide Wirklichkeiten werden nach denselben Prinzipien konstruiert, auch wenn von anderen Voraussetzungen ausgegangen wird. Die Konstruktion von Wirklichkeit und der Umgang mit Wissen folgen in der fiktiven Wirklichkeit der Science-Fiction-Romane und -Erzählungen den gleichen Regeln und werden von den gleichen Einflussfaktoren bestimmt wie in unserer faktischen Welt.
Speziell soll die „Foundation-Trilogie“ in dieser Arbeit untersucht werden. Eine Schlüsselrolle hat in ihr der Seldon-Plan inne, der direkt wissenssoziologische Ideen und Mechanismen beinhaltet. An ihm möchte ich nachweisen, dass wissenssoziologische Aspekte in Asimovs Werken und speziell im vom Seldon-Plan geprägten Foundation-Universum1 eine tragende Rolle spielen. Darüber hinaus möchte ich zeigen, dass die Wissenssoziologie auch über ihren Fachbereich hinaus von Belang ist und deren theoretische Grundlagen für die gesamte Science-Fiction-Literatur eine besondere Bedeutung haben. Es ist nicht möglich, innerhalb dieser Arbeit alle wissenssoziologischen Aspekte, die sich in Asimovs Werk finden lassen, zu untersuchen. Daher beschränke ich mich auf die Romane der Foundation-Trilogie und konzentriere mich dabei auf herausragende Abschnitte.
Sozusagen ein wissenssoziologischer Streifzug durch das Foundation Universum.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorangehendes
- Zum Inhalt der Arbeit
- Zu Asimov
- Die Foundation-Trilogie „Die Psychohistoriker“
- Zur Trilogie
- Zum Inhalt
- Die Asimovsche Psychohistorik
- Der „Seldon-Plan“
- Zum Verhältnis Science-Fiction - Soziologie
- Betrachtungen aus wissenssoziologischer Perspektive
- Die verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit
- Wissensträger im galaktischen Imperium
- Laien
- Experten
- Spezialisten
- Professionelle
- „Gläubige und Hochstapler“
- Die Verteilung des Wissens im galaktischen Imperium
- Explizites Wissen: Allgemeinwissen und Allerweltswissen
- Vertrautheitswissen
- Bekanntheitswissen
- Sonderwissen
- Geheimwissen
- Wissen, Nicht-Wissen und Zu-Viel-Wissen
- Der Seldon Plan und die Konstruktion der Wirklichkeit
- Wie wirklich ist der Seldon-Plan?
- Modellbildung von sozialen Handlungen als Voraussetzung für den Seldon-Plan
- Konstruktionen von Wirklichkeiten und die Perspektivität
- Menschen als Produkt der Umwelt
- Im Roman dargestellte Perspektiven
- Fazit
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Isaac Asimovs Foundation-Trilogie aus wissenssoziologischer Perspektive. Das Hauptziel ist der Nachweis, dass wissenssoziologische Aspekte im Foundation-Universum, insbesondere im Zusammenhang mit dem Seldon-Plan, eine zentrale Rolle spielen. Weiterhin soll gezeigt werden, dass die Wissenssoziologie über ihren Fachbereich hinaus Bedeutung hat und für die Science-Fiction-Literatur von besonderer Relevanz ist.
- Soziale Konstruktion von Wirklichkeit in Asimovs fiktivem Universum
- Der Seldon-Plan als Beispiel für wissenssoziologische Mechanismen
- Die Verteilung von Wissen und die verschiedenen Wissenstypen im galaktischen Imperium
- Der Einfluss von Wissen auf die Gestaltung der gesellschaftlichen Entwicklung
- Beziehung zwischen fiktionaler und faktischer Wirklichkeit in der Science-Fiction
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beschreibt den Ausgangspunkt der Arbeit und die Bedeutung von Nicht-Wissen für wissenschaftliches Arbeiten. Der Hauptteil beleuchtet die soziale Konstruktion von Wirklichkeit in der Wissenssoziologie und der Literaturwissenschaft, hinterfragt die Trennung zwischen fiktionaler und faktischer Wirklichkeit und stellt Asimov und seine Foundation-Trilogie als Untersuchungsgegenstand vor. Es folgt eine kurze Vorstellung Asimovs und seiner Foundation-Trilogie. Der Fokus liegt auf dem Niedergang des galaktischen Imperiums und der Rolle der Psychohistorik. Die Arbeit skizziert die zentralen Elemente des Seldon-Plans und dessen wissenssoziologische Implikationen.
Schlüsselwörter
Wissenssoziologie, Science-Fiction, Isaac Asimov, Foundation-Trilogie, Seldon-Plan, Soziale Konstruktion der Wirklichkeit, Wissensverteilung, Psychohistorik, Fiktionale Wirklichkeit, Faktische Wirklichkeit.
- Quote paper
- Peter Sperling (Author), 2007, Der Seldon-Plan, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/121907