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Praktikumsbericht / -arbeit, 2019
49 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Die Unterrichtsbeobachtung - Erstellen einer quantitativen Studie
2.1. Vorarbeiten und die erziehungswissenschaftliche Fragestellung
2.2. Das methodische Vorgehen
2.2.1. DieSequenzanalysenachWemet
2.3. Die regelgeleitete Auswertung der Beschreibungen (sequentiell)
2.4. Die theoriegestützte Auswertung der Befunde
2.4.1. Klassenmanagement - Theoretische Grundlagen
2.5. BezugzudenFallbeispielen
2.6.DiekritischeReflexionderverwendetentheoretischenAnsätze
2.7. Handlungsaltemativen im Hinblick auf eigenes zukünftiges Handeln
3. Der eigene Unterricht- Deutschstunde
3.1. Planung
3.1.1. Bedingungsanalyse
3.1.2. Sachanalyse
3.1.3. Didaktisch-methodischePlanung
3.1.4. Unterrichtsverlaufsplan(tabellarisch)
3.2. Durchführung
3.3. Auswertung
3.3.1. Verlauf
3.3.2. Stundenergebnisse
3.3.3. RückmeldungdurchdieLehrkraft
4. Die Reflexion der eigenen Lehrer*innenrolle
4.1. Reflexion der eigenen Rolle
4.2. UmgangmitSchüler*innen
4.3. UmgangmitdemKollegium
4.4. UmgangmitStörungenundKonflikten
4.5. UmgangmitderArbeitsbelastung
4.6. Selbsteinschätzung des eigenen Lern- und Entwicklungsbedarfs
5. Anhang
5.1. VorstellungderPraktikumsschule
5.2. ÜberblicküberdieeigenenTätigkeitenWochenplan
5.3. Beobachtungsprotokolle
5.4. Weitere Stundenverlaufspläne
5.5. Unterrichtsmaterialien21.03.19
5.6. Unterrichtsmaterialien22.03.19
6. Quellenverzeichnis
Im Zeitraum vom 25.02.2019 bis zum 29.03.2019 absolvierte ich im Rahmen des Moduls B.Erz.20 mein Allgemeines Schulpraktikum an einer Grundschule. Obwohl mein Studium auf den gymnasialen Zweig ausgelegt ist, entschied ich mich dazu, mein Praktikum an einer Grundschule zu absolvieren, da ich mir durch einen genaueren Einblick in diese Schulform erhoffte, die letzten Zweifel bezüglich des gymnasialen Zweigs zu verwerfen.
Ziel des fünfwöchigen Praktikums, welches größtenteils aus einem Beobachtungsauftrag bestand, war es, durch einen Perspektivwechsel erstmalig in die Rolle des Lehrers schlüpfen zu können und dadurch vertiefende Einblicke in die Institution Schule zu erlangen.
Meine Erwartungen an das Praktikum gestalteten sich sehr unterschiedlich. Ich erhoffte mir, wie bereits erwähnt, vertiefende Einblicke in den zukünftigen Arbeitsplatz, aber vor allem auch die selbstständige Erprobung im Unterrichten. Ziel war es, Schülerinnen kennenzulernen und deren Verhalten durch explizite Beobachtungen zu analysieren. Auch ein freundliches Arbeitsumfeld in Form eines netten Kollegiums, von dessen Erfahrungen ich profitieren kann, stellte für mich einen relevanten Faktor dar.
Da ich bereits vor dem Studium ein Freiwilligen Sozialen Jahres an einer Förderschule absolvierte, war ich mir immer gewiss, die richtige Berufswahl getroffen zu haben, dennoch war ich dort immer die FSJ’lerin, die viel mehr Bezugs- als Lehrperson war. Aufgrund dessen war es mir wichtig, meine eigene Wirkung auf die Schülerinnen und Lehrkräfte zu überprüfen, das eigene Auftreten zu reflektieren und mehr Sicherheit im Unterrichten zu erlangen. Meine Fragestellung richtete sich also weniger nach der Bestätigung meines Berufswunsches, sondern mehr danach, ob ich auch die entsprechenden Kompetenzen mitbringe. Es war mein Wunsch, neben dem Beobachtungsauftrag auch selbstständig unterrichten zu dürfen, um mich dahingehend in der Planung, Durchführung und Auswertung auszuprobieren. Diese Erwartungen wurden erfüllt, indem ich einen Themenkomplex von drei Einheiten des Deutschunterrichts übernehmen durfte.
Ein weiterer wichtiger Erfahrungsaspekt war die Auswahl des Themas für den Beobachtungsauftrag. Da mich bereits im Vorbereitungsseminar die Thematik des Klassenmanagements gefesselt hat, erhoffte ich mir in meiner Klasse vielfältige Anregungsbereiche dahingehend. Durch die Tatsache, dass die Schule in puncto Klassenmanagement ein Vorreiter ist, wurden meine Hoffnungen mehr als erfüllt.
Der folgende Praktikumsbericht ist aus vier großen Teilkomplexen aufgebaut, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte ins Blickfeld nehmen.
Der erste Teil wird sich mit einer qualitativen Studie befassen, in welcher die Beobachtungsaufgabe bearbeitet wird und somit effektives Klassenmanagement fokussiert. Als theoretische Grundlage sollen hinsichtlich der Beobachtungsanalyse Andreas Wernets Ansätze zur objektiven Hermeneutik und das Verfahren der Sequenzanalyse herangezogen werden. Um ein differenziertes Urteil bilden zu können, werden bezüglich des Klassenmanagements die Studien von Doyle, Ophardt und Thiel, sowie Kounins Techniken der Klassenführung dienen. Den zweiten Themenkomplex bildet die Ausarbeitung der eigenen Unterrichtsstunde, insbesondere hinsichtlich der Planung, Durchführung und Auswertung der Inhalte und des Stundenverlaufs.
Im dritten Teil soll eine detaillierte Selbstreflexion der eigenen Rolle als Lehrkraft folgen. Hier werde ich Themenbereiche wie den Umgang mit Schülerinnen, dem Kollegium, der Arbeitsbelastung oder auch Störungen in den Mittelpunkt stellen.
Die detaillierte Wahrnehmung und Reflexion von Situationen im Schulalltag ist seitjeher eine der relevantesten Kompetenzen des Lehrerberufs. Im Schulpraktikum gilt es, sich erstmals in dieser Kompetenz zu üben, um einen ausdifferenzierten Blick auf die Institution Schule, den Unterricht und den zukünftigen Beruf zu erlangen. Um diese Beobachtungskompetenz zu schulen, habe ich in der ersten Woche vorrangig offene Beobachtungen durchgeführt. Bereits in den ersten Tagen meines Praktikums zeigten sich durch diese offenen Beobachtungen viele Möglichkeiten, besonderes Interesse entwickelte ich jedoch schnell für die Aktivitäten der Lehrkräfte, mit denenjeweils der Unterricht gestaltet, geordnet und gelenkt wurde.
Die Heimatklasse, in der ich hospitierte, eine 4. Klasse, bot hier ein großes Spektrum an verschiedenen Regel-, Ordnungs- und Klassensystemen. Einerseits kristallisierten sich lehrerspezifische Reglements heraus, wie zum Beispiel ein Klatschritual zum Beenden einer Arbeitsphase, um auf simplem Weg die Aufmerksamkeit der Schülerinnen zu erhalten. Andererseits beeindruckte mich die Vielzahl an komplexen Regelsystemen, die nicht nur in meiner Heimatklasse Anwendung fanden, sondern denen auch in den anderen Klassenstufen gefolgt wurde. Ein Beispiel ist das Monstersystem, bei welchem schulinterne Regeln mit Monstern verschiedener Farben assoziiert wurden. Den jeweiligen Schülerinnen, die Schwierigkeiten bei der Einhaltung dieser Regeln haben, wird ein solches zur Selbstkontrolle auf den Schultisch geklebt.
Besonders interessant war die Beobachtung, wie sehr die Anwendung und der Rückbezug auf solche Rituale und Systeme die Lematmosphäre im Klassenraum beeinflusste. Es war ein prägnanter Unterschied zwischen solchen Stunden, in denen die Lehrkraft häufig Bezug auf Systeme nahm und solchen, in denen wenig bis gar kein Rückbezug gegeben war, zu bemerken. Des Weiteren spielt es ebenfalls eine Rolle, welche Lehrkraft Bezug auf die Systeme nahm. Als eine grundlegende Voraussetzung für die Ermöglichung eines förderliches Lemklima kristallisierte sich für mich im Laufe des Praktikums die Errichtung von Ordnungsstrukturen heraus. Da die Heterogenität in Schulen zunimmt, die auf solchen Ordnungsstrukturen beruhenden Prinzipienjedoch nicht an Gültigkeit verlieren und demzufolge die Komplexität des Unterrichts steigt, ist es mit immer mehr Aufwand verbunden, der Klasse ein gutes Lemklima zu ermöglichen.
Hier setzt das sogenannte Klassenmanagement als eine herausfordernde Aufgabe, welches die Lehrkraft auf vielfältige Art beansprucht, an. Wie bereits im Rahmen des Vorbereitungsseminars realisiert, ist eine effektive und durchdachte Umsetzung von Klassenmanagement von besonderer Bedeutung, weshalb ich mir in meiner Arbeit folgende Fragen stellen möchte:
Wodurch gelingt es einer Lehrkraft, Ordnung in das Unterrichtsgeschehen einzugliedern und zu bewahren} Wie können die Lehrerinnen den Lernenden ein nahezu störungs- und ablenkungsfreies Lernen ermöglichen? Woran liegt es, dass komplexe Systeme bei Lehrer A erfolgreich sind, 'während sie bei Lehrer B ohne Ertrag bleiben?
Im folgenden Kapitel fokussiere ich mich nun auf die Analyse einzelner Situationen, in denen Lehrerinnen mehr oder weniger erfolgreich Systeme anwenden, die im Bereich des Klassenmanagements angesiedelt sind, um darauf basierend Antworten auf obige Fragen zu finden.
Zur Bearbeitung meines qualitativen Beobachtungsauftrages hospitierte ich 5 Wochen an einer Grundschule in Göttingen. Meine Heimatklasse, eine 4. Klasse, die kurz vor ihrem Wechsel zur weiterführenden Schule stand, besuchten 19 Schüelr*innen. Mir bot sich die Gelegenheit, während der fünfwöchigen Hospitation diese eine Klasse zu begleiten, wodurch ich schnell eine gute Verbindung zu den Schülerinnen herstellen und Rahmenbedingungen und typische Tagesabläufe zügig erfassen konnte. Sofern ich mich nicht während Arbeitsphasen im Klassenraum bewegt habe, beobachtete ich die Schülerinnen vom hinteren Ende der Klasse aus. Von dort bot sich mir ein guter Blick um sowohl die Schülerinnen als auch die Lehrkraft analysieren zu können.
Für die Beantwortung der in 1.1 aufgeführten Fragestellung entschied ich mich dazu, sogenannte teilnehmende Beobachtungen durchzuführen. Hierbei handelt es sich „nicht um eine Reduktion auf wenige Faktoren [...], sondern um komplexe Zusammenhänge, die durch Feldnotizen und Protokolle festgehalten werden.“1 Auf diese Art und Weise akquiriert man eine unmittelbare Nähe zum tatsächlichen Geschehen und die aktive Teilnahme an der Situation, was besonders bei der Reflexion wissenschaftlicher Erfahrungen von großer Bedeutung ist.
Ebenfalls von großer Relevanz sind nach Breidenstein auch die „Etablierung der Annahmen von Fremdheit“2, welche mit der „Suspendierung von Vertrautheit“3 einhergeht. Schule als bereits bekannte Institution birgt die Gefahr, sich auf bereits vorhandenem Wissen über Handlungsabläufe auszuruhen. Mit Verwendung der oben genannten Methode verband ich die Hoffnung, Schule unter neuen Gesichtspunkten beleuchten zu können.
Nach konkreter Festlegung meiner Fragestellung begann ich, die Schülerinnen und Lehrkräfte gezielter im Hinblick auf diese zu beobachten. Aus stichpunktartigen Beobachtungsnotizen und Tagesprotokollen stellte ich die Beobachtungsprotokolle her, auf denen die folgende regelgeleitete Auswertung basieren soll. Bevor ich jedoch mit dieser beginne, werde ich im Folgenden die Sequenzanalyse nach Wernet mit ihrer Methodik noch einmal genauer beleuchten.
Als methodische Grundlage für die Auswertung des Beobachtungsauftrags dient die von Andreas Wernet aufgestellte Sequenzanalyse. Mit dem Ziel, die regelgeleiteten, latenten Sinnstrukturen der sozialen Wirklichkeit zu rekonstruieren, versteht die Sequenzanalyse die Protokolle als Realität und analysiert diese in Form von einzelnen Sequenzen möglichst objektiv und wertneutral.4
Jede Sequenz soll dabei im Einzelnen betrachtet werden, sodass das Kontextwissen ausgeblendet wird und erst die Betrachtung der nächsten Sequenz Aufschluss über mögliche Deutungen geben kann. Auf diese Art und Weise soll eine vorherige Beeinflussung und unbewusste Interpretation der Sequenz vermieden werden.5
Die objektiv-hermeneutische Textinterpretation richtet sich in ihrer Analyse nach fünf wesentlichen Prinzipien, die im Folgenden mit den wichtigsten Kriterien dargestellt werden sollen. Das Prinzip der Kontextfreiheit basiert darauf, einen Text nicht hinsichtlich des Kontextes zu analysieren, sondern diesen auszublenden und „die Bedeutung der Äußerung als solche zu explizieren.“6 Für die Analyse ist es ausschlaggebend, die Sequenz ohne Beachtung des möglicherweise vorhandenen Vorwissens zu betrachten.7
Betrachtet man die Sequenz unter dem Prinzip der Wörtlichkeit, gilt es darauf zu achten, dass diese Sequenz genauso interpretiert wird, wie sie vorliegt. Jedes einzelne Wort hat die gleiche Relevanz und muss einzeln betrachtet werden, insbesondere wenn Widersprüchlichkeiten vorliegen. Jedes Wort muss auf die Goldwaage gelegt werden.8
Beim Prinzip der Sequentialität muss beachtet werden, dass die Textinterpretation mit dem genauen Ablauf des Protokolls übereinstimmt.9 Das Prinzip der Extensivität besagt, dass man sich lediglich auf kleine Textmengen konzentrieren soll, diese jedoch mit entsprechender Sorgfalt betrachten soll. Die vollständige Interpretation der Textelemente steht im Vordergrund, sodass keine mögliche Hypothese übersehen wird.10
Abschließend ist das Prinzip der Sparsamkeit zu nennen, welches besagt, dass nur die Hypothesen aufgestellt werden sollen, die „mit dem Text kompatibel sind.“11 Es sollen keine willkürlichen Interpretationen gemacht werden, nur solche, die die Sequenz auch hergibt.
Die folgenden Beschreibungen wurden meinerseits ausgewählt, da sie Situationen darstellen, die im Verlauf des Schulpraktikums immer wieder zu beobachten waren. Meiner Ansicht nach dienen sie als repräsentative Beispiele, da sie veranschaulichen, inwiefern etablierte Routinen und Systeme den Unterricht vereinfachen können, Schülerinnen fördern, aber bei inkonsequenter Anwendung auch zu Frustrationen seitens letzterer führen können.
Erste Beobachtung:
Frau R.: „Versammelt euch hinten im Sitzkreis.“
Die zu untersuchende Sequenz beginnt mit dem femininen Substantiv „Frau“, welches eine erwachsene Person weiblichen Geschlechts definiert. Das nachfolgende Kürzel R. steht allein, es ist jedoch anzunehmen, dass es in Zusammenhang mit dem vorangehenden Substantiv gesehen werden kann und dadurch eine spezifische weibliche Person beschreibt. Aus welchem Grund diese weibliche Person hier aufgeführt wird, ist noch unklar. Die dritte Stelle des Satzes ist durch das Verb -versammelt besetzt. Nach der wortwörtlichen Bedeutung bedeutet das Verb, dass Personen in größerer Anzahl zusammenkommen, was durch die hier verwendete 2. Person Plural Präsens des Verbs unterstrichen wird. Die Konjugation des Verbs lässt also die Hypothese zu, dass eine Gruppe gemeint ist, die aufgrund des Kontextzusammenhangs wahrscheinlich durch Frau R. angesprochen wird. Diese Hypothese wird durch das im Mittelfeld folgende euch bestätigt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist klar, dass eine Gruppe sich versammeln soll, um was für eine Art Gruppe es sich handelt und wo diese sich versammeln soll, istjedoch noch unklar. Der Ort wird nun durch die Frau mit dem Adverb hinten zunächst definiert, das folgende und den Satz abschließende im Sitzkreis beschreibt den Versammlungsort noch genauer. In der Sequenz handelt es sich also um die Aufforderung von Frau R. an eine Gruppe, sich in einem Sitzkreis zu versammeln.
Die Schülerinnen stehen nicht auf.
Die Sequenz beginnt mit einem femininen bestimmten Artikel, welcher sich auf das nachfolgende Substantiv Schülerinnen bezieht. Aufgrund der Tatsache, dass dieser bestimmte Artikel verwendet wird, darf man annehmen, dass das Substantiv, auf das sich der Artikel bezieht, bereits zuvor erwähnt oder darauf Bezug genommen wurde. Das Substantiv Schülerinnen, welches hier in geschlechtergerechter Sprache zusammenfassend für die weibliche und männliche Form steht, weist auf Personen in einem Rahmen hin, in dem sie in einem bestimmten Fachbereich von einer Fachperson belehrt werden. Der zusammengefasste Begriff steht außerdem im Plural, weshalb es sich scheinbar um eine Gruppe von Personen handelt. Da es sich um eine Schülerschaft zu handeln scheint, könnte man davon ausgehen, dass eine Klasse gemeint ist.
Die darauffolgende Stelle wird durch das Verb stehen in der 3. Person Plural Präsens besetzt. Das Verb beschreibt die Tätigkeit der vorangegangenen Substantive: Sie befinden sich in einer aufrechten Körperhaltung, das Gewicht liegt auf den Füßen. Die folgende Verneinung nicht, ergänzt durch auf, widerlegt dies jedoch. Die Gruppe, die in dieser Sequenz genauer als Schülerinnen und Schüler charakterisiert wurde, folgt also der Aufforderung, welche in der ersten Sequenz gestellt wurde, nicht.
Frau R. nickt nun in Richtung der letzten Reihe und die Schülerinnen dieser Reihe stehen auf und setzen sich in den Sitzkreis.
Abermals wird Frau R. als Person erwähnt, die der Gruppe Anweisungen gibt. Wie in der zweiten Sequenz herausgearbeitet wurde, handelt es sich um eine Schülerschaft. Aufgrund der erneuten Erwähnung Frau R.s könnte es sich bei ihrer Person um deren Lehrkraft handeln. Die zweite Stelle des Satzes besetzt die 3. Person Singular Präsens des Verbes nicken. Nicken meint wortwörtlich das Heben und Senken des Kopfes, mit dem beispielsweise Zustimmung zum Ausdruck gebracht werden oder wegweisend in eine bestimmte Richtung genickt werden kann. Letzteres ist hier der Fall, welches durch das Satzkonstrukt in Richtung der letzten Reihe gezeigt wird. Eine Richtung beschreibt die Linie einer Bewegung mit einem bestimmten Ziel, welches hier die letzte, also hinterste, Reihe ist. Das Substantiv Reihe bezeichnet eine geradlinige Anordnung von Menschen. Dem voraus geht noch das hier als Adverb verwendete nun (kann auch Partikel oder Konjunktion sein), welches den von der Schreiberin als gegenwärtig gesetzten Zeitpunkt, zu dem etwas eintritt, beschreibt. Im Mittelfeld des Satzes zeigt sich, dass das Nicken der Frau als Reaktion das Aufstehen (stehen auf) der Schülerinnen, erneut in der geschlechtergerecht zusammengefassten Pluralform, auslöst. Stehen, wieder in der 3. Person Plural Präsens verwendet, bezieht sich auf das vorangehende Substantiv und zeigt, dass die Gruppe nun der Aufforderung der Frau aus der ersten Sequenz, nämlich sich im Sitzkreis zu versammeln, folgt. In der zweiten Sequenz schien es, als würden die Klasse dieser nicht folgen. Das dann folgende Pronomen dieser nimmt nach seiner wortwörtlichen Bedeutung Bezug auf etwas bereits Erwähntes. Diese Bedeutung wird durch das folgende, abermals verwendete Substantiv Reihe bestätigt. Die Tätigkeit der Schülerinnen wird jetzt mit dem Verb setzen, 3. Person Plural Präsens, bezeichnet. Die Gruppe verändert ihre Körperhaltung von stehend erneut in sitzend, der Ort des Sitzens wird am Satzende durch im Sitzkreis genauer charakterisiert. Die Sequenz zeigt, dass die letzte Reihe der Klasse nach einem Nicken durch Frau R. der Aufforderung selbiger Folge leistet.
Gleiches -wiederholt sie mit der mittleren und -vorderen Reihe.
Die nun zu untersuchende Sequenz wird mit dem Adjektiv Gleiches eingeleitet. Gleiches meint in dieser Form etwas, das mit dem Objekt, auf das Bezug genommen wird, übereinstimmt. Es impliziert, das im Vorhinein bereits auf das Gleiche(s) Bezug genommen worden sein muss. Darauf folgt das Verb wiederholen in der 3. Person Singular Präsens, welches durch seine Bedeutung, dass ein Vorgang oder auch Tätigkeit abermals durchgeführt wird, die bereits durch Gleiches bedingte Implikation bestätigt. Die dritte Stelle des Satzes ist durch das Pronomen sie besetzt, welches ein feminines Substantiv beschreibt, das schon zuvor erwähnt worden sein muss. Sie, die weibliche Person unbekannter Profession, wiederholt eine Tätigkeit, die sie bereits zuvor durchgeführt hat, mit der mittleren und vorderen Reihe. Das letzte Satzkonstrukt gibt Aufschluss darüber, wer dieser Tätigkeit unterliegt. Die Verwendung der Adjektive mittleren und vorderen ermöglicht eine räumliche Verortung einerseits, andererseits legt sie die Existenz einer hinteren Reihe nahe.
Gemeinsam mit der vorderen Reihe geht die Lehrkraft zum Sitzkreis und setzt sich zwischen zwei Schüler.
In diesem Sequenzabschnitt wird der Satz mit dem Adjektiv gemeinsam eingeleitet. Der Begriff kann zwei Bedeutungen innehaben, einerseits kann etwas mehreren Parteien gehören, andererseits kann etwas in einer Gemeinschaft unternommen werden. Die Präposition mit charakterisiert die Bedeutung des gemeinsam hier als letztere. Durch die erneute Erwähnung der vorderen Reihe wird ein Rückbezug zur vorherigen Sequenz hergestellt. Das Verb geht zusammen mit dem Substantiv die Lehrkraft definiert in dieser Situation dreierlei Dinge. An erster Stelle die Tätigkeit des nachfolgenden Substantivs die Lehrkraft. Aufgrund der verwendeten 3. Person Singular Präsens lässt sich der Bezug klar diesem Substantiv zuordnen. An zweiter Stelle charakterisiert es die Lehrkraft als die Person, die gemeinsam etwas durchführt, nämlich mit der vorderen Reihe. An dritter Stelle beschreibt es also noch die Tätigkeit dieser Reihe und zusätzlich die vordere Reihe als Gegenpart zum gemeinsam. Lehrkraft, nach begrifflicher Bedeutung den Beruf einer Lehrerin/eines Lehrers beschreibend, gibt nun Aufschluss über die Funktion von Frau R. beziehungsweise sie in den vorangehenden Sequenzen. Frau R. übernahm in diesen Sequenzen die anleitende Funktion gegenüber der Schülerschaft, dies legt die Hypothese nahe, dass sie die Profession der Lehrkraft ausführt. Des Weiteren wird abermals der Sitzkreis als Versammlungsort genannt. Das Verb setzt, erneut in der 3. Person Singular Präsens und deshalb auf sie, Frau R., bezogen, beschreibt die Tätigkeit dieser. Sie setzt sich zwischen zwei Schüler. Zwischen bedeutet der wortwörtlichen Bedeutung nach inmitten von etwas, dieses etwas sind hier die Schüler, deren Anzahl als zwei definiert wird. Da der männliche Plural verwendet wird, scheint es sich um zwei Männer unklaren Alters zu handeln. Ob dieses Hinsetzen zwischen die Schüler gezielt oder zufällig ist, wird nicht klar.
Siefordert die Schülerinnen nun auf, sich umzudrehen und auf das Seelenvogel-Barometer zu schauen.
Man kann davon ausgehen, dass mit dem einleitenden sie noch immer FrauR. gemeint ist. Ihre Tätigkeit wird durch das Nvfofordern in der 3. Person Präsens Singular definiert und als Bezug wird der geschlechtergerecht zusammengefassten Begriff Schülerinnen hergestellt. Erneut wird nun verwendet, auch hier wieder mit temporaler Bedeutung. Die ausgesprochene Aufforderung, wird nun genauer durch das Pronomen sich und dessen Ergänzung durch den Infinitiv mit umzudrehen definiert. Umdrehen beschreibt die Umdrehung um die eigene Achse, die Drehung eines Objekts auf die andere Seite oder aber die Wendung des Kopfes um etwas neben oder hinter sich sehen zu können. Die Schülerinnen sollen in dieser Sequenz ihre Blickrichtung verändern, um wie durch das Adverb auf gezeigt, ein bestimmtes Objekt zu fixieren. Dieses Objekt ist das Seelenvogel-Barometer. Das Wort setzt sich aus drei verschiedenen Substantiven zusammen. An erster Stelle kann man das feminine Substantiv Seele in einem Versuch der Definition, der aber nie die Gesamtheit des Begriffes zu beschreiben vermag, als die Psyche eines Menschen mit allen Gedanken, Empfindungen und Gefühlen charakterisieren. Das maskuline Substantiv Vogel beschreibt ein Säugetier mit zwei Füßen und Flügeln, welches im Stande ist zu fliegen. Die dritte Komponente bildet das neutrale Substantiv Barometer. Nach der wortwörtlichen Bedeutung ist ein Barometer ein Luftdruckmesser, im übertragenen Sinn kann es aber auch als ein Objekt genutzt werden, mit dem andere Dinge gemessen werden können. Aufgrund des vorangehenden Substantivs Seelenvogel könnte es in dem Zusammenhang als Maß für die Einschätzung von Gefühlen verwendet werden.
Zweite Beobachtung:
Frau R. steht -vorne an der Tafel.
Die vorliegende Situation zeigt eine feminine Person, Frau R, deren Tätigkeit durch das Verb steht in der 3. Person Singular Präsens beschrieben wird. Der Ort dieser Tätigkeit wird als vorne an der Tafel lokalisiert. Der Begriff Tafel lässt die Hypothese zu, dass es sich um einen Raum handelt, in welchem unterrichtet wird. Ob es sich hierbei um eine schulische Institution mit Klassenraum oder eine universitäre Einrichtung handelt, bleibt offen.
Sie klebt dieAbbildungen zweierMathematikhefte ins „Lege-bereit“-Feld an der Tafel.
Eingeleitet wird die Sequenz mit sie, womit zu einer weiblichen Person, die bereits genannt worden sein muss, Rückbezug hergestellt wird, vermutlich Frau R. Ihre Tätigkeit wird durch das Verb klebt genauer definiert. Die Objekte, die geklebt werden, die Abbildungen zweier Mathematikhefte, könnten ein Indiz dafür sein, dass es sich um eine schulische Institution handelt und es in der folgenden Stunde um den Mathematikunterricht gehen wird. Die Abbildungen werden außerdem in einen spezifischen Bereich der Tafel geklebt, nämlich den „Lege-Bereit“-Bereich. Die wörtliche Bedeutung dieses zusammengesetzten Begriffes, etwas soll bereitgelegt werden, lässt darauf schließen, dass jemand die dort hinein geklebten, abgebildeten Unterrichtsmaterialien bereitlegen soll.
Direkt im Anschluss dreht sie eine auf dem Pult stehende Sanduhr herum, in welcher der Sand zu rieseln beginnt.
Die zu untersuchende Sequenz wird mit einer temporalen Angabe, dass etwas direkt im Anschluss von etwas, vermutlich der Klebung der Abbildungen, ausgeführt wird. Diese Tätigkeit wird folgend als das Umdrehen einer auf dem Pult stehenden Sanduhr durch sie, erneut ein Rückbezug zu vorherigen Sequenzen, genauer beschrieben. In besagter Sanduhr beginnt der darin enthaltene Sand herunter zu rieseln. Die Nutzung einer Sanduhr legt die Vermutung nahe, dass das Bereitlegen der in Sequenz 1 genannten Materialien in einer bestimmten Zeit erfolgen soll.
Frau R. hat noch kein Wort gesagt, die Kommunikation erfolgt auf rein nonverbalem Weg. Die Sequenz wird abermals mit Frau R. eingeleitet. Es wird betont, dass diese alle vorangegangenen Tätigkeiten still ausgeführt habe, sie hat den Schülerinnen die Anweisungen, Materialien bereit zu legen, also ohne lautliche Kommunikation vermittelt.
Die Schülerinnen beginnen zügig ihre Unterrichtsmaterialien bereitzulegen.
Die Gruppe, denen Frau R. diese nonverbalen Anweisungen gegeben hat, wird nun als Schülerschaft definiert. Sie folgen diesen Anweisungen, da ihre Tätigkeit als das Bereitlegen von Unterrichtsmaterialien beschrieben wird. Das Adjektiv zügig zeigt, dass diese Tätigkeit schnell und ohne Stockungen ausgeführt wird.
Noch vorAblauf der Zeit haben alle Schülerinnen diese auf dem Tisch liegen.
Die abschließende Sequenz zeigt, dass noch bevor die Sanduhr abgelaufen ist, die komplette Schülerschaft die Materialien bereitgelegt hat.
Dritte Beobachtung:
Der Schüler J. ruft die Antwort ohne Meldung in den Klassenraum.
Die vorliegende Sequenz wird mit der Nennung des Substantivs Schüler, näher charakterisiert durch J, eingeleitet. Der männliche, von der verwendeten Form auf das Geschlecht schließend, Schüler äußert laut die Antwort ohne Meldung. Zum einen impliziert dies, dass im Vorhinein eine Frage gestellt worden sein muss, möglicherweise im Rahmen eines Klassengesprächs, was durch die Begriffsbedeutung von Schüler naheliegen würde. Zum anderen zeigt es den Regelverstoß des Schülers auf. Der Schüler bricht die Melderegel.
Frau E. geht zum Wettersystem und setzt J. eine Wolke herunter.
Die nun zu untersuchende Sequenz zeigt eine Frau. Da sie handlungsbefugt scheint, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei ihr um die Lehrkraft handelt. Sie bewegt sich innerhalb eines Raumes gehend, mit dem Ziel des Wettersystems. Aufgrund des Begriffes Systems liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein Regelsystem handelt, welches in der Klasse verwendet wird. Gegen dieses Regelsystem hat die zweite Person die genannt wird, ■!.. verstoßen, indem er wie in vorherig gezeigter Sequenz ohne Meldung im Klassenraum etwas gesagt hat. Die Konsequenz dieses Regelbruchs scheint zu sein, dass er in besagtem Wettersystem eine Wolke herabgesetzt wird.
J. schaut zu Boden.
Die Situation zeigt die Reaktion des Schülers J. auf die Handlung der Frau. Er senkt seinen Blick gen Boden, scheint sein Fehlverhalten also einzusehen, da er keine Widersprüche gibt Frau E. blickt noch einmal in J.s Richtung und setzt den Unterricht fort.
Die Sequenz wird abermals mit Frau E. eingeleitet und beschreibt, dass sie nach ihrer Handlung des Heruntersetzens im System erneut zum Schüler J. blickt und seine zuvor beschriebene Reaktion des zu Boden Blickens registriert. Sie geht nicht erneut auf ihn ein, sondern fährt kommentarlos mit dem Unterricht fort.
[...]
1 G. Beck, G. Scholz: Die Schule als Beobachtungsfeld. In: Heike de Boer, Sabine Reh (Hrsg.): Beobachtung in der Schule. BeobachtenLemen. Wiesbaden, 2012. S.85-114.
2 G. Breidenstein: Ethnographisches Beobachten in der Unterrichtspraxis. In: Heike de Boer, Sabine Reh (Hrsg.): Beobachtunginder Schule. BeobachtenLemen. Wiesbaden, 2012. S. 40.
3 Ebd.
4 Vgl. A. Wemet: Einführung in die Interpretationstechnik der objektiven Hermeneutik. 2. Aufl., Wiesbaden, 2006. S.12.
5 Vgl. Ebd. S. 21ff.
6 Ebd. S. 22.
7 Vgl. Ebd. S. 21ff.
8 Vgl. Ebd. S. 23f.
9 Vgl. Ebd. S. 28.
10 Vgl. Ebd. S. 32f.
11 Ebd. S.35.